TE Vwgh Erkenntnis 2007/2/13 2007/18/0020

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Veröffentlicht am 13.02.2007
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Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

ABGB §1332;
AVG §71 Abs1;
ZustG §21 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde des M R in W, geboren 1980, vertreten durch Dr. Helge Doczekal, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Wickenburggasse 3, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 30. November 2006, Zl. SD 1092/06, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand i.A. Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 30. November 2006 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 26. Juli 2006 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist gegen einen Aufenthaltsverbotsbescheid gemäß § 71 Abs. 1 AVG abgewiesen.

Der Beschwerdeführer habe geltend gemacht, von der Hinterlegungsanzeige vom 6. Juli 2006 keine Kenntnis erlangt zu haben. Seine Ehefrau hätte die Hinterlegungsanzeige zusammen mit zugestellten Zeitschriften und Werbematerial "beiseite gelegt", weshalb es ihm nicht möglich gewesen wäre, das Schriftstück bei der Post zu beheben. Erst am Wochenende 22. und 23. Juli 2006 hätte die Gattin die Hinterlegungsanzeige vorgefunden und dem Beschwerdeführer übergeben. Am 24. Juli 2006 hätte er die hinterlegte Sendung behoben. Auf dem RSa-Kuvert wäre der Tag der Hinterlegung nicht vermerkt gewesen.

Nach dem aktenkundigen Rückschein sei beim ersten Zustellversuch ein zweiter Zustellversuch angekündigt und die Ankündigung in das Hausbrieffach des Beschwerdeführers eingelegt worden. Mit der in der Berufung aufgeworfenen Frage, "ob eine Ankündigung des zweiten Zustellversuchs tatsächlich im Hausbrieffach eingelegt wurde", habe der Beschwerdeführer den Beweiswert des Rückscheins nicht relativieren können, habe er doch nicht einmal behauptet, dass keine Ankündigung des zweiten Zustellversuchs erfolgt wäre. Über die Rechtmäßigkeit des Zustellvorgangs bestehe daher kein Zweifel. Bereits durch die anlässlich des gescheiterten ersten Zustellversuchs erfolgte Ankündigung des zweiten Zustellversuchs habe der Beschwerdeführer davon Kenntnis erlangt, dass ihm ein behördliches Schriftstück zugestellt werden solle. Der Beschwerdeführer sei primär verpflichtet gewesen, sich durch entsprechende Dispositionen in die Lage zu versetzen, das Schriftstück beim angekündigten zweiten Zustellversuch zu übernehmen. Dem Beschwerdeführer habe bekannt sein müssen, dass zum angekündigten Termin die Zustellung eines behördlichen Schriftstücks versucht werde.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sei eine besonders sorgfältige Durchsicht eines mit Werbematerial gefüllten Postkastens erforderlich. Aus dem Vorbringen, dass die Gattin des Beschwerdeführers die Hinterlegungsanzeige gemeinsam mit Zeitschriften und Werbematerial beiseite gelegt und 18 Tage lang nicht vorgefunden hätte, ergebe sich, dass die Durchsicht des Postkastens nicht entsprechend sorgfältig vorgenommen worden sei. Aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers ergebe sich, dass der Gattin die Leerung des Briefkastens oblegen sei. Beim Übersehen der Hinterlegungsanzeige handle es sich um ein den minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden seiner Vertreterin. Dies auch deshalb, weil der zweite Zustellversuch angekündigt worden sei und der Beschwerdeführer mit der Zustellung eines behördlichen Schriftstücks habe rechnen müssen.

Aus diesen Gründen liege kein die "Wiederaufnahme" rechtfertigendes unvorhergesehenes Ereignis im Sinn des § 71 AVG vor.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung zu bewilligen, wenn sie glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.

Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinn des § 1332 ABGB zu verstehen. Die Partei, welche die Wiedereinsetzung begehrt, hat einen Wiedereinsetzungsgrund zu behaupten und glaubhaft zu machen. (Vgl. etwa den hg. Beschluss vom 21. September 1999, Zlen. 97/18/0418, 0419.)

2. Der Beschwerdeführer gesteht zu, hinsichtlich der - gemäß § 21 Abs. 2 Zustellgesetz anlässlich des ersten Zustellversuchs zu hinterlassenden - Ankündigung des zweiten Zustellversuchs im Verwaltungsverfahren lediglich die Frage aufgeworfen zu haben, ob diese Ankündigung in das Hausbrieffach eingelegt worden sei. Er meint jedoch, damit konkludent vorgebracht zu haben, dass er von dieser Ankündigung keine Kenntnis erlangt habe. Auf Grund seiner Unkenntnis vom zweiten Zustellversuch stelle der im Verwaltungsverfahren vorgebrachte Umstand, dass seine Gattin die beim zweiten Zustellversuch, der tatsächlich am 4. Juli 2006 stattgefunden habe, in das Hausbrieffach eingelegte Hinterlegungsanzeige gemeinsam mit Werbematerial "beiseite gelegt" habe, für ihn ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis dar. Die belangte Behörde hätte zu seinem Vorbringen die als Zeugin namhaft gemachte Gattin und den Beschwerdeführer selbst einvernehmen müssen.

Hilfsweise werde eingewendet, dass auf dem gegenständlichen RSa-Kuvert das Datum der Hinterlegung nicht vermerkt gewesen sei, weshalb dem Beschwerdeführer die Berechnung der Berufungsfrist nicht möglich gewesen sei.

3. Selbst wenn man das Vorbringen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren dahin interpretiert, dass damit geltend gemacht wurde, der Beschwerdeführer habe von der Ankündigung des zweiten Zustellversuchs keine Kenntnis erlangt, so hat der Beschwerdeführer jedenfalls nicht vorgebracht, dass ihn an der mangelnden Kenntnisnahme dieses Schriftstücks auf Grund bestimmter Umstände nur ein minderer Grad des Versehens treffe. Die mangelnde Klärbarkeit der Frage, ob der Beschwerdeführer von dieser Ankündigung auf Grund eines Versehens minderen Grades keine Kenntnis erlangt hat, geht daher zu Lasten des Beschwerdeführers.

Ausgehend davon, dass der Beschwerdeführer von der Ankündigung des zweiten Zustellversuchs Kenntnis erlangt hat, wäre er - um nicht auffallend sorglos zu handeln - jedenfalls verpflichtet gewesen, die Post des Tages des angekündigten zweiten Zustellversuchs mit besonderer Sorgfalt zu durchsuchen. Der Beschwerdeführer hat aber nach den insoweit unstrittigen behördlichen Feststellungen im Verwaltungsverfahren nicht vorgebracht, sich selbst in irgendeiner Weise - etwa durch Nachfrage bei seine Gattin - um die Poststücke dieses Tages gekümmert zu haben.

Der vorgebrachte Umstand, dass der Beschwerdeführer die zunächst von seiner Frau "beiseite gelegte" Hinterlegungsanzeige erst am 22. oder 23. Juli 2006 erhalten hat, stellt daher keinen Wiedereinsetzungsgrund dar.

4. Der vom Beschwerdeführer behauptete Umstand, dass auf dem RSa-Kuvert der Tag der Hinterlegung nicht vermerkt gewesen sei, stellt schon deshalb keinen Wiedereinsetzungsgrund dar, weil die Hinterlegung nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers bereits am 4. Juli 2006 erfolgte und das Kuvert unstrittig erst am 24. Juli 2006, somit nach Ablauf der Berufungsfrist, behoben worden ist. Der fehlende Hinweis auf den Zeitpunkt der Hinterlegung war daher für die verspätete Berufungseinbringung nicht kausal.

5. Da die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages somit unter Zugrundelegung des Vorbringens des Beschwerdeführers nicht als rechtswidrig anzusehen ist, stellt die behauptete Unterlassung der Vernehmung des Beschwerdeführers und seiner Gattin keinen relevanten Verfahrensmangel dar.

6. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 13. Februar 2007

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2007180020.X00

Im RIS seit

28.03.2007
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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