TE Vfgh Erkenntnis 2002/9/26 B1211/00

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Veröffentlicht am 26.09.2002
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6320 Bienenzucht

Norm

B-VG Art18 Abs1
StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung
EMRK Art7
EG Art28
Krnt BienenG §11
Krnt BienenG §13

Leitsatz

Keine Bedenken gegen die Erforderlichkeit einer Bewilligung der Landesregierung für das Halten von nicht einer bestimmten Rasse angehörenden Bienen sowie gegen die Blankettstrafnorm des Kärntner Bienengesetzes; kein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot; kein Eingriff in die Erwerbsausübungsfreiheit durch den angefochtenen Strafbescheid wegen Nichteinholung der Bewilligung; kein offenkundiger Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Unabhängige Verwaltungssenat für Kärnten erkannte den Beschwerdeführer mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 17. April 2000 schuldig, er habe seit zumindest der 17. Kalenderwoche des Jahres 1999 in dem von ihm zur Benützung gepachteten Bienenstand auf dem Areal des Schlossparkes des Bistums Gurk in Pöckstein, Gemeinde Straßburg, Bezirk St. Veit/Glan, Bienen, die nicht der Rasse Carnica angehörten, ohne Bewilligung der Landesregierung gehalten. Er habe dadurch die Rechtsvorschrift des §11 des Gesetzes vom 9. Februar 1956 über die Haltung, Wanderung und Zucht der Bienen, LGBl. Nr. 16/1956 idgF verletzt. Über ihn wurden eine Geldstrafe und eine Ersatzfreiheitsstrafe verhängt.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der der Beschwerdeführer die Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten sowie in Rechten wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.

Der Beschwerdeführer bringt vor, §11 des Kärntner Bienengesetzes verstoße gegen das Bestimmtheitsgebot des Art18 B-VG, gegen den Grundsatz "nulla poena sine lege" (Art7 EMRK), gegen das Grundrecht auf Freiheit der Erwerbsausübung (Art6 StGG), sowie gegen Art28 EGV.

Er führt dazu im Wesentlichen aus, die Bestimmung des §11 Bienengesetz bestimme lediglich, dass die Zucht oder das Halten von Bienen, die nicht der Rasse Carnica angehörten, der Bewilligung der Landesregierung bedürfe. Dem Gesetz sei jedoch nicht zu entnehmen, unter welchen Voraussetzungen diese Bewilligung zu erteilen sei bzw. an welche Kriterien sich die Landesregierung hierbei zu halten habe. Da die Regelung keine Determinanten enthalte, in welchem Sinne die Vollzugsorgane ihr Ermessen auszuüben hätten, widerspreche die Regelung auch dem Klarheitsgebot des Art7 EMRK. Eine auf §11 Bienengesetz gestützte Bestrafung sei daher unzulässig; sie impliziere darüber hinaus einen Eingriff in das Grundrecht auf Freiheit der Erwerbsausübung, was sich daraus ergebe, dass es dem Imker auf Grund dieser Bestimmung nicht mehr freigestellt sei, nach seinem Ermessen die Bienenvölker zu halten, die für ihn den wirtschaftlich besten Ertrag versprechen würden, sondern dass das Halten von Bienen, die nicht der Rasse Carnica angehörten, an die Bewilligung der Landesregierung geknüpft sei.

§11 Bienengesetz verstoße weiters gegen den Grundsatz der Freiheit des Warenverkehrs nach Art28 EGV, da zwar die Richtlinie 91/147/EWG des Rates vom 25. März 1991 über züchterische und genealogische Bedingungen für die Vermarktung reinrassiger Tiere und zur Änderung der Richtlinien 77/504/EWG und 90/425/EWG in Österreich noch nicht umgesetzt sei, da aber daher gemäß Art2 der Richtlinie bis zum Inkrafttreten etwaiger Durchführungsvorschriften die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften nur unter Beachtung der allgemeinen Bestimmungen des Vertrages anwendbar seien. Aufgrund des Anwendungsvorranges, den das Gemeinschaftsrecht genieße, sei es der belangten Behörde verwehrt gewesen, die Bestimmung des §11 leg. cit. anzuwenden, sodass der angefochtene Bescheid letztendlich ohne Rechtsgrundlage ergangen sei. Eine Erklärung ganz Kärntens zum "Schutzgebiet" für die Rasse Carnica sei nach Ansicht des Beschwerdeführers unangemessen und mit Art28 EGV nicht in Einklang zu bringen; die Voraussetzungen dafür, dass die Regelung des §11 Bienengesetz aus im Art30 EGV angeführten Gründen gerechtfertigt wäre, lägen nicht vor. Es werde angeregt, dem EuGH gemäß Art234 EGV die Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen, ob §11 Kärntner Bienengesetz als nach Art30 EGV durch den Schutz der Gesundheit und des Lebens von Tieren gerechtfertigt anzusehen sei.

Schließlich behauptet der Beschwerdeführer die Verletzung des Grundrechtes auf Freiheit der Erwerbsausübung wegen denkunmöglicher Gesetzesanwendung: die belangte Behörde habe sich im angefochtenen Bescheid implizit die Rechtsansicht des EuGH in der Entscheidung C-67/97 vom 3. Dezember 1998 zu eigen gemacht, welche die dänische Insel Laesoe betreffe. Es handle sich jedoch um eine denkunmögliche Anwendung des Gesetzes, wenn die dort vom EuGH angewendeten Kriterien von der belangten Behörde auf ein österreichisches Bundesland im Ausmaß von Kärnten angewendet würden.

3. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, jedoch keine Gegenschrift erstattet.

4. Die Kärntner Landesregierung hat eine Stellungnahme abgegeben, in der sie den Argumenten des Beschwerdeführers gegen die Verfassungsmäßigkeit des §11 Kärntner Bienengesetz, LGBl. Nr. 16/1956 idF LGBl. Nr. 22/1964, entgegentritt.

Zur behaupteten Verletzung des Rechts auf Freiheit der Erwerbsausübung bringt sie vor, dass dem Beschwerdeführer durch den bekämpften Bescheid weder die Ausübung noch der Antritt der Imkerei untersagt werde. Die Beschränkung der Haltung anderer Bienenrassen als der der Carnica sei nicht geeignet, in das Grundrecht der Erwerbsausübungsfreiheit gemäß Art6 StGG einzugreifen, da die Intention des §11 Kärntner Bienengesetz nicht im Verbot der Erwerbsausübung, sondern in der Erhaltung der Genresourcen und der Leistungsfähigkeit der heimischen Bienen liege. Dies ergebe sich bereits aus den Erläuterungen zum Kärntner Bienengesetz in seiner ursprünglichen Fassung. Selbst wenn die Erwerbsausübungsfreiheit durch die vom Beschwerdeführer bekämpfte Regelung berührt sei, so sei diese Beschränkung im öffentlichen Interesse geboten.

Hinsichtlich der Frage der Präjudizialität des §11 Kärntner Bienengesetz für das vorliegende Verfahren verweist die Landesregierung zunächst auf den normativen Inhalt dieser Bestimmung:

Demnach normiere der erste Satz des §11 die Bewilligungspflicht für die Zucht und das Halten von Bienen, die nicht der Rasse Carnica angehörten; der zweite Satz des §11 lege die Modalitäten der Erteilung der Bewilligung durch die Landesregierung fest. Aus dieser Analyse ergebe sich zweifelsfrei, dass der Sitz des strafwürdigen Verhaltens des Beschwerdeführers nur §11 erster Satz Kärntner Bienengesetz sein könne, welcher das Halten anderer Bienenrassen an eine Bewilligung der Landesregierung knüpfe. Gegenstand des Verwaltungsstrafverfahrens sei das Halten von Bienen ohne Bewilligung, nicht jedoch die Erteilung einer Ausnahmebewilligung. Der vom Beschwerdeführer behauptete Verstoß des §11 leg. cit. gegen Art18 B-VG im Hinblick auf die Erteilung einer Ausnahmebewilligung könne daher mangels Präjudizialität nicht erfolgreich gerügt werden. Es liege auch nicht der Fall vor, dass die Behörde die Bestimmung des §11 (zweiter Satz) leg. cit. über die Erteilung der Ausnahmebewilligung im vorliegenden Verfahren anzuwenden gehabt hätte oder dass die Bestimmung über das Verbot des Haltens ohne Bewilligung und die Bestimmung über die Erteilung der Ausnahmebewilligung eine normative Einheit bildeten, weshalb nur durch die Aufhebung beider Bestimmungen die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes hergestellt werden könnte.

Zu der vom Beschwerdeführer behaupteten Verletzung des Grundsatzes "nulla poena sine lege" (Art7 EMRK) vertritt die Landesregierung die Auffassung, die im Hinblick auf die Erteilung der Ausnahmebewilligung behauptete Unterdeterminiertheit des §11 zweiter Satz leg. cit. sei für die Bestrafung des Beschwerdeführers nicht präjudiziell. Ein Verstoß gegen das Klarheitsgebot des Art7 EMRK sei nicht zu erkennen; §11 erster Satz des Kärntner Bienengesetzes verlange für die Haltung von Bienen, die nicht der Rasse Carnica angehörten, eine Bewilligung der Landesregierung. §13 leg. cit. unterwerfe Übertretungen der Bestimmungen dieses Gesetzes einer Verwaltungsstrafe. Die Pflichten des Normunterworfenen, nämlich die vorherige Einholung einer Bewilligung durch die Landesregierung im Falle des Haltens von Bienen einer anderen Rasse als der der Carnica, ergäben sich daher eindeutig aus dem Gesetz, ohne dass es für die Auslegung der Strafbarkeit des Handelns des Beschwerdeführers irgend eines anderen juristischen Auslegungsmittels bedürfe.

Zur Frage der Vereinbarkeit des §11 Kärntner Bienengesetz mit dem Grundsatz der Freiheit des Warenverkehrs nach Art28 EGV führt die Landesregierung schließlich aus, dem in der Beschwerde dargestellten Sachverhalt sei nicht zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer versucht habe, Bienen anderer Rassen als der der Carnica in Kärnten einzuführen; er habe vielmehr angegeben, die Bienenvölker von seinem Vater geerbt zu haben.

Sie verweist weiters auf die Beantwortung einer Anfrage der Europäischen Kommission vom 26. November 1998 betreffend die Umsetzung der Richtlinie 91/174/EWG des Rates vom 25. März 1991 über züchterische und genealogische Bedingungen für die Vermarktung reinrassiger Tiere und zur Änderung der Richtlinien 77/504/EWG und 90/425/EWG durch bestimmte österreichische Bundesländer, im Zuge derer die Kärntner Landesregierung bereits die Ansicht vertreten habe, dass die Genehmigungspflicht für das Halten anderer Rassen im Sinne des §11 des Kärntner Bienengesetzes im Interesse der Erhaltung der Genresourcen liege, zur Zielerreichung geeignet sei und auch im Sinne der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes angemessen und notwendig sei. Nach Ansicht der Kärntner Landesregierung liege keine Rechtsfrage vor, die gemäß Art234 EGV eine Verpflichtung zur Vorlage an den Europäischen Gerichtshof auslöse.

5. Der Beschwerdeführer erstattete eine Replik.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

1. §11 des Gesetzes über die Haltung, Wanderung und Zucht der Bienen, LGBl. Nr. 16/1956 in der Fassung LGBl. Nr. 22/1964 (idF: Kärntner Bienengesetz) lautet wie folgt:

"§11

Die Zucht oder das Halten von Bienen, die nicht der Rasse Carnica angehören, bedarf der Bewilligung der Landesregierung. Vor Erteilung einer solchen Bewilligung ist die Landwirtschaftkammer zu hören."

§13 leg. cit. lautet:

"§13

Übertretungen der Bestimmungen dieses Gesetzes und der aufgrund dieses Gesetzes ergehenden Verordnungen und Anordnungen werden von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafen bis zu 3.000,--S, im Uneinbringlichkeitsfalle mit Arrest bis zu sechs Wochen bestraft."

2. Die Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet:

2.1. Den vom Beschwerdeführer vorgebrachten Argumenten gegen die Verfassungsmäßigkeit des §11 Kärntner Bienengesetz im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot des Art18 B-VG sowie auf Art7 EMRK ist folgendes zu entgegnen:

Der Verfassungsgerichtshof erkennt gemäß Art140 Abs1 erster Satz B-VG über die Verfassungswidrigkeit eines Bundes- oder Landesgesetzes von Amts wegen, sofern er ein solches Gesetz in einer anhängigen Rechtssache anzuwenden hätte. Im Sinne dieser Verfassungsnorm sind bei einem vom Verfassungsgerichtshof von Amts wegen eingeleiteten Gesetzesprüfungsverfahren jene gesetzlichen Bestimmungen präjudiziell, die von der belangten Behörde bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides in denkmöglicher Weise - wenn auch vielleicht zu Unrecht - angewendet wurden (zB VfSlg. 5373/1966, 8318/1978, 8999/1980, 10.925/1986, 14.078/1995) oder die die belangte Behörde anzuwenden verpflichtet war (zB VfSlg. 10.617/1985, 11.752/1988). Somit begründet nicht nur die Verpflichtung zur Anwendung, sondern auch die faktische Anwendung die Präjudizialität. Im letzten Fall muss allerdings - wie bereits ausgeführt - der Sachverhalt der angewendeten Gesetzesnorm zumindest denkmöglich subsumierbar sein (vgl. VfSlg. 4625/1963, 5373/1966).

§11 erster Satz Kärntner Bienengesetz bestimmt nun, dass die Zucht oder das Halten von Bienen, die nicht der Rasse Carnica angehören, nur mit Bewilligung der Landesregierung zulässig ist; im Verfahren zur Erteilung einer derartigen Bewilligung ist nach §11 zweiter Satz leg. cit. die Landwirtschaftskammer zu hören. §13 leg. cit. erklärt Übertretungen dieses Gesetzes zu Verwaltungsübertretungen unter Androhung einer Geldstrafe bzw. einer Ersatzfreiheitsstrafe.

§11 des Kärntner Bienengesetzes enthält zwei verschiedene Regelungen, und zwar einerseits die Anordnung einer Bewilligungspflicht für das Züchten oder Halten einer anderen als der Carnica-Biene sowie andererseits die Normierung der Voraussetzungen und des Verfahrens zur Erteilung einer derartigen Bewilligung durch die Landesregierung. §13 iVm §11 erster Satz leg. cit. normiert ein Ungehorsamsdelikt: zu bestrafen ist, wer Bienen, die nicht der Rasse Carnica angehören, ohne Bewilligung der Landesregierung züchtet oder hält.

Mit dem bekämpften Bescheid wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe bzw. eine Ersatzfreiheitsstrafe verhängt, da er in einem näher bezeichneten Zeitraum Bienen, die nicht der Rasse Carnica angehörten, ohne Bewilligung der Landesregierung gehalten habe. Da §11 des Kärntner Bienengesetzes die Bewilligungspflicht für das Halten anderer als der Carnica-Bienen normiert, hat sich die belangte Behörde bei der Erlassung dieses Bescheides in denkmöglicher Weise auf diese Bestimmung gestützt. Sie ist daher auch vom Verfassungsgerichtshof anzuwenden.

Im zugrunde liegenden (Straf-)Verfahren jedoch nicht präjudiziell ist die Regelung in §11 zweiter Satz Kärntner Bienengesetz über die Voraussetzungen und das Verfahren zur Erteilung einer Bewilligung für das Halten einer anderen Bienenrasse als jener der Carnica-Biene. Da in dem dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Verwaltungsverfahren nicht über einen Antrag des Beschwerdeführers auf die Erteilung einer derartigen Bewilligung abgesprochen, sondern über den Beschwerdeführer eine Geld- bzw. Ersatzfreiheitsstrafe wegen Übertretung des §11 iVm §13 Kärntner Bienengesetz gerade aufgrund des Fehlens einer Ausnahmebewilligung entgegen der ausdrücklichen Anordnung des §11 erster Satz leg. cit. verhängt wurde, hat die belangte Behörde die Bestimmung des §11 zweiter Satz Kärntner Bienengesetz über die Voraussetzungen für die Erteilung der Bewilligung in diesem Verfahren weder angewendet noch wäre sie zu dessen Anwendung verpflichtet gewesen. Diese Bestimmung des §11 zweiter Satz leg. cit. ist daher im vorliegenden Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof nicht präjudiziell.

Die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Argumente hinsichtlich der mangelnden Determiniertheit des §11 zweiter Satz Kärntner Bienengesetz sowie hinsichtlich der Verletzung des Grundsatzes nulla poena sine lege gehen damit ins Leere.

Wie die Kärntner Landesregierung auch in diesem Punkt zutreffend ausführt, wird durch §11 erster Satz leg. cit. das vom Normunterworfenen erwartete Verhalten, nämlich die Einholung einer Bewilligung der Landesregierung für den Fall des Haltens von Bienen einer anderen Rasse als der der Carnica, hinreichend deutlich bestimmt. Von einer Verletzung des Art7 EMRK kann daher im gegebenen Zusammenhang nicht die Rede sein. Aufgrund der hinreichenden Deutlichkeit der angewendeten Bestimmung und unter Einbeziehung der diesbezüglich entwickelten Grundsätze (vgl. VfSlg. 12.947/1991 mwN) hegt der Verfassungsgerichtshof auch keine Bedenken gegen die Blankettstrafnorm des §13 Kärntner Bienengesetz.

2.2. Der Verfassungsgerichtshof teilt aber auch nicht die in der Beschwerde geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken hinsichtlich der Verletzung des Grundrechtes des Beschwerdeführers auf Freiheit der Erwerbsausübung durch die angewendete Gesetzesbestimmung bzw. durch den bekämpften Bescheid. Wie bereits oben unter 2.1. ausgeführt, handelt es sich im vorliegenden Fall nicht um einen eine Ausnahmebewilligung gemäß §11 Kärntner Bienengesetz versagenden Bescheid, sondern um einen Strafbescheid gemäß §11 erster Satz iVm §13 leg. cit.. Dazu ist zu bemerken, dass eine gesetzliche Anordnung, dass für das Halten bzw. Züchten einer anderen Bienenrasse als der der Carnica eine Bewilligung der Landesregierung einzuholen ist, jedenfalls nicht geeignet ist, den vom Beschwerdeführer behaupteten Eingriff in seine Erwerbsausübungsfreiheit zu begründen. Auf die Frage jedoch, ob eine etwaige Versagung der geforderten Ausnahmebewilligung zu einem solchen Eingriff führen könnte, ist mit Blick auf das zugrunde liegende Beschwerdeverfahren mangels Präjudizialität der diesbezüglichen Gesetzesstellen nicht einzugehen.

2.3. Der Beschwerdeführer behauptet schließlich einen Verstoß des §11 Kärntner Bienengesetz gegen Art28 EGV.

Dazu ist folgendes zu sagen:

Artikel 28 EG-Vertrag (in der Fassung des Vertrages von Amsterdam) lautet:

"Mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen sowie alle Maßnahmen gleicher Wirkung sind zwischen den Mitgliedstaaten verboten."

Der Verfassungsgerichtshof ist nicht zuständig, generelle österreichische Rechtsnormen am Maßstab des Gemeinschaftsrechts zu prüfen. Ein Widerspruch einer generellen österreichischen Rechtsvorschrift zu gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben kann unter bestimmten Voraussetzungen zu ihrer - von allen Staatsorganen incidenter wahrzunehmenden - Unanwendbarkeit (vgl. EuGH 15.7.1964, Rs 6/64, Slg. 1964, 1251, Costa/ENEL; 9.3.1978, Rs 106/77, Slg. 1978, 629, Simmenthal II), nicht aber zu deren Aufhebung (vgl. VfSlg. 15.189/1998, 15.864/2000) führen.

Ein innerstaatliches Organ, das über die betreffende Rechtssache abzusprechen oder die Rechtmäßigkeit des behördlichen Vorgehens zu beurteilen hat, hat die Vereinbarkeit der Norm mit dem Gemeinschaftsrecht freilich nur dann selbst zu beurteilen, wenn diese Frage "derart offenkundig (ist), dass keinerlei Raum für vernünftige Zweifel ... bleibt" (EuGH Rs 283/81 CILFIT, Slg. 1982, 3415 ff, 3429, Rn 16); andernfalls wäre die Frage nach Art234 EGV dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen.

Diese Verpflichtung träfe auch den Verfassungsgerichtshof, wenn er die Frage der Rechtmäßigkeit des behördlichen Vorgehens in seiner Gesamtheit zu beurteilen hätte.

Aufgabe des Verfassungsgerichtshofes ist es nun aber nicht, eine abschließende Prüfung der Frage vorzunehmen, ob die Behörde §11 erster Satz des Kärntner Bienengesetzes zu Recht auf den Beschwerdeführer angewendet hat. Eine vom Verfassungsgerichtshof wahrzunehmende Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte könnte in Anbetracht der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der angewendeten Gesetzesbestimmung nur vorliegen, wenn diese von der belangten Behörde nur zum Schein, also denkunmöglich angewendet worden wäre, weil ihr der zugrunde liegende Sachverhalt unter keinen Umständen unterstellt werden kann. Da verfassungsrechtliche Gründe gegen ihre Anwendbarkeit weder vorgebracht worden noch sonst hervorgekommen sind und ein Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht aus der Sicht des Verfassungsgerichtshofes der Verletzung einfachgesetzlicher Vorschriften gleichzuhalten ist, die wahrzunehmen der Verwaltungsgerichtshof berufen ist, wäre das nur der Fall, wenn der Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht offenkundig wäre und ohne weitere Überlegungen festgestellt werden könnte (vgl. VfSlg. 14.886/1997).

Der Beschwerdeführer behauptet einen Widerspruch von Art11 Kärntner Bienengesetz zu Art28 EGV, wonach mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen sowie alle Maßnahmen gleicher Wirkung zwischen den Mitgliedstaaten verboten sind. Im Lichte der genannten Judikatur des Europäischen Gerichtshofes sowie der Ausführungen der Kärntner Landesregierung und des Beschwerdeführers selbst ist es jedoch nicht offenkundig und jedenfalls erst nach einer Reihe von diesbezüglichen Überlegungen beurteilbar, ob hinsichtlich des Fehlens von Durchführungsvorschriften die gemäß Art2 letzter Satz der Richtlinie 91/174/EWG des Rates vom 25. März 1991 über züchterische und genealogische Bedingungen für die Vermarktung reinrassiger Tiere und zur Änderung der Richtlinien 77/504/EWG und 90/425/EWG unmittelbar anwendbare Vorschrift des Art28 des Vertrages (vgl. auch EuGH 13.3.1984, Rs 16/83, Slg. 1984, 1299, "Bocksbeutel") der Anwendung des §11 Kärntner Bienengesetz auf den Beschwerdeführer entgegensteht. Es ist jedenfalls nicht als denkunmöglich anzusehen, wenn die belangte Behörde im Ergebnis davon ausgegangen ist, dass einer Bewilligungspflicht für das Halten einer anderen Bienenrasse als der der Carnica in Kärnten Gemeinschaftsrecht nicht entgegensteht.

Da die Beantwortung der Frage, ob §11 Kärntner Bienengesetz einen Verstoß gegen die Warenverkehrsfreiheit nach Art28 EGV bewirkt, einer näheren Prüfung bedarf, wird im Ergebnis jedoch nicht jener Grad an Evidenz erreicht, den der - nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zur Verletzung der in Rede stehenden Grundrechte führende - Vorwurf völliger Gesetzlosigkeit behördlichen Verhaltens voraussetzt. Die vom Verfassungsgerichtshof zu beantwortende Frage nach der Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte ist daher ohne Rücksicht darauf zu verneinen, ob die in Rede stehende Vorschrift zu Recht auf den Beschwerdeführer angewendet wurde.

Aufgabe des Verfassungsgerichtshofes ist nur zu entscheiden, ob ein Beschwerdeführer in seinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt wurde. Welche Fragen ein innerstaatliches Organ zu beantworten hat, richtet sich ausschließlich nach den für seine Aufgabe maßgeblichen Vorschriften (EuGH Rs 6/64 Costa/ENEL, Slg. 1964, 1251 ff; 53/79 Damiani, Slg. 1980, 273 ff, 281 und 209-213/84 Asjes, Slg. 1986, 1425 ff, 1460).

Der Gerichtshof sieht sich daher nicht veranlasst, dem Europäischen Gerichtshof die Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen, ob die vom Beschwerdeführer bekämpfte Regelung dem Art28 EGV widerspricht.

3. Die Beschwerde war daher abzuweisen.

4. Kosten an die belangte Behörde als Ersatz des Vorlageaufwandes waren nicht zuzusprechen, da dies im VfGG nicht vorgesehen ist und - wie der Verfassungsgerichtshof schon mehrfach ausgesprochen hat (zB VfSlg. 10.003/1984) - die Bestimmung des §48 Abs2 VwGG im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof nicht sinngemäß anzuwenden ist.

5. Dies konnte ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden (§19 Abs4 erster Satz VfGG).

Schlagworte

Determinierungsgebot, Erwerbsausübungsfreiheit, EU-Recht, nulla poena sine lege, Tierzucht, Verwaltungsstrafrecht, Blankettstrafnorm

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2002:B1211.2000

Dokumentnummer

JFT_09979074_00B01211_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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