TE Vwgh Erkenntnis 2007/2/22 2003/07/0116

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Veröffentlicht am 22.02.2007
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Index

L37131 Abfallabgabe Müllabgabe Sonderabfallabgabe Sondermüllabgabe
Müllabfuhrabgabe Burgenland;
L82401 Abfall Müll Sonderabfall Sondermüll Burgenland;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
83 Naturschutz Umweltschutz;

Norm

AVG §52;
AVG §66 Abs4;
AWG 1990 §29 Abs1 Z3;
AWG 1990 §29;
AWG 2002;
AWG Bgld 1993 §29 Abs1;
AWG Bgld 1993 §29;
B-VG Art10 Abs1 Z12;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Beck, Dr. Hinterwirth, Dr. Enzenhofer und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Chlup, über die Beschwerde der E-GmbH, vertreten durch Dr. Manfred Moser und Mag. Michael Wild, Rechtsanwälte in 7033 Pöttsching, Wr. Neustädter Str. 57, gegen den Bescheid der Burgenländischen Landesregierung, vom 31. Juli 2003, Zl. 5-W-AW1041/36-2003, betreffend Versagung einer Bewilligung nach dem Bgld. AWG 1993, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Burgenland hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin betreibt eine Kompostierungsanlage auf den Grundstücken Nrn. 771, 772/1, 772/2, 775, alle KG DJ, welche mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft N (BH) vom 31. August 1993 wasserrechtlich (befristet bis 15. September 2005) und mit Bescheid vom 20. Jänner 1994 naturschutzbehördlich bewilligt wurde.

Mit Bescheid des Bürgermeisters von D. J. vom 24. November 1993 wurde gemäß §§ 88, 93 und 108 Bgld. BauO i. d.g.F. der Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin die baubehördliche Bewilligung dieser Kompostieranlage erteilt.

Entsprechend der im Akt befindlichen Baubeginnanzeige der Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin wurde am 27. Juni 1994 mit der Ausführung der Errichtung der bewilligten Kompostieranlage begonnen.

Mit Schriftsatz der Abteilung XII/3 beim Amt der Burgenländischen Landesregierung vom 31. März 1994 wurde auf Ersuchen der BH das Ergebnis eines am 27. Jänner 1994 durchgeführten Lokalaugenscheins bei der Kompostierungsanlage betreffend die Einhaltung der Auflagen des obgenannten Bescheides vom 31. August 1993 mitgeteilt. Festgestellt wurde dabei, dass die Anlage ohne die konsensgemäße bauliche Ausführung betrieben worden sei.

Mit Antrag vom 25. Jänner 1999, eingegangen bei der Behörde erster Instanz am 2. Februar 1999, stellte die Beschwerdeführerin als Rechtsnachfolgerin betreffend die "Kompostierungsanlage in der KG DJ, Einreichung nach dem Bgld. Abfallwirtschaftsgesetz" folgendes Ansuchen:

"Sehr geehrte Frau Mag. S. !

Beiliegend übermitteln wir Ihnen entsprechend Ihrer Aufforderung von 11.11.1998, Zl. ....., 4 Projektsparien (A-D) des oben angeführten Einreichprojektes und ersuchen um Bewilligung nach dem Bgld. Abfallwirtschaftsgesetz."

Im den Projektsunterlagen angeschlossenen Technischen Bericht wird dargestellt, dass die projektierte Anlage mit Bescheid vom 31. August 1993 wasserrechtlich bewilligt und mit den entsprechenden baulichen Adaptionen betrieben worden sei.

Und weiter heißt es, in der Anlage werde biogenes Material in Form von Dreiecksmieten kompostiert, zwischengelagert und landwirtschaftlich verwertet bzw. für Rekultivierungsmaßnahmen, im Landschaftsbau etc. verwendet.

Die technische Beschreibung unter Punkt 4.1 "Allgemeines - Einsatzmaterialien" enthält die folgende Auflistung der auf der Anlage zur Herstellung von Kompost eingebrachten und verarbeiteten Materialien:

-

Organische Abfälle aus dem Garten-, Park- und Grünflächenbereich wie Gras-, Baum- und Strauchschnitt, Laub, Nadeln, Blumen, Obst-, Gemüse- und Pflanzenreste

-

Biogene Abfälle gemäß Verordnung des BM für Umwelt, Jugend und Familie über die getrennte Sammlung biogener Abfälle (BGBl. Nr. 68/1992)

-

Kompostierbare, vorsortierte Friedhofsabfälle

-

Tierische Abfälle aus der Kleintierhaltung und Kleintierzucht wie Mist, Einstreu, Tierfutterreste

-

Pflanzliche Rückstände aus der gewerblichen und industriellen Verarbeitung und dem Vertrieb land- und forstwirtschaftlicher Produkte wie Spreu, Rinden, Ernterückstände, überlagerte Lebensmittel, Schälrückstände

-

Organische Materialien aus der land- und forstwirtschaftlichen Tätigkeit wie z.B. Stroh, Schilf, Heu, Wirtschaftsdünger

-

Sonstige kompostierbare Abfälle wie Klärschlamm

-

Zuschlagsstoffe und Strukturmaterial wie Erde, Düngerkalk, Stroh, Holz

Des Weiteren werden die einzelnen Materialien sowie die ihnen jeweils gemäß ÖNORM S 2100 zugeordneten Schlüsselnummern wiedergegeben.

Zusätzlich zu den oben angegebenen und "bereits wasserrechtlich bewilligten Einsatzmaterialien" sollten auch noch die folgenden Abfälle gemäß ÖNORM S 2100, Stand 1. September 1997 kompostiert werden:

Fäkalschlamm aus Hauskläranlagen und Sammelgruben

94303

Schlamm aus der biologischen Abwasserbehandlung der Zellstoff- und Papierherstellung


94803

Pilzmycel

53505

Proteinabfälle

53506

Fette (z.B. Frittieröle)

12302

Pflanzenfasern

58106

Ebenso seien folgende handelsübliche Zuschlagsstoffe zur Einbindung in den Kompostierungsvorgang vorgesehen:

"Hornmehl-Hornspäne, Blutmehl, Rizinusschrot, Knochenmehl, Rohphosphat, Holzasche, kohlensaurer Kalk, Algenkalk, Urgesteinsmehl, Tonmehl (u.a. Betonit), lehmige Erde, Stammkompost, Stroh, Rinde.

Die angelieferten organischen Materialien werden einer natürlichen Rotte zugeführt. Als Rotteverfahren kommt die Mietenkompostierung in Form von Dreiecksmieten zur Anwendung. Als Behandlungsschritte bzw. Verfahren sind folgend angeführte zu nennen:

-

Aussortieren von leicht erfassbaren Ballaststoffen

-

Zerkleinern des Einsatzmaterials

-

Mischen, Wenden und Aufsetzen des Materials

-

Zumischung von Zuschlagsstoffen und Trockensubstanz

-

Siebung des Komposts."

Entsprechend der unter Punkt 7.1 vorgenommenen "Berechnung des theoretisch möglichen Jahresdurchsatzes" ergibt sich bei einer angenommenen Schüttdichte von 500 - 800 kg/m3 der maximale Jahresdurchsatz zu rund 16.000 - 25.000 t/a.

Das vorgelegte Projekt wurde seitens der Behörde erster Instanz dem Amt der Burgenländischen Landesregierung, Abt. 9 - Gewässeraufsicht, zur amtssachverständigen Stellungnahme in wasserfachlicher und abfalltechnischer Sicht vorgelegt sowie der Beurteilung eines verkehrstechnischen sowie eines Amtssachverständigen für Maschinenbau unterzogen.

In dem in weiterer Folge ergangenen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft N (kurz: BH) vom 9. September 2002 heißt es, "der Antrag (der Beschwerdeführerin) auf Erteilung einer Bewilligung einer wesentlichen Änderung einer Abfallbehandlungsanlage auf den Grst. Nr. 771, 772/1, 772/2 und 775, KG DJ wird gemäß § 29 Abs. 1 i.V.m. § 30 Bgld. Abfallwirtschaftsgesetz 1993 i.d.g.F. i.V.m. § 20 Abs. 1 Bgld. Raumplanungsgesetz 1969 i.d.g.F. abgewiesen".

Nach Darstellung der herangezogenen Rechtsvorschriften wurde in der Begründung dieses Bescheides u.a. ausgeführt, dass zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bgld. AWG 1993 am im Spruch genannten Ort bereits eine Abfallbehandlungsanlage betrieben worden sei; genehmigungspflichtig sei daher "eine wesentliche Änderung dieser Anlage". Die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bgld. AWG 1993 bestehende Anlage habe in dem zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes tatsächlich bestehenden Zustand als genehmigt gegolten. Der tatsächliche Umfang der Genehmigung ergebe sich insbesondere aus dem nach dem WRG 1959 ergangenen Bescheid der BH vom 31. August 1993. Das Ansuchen der Beschwerdeführerin vom 2. Februar 1999 (gemeint: 25. Jänner 1999) stelle das Ansuchen um Genehmigung einer wesentlichen Änderung dieser mit Stand vom 1. Jänner 1994 genehmigten Anlage dar. Der Inhalt der wesentlichen Änderung ergebe sich aus den 1999 im AWG-Verfahren eingereichten Unterlagen.

Aus dem vorgelegten technischen Bericht ergebe sich insbesondere, dass zusätzlich zum Bescheid der BH vom 31. August 1993 Abfälle näher genannter Schlüsselnummern kompostiert werden sollten. Die Erweiterung der bei der Kompostierung verwendeten Einsatzmaterialien stelle eine wesentliche Änderung der Abfallbehandlungsanlage dar. Zur Frage, ob die in der dem Ansuchen beiliegenden Baubeschreibung angeführten Änderungen - vom Antragsteller bezeichnet mit "derzeitiger Bestand" - als wesentliche Änderungen im Sinne des § 29 Abs. 1 Bgld. AWG 1993 einzustufen seien, wird unter Hinweis auf ein Amtssachverständigengutachten vom 11. Mai 1995 dargelegt, dass diese - im Bescheid im Einzelnen aufgezählten - Änderungen geeignet seien, die in § 30 Abs. 2 Bgld. AWG 1993 umschriebenen Schutzinteressen zu beeinträchtigen. Abschließend führte die Behörde erster Instanz aus, dass sie gemäß § 20 Abs. 1 Bgld. RPG die Vereinbarkeit der dargestellten wesentlichen Änderung mit dem gültigen Flächenwidmungsplan der Gemeinde D. J. zu prüfen habe. Dabei gelange sie zu der Rechtsauffassung, dass bei der vorliegenden Widmungskonstellation der Grundstücke, auf denen sich die gegenständliche Anlage befinde ("Bauland und Grünland"), eine einheitliche Abfallbehandlungsanlage nicht genehmigt werden könne, weil die Anlage, sei sie eine gewerbliche Betriebsanlage, sei sie ein landwirtschaftlicher Betrieb, nicht widmungskonform genutzt werden könne. Die BH habe sich, weil dem gegenständlichen Antrag auf Grund der Unvereinbarkeit mit der bestehenden Flächenwidmung nicht Folge gegeben werden könne, mit weiteren Genehmigungsvoraussetzungen nicht mehr auseinander zu setzen.

Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Partei Berufung an die belangte Behörde. Die beschwerdeführende Partei wandte sich darin u.a. gegen die Feststellung des erstinstanzlichen Bescheides, die Erweiterung der bei der Kompostierung verwendeten Einsatzmaterialien stelle eine wesentliche Änderung der Abfallbehandlungsanlage dar, mit der Begründung, dass die angeblich wesentlichen Änderungen nur die im Gegensatz zum Wasserrechtsbescheid nunmehr angesuchten Schlüsselnummern beträfen, welche zusätzlich in den Abfallkatalog aufgenommen werden sollten. Unter einem zog die beschwerdeführende Partei in ihrer Berufung den Antrag auf Genehmigung für die Aufnahme dieser Schlüsselnummern zurück.

Des Weiteren wandte sich die Berufung gegen den im erstinstanzlichen Bescheid enthaltenen Verweis auf ein Amtssachverständigengutachten von Mai 1995, weil dort lediglich die theoretischen Möglichkeiten der Gefährdung von Wasser und Luft behandelt würden und die Behörde Ausführungen darüber schuldig bleibe, welche baulichen Änderungen eine theoretische Gefährdung hervorrufen könnten. Sie habe weder dargelegt, welche bauliche Änderung sie festgestellt habe, noch nachgewiesen, welche Gefahren davon ausgehen könnten.

Die Feststellung der erstinstanzlichen Behörde, wonach sich die "Betriebsanlagen auf zwei verschiedenen Flächenwidmungen" befänden, rügte die beschwerdeführende Partei mit der Begründung, dass das von der Behörde zitierte Gutachten weder direkt noch indirekt darauf hinweise, dass es sich um eine nicht teilbare Anlage handle. Schließlich wird in der Berufung angemerkt, dass es keine Änderung der Flächenwidmung seit dem Projektbeginn 1992 gegeben habe.

Die beschwerdeführende Partei begehrte u.a. in der Berufung, die Berufungsbehörde möge den Bescheid erster Instanz ersatzlos aufheben, "da die zur Genehmigung nach dem burgenländischen AWG beantragte Anlage" bereits vor dem Inkrafttreten des Gesetzes am 1. Jänner 1994 bestanden und somit als genehmigt gegolten habe bzw. mangels wesentlicher Änderungen noch immer gelte. Alle über behördliche Vorschriften durchgeführten baulichen Änderungen stellten ebenfalls keine wesentliche Änderung der Anlage dar, weil diese ausschließlich der Verbesserung nach dem jeweiligen Stand der Technik dienten.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 31. Juli 2003 wurde gemäß § 66 Abs. 4 AVG der Spruch des Bescheides der Behörde erster Instanz abgeändert und lautet wie folgt:

"Gemäß §§ 29 und 30 Bgld. Abfallwirtschaftsgesetz 1993 (Bgld. AWG, LGBl. Nr. 10/1994 idF LGBl. Nr. 43/2001) i.V.m. § 20 Abs. 1 Burgenländisches Raumplanungsgesetz (RPG, LGBl. Nr. 18/1969 idF LGBl. Nr. 79/2002/) wird der Antrag der (Beschwerdeführerin) auf Erteilung der Bewilligung nach dem Bgld. AWG für die Kompostierungsanlage auf den Grundstücken Nrn. 771, 772/1, 772/2 und 775, alle KG DJ, abgewiesen."

Ferner wurde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den erstinstanzlichen Bescheid abgewiesen.

In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde u.a. aus, dass die Interpretation des gegenständlichen Antrages durch die Behörde erster Instanz, wonach das Ansuchen der Beschwerdeführerin vom 2. Februar 1999, gemeint sei der Antrag vom 25. Jänner 1999, als Ansuchen um Genehmigung einer wesentlichen Änderung dieser mit Stand vom 1. Jänner 1994 genehmigten Anlage, gemeint sei die gegenständliche Anlage, nach den vorliegenden Verfahrensunterlagen nicht nachvollziehbar sei. Der Antrag vom 25. Jänner 1999 sei unter Hinweis auf die damit vorgelegten Projektsunterlagen gestellt worden, die sowohl in ihren schriftlichen wie auch in ihren planlichen Teilen die gesamte bestehende Anlage umfassten. Dass der ursprünglich gestellte Antrag im Verlauf des Verfahrens (abgesehen von der gegenständlichen Berufung in Punkt A) in irgendeiner Form abgeändert oder eingeschränkt worden sei, sei aus den vorliegenden Unterlagen nicht zu ersehen. Es sei daher davon auszugehen, dass mit dem Ansuchen vom 25. Jänner 1999 um die Erteilung der Bewilligung nach dem Bgld. AWG 1993 für die gesamte Anlage, in baulicher und betrieblicher Hinsicht angesucht worden sei. Die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bgld. AWG 1993 am 1. Jänner 1994 bestehende Anlage habe "in dem zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes tatsächlich bestehenden Zustand als genehmigt" gegolten und es werde der tatsächliche Umfang dieser Genehmigung insbesondere aus dem Wasserrechtsbescheid vom 31. August 1993 im Bescheid erster Instanz nicht näher begründet. Diese Rechtsansicht sei auch aus den Bestimmungen des Bgld. AWG 1993, insbesondere den Übergangsbestimmungen, nicht nachvollziehbar. Die gegenständliche Kompostierungsanlage sei in ihren Baulichkeiten, deren Verwendung sowie in ihren Betriebsabläufen im Wesentlichen im wasserrechtlichen Bewilligungsbescheid vom 31. August 1993 definiert; die Umsetzung sei jedoch erst nach dem Inkrafttreten des Bgld. AWG 1993 erfolgt; die Anlage unterliege daher zur Gänze der Bewilligungspflicht nach diesen Bestimmungen.

Sache im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG und somit Gegenstand der Berufungsentscheidung seien nicht nur irgendwelche näher zu beschreibenden bzw. festzustellenden Anlagenänderungen der gegenständlichen Kompostierungsanlage, sondern die Frage der Bewilligungsfähigkeit der gesamten Anlage, wie sie sich aus dem verfahrensauslösenden Antrag samt Unterlagen ergebe. Eine weitere Konkretisierung, was Angelegenheit der gegenständlichen Berufungsentscheidung und somit Sache des § 66 Abs. 4 AVG sei, ergebe sich aus der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides (unter Hinweis auf den vorletzten Absatz der Begründung, wo es heiße, "da dem vorliegenden Antrag schon auf Grund der Unvereinbarkeit mit der bestehenden Flächenwidmung nicht Folge gegeben werden kann, hat sich die Behörde mit den weiteren Genehmigungsvoraussetzungen nicht mehr auseinander zu setzen") im Zusammenhang mit dem im Spruch des erstinstanzlichen Bescheides zitierten § 20 Abs. 1 Bgld. Raumplanungsgesetz 1969. Daraus folge eindeutig, dass die Behörde erster Instanz die beantragte Bewilligung nach dem Bgld. AWG 1993 lediglich aus dem Grunde der nicht passenden Flächenwidmung verweigert und sich mit anderen Genehmigungsvoraussetzungen nicht mehr auseinander gesetzt habe. Für die belangte Behörde bedeute dies, dass Gegenstand des Berufungsverfahrens und somit der Berufungsentscheidung lediglich die Frage sei, ob die Abweisung des gegenständlichen Antrages aus dem Grunde der Unvereinbarkeit der antragsgegenständlichen Kompostierungsanlage mit der bestehenden Flächenwidmung zu Recht erfolgt sei - diesfalls wäre die Verweigerung der Bewilligung rechtens - oder zu Unrecht. Letzterenfalls wäre jedenfalls eine Zurückverweisung zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde erster Instanz erforderlich, weil die Prüfung weiterer Genehmigungsvoraussetzungen nicht Gegenstand der erstinstanzlichen Entscheidung gewesen sei.

Unbeachtlich und ohne Auswirkung auf das Ergebnis und insbesondere auf die Rechtsschutzinteressen der Beschwerdeführerin sei jedoch der Umstand, dass die belangte Behörde nicht nur über eine wesentliche Änderung der Abfallbehandlungsanlage wie die Behörde erster Instanz, sondern ausgehend vom verfahrensgegenständlichen Antrag über die Bewilligungsfähigkeit der Errichtung der gesamten Anlage, auf Grund der bestehenden Flächenwidmung entscheide. Wie aus dem verfahrensgegenständlichen Antrag und den Ausführungen der erstinstanzlichen Behörde hervorgehe, sei nämlich vom Vorliegen einer einheitlichen Abfallbehandlungsanlage (Kompostierungsanlage) auszugehen.

Die belangte Behörde kommt in der weiteren Begründung des angefochtenen Bescheides zu dem Schluss, dass die antragsgegenständliche Anlage mit der bestehenden Flächenwidmung nicht vereinbar sei.

Im erstinstanzlichen Bescheid sei ausdrücklich bestätigt worden, die zum 1. Jänner 1994 in Betrieb stehende Anlage bedürfe keiner Genehmigung nach dem Bgld. AWG 1993, sondern nur wesentliche Änderungen. Daraus sei für die Beschwerdeführerin schon deshalb nichts zu gewinnen, weil es sich hiebei um nicht rechtskraftfähige Ausführungen in der Begründung eines Bescheides handle, die noch dazu, wie die bisherigen Ausführungen der belangten Behörde gezeigt hätten, als verfehlt anzusehen seien. Die Frage der Genehmigungsfähigkeit der gesamten antragsgegenständlichen Anlage sei im Zusammenhang mit der gegebenen Flächenwidmung zu prüfen gewesen und nicht bloß jene von wesentlichen Änderungen dieser Anlage und zwar unabhängig davon, in welchem Umfang sie vor oder nach dem 1. Jänner 1994, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bgld. AWG 1993, schon errichtet gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die gegenständliche Beschwerde mit welcher die beschwerdeführende Partei Rechtswidrigkeit des Inhaltes, Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und begehrte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Die Beschwerdeführerin replizierte.

Dagegen replizierte die belangte Behörde.

Mit Schriftsatz vom 21. April 2004 begehrte die mitbeteiligte Partei die Zustellung der gegenständlichen Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In der Beschwerde wird insbesondere ausgeführt, dass Gegenstand des gesamten erstinstanzlichen Verfahrens allein jene Anlagenteile gewesen seien, die nach Ansicht der Behörde nach dem 1. Jänner 1994 errichtet bzw. geändert worden seien. Auch der erstinstanzliche Bescheid setze sich allein mit den näher bezeichneten "wesentlichen Änderungen" auseinander. Allein über diese Punkte spreche der Bescheid vom 9. September 2002 ab. Damit habe sich das gesamte erstinstanzliche Verfahren und der erstinstanzliche Bescheid nur auf bestimmte Anlagenteile bezogen und habe daher nur in diesem Umfang überhaupt eine Zuständigkeit der Berufungsbehörde begründet werden können.

Sowohl das Parallelverfahren der belangten Behörde betreffend Wiederherstellung des gesetzmäßigen Zustandes gemäß § 69 Abs. 3 Bgld. AWG 1993, als auch das gegenständliche Verfahren seien eingeschränkt auf den Aspekt der Feststellung von nach dem 1. Jänner 1994 errichteten Anlagenteilen und deren Beseitigung geführt worden. Hier wie dort sei nicht ersichtlich, wie die belangte Behörde überhaupt zu den behaupteten Änderungen komme bzw. wie sie zum Schluss gelange, dass die von ihr angenommenen Änderungen nach dem 1. Jänner 1994 erfolgt seien. Weder habe eine mündliche Verhandlung stattgefunden, noch habe sich die erstinstanzliche Behörde, noch die belangte Behörde mit ihrem diesbezüglichen Vorbringen auseinander gesetzt. Im Übrigen habe die beschwerdeführende Partei in ihrer Berufung auch den Antrag betreffend näher bezeichneter Schlüsselnummern zurückgezogen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid spreche jedoch die belangte Behörde über die gesamte Anlage ab. Der Bescheid sei daher zufolge Verletzung von Verfahrensvorschriften rechtswidrig:

Dass gemäß § 66 Abs. 4 AVG die Berufungsbehörde in der Sache selbst zu entscheiden habe, bedeute, dass sie sich mit der vorliegenden Verwaltungssache in gleicher Weise wie die Behörde erster bzw. unterer Instanz zu befassen habe. Zusammengefasst habe die Berufungsbehörde über sachlich mehr entschieden als Gegenstand der Entscheidung der unteren Instanz gewesen sei. Die Berufungsbehörde sei daher im Umfang der von ihr ausgesprochenen Sachentscheidung nicht zuständig gewesen. Der Bescheid sei daher auch rechtswidrig zufolge Unzuständigkeit der Bescheid erlassenden Behörde.

Um überhaupt zu einer Bewilligungspflicht, d.h. zu einer Anwendbarkeit des Bgld. AWG 1993 zu gelangen, hätte sich die belangte Behörde damit auseinander zu setzen gehabt, ob die von der erstinstanzlichen Behörde nicht beurteilten Anlagenteile überhaupt geeignet gewesen wären, die Schutzinteressen des § 30 Abs. 2 Bgld. AWG 1993 zu tangieren. Die beschwerdeführende Partei habe bereits in ihrer Berufung darauf verwiesen, dass die erstinstanzliche Behörde Ausführungen dazu unterlassen habe - und dies sei auch dem bekämpften Bescheid nicht zu entnehmen -, welche baulichen Änderungen sie festgestellt habe und zu welchen Auswirkungen sie ausgehend von welchen Anlagenteilen komme.

Des Weiteren wendet sich die beschwerdeführende Partei gegen die Ansicht der belangten Behörde, dass die Anlage zur Gänze der Bewilligungspflicht nach dem Bgld. AWG 1993 unterliege, weil die gegenständliche Anlage vor Inkrafttreten des Bgld. AWG 1993 in Betrieb genommen worden sei und die wesentlichen Anlagenteile auch bereits errichtet gewesen seien.

Sämtliche nach dem 1. Jänner 1994 vorgenommenen Maßnahmen stellten eine Anpassung an den Stand der Technik dar. Auf Grund dessen sei die gegenständliche Anlage nicht bewilligungspflichtig nach den einschlägigen §§ 19 ff MüllG 1980. Sofern man nicht schon aus der Inbetriebnahme und aus der bereits erfolgten Errichtung vor Inkrafttreten des Bgld. AWG 1993 zu einer Nichtanwendbarkeit desselben gelange, sei davon auszugehen, dass das MüllG 1980 eine Bewilligungspflicht für öffentliche Müllbeseitigungsanlagen des Müllverbandes, nicht jedoch für private Kompostierungsanlagen enthalten habe.

Dazu ist Folgendes zu sagen:

Wie sich aus dem Wortlaut des dem gegenständlichen Verfahren zu Grunde liegenden Antrages vom 25. Jänner 1999 ergibt, begehrte die beschwerdeführende Partei die Bewilligung der "Kompostierungsanlage in der KG. D. J. ... nach dem Bgld. Abfallwirtschaftsgesetz", wie sie sich aus den angeschlossenen Projektunterlagen darstelle. Einschränkungen hinsichtlich des Umfanges der Bewilligung des vorgelegten Projektes finden sich in dem Schriftsatz nicht. Der Antrag lässt somit keinen vernünftigen Grund daran zu zweifeln, dass die beschwerdeführende Partei eine abfallrechtliche Bewilligung ausdrücklich nach den Vorschriften des Bgld. AWG 1993 begehrte. Ebenso ist in diesem Zusammenhang der belangten Behörde zu folgen, wenn sie im nunmehr angefochtenen Bescheid ausführt, dass die Interpretation durch die Behörde erster Instanz, den gegenständlichen Antrag "als Ansuchen um Genehmigung einer wesentlichen Änderung der gegenständlichen Anlage" zu deuten, nicht nachvollziehbar sei.

Die beschwerdeführende Partei begehrte - wie im angefochtenen Bescheid zutreffend ausgeführt wird - mit dem verfahrensgegenständlichen Antrag die (nachträgliche) abfallrechtliche Bewilligung der gesamten gegenständlichen Anlage in dem zum Antragszeitpunkt bestehenden und sich aus den angeschlossenen Projektunterlagen ergebenden Umfang nach den Vorschriften des Bgld. AWG 1993.

Der dem Verfahren zu Grunde liegende Antrag auf abfallrechtliche Bewilligung des vorgelegten Projektes wurde - wie bereits ausgeführt - mit Schriftsatz vom 25. Jänner 1999 eingebracht und somit das gegenständliche Verfahren anhängig gemacht. Eine Anknüpfung an vor den genannten Zeitpunkten in Kraft stehende Rechtsvorschriften, wie jene des Bgld. MüllG 1980, ist damit nicht gegeben. Eine allenfalls vorliegende Bewilligungspflicht nach landesgesetzlichen Vorschriften kann sich somit nur nach dem mit 1. Jänner 1994 in Kraft getretenen Bgld. AWG 1993 richten.

Davon ausgehend hätte die Behörde erster Instanz jedoch zunächst zu prüfen gehabt, ob die abfallrechtliche Bewilligung der projektierten Anlage antragsgemäß nach den Vorschriften des Bgld. AWG 1993 oder allenfalls nach den Bestimmungen des (Bundes-)AWG 1990 zu erteilen wäre.

Demgegenüber gingen sowohl die erstinstanzliche Behörde als auch in weiterer Folge die belangte Behörde - ohne sich jedoch ausdrücklich mit dieser Frage auseinander zu setzen - davon aus, dass die Beurteilung einer abfallrechtlichen Bewilligung für die gegenständliche Anlage den Vorschriften des Bgld. AWG 1993 unterliege, und nahmen jeweils ihre Zuständigkeit i.S.d.

§ 29 Bgld. AWG 1993 an.

Im gegenständlichen Fall erweist es sich jedoch aus den folgenden Gründen nicht als zweifelsfrei, ob die von den Behörden des Verwaltungsverfahrens angenommene Zuständigkeit nach dem Bgld. AWG 1993 gegeben war:

Gemäß § 29 Abs. 1 Bgld. AWG 1993 in der Stammfassung LGBl. Nr. 10/1994 bedarf die Errichtung oder wesentliche Änderung sowie die Inbetriebnahme einer Abfallbehandlungsanlage, die nicht unter § 29 Abfallwirtschaftsgesetz, BGBl. Nr. 325/1990, zuletzt geändert durch Bundesgesetz BGBl. I Nr. 257/1993, fällt, - unbeschadet der nach anderen Gesetzen erforderlichen behördlichen Bewilligungen - einer abfallrechtlichen Bewilligung der Bezirksverwaltungsbehörde.

Gemäß Art. I Z. 18 der Bgld. AWG-Novelle 1999, LGBl. Nr. 40/2000, wird in § 29 Abs. 1 die Zitierung "BGBl. Nr. 257/1993" durch die Zitierung "BGBl. I Nr. 151/1998" ersetzt.

Mit 2. November 2002 wurde durch das AWG 2002, BGBl. I Nr. 102/2002 das AWG 1990 außer Kraft gesetzt (vgl. § 91 Abs. 4 AWG 2002).

Mit dem AWG 2002 hat der Bundesgesetzgeber u.a. von seiner Bedarfskompetenz hinsichtlich der Behandlung nicht gefährlicher Abfälle zum Zwecke der Vereinheitlichung des Abfallrechtes Gebrauch gemacht (vgl. dazu auch die Erläuternden Bemerkungen zur RV, 984 der Beilagen zu den Sten. Prot. des NR, XXI. GP, S. 67).

Die einschlägigen Vorschriften betreffend die Genehmigungspflicht für die Errichtung, den Betrieb und die wesentliche Änderung von ortsfesten Behandlungsanlagen sowie die Ausnahmen finden sich in § 37 AWG 2002.

Nach § 37 Abs. 3 Z. 3 AWG 2002 sind folgende Behandlungsanlagen und Änderungen einer Behandlungsanlage nach dem vereinfachten Verfahren (§ 50) zu genehmigen:

              "1.      ...

...

3. sonstige Behandlungsanlagen für nicht gefährliche Abfälle, ausgenommen Deponien, mit einer Kapazität von weniger als 10 000 Tonnen pro Jahr;

..."

Gemäß der Übergangsbestimmung des § 77 Abs. 2 AWG 2002 bedürfen Behandlungsanlagen, die gemäß § 37 genehmigungspflichtig sind, keiner Genehmigung nach diesem Bundesgesetz, wenn ein nach der vor In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes geltenden Rechtslage erforderliches Genehmigungs-, Bewilligungs- oder Anzeigeverfahren anhängig oder rechtskräftig abgeschlossen ist. Weitere nach der bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Rechtslage erforderliche Genehmigungs-, Bewilligungs- oder Anzeigeverfahren, die zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens dieses Bundesgesetzes anhängig waren oder nach diesem Zeitpunkt anhängig gemacht wurden, sind nach den jeweiligen Vorschriften abzuführen. Bei Vorliegen aller nach den bis zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens dieses Bundesgesetzes erforderlichen Genehmigungen, Bewilligungen oder Nicht-Untersagungen gelten diese als Genehmigung gemäß § 37. Dies gilt sinngemäß auch für nach den Bestimmungen des AWG 1990 übergeleitete Behandlungsanlagen.

Folgende zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens dieses Bundesgesetzes anhängige Verfahren sind gemäß § 77 Abs. 3 Z. 3 AWG 2002 nach den vor In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes geltenden Vorschriften abzuschließen:

"Verfahren betreffend Behandlungsanlagen, die gemäß § 37 genehmigungspflichtig sind; Abs. 2 zweiter und dritter Satz sind anzuwenden; der Antragsteller kann eine Genehmigung gemäß § 37 beantragen;"

Da das gegenständliche abfallrechtliche Bewilligungsverfahren mit Antrag vom 25. Jänner 1999 anhängig gemacht wurde, gelangen gemäß der Übergangsvorschrift des § 77 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 Z. 3 AWG 2002 im gegenständlichen Fall die Bestimmungen des AWG 2002 nicht zur Anwendung. Vielmehr sind für die Beurteilung einer allfälligen Bewilligungspflicht nach dem (Bundes-)AWG auch die Bestimmungen des AWG 1990 heranzuziehen:

Gemäß § 29 Abs. 1 Z. 3 AWG 1990 bedarf die Errichtung oder wesentliche Änderung sowie die Inbetriebnahme von Anlagen zur thermischen Verwertung oder sonstigen Behandlung von nicht gefährlichen Abfällen oder Altölen, ausgenommen zur stofflichen Verwertung, mit einer Jahreskapazität von mindestens 10.000 Tonnen, einer Genehmigung des Landeshauptmannes.

Da für die Anwendung des § 29 Bgld. AWG 1993 Voraussetzung ist, dass die Anlage gerade nicht unter § 29 des AWG 1990 fällt, wäre daher zunächst zu prüfen gewesen, ob dies im vorliegenden Fall tatsächlich zutrifft.

Nicht unter § 29 Abs. 1 Z. 3 AWG 1990 fallen - unter Außerachtlassung der im Beschwerdefall nicht in Betracht kommenden Anlagen zur thermischen Verwertung - Anlagen zur sonstigen Behandlung von nicht gefährlichen Abfällen mit einer Jahreskapazität von weniger als 10.000 t/a sowie - ohne kapazitätsmäßige Einschränkung - Anlagen zur stofflichen Verwertung.

Im angefochtenen Bescheid finden sich jedoch keine Ausführungen dazu, auf Grund welcher Feststellungen die Behörden des Verfahrens davon ausgingen, dass für die Frage der abfallrechtlichen Bewilligung der gegenständlichen Anlage die Vorschriften des Bgld. AWG 1993 zur Anwendung gelangten.

Die entsprechenden Ausführungen im erstinstanzlichen Bescheid beschränken sich darauf, dass gemäß § 2 Abs. 9 Bgld. AWG 1993 unter Abfallbehandlung die Verwertung (stofflich, energetisch) und die sonstige Behandlung von Abfällen (biologisch, thermisch, chemisch-physikalisch, Ablagerung auf Dauer) zu verstehen sei. Und weiter heißt es im erstinstanzlichen Bescheid, dass die Durchführung eines Rotteprozesses, in dem Materialien, die den Schlüsselnummern der ÖNORM S 2100 zuzuordnen seien, zu Kompost verarbeitet würden, eine Behandlung von Abfällen darstelle. Die Behörde erster Instanz ging in der Folge vom Vorliegen einer Abfallbehandlungsanlage aus, die unter die Bewilligungspflicht des § 29 Bgld. AWG 1993 falle. Eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob die Abfallbehandlungsanlage unter § 29 Abs. 1 Z. 3 AWG 1990 fiele, findet sich im erstinstanzlichen Bescheid nicht. Auch die belangte Behörde ist im angefochtenen Bescheid darauf nicht eingegangen.

Ferner ist anzumerken, dass der im vorgelegten Projekt angegebene Jahresdurchsatz den im AWG 1990 für eine Bewilligungspflicht nach diesen Bestimmungen festgelegten Grenzwert von 10.000 t pro Jahr für Anlagen zur sonstigen Behandlung nicht gefährlicher Abfälle überschreitet.

Demgemäß ist aber von einer Bewilligungspflicht nach den bundesabfallrechtlichen Vorschriften nur dann nicht auszugehen, wenn es sich bei der gegenständlichen Anlage um eine solche "zur stofflichen Verwertung" handelt, deren abfallrechtliche Bewilligung ohne kapazitätsmäßige Einschränkung nicht den bundesrechtlichen Vorschriften unterliegt.

Was der Bundesgesetzgeber unter einer "stofflichen Verwertung" versteht, hat er im AWG 1990 nicht definiert. Ebenso wenig wird die Qualität der Abfälle, die unter diese Begriffsbestimmung fallen, erläutert.

In der Literatur zum AWG 1990 wird die Ansicht vertreten, es liege eine "stoffliche Verwertung" dann vor, wenn ein Abfall unmittelbar zur Herstellung eines neuen Produktes eingesetzt werde bzw. die aus einem Abfall gewonnenen Stoffe nachweislich eingesetzt würden. Bei einer stofflichen Verwertung müsse ein nach dem Verwertungsvorgang gewonnener Stoff nachweislich einer zulässigen Verwendung zugeführt werden. Der gewonnene Stoff müsse ein marktfähiges Produkt mit entsprechenden Qualitätsanforderungen darstellen (vgl. Kind/List/Schmelz, AWG Abfallwirtschaftsgesetz (1999), S 102, Pkt. XIII. 6 zu § 2).

Ob es sich bei der von der Beschwerdeführerin in der gegenständlichen Kompostierungsanlage vorgenommenen Abfallbeseitigung tatsächlich um eine "stoffliche Verwertung" im dargelegten Sinne handelt, hätte jedoch der näheren Begründung - basierend auf einer entsprechenden fachkundigen Beurteilung - bedurft.

In Ermangelung dessen kann vom Verwaltungsgerichtshof im Rahmen seiner nachprüfenden Kontrolle nicht nachvollzogen werden, auf Grund welcher Feststellungen die Behörden des Verfahrens davon ausgegangen sind, dass es sich bei der gegenständlichen Kompostierungsanlage um eine Anlage handelte, die - wie im angefochtenen Bescheid implizit angenommen wird - nicht unter die Bestimmung des § 29 AWG 1990 fällt.

Da die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage die entsprechenden Feststellungen nicht getroffen hat, belastete sie ihren Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Wenngleich der Spruch des erstinstanzlichen Bescheides auf Abweisung des Antrags auf Erteilung einer Bewilligung "einer wesentlichen Änderung einer Abfallbehandlungsanlage" auf näher genannten Grundstücken nach dem Bgld. AWG 1993 lautete, ist aus den die gesamte Anlage umfassenden Projektsunterlagen der beschwerdeführenden Partei, die dem Antrag zu Grunde lagen, aber auch aus dem Gesamtzusammenhang mit der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides zu ersehen, dass die Behörde erster Instanz nicht nur über "wesentliche Änderungen" dieser Anlage, sondern über die beantragte Anlage in ihrem gesamten Umfang entschied. So wird etwa in der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides darauf hingewiesen, dass sich die Änderung der verwendeten Einsatzmaterialien auf die gesamte Anlage beziehe. Im Zusammenhang mit der Widmung (Bauland und Grünland) wird u. a. ausgeführt, dass "eine einheitliche Abfallbehandlungsanlage", die alle genannten Grundstücke umfasse, nicht genehmigt werden könne, weil - wie auch immer man "die Anlage" beurteile - das jeweilige andere Grundstück nicht widmungskonform genutzt werden könne. Aus der Anlagenbeschreibung im Sachverständigengutachten vom 9. Februar 2002 gehe hervor, dass es sich "um eine einheitliche - u.a. wegen des Abfallbehandlungsprozesses nicht teilbare - Anlage" handle. Es widerspreche dem grundsätzlichen Konzept des RPG, dass sich ein "einheitlicher Betrieb" über zwei grundlegend verschiedene Widmungskategorien erstrecke.

Da die Behörde erster Instanz - wie aus diesen Ausführungen zu ersehen ist - de facto über die gesamte beantragte Anlage entschied, überschritt die belangte Behörde durch die im angefochtenen Bescheid vorgenommene Spruchänderung - entgegen der in der Beschwerde vertretenen Rechtsansicht - nicht die "Sache" des Verfahrens i.S. des § 66 Abs. 4 AVG. Die in diesem Zusammenhang gerügte Rechtsverletzung liegt daher nicht vor.

Da der angefochtene Bescheid aus den dargelegten Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war, erübrigt es sich auch, auf das weitere Beschwerdevorbringen näher einzugehen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 22. Februar 2007

Schlagworte

Sachverständiger Erfordernis der Beiziehung Besonderes FachgebietBeschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere RechtsproblemeBeschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Änderung von Anträgen und Ansuchen im BerufungsverfahrenBesondere RechtsgebieteAuslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2Auslegung unbestimmter Begriffe VwRallg3/4VerfahrensbestimmungenBeschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Bindung an den Gegenstand des vorinstanzlichen Verfahrens AllgemeinBesondere verfahrensrechtliche Aufgaben der Berufungsbehörde Spruch des Berufungsbescheides

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2003070116.X00

Im RIS seit

27.03.2007

Zuletzt aktualisiert am

01.09.2015
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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