TE Vwgh Erkenntnis 2007/2/27 2004/01/0588

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Veröffentlicht am 27.02.2007
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Index

41/02 Staatsbürgerschaft;

Norm

StbG 1985 §10 Abs1 Z1;
StbG 1985 §10 Abs4 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Mag. Nedwed und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerde des A R S M E in K, vertreten durch Dr. Farhad Paya, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Herrengasse 12, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 8. November 2004, Zl.-1W-PERS-7662/4-2004, betreffend Verleihung der Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Kärnten hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers vom 26. April 2004 auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG) ab.

Diese Entscheidung begründetet sie - zusammengefasst - damit, der Beschwerdeführer sei 1990 erstmals nach Österreich gekommen; in den Folgejahren bis 1999 weise sein Wohnsitz jährlich lange Unterbrechungszeiten auf; zu diesen Zeiten habe er angegeben, sich in der Heimat (Ägypten) bei der Familie aufgehalten zu haben. Der Beschwerdeführer sei (parallel zu diesen Zeiten) auch bei der Sozialversicherung abgemeldet worden; dennoch habe er vorgebracht, dass der Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen auch während der Zeiten seiner Abwesenheit in Österreich gewesen sei; hinsichtlich seiner Tätigkeit bei der "Printmedienkolportage" habe er sich vertreten lassen.

Über Vorhalt der durchgeführten Ermittlungen, wonach kein ununterbrochener Hauptwohnsitz in der Dauer von zehn Jahren festgestellt worden sei, habe der Beschwerdeführer (durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter) vorgebracht, es bestünden seit 1990 unbefristete Verträge mit "Kolpo" und mit "KolMedia", wodurch (für ihn) ein regelmäßiges Einkommen gegeben sei. Die Abmeldung bei der Gebietskrankenkasse und die "polizeiliche Abmeldung" seien nur deshalb erfolgt, um Kosten zu sparen; nach seinen Aufenthalten in Ägypten sei er (immer) wieder "zurück an sein Zuhause und seinen Arbeitsplatz in Österreich gekehrt".

In sachverhaltsmäßiger Hinsicht stellte die belangte Behörde fest, die polizeiliche Wohnsitzmeldung des Beschwerdeführers weise folgenden Unterbrechungen aus: "28. Dezember 1993 bis 6. Juni 1994, 16. Dezember 1994 bis 13. April 1995, 15. Dezember 1995 bis 26. April 1996, 20. Dezember 1996 bis 2. Mai 1997, 18. Dezember 1997 bis 23. April 1998 und 11. Dezember 1998 bis 12. April 1999". Während dieser Abwesenheitszeiten habe der Beschwerdeführer auch sein Sozialversicherungsverhältnis gekündigt, sodass "keinerlei Existenzgrundlage" in Österreich verblieben sei. Es habe kein Nachweis dafür erbracht werden können, dass in dem in den Jahren 1991 bis 1999 als "Hauptwohnsitz" angemieteten Zimmer persönliche Gegenstände des Beschwerdeführers zurückgeblieben seien und ihm dieses Zimmer "während der Aufenthalte in Ägypten zur Verfügung gestanden wäre"; der Vermieter sei verstorben, die Rechtsnachfolgerin habe darüber keine Angaben machen können und die betreffenden Unterlagen seien bereits vernichtet worden. Von der Rechtsnachfolgerin sei jedoch bestätigt worden, dass "die Miete durchgehend eingelangt sei". Damit sei für die belangte Behörde aber nicht bewiesen, ob diese Zahlungen der Beschwerdeführer oder sein Vertreter (in der "Printmedienkolportage") entrichtet habe. Die "KolMedia" habe bestätigt, dass bei bestehenden Verträgen mit Kolporteuren die Leistung nicht persönlich erbracht werden müsse; die "Kolpo" habe bestätigt, dass der Beschwerdeführer in den Jahren 1998 und 1999 keine Honorare bezogen habe. Somit sei bewiesen, dass der Beschwerdeführer sich "über lange Zeiträume nicht in Österreich aufgehalten hat, keinen gemeldeten Wohnsitz aufwies und so auch kein persönlicher oder beruflicher Lebensmittelpunkt in Österreich gegeben war". Am 4. Februar 1994 habe der Beschwerdeführer in Ägypten geheiratet; er habe mit seiner Frau drei Kinder; zumindest während der "oben angeführten Zeiträume" sei dort der Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen gewesen. Die belangte Behörde komme zu dem Ergebnis, dass vor 1999 kein ununterbrochener Hauptwohnsitz bestanden habe. Bei der jeweiligen Ausreise des Beschwerdeführers seien alle Beziehungen zu Österreich als aufgelöst zu betrachten gewesen; für seine Rückkehr bzw. einen konkreten Zeitpunkt (einer Rückkehr) habe es keine Anhaltspunkte gegeben. Der Beschwerdeführer habe aber davon ausgehen können, im Falle seiner Rückkehr nach Österreich wieder als Kolporteur tätig sein zu können, und damit eine Verdienstmöglichkeit zu haben, "die es im Heimatland nicht gibt". Weder die Frist des § 10 Abs. 1 Z 1 StbG noch jene des § 10 Abs. 4 Z 1 leg. cit. (in der Dauer von sechs Jahren) sei erfüllt, weshalb eine Verleihung der Staatsbürgerschaft nicht in Betracht komme.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde, zu der die belangte Behörde eine Gegenschrift erstattete, hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 StbG - in der hier noch anzuwendenden Fassung vor der Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005, BGBl. I Nr. 37/2006, - kann die Staatsbürgerschaft einem Fremden verliehen werden, wenn er seit mindestens zehn Jahren seinen Hauptwohnsitz ununterbrochen im Bundesgebiet hat. Von dieser Voraussetzung kann nach § 10 Abs. 4 Z 1 StbG schon nach einem sechsjährigen ununterbrochenen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet bei Vorliegen eines besonders berücksichtigungswürdigen Grundes (im Sinne des Abs. 5 leg. cit.) abgesehen werden.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geht der einmal an einem Ort im Inland begründete Hauptwohnsitz nicht durch jeden Auslandsaufenthalt wieder verloren, sofern der Lebensmittelpunkt des Verleihungswerbers auch während dieser Zeit im Bundesgebiet erhalten bleibt (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 21. März 2006, Zl. 2004/01/0266, mwN).

Wie der Verwaltungsgerichtshof in dem zitierten Erkenntnis, auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, ausführte, erfordert die Aufrechterhaltung des Lebensmittelspunktes im Bundesgebiet in subjektiver Hinsicht die Beibehaltung der Absicht des Verleihungswerbers, den Lebensmittelpunkt in Österreich zu haben ("animus domiciliandi"). Wird ein solcher Wille aufgegeben, vermag auch das Fortbestehen von Lebensbeziehungen zu Österreich einen Hauptwohnsitz im Inland nicht aufrecht zu erhalten. Umgekehrt reicht der bloße Wille, seinen Lebensmittelpunkt im Bundesgebiet zu erhalten, oder die Absicht, (irgendwann) nach Österreich zurückzukehren, zur Beibehaltung eines Hauptwohnsitzes nicht aus, wenn objektive Anknüpfungspunkte für einen solchen in Österreich nicht (mehr) gegeben sind. In objektiver Hinsicht setzt das Fortbestehen eines Hauptwohnsitzes im Bundesgebiet nämlich voraus, dass der Einbürgerungswerber Beziehungen zum Inland aufrecht erhält, die bei einer Gesamtbetrachtung seiner beruflichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebensumstände den Schluss rechtfertigen, er habe seinen Lebensmittelpunkt nach wie vor in Österreich.

Bedeutsame Kriterien dieser Gesamtbetrachtung sind nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Aufrechterhaltung einer Wohnmöglichkeit im Inland während der Zeit des Auslandsaufenthaltes und die - etwa aufgrund von Wiedereinstellungszusagen des österreichischen Arbeitgebers - beruflich gesicherte Stellung im Bundesgebiet (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 21. März 2006, sowie ihm folgend die hg. Erkenntnisse jeweils vom 9. Mai 2006, Zlen. 2003/01/0157, 2003/01/0252, 2003/01/0587, 2004/01/0313, und 2004/01/0148, sowie vom 8. Juni 2006, Zl. 2003/01/0135).

Im Beschwerdefall verneinte die belangte Behörde das Vorliegen eines "Hauptwohnsitzes" an der vom Beschwerdeführer in den Jahren 1991 bis 1999 gemieteten Räumlichkeit (Zimmer) mit der Begründung, es würden Nachweise dafür fehlen, dass persönliche Gegenstände des Beschwerdeführers (in diesem Bestandobjekt) zurückgeblieben seien und die Mietzinszahlungen von ihm (gemeint: persönlich) geleistet wurden.

Dabei ließ die belangte Behörde jedoch unberücksichtigt, dass - ungeachtet der ins Treffen geführten Umstände - während der Auslandsaufenthalte der Beschwerdeführer seine Wohnmöglichkeit in Österreich aufrecht erhielt und er an diese nach seinen Auslandsaufenthalten (in Ägypten) jeweils zurückkehrte. Die Aufrechterhaltung einer Wohnmöglichkeit im Inland konnte daher nicht verneint werden (vgl. hiezu das bereits zitierte Erkenntnis Zl. 2004/01/0148, wonach nicht einmal eine "eigene" Wohnung erforderlich gewesen wäre).

Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass im angefochtenen Bescheid ausdrücklich festgestellt wurde, der Beschwerdeführer habe davon ausgehen können, im Falle seiner Rückkehr wieder als Kolporteur tätig sein zu können, er habe damit eine Verdienstmöglichkeit in Österreich gehabt. Die belangte Behörde hat dieser beruflich gesicherten Stellung des Beschwerdeführers im Bundesgebiet jedoch - in Verkennung der Rechtslage - keine rechtliche Bedeutung beigemessen.

Nach dem Gesagten hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 27. Februar 2007

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2004010588.X00

Im RIS seit

28.03.2007
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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