TE Vfgh Beschluss 2002/9/30 B1293/02

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Veröffentlicht am 30.09.2002
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Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

VfGG §33
ZPO §146 Abs1
ZPO §148 Abs2

Leitsatz

Abweisung eines Wiedereinsetzungsantrags; Zurückweisung der Beschwerde als verspätet

Spruch

1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.

2. Die Beschwerde wird als verspätet zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Mit dem bekämpften Bescheid vom 30. Jänner 2002, zugestellt am 25. Februar 2002, wies die Niederösterreichische Landesregierung die Vorstellung gegen einen an die Beschwerdeführerin gerichteten Bescheid des Gemeinderats der Marktgemeinde Strasshof an der Nordbahn ab, dessen Spruch lautet:

"Es wird Ihnen als Eigentümerin des auf dem Grundstück Nr.161/2, KG Strasserfeld (ÖBB-Kleingartenanlage WEST), Los Nr. 72, errichtete Gebäude gemäß §35 Abs2 Z. 1 1. Fall NÖ Bauordnung 1996 in Verbindung mit §20 Abs1 Z. 6 NÖ Bauordnung und §6 Abs1 und 2 NÖ Kleingartengesetz der baupolizeiliche Auftrag erteilt:

1.) die bei diesem Gebäude errichteten Zubauten und zwar die Einhausung der an das Gebäude in südöstlicher Richtung anschließenden Terrasse, einen vorgesetzten Vorraum und den Wintergarten sowie

2.) das in südöstlicher Ecke dieser Kleingartenfläche errichtete Nebengebäude (genutzt für die Kleintierzucht) mit einer Grundfläche von 16,5 m² abzubrechen."

2.1. Dagegen richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte, am 13. August 2002 zur Post gegebene Beschwerde.

2.2. Die Beschwerde wurde nach Ablauf der in §82 Abs1 VerfGG 1953 normierten sechswöchigen Frist eingebracht. Die Beschwerdeführerin stellt daher gleichzeitig den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist, den sie wie folgt begründet:

"Die Beschwerdeführerin war bis zum 5. August 2002, somit auch nach Zustellung des [bekämpften Bescheides], anwaltlich nicht vertreten. Die Beschwerdeführerin ist nicht rechtskundig.

Seit Juni 1999 sind gegen Pächter [derselben Kleingartenanlage] baupolizeiliche Verfahren gemäß §35 (2) NÖ BauO 1996 anhängig. Seit diesem Zeitpunkt ist der Verband der [Kleingartenanlage] bemüht, im Zuge eines Verfahrens zur Änderung des örtlichen Raumordnungsprogrammes die Widmung der von baupolizeilichen Verfahren gemäß §35 (2) NÖ BauO 1996 betroffenen Gebäude - darunter auch von jenem der Beschwerdeführerin - als erhaltenswerte Gebäude im Grünland zu erreichen und so eine rechtliche Absicherung dieser Bauwerke in deren bestehender Form zu bewirken.

Im Zuge dieser Bemühungen hat J S, der Obmann des Verbandes der [Kleingartenanlage], für den 8. April 2002 die Jahreshauptversammlung des Verbandes der [Kleingartenanlage] einberufen, auf deren Tagesordnung u.a. Gespräche mit den zuständigen Baubehörden mit dem Ziel, die Durchführung der bereits erlassenen baupolizeilichen Bescheide gemäß §35 (2) NÖ BauO 1996 'aufzuschieben' sowie die Erörterung eines 'Sondervertrages' mit der NÖ Landesregierung und dem Bürgermeister der Marktgemeinde Strasshof, inhaltlich dessen eine Verbauung der Parzellen von mehr als 35 m² - somit auch die Zulässigkeit des von der Beschwerdeführerin veränderten Gebäudes - ermöglicht werden sollte, gesetzt wurde.

Der Bürgermeister der Marktgemeinde Strasshof an der Nordbahn [...] hat bereits vor Zustellung des [bekämpften Bescheides] im Februar 2002 auf Einladung der Vereinsleitung sein Kommen sowie Gesprächsbereitschaft hinsichtlich anhängiger baupolizeilicher Verfahren gemäß §35 (2) NÖ BauO 1996 zugesagt. Dies hat J S auch umgehend der Beschwerdeführerin zur Kenntnis gebracht, sodass diese der Meinung war, das gegen sie anhängige baupolizeiliche Verfahren gemäß §35 (2) NÖ BauO 1996 und so auch der ihr zuletzt zugestellte [bekämpfte Bescheid] vom 30. Jänner 2002 seien für die Dauer der nunmehr eingeleiteten Gespräche 'ausgesetzt'.

Ganz kurzfristig hat der Bürgermeister der Marktgemeinde Strasshof an der Nordbahn sein Erscheinen bei der Jahreshauptversammlung abgesagt.

Der Beschwerdeführerin haben jedoch in weiterer Folge J S sowie A J, Bezirksobmann des Verbandes der ÖBB Landwirtschaft, versichert, dass das Verfahren zur Sicherung des Bestandes des vom [bekämpften Bescheid] betroffenen Hauses in Gang gesetzt worden sei.

So hat auch Dipl.-lng. Dr. M F, ein vom Verband der [Kleingartenanlage] mit der Untersuchung von Änderungsmöglichkeiten des bestehenden Flächenwidmungsplanes beauftragte[r] Raumplaner, in seiner bereits im November 2000 fertiggestellten Untersuchung abschließend den Antrag gestellt, im Zuge des nächsten örtlichen Raumordnungsprogrammes unter anderem auch das Gebäude der Beschwerdeführerin als erhaltenswertes Gebäude im Grünland zu widmen.

Dipl.-lng. Dr. F hat in weiterer Folge auch den Mitgliedern des Verbandes der [Kleingartenanlage], darunter der Beschwerdeführerin, berichtet, dass auf Grund dieses Antrages bereits ein Verfahren laufe.

Auf Grund dieser Versicherungen der fachkundigen Berater und der zuständigen Behördenvertreter hat die Beschwerdeführerin darauf vertraut, dass die Erhebung der Beschwerde gemäß Art144 B-VG bis auf weiteres nicht erforderlich sei.

Die Beschwerdeführerin leidet seit April 2002 zudem unter starken Schmerzen und bedarf aus diesem Grund auch laufend schmerzstillender Injektionen sowie ärztlicher Behandlung.

Die Beschwerdeführerin ist durch ihr Leiden auch in ihrer Beweglichkeit eingeschränkt, weshalb für [sie] das Aufsuchen rechtlicher Ratgeber außer Haus sehr beschwerlich ist. Schon aus diesem Grund trifft die Beschwerdeführerin an der Versäumung der Frist gemäß §82 (1) VfGG zur Erhebung der Beschwerde gemäß Artikel 144 B-VG lediglich ein minderer Grad des Versehens."

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen

Versäumung der sechswöchigen Beschwerdefrist ist nicht begründet:

1.1. Da das VerfGG 1953 in seinem §33 die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 dieses Gesetzes die entsprechenden Bestimmungen des §146 Abs1 ZPO idF der Zivilverfahrens-Novelle 1983, BGBl. 135/1983, sinngemäß anzuwenden: Danach ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein "unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis" an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozesshandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für sie den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozesshandlung zur Folge hatte.

Im vorliegenden Fall behauptet die Antragstellerin einerseits, sie habe aufgrund der Versicherungen "fachkundiger Berater" und zuständiger Behördenvertreter bisher keine Beschwerde an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts erhoben.

Diesem Vorbringen ist zu entgegnen, dass das durch Dritte geweckte Vertrauen darauf, dass die Erhebung einer Beschwerde gemäß Art144 B-VG bis auf weiteres nicht erforderlich sei, kein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis im Sinne des §146 Abs1 ZPO darstellt.

Wenn die Einschreiterin andererseits darauf verweist, sie leide seit April 2002 unter starken Schmerzen, bedürfe laufend schmerzstillender Injektionen sowie ärztlicher Behandlung und sei in ihrer Beweglichkeit eingeschränkt, so tut die Einschreiterin einerseits nicht deutlich dar, wann "das Hindernis, welches die Versäumung verursachte, weggefallen ist" (§148 Abs2 ZPO). Andererseits haben diese - nach ihren eigenen Aussagen wohl fortbestehenden - Umstände die Einschreiterin offensichtlich nicht gehindert, letztlich doch einen Rechtsanwalt zu kontaktieren, sodass sie auch aus diesem Grund nicht durch ein "unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis" bei höchstens "minderem Grad des Versehens" an der Beschwerdeerhebung gehindert war.

Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher nicht zu bewilligen.

2. Die Beschwerde wurde erst nach Ablauf der sechswöchigen Beschwerdefrist (§82 Abs1 VerfGG 1953) erhoben (s. oben, I.2).

Sie war daher als verspätet zurückzuweisen.

3. Bei diesem Verfahrensergebnis erübrigt es sich, über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, abzusprechen.

4. Dies konnte gemäß §33 und §19 Abs3 Z2 litb VerfGG 1953 ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

VfGH / Wiedereinsetzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2002:B1293.2002

Dokumentnummer

JFT_09979070_02B01293_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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