TE Vwgh Erkenntnis 2007/3/27 2006/06/0340

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Veröffentlicht am 27.03.2007
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Index

L37156 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Steiermark;
L82000 Bauordnung;
L82006 Bauordnung Steiermark;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

BauG Stmk 1995 §118 Abs1 Z6;
BauRallg;
VStG §21 Abs1;
VStG §5 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Khozouei, über die Beschwerde der EH in G, vertreten durch Dr. Andreas Konrad, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Radetzkystraße 6/II, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 24. August 2006, GZ. UVS 30.17-94/2006-12, betreffend Übertretung gemäß Stmk. BauG (weitere Partei: Steiermärkische Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt G vom 24. März 2006 wurde der Beschwerdeführerin zur Last gelegt, sie habe zumindest in der Zeit vom 30. August 2004 bis 4. Februar 2005 die Wohnung top 12 in dem mit Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt G vom 17. September 2001 bewilligten baulichen Objekt auf der Liegenschaft in G, S-Straße 1, ohne Benützungsbewilligung benützt. Wegen Verletzung des § 118 Abs. 1 Z. 6 Stmk. Baugesetz 1995 wurde über die Beschwerdeführerin eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 365,-- (fünf Tage Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

Die belangte Behörde wies die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführerin dem Grunde nach ab; hinsichtlich der verhängten Strafe wurde der Berufung dahingehend Folge gegeben, dass über die Beschwerdeführerin gemäß § 19 i.V.m. § 20 VStG eine Strafe von EUR 181,50, im Uneinbringlichkeitsfall zwei Tage und zwölf Stunden Ersatzarrest, verhängt wurden.

Die belangte Behörde führte im Wesentlichen aus, dass der Mietvertrag vom 26. September 2003 während der Bauphase im Jahr 2003 abgeschlossen und die verfahrensgegenständliche Wohnung nach Abschluss der Bauarbeiten im August 2004 ordnungsgemäß übergeben worden sei. Normadressat des Verbotes, eine bewilligungspflichtige bauliche Anlage vor Erteilung der Benützungsbewilligung zu benützen, sei gemäß der Regelung in § 118 Abs. 1 Z. 6 Stmk. Baugesetz 1995 derjenige, der eine bauliche Anlage ohne Benützungsbewilligung benütze. Dafür, dass eine Verwaltungsübertretung nach dieser gesetzlichen Bestimmung nur vom Objekteigentümer, Bauwerber oder Vermieter begangen werden könne, finde sich im Stmk. BauG kein Anhaltspunkt. Der Eigentümer einer baulichen Anlage könne vielmehr wegen konsensloser Benützung dieser Anlage durch einen Dritten nur als Gehilfe im Sinne des § 7 VStG bestraft werden; Täter seien die Wohnungsbenützer (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 8. Juli 1963, Zl. 755/62). Der Ansicht der Beschwerdeführerin, die Strafbestimmung des § 118 Abs. 1 Z. 6 Stmk. BauG richte sich nicht gegen den Benützer, sondern gegen denjenigen, der das Bauwerk benützen lasse, könne nicht gefolgt werden.

Darauf, dass die Beschwerdeführerin die in Rede stehende Wohnung gutgläubig angemietet bzw. übernommen habe, komme es nicht an, weil es nicht um die Vorwerfbarkeit des Anmietens, sondern um jene des Benützens ohne Benützungsbewilligung gehe (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 17. November 1994, Zl. 93/06/0178). Wenn die Beschwerdeführerin meine, sie habe keine wie immer geartete Rechtsmöglichkeit gehabt, um Erteilung der Benützungsbewilligung anzusuchen bzw. den Vermieter hiezu zu zwingen, so sei ihr entgegenzuhalten, dass der Mangel einer baubehördlichen Benützungsbewilligung des Mietobjektes ein Rechtsmangel sei, den der Mieter innerhalb der Gewährleistungsfrist geltend machen könne (Hinweis auf Judikatur des Obersten Gerichtshofes).

Da einem Mieter zumutbar sei, dass er sich über die ihn betreffenden Rechtsvorschriften informiere, könne das Vorbringen der Beschwerdeführerin, sie habe keine Kenntnis von der fehlenden Benützungsbewilligung gehabt, keinen entschuldbaren Rechtsirrtum begründen. Da die Beschwerdeführerin unbestritten die in Rede stehende Wohnung im Tatzeitraum ohne Vorliegen einer Benützungsbewilligung benützt habe, habe sie auch die ihr zur Last gelegte Verwaltungsübertretung subjektiv und objektiv zu verantworten.

Da der vorliegende Verwaltungsstraftatbestand ein Ungehorsamsdelikt im Sinne des § 5 Abs. 1 VStG darstelle, habe die Beschwerdeführerin glaubhaft zu machen, dass sie an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden treffe. Die Beschwerdeführerin habe mit ihrem Vorbringen nicht aufzeigen können, dass sie alles in ihren Kräften stehende (Ausschöpfung der tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten) unternommen habe, um ihren gesetzlich auferlegten Pflichten nachkommen zu können. Es sei ihr daher nicht gelungen, mangelndes Verschulden oder einen entschuldbaren Rechtsirrtum darzulegen.

Da nach Ansicht der belangten Behörde die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich überwiegen würden, habe die gesetzliche Mindeststrafe unter Anwendung des § 20 VStG - wie im Spruch ersichtlich - reduziert werden können. Die Anwendung des § 21 Abs. 1 VStG sei nicht möglich gewesen, da die Schuld des Beschuldigten nur dann als geringfügig zu beurteilen sei, wenn das tatbildmäßige Verhalten des Täters hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt erheblich zurückbleibe. Dies treffe nicht zu.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Im vorliegenden Beschwerdefall kommt das Stmk. BauG 1995, LGBl. Nr. 59 in der Fassung LGBl. Nr. 78/2003 (Stmk. BauG), zur Anwendung.

Gemäß § 118 Abs. 1 Z. 6 Stmk. Baugesetz  ist mit Geldstrafe von EUR 363,-- bis EUR 1.435,-- zu bestrafen, wer bauliche Anlagen ohne Benützungsbewilligung benützt.

Gemäß § 38 Abs. 1 leg. cit. hat der Bauherr nach Vollendung von Neu-, Zu- oder Umbauten (§ 19 Z. 1) von Garagen (§ 19 Z. 3 und § 20 Z. 2 lit. b), von Neu-, Zu- oder Umbauten von Kleinhäusern (§ 20 Z. 1) und von Hauskanalanlagen oder Sammelgruben (§ 20 Z. 3 lit. g) und vor deren Benützung um die Erteilung der Benützungsbewilligung anzusuchen.

Gemäß Abs. 3 dieser Bestimmung hat die Behörde mit schriftlichem Bescheid darüber zu entscheiden, ob und von welchem Zeitpunkt an die bauliche Anlage benützt werden darf.

Gemäß Abs. 6 dieser Bestimmung ist die Benützungsbewilligung zu erteilen, - wenn die bauliche Anlage der Bewilligung entspricht,

-

bei Vorliegen geringfügiger Mängel unter der Vorschreibung von Auflagen oder

-

wenn die Ausführung vom genehmigten Projekt nur geringfügig abweicht.

Gemäß Abs. 8 dieser Bestimmung hat die Behörde, wenn eine bauliche Anlage ohne Benützungsbewilligung benützt wird, die Benützung zu untersagen.

Unbestritten ist im vorliegenden Fall, das die verfahrensgegenständliche Wohnung ohne Vorliegen einer Benützungsbewilligung von der Beschwerdeführerin benutzt wurde.

Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass sie zu keinem Zeitpunkt Kenntnis davon gehabt habe, dass das Objekt, das von ihr benützt worden sei, über keine Benützungsbewilligung verfüge. Dies sei ihr mit der Zustellung der Strafverfügung vom 18. März 2005 zur Kenntnis gekommen. Danach habe sie sofort von ihrem Vermieter die Behebung dieses Zustandes begehrt. Die belangte Behörde begründe nicht, worin das Verschulden der Beschwerdeführerin gelegen sei. Ihr sei von der Vermieterin zu keinem Zeitpunkt gesagt worden, dass für die Wohnung keine Benützungsbewilligung vorliege. Sie hätte beim Einzug in das Objekt (Ende August 2004) nicht den geringsten Grund gehabt, daran zu zweifeln, dass das Mietobjekt über keine (offensichtlich gemeint: eine) Benützungsbewilligung verfüge. Der Umstand, dass sie bei der Vermieterin nicht nachgefragt habe, ob eine Benützungsbewilligung vorliege, könne - da objektiv für sie kein Grund vorgelegen sei, daran zu zweifeln - keinesfalls zu ihren Lasten gehen. Eine Erkundungspflicht des Mieters könne diesem wohl nur dort auferlegt werden, wo es objektive Anhaltspunkte für eine mögliche fehlende Benützungsbewilligung gebe, keinesfalls bei einem Objekt, bei welchen man nach objektiven Kriterien unter keinen Umständen mit einer fehlenden Benützungsbewilligung zu rechnen habe.

Der Vermieter habe im Verfahren angegeben, dass er auf Grund der Übernahmebestätigung die ordnungsgemäße Übergabe der Wohnung bestätigt habe. Unter ordnungsgemäßer Übergabe der Wohnung verstehe die Beschwerdeführerin und auch der Vermieter, dass das Objekt über eine aufrechte Benützungsbewilligung verfüge. Da nicht nur auf Grund von objektiven Kriterien kein Zweifel an einer mangelnden Benützungsbewilligung anlässlich ihres Einzuges gegeben gewesen sei, sondern auch der Vermieter ihr zumindest indirekt zu erkennen gegeben habe, dass eine Benützungsbewilligung tatsächlich vorliege, sei der Straftatbestand durch ihr Verhalten nicht verwirklicht worden. Würde man der Argumentation der belangten Behörde folgen, so würde die Verpflichtung eines jeden Einzelnen soweit gehen, dass bei jeder Benützung einer Baulichkeit, vollkommen gleichgültig aus welchem Rechtstitel, eine Erkundigungspflicht gegenüber den Verantwortlichen bestünde, ob dieses Gebäude über eine aufrechte Benützungsbewilligung verfüge.

Gemäß § 5 Abs. 1 VStG genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder eine Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Es handelt sich bei den verfahrensgegenständlichen Verwaltungsstraftatbestand um einen Tatbestand, zu dem der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört (sogenanntes Ungehorsamsdelikt). Im vorliegenden Fall hatte daher die Beschwerdeführerin gemäß § 5 Abs. 1 VStG glaubhaft zu machen, dass sie an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Die maßgebliche Frage ist also, ob die Beschwerdeführerin, ohne dass ihr mangelnde Sorgfalt vorwerfbar wäre, auf Grund der ordnungsgemäßen Übergabe der Wohnung nach Fertigstellung des Objektes durch den Vermieter auf das Vorliegen einer Benützungsbewilligung für das Objekt schließen konnte. Dies ist zu verneinen. Die belangte Behörde stellt in diesem Zusammenhang zu Recht fest, dass es nicht von Bedeutung ist, wenn die Beschwerdeführerin die in Rede stehende Wohnung gutgläubig angemietet bzw. übernommen hat, da es nicht um die Vorwerfbarkeit des Anmietens (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. November 1994, Zl. 93/06/0178) oder der Übergabe, sondern um jene des Benützens ohne Benützungsbewilligung geht. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in dem hg. Erkenntnis vom 22. September 1993, Zl. 93/06/0126, im Zusammenhang mit einem gleichartigen Delikt nach der Tiroler Bauordnung ausgesprochen, dass sich der Beschwerdeführer, der das in Frage stehende Verkaufsgeschäft von einem Unternehmen geleast hatte, vor Benützung dieses Verkaufsgeschäftes zu vergewissern habe, ob die erforderliche Benützungsbewilligung vorliege. In diesem Sinne hätte sich auch die Beschwerdeführerin vor der Benützung der Wohnung beim Vermieter vergewissern müssen, ob auch bereits die Benützungsbewilligung für das Gebäude erteilt wurde. Angesichts der allein den Mieter treffenden gesetzlichen Verwaltungsstrafnorm des § 118 Abs. 1 Z. 6 Stmk. BauG betreffend das Benützen einer baulichen Anlage ohne Vorliegen der Benützungsbewilligung hätte die Beschwerdeführerin als Mieterin diese Frage ausdrücklich mit dem Vermieter klären müssen. Hinzu kommt, dass Gegenstand eines Mietvertrages bzw. der ordnungsgemäßen Übergabe einer gemieteten Wohnung allein die privatrechtliche Berechtigung zur Nutzung dieser Wohnung betrifft. Über die Einhaltung bestehender öffentlich-rechtlicher Verpflichtungen kann sich aus der ordnungsgemäßen Übergabe einer Wohnung allein nichts ergeben.

Zur Nichtanwendung des § 21 Abs. 1 VStG hat die belangte Behörde zutreffend darauf verwiesen, dass die Schuld des Beschuldigten nur dann geringfügig ist, wenn das tatbildmäßige Verhalten des Täters hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt erheblich zurückbleibt (vgl. u.a. die in Walter-Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze II2, S. 388 in E 5 angeführten hg. Erkenntnisse). Davon kann im vorliegenden Fall keine Rede sein, weil die Beschwerdeführerin angesichts des Umstandes, dass sie unmittelbar nach Fertigstellung des Objektes in die Wohnung eingezogen ist, nicht jedenfalls davon ausgehen konnte, dass eine Benützungsbewilligung vorliege. Der Mieter hat sich jedenfalls in einem derartigen Fall vor Benützen einer gemieteten Wohnung zu vergewissern, ob eine Benützungsbewilligung vorliegt.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 27. März 2007

Schlagworte

Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Allgemein BauRallg9/1Andere Einzelfragen in besonderen Rechtsgebieten Baurecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2006060340.X00

Im RIS seit

11.05.2007

Zuletzt aktualisiert am

31.03.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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