TE Vwgh Erkenntnis 2007/3/29 2005/16/0095

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Veröffentlicht am 29.03.2007
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §212;
BAO §217 Abs1;
BAO §238 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pfau, über die Beschwerde der R Gesellschaft mbH & Co KG in W, vertreten durch Fellner Wratzfeld & Partner, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Schottenring 12, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates vom 24. Februar 2005, Zl. ZRV/0138-Z1W/04, betreffend Zahlungserleichterung gemäß § 212 BAO in einer Angelegenheit der Mineralölsteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Gesellschaft hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte dieses Verfahrens wird auf das Erkenntnis vom 11. November 2004, Zl. 2004/16/0028, verwiesen, mit dem der Verwaltungsgerichtshof den Bescheid der belangten Behörde vom 2. Dezember 2003 wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben hat, weil die belangte Behörde zu der von der beschwerdeführenden Gesellschaft eingewendeten Einhebungsverjährung keine Feststellungen getroffen hat. Insbesondere fehlten Feststellungen über den Beginn der Verjährung und die von der belangten Behörde behaupteten Unterbrechungshandlungen.

In dem nunmehr angefochtenen (Ersatz)Bescheid hat die belangte Behörde zu der - ausschließlich noch strittigen - Verjährungsfrage folgende Feststellungen getroffen:

"Auf dem Abgabenkonto Nr. 096-0012 der (beschwerdeführenden Gesellschaft) haften Abgaben in der Höhe von S 21,529.322,04 (EUR 1,564.596,85) aus, die aus rechtskräftigen Bescheiden gemäß § 201 BAO vom 20. August 1990 über die Festsetzung von Mineralölsteuer in der Gesamthöhe von S 73,702.684,00 resultieren.

Die Mineralölsteuer wurde im Jahre 1990 fällig. Die Verjährung beginnt folglich mit Ablauf des Jahres 1990.

Mit Bescheid vom 19. Dezember 1991 hat das Finanzamt für Verbrauchsteuern und Monopole Wien die Berufungen gegen die Mineralölsteuerbescheide 1987, 1988, 1989 und 1990 gemäß § 256 Abs. 3 BAO als gegenstandslos erklärt.

Im Dezember 1991 und im Jahre 1992 hat die Finanzlandesdirektion für Wien, NÖ u. Bgld. Amtshilfeersuchen an mehrere Finanzbehörden (Finanzlandesdirektion für Kärnten, Finanzamt Villach, Finanzamt Mödling, Finanzamt Ried-Innkreis) gerichtet.

Im April 1992 ist ein Vorhalt der Finanzlandesdirektion für Wien, NÖ u. Bgld. an die (beschwerdeführende Gesellschaft) ergangen.

Das Hauptzollamt Wien hat der (beschwerdeführenden Gesellschaft) mit Bescheid vom 11. Juli 1995 Säumniszuschläge in der Gesamthöhe von S 430.587,00 vorgeschrieben.

Mit Schreiben vom 15. März 1996 ... ersuchte das Hauptzollamt Wien das Finanzamt für den 3. u. 11. Bezirk ... um Übermittlung von Unterlagen betreffend das Abgabenkonto der (beschwerdeführenden Gesellschaft).

Im Jahre 1997 hat das Hauptzollamt Wien das Ansuchen der (beschwerdeführenden Gesellschaft) um Stundung abgewiesen.

Im Jahre 1998 ist die Berufungsvorentscheidung des Hauptzollamtes Wien ergangen.

Im Dezember 2003 hat der Unabhängige Finanzsenat die Berufungsentscheidung erlassen."

Es stehe daher fest - so die belangte Behörde zusammenfassend -, dass auf Grund dieser Unterbrechungshandlungen nach § 238 Abs. 2 BAO keine Einhebungsverjährung eingetreten sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Die beschwerdeführende Gesellschaft erachtet sich dadurch in ihren Rechten verletzt, dass die Verjährung nicht von Amts wegen beachtet worden sei.

Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Darauf hat die beschwerdeführende Partei repliziert.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In ihrer Gegenschrift zur Beschwerde gesteht die belangte Behörde - rechtlich zutreffend - zu, dass der Bescheid des Finanzamtes für Verbrauchsteuern und Monopole Wien vom 19. Dezember 1991, die Amtshilfeersuchen in den Jahren 1991 und 1992 sowie der Vorhalt der Finanzlandesdirektion für Wien Niederösterreich und Burgenland im April 1992 die Einhebungsverjährung nicht unterbrochen haben.

Anders als die beschwerdeführende Gesellschaft in ihrer Beschwerde meint, hat jedoch die Vorschreibung eines Säumniszuschlages mit Bescheid vom 11. Juli 1995 die Verjährung aus folgenden Gründen unterbrochen:

§ 238 Abs. 1 und 2 BAO in der hier maßgebenden Fassung BGBl. Nr. 312/1987 lautet:

"(1) Das Recht eine fällige Abgabe einzuheben und zwangsweise einzubringen, verjährt binnen fünf Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Abgabe fällig geworden ist, keinesfalls jedoch früher als das Recht zur Festsetzung der Abgabe.

(2) Die Verjährung fälliger Abgaben wird durch jede zur Durchsetzung des Anspruches unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlung, wie durch Mahnung, durch Vollstreckungsmaßnahmen, durch Bewilligung einer Zahlungserleichterung oder durch Erlassung eines Bescheides gemäß §§ 201 und 202 unterbrochen. Mit Ablauf des Jahres, in welchem die Unterbrechung eingetreten ist, beginnt die Verjährungsfrist neu zu laufen."

Auszugehen ist im Beschwerdefall von einer Fälligkeit der Mineralölsteuer im Jahre 1990. Die Einhebungsverjährung wäre demnach nur dann unterbrochen, wenn bis zum 31. Dezember 1995 eine Unterbrechungshandlung gesetzt worden wäre.

Als Unterbrechungshandlung kommt der Bescheid des Hauptzollamtes Wien vom 11. Juli 1995 in Frage, mit dem ein Säumniszuschlag - unstrittig die im Jahre 1990 fällige Mineralölsteuer betreffend - in der Höhe von S 430.587,-- vorgeschrieben wurde.

Während die beschwerdeführende Gesellschaft in diesem Bescheid keine Maßnahme zur Durchsetzung der fälligen Abgaben, sondern die Festsetzung einer anderen Abgabe, sieht, wertet die belangte Behörde unter Bezug auf Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes den Säumniszuschlag als Druckmittel zur rechtzeitigen Erfüllung der Abgabenentrichtungspflicht.

Nach ständiger Rechtsprechung genügt es für die Unterbrechungswirkung einer Amtshandlung im Sinne des § 238 Abs. 2 BAO, dass sie nach Außen in Erscheinung tritt und erkennbar den Zweck verfolgt, den Anspruch gegen einen bestimmten Abgabenschuldner durchzusetzen, ohne dass es darauf ankommt, ob die Amtshandlung zur Erreichung des angestrebten Erfolges konkret geeignet war und ob der Abgabenschuldner von der Amtshandlung Kenntnis erlangte (vgl. das Erkenntnis vom 26. Februar 2003, Zl. 2002/13/0223).

Neben den im Gesetz selbst beispielsweise aufgezählten Maßnahmen (Mahnung, Vollstreckungsmaßnahmen, Bewilligung einer Zahlungserleichterung, Erlassung eines Haftungsbescheides) sind Unterbrechungshandlungen etwa eine zur Durchsetzung eines Abgabenanspruches an die zuständige Behörde gerichtete Meldeanfrage der Finanzbehörde, der der Aufenthalt der Steuerpflichtigen unbekannt ist (vgl. das Erkenntnis vom 24. Oktober 2002, Zl. 2000/15/0141), sowie an den Abgabenpflichtigen gerichtete Vorhalte, Anfragen und Aufforderungen zur Vorlage von Unterlagen und Beweismitteln (vgl. das Erkenntnis vom 3. November 1994, Zl. 93/15/0010). Weitere Beispiele für Unterbrechungshandlungen (Erhebungen über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Abgabepflichtigen, Amtshilfeersuchen, Sicherstellungsaufträge, Vollstreckungsbescheide, Widerruf von Zahlungserleichterungen, Zahlungsaufforderungen) finden sich jeweils mit Judikatur- bzw. Literaturnachweisen bei Ritz, BAO-Kommentar3, 720.

Der hier in Rede stehende Säumniszuschlag ist eine objektive Säumnisfolge der Nichtentrichtung einer fälligen Abgabe und ein Druckmittel zur rechtzeitigen Erfüllung der Abgabenentrichtungspflicht (vgl. das Erkenntnis vom 24. Februar 2004, Zl. 98/14/0146, mwN).

Stellen die - ausdrücklich in § 238 Abs. 2 BAO genannten - Mahnungen Maßnahmen zur Durchsetzung des Anspruches dar, kann die Vorschreibung eines Säumniszuschlages keine andere Wirkung haben, weil es sich dabei um eine Amtshandlung handelt, deren Zweck die Erfüllung, also die Durchsetzung des Abgabenanspruchs ist. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Bescheid vom 11. Juli 1995 in der Folge aufgehoben worden ist (vgl. das Erkenntnis vom 19. Dezember 1996, Zl. 95/16/0204).

Die belangte Behörde ist daher zutreffend davon ausgegangen, dass der Bescheid vom 11. Juli 1995 über den Säumniszuschlag eine Unterbrechungshandlung im Sinne des § 238 Abs. 2 BAO darstellt. Die Verjährungsfrist begann daher mit Ablauf des Jahres 1995 neu zu laufen, weshalb zur - neuerlichen - Vermeidung von Verjährung eine weitere Amtshandlung bis 31. Dezember 2000 hätte vorgenommen werden müssen.

Ebenso wie nach der dargestellten Rechtslage dem Widerruf von Zahlungserleichterungen Unterbrechungswirkung (§ 238 Abs. 2 BAO) zukommt, hat der - hier verfahrensgegenständliche - Bescheid des Hauptzollamtes Wien vom 21. August 1997, mit dem das Ansuchen der beschwerdeführenden Gesellschaft um Stundung des seit 1990 fälligen Abgabenbetrages abgewiesen wurde, Unterbrechungswirkung. Die Abweisung eines Stundungsansuchens dient nämlich dazu, den Abgabenanspruch durchzusetzen.

Ebenfalls Unterbrechungswirkung kommt den in der Folge dieses Verfahrens erlassenen Bescheiden zu (Berufungsvorentscheidung vom 11. März 1998) Berufungsentscheidung vom 2. Dezember 2003), weil sie demselben Verfahrenszweck dienten.

Die belangte Behörde ist daher zutreffend davon ausgegangen, dass der dem Stundungsansuchen der beschwerdeführenden Gesellschaft vom 4. April 1997 zu Grunde liegende Abgabenanspruch bzw. dessen Einhebung nicht verjährt ist. Sie durfte daher bei ihrer - in der Sache ebensowenig wie Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides bekämpften - Entscheidung davon ausgehen, dass der Einhebung der Abgabe die Verjährung nicht entgegensteht.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden, weil die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und wenn nicht Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, dem entgegensteht.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 29. März 2007

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2005160095.X00

Im RIS seit

17.05.2007
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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