TE Vwgh Erkenntnis 2007/3/29 2007/16/0038

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Veröffentlicht am 29.03.2007
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
32/06 Verkehrsteuern;

Norm

B-VG Art140 Abs7;
ErbStG §1 Abs1 Z1;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pfau, in der Beschwerdesache des WA in S, vertreten durch Dr. Bernhard Wörgötter, Rechtsanwalt in 6380 St. Johann in Tirol, Mag. Ed. Angererweg 14, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Innsbruck, vom 13. Juni 2003, Zl. RV/0273-I/02, betreffend Erbschaftssteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Alleinerbe nach seiner am 22. Juli 2000 verstorbenen Ehegattin.

Nach dem über den Nachlass errichteten Inventar befand sich unter den Nachlassaktiva neben drei Liegenschaften bzw. diversen Liegenschaftsanteilen mit einem gesamte (anteiligen) Einheitswert von S 527.908,49 sowie endbesteuerten Girokonten- und Sparbuchguthaben auch eine Kaufpreisforderung im Betrag von S 2,7 Mio. Dieser Kaufpreisforderung lag ein schriftlicher Kaufvertrag vom 3. Juli 2000 über die Veräußerung von Liegenschaftsanteilen durch die Erblasserin zu Grunde. Der vom Käufer treuhändig beim Vertragsverfasser erlegte Kaufpreis war nach diesem Vertrag nach rechtskräftiger lastenfreier Einverleibung der Liegenschaftsanteile an die Verkäuferin auszuzahlen.

Mit Bescheid vom 9. August 2001 schrieb das Finanzamt dem Beschwerdeführer als Erben Erbschaftssteuer in Höhe von S 200.234,-

- (EUR 14.551,57) vor, wobei die Kaufpreisforderung von S 2,7 Mio. als sonstige Forderung in die Bemessungsgrundlage einbezogen worden war.

In seiner dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, der Kaufpreis sei auf das endbesteuerte Treuhandkonto erlegt und am 27. März 2001 von diesem auf ein ebenfalls endbesteuertes Konto überwiesen worden. Da der Kaufpreis somit nicht bar ausbezahlt und die angefallene Kapitalertragsteuer ordnungsgemäß abgeführt worden sei, unterliege der Kaufpreis nicht zusätzlich noch der Erbschaftssteuer.

Nach Ergehen einer abweisenden Berufungsvorentscheidung wurde mit dem angefochtenen Bescheid die Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, die im Vertrag vom 3. Juli 2000 getroffene Vereinbarung, wonach der Kaufpreis Zug um Zug mit der Übergabe der Liegenschaft erst am 1. Oktober 2000 an einen Treuhänder zu entrichten sei, könne nicht dahin ausgelegt werden, dass vertraglich als Gegenleistung "dezidiert" die Leistung eines endbesteuerten Vermögenswertes vereinbart worden bzw. mit Abschluss des Vertrages eine Forderung auf Zahlung eines auf dem Treuhandkonto endbesteuert liegenden Vermögens entstanden sei. Es handle sich dabei um die Regelung der Abwicklung des auf den späteren Fälligkeitszeitpunkt (1. Oktober 2000) aufgeschobenen Erfüllungsgeschäftes, wobei die Entrichtung des Kaufpreises in Form der Zahlung auf ein fruchtbringendes Treuhandkonto bloß eine übliche Modalität der Abwicklung des Kaufgeschäftes darstelle. Dass der genannte Betrag tatsächlich den Bereich des endbesteuerten Kapitals nie verlassen habe, komme zufolge des Stichtagprinzips keine Bedeutung zu. Zum Todeszeitpunkt sei kein konkret bestehendes endbesteuertes Vermögen, dessen Erträge bereits der Kapitalertragsteuer unterlegen seien, vorhanden gewesen und habe daher auch nicht durch den Erbanfall auf den Beschwerdeführer übergehen können, weshalb auch die Befreiung nach § 15 Abs. 1 Z 17 ErbStG nicht habe zum Tragen kommen können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende - vom Verfassungsgerichtshof nach Ablehnung ihrer Behandlung mit Beschluss vom 9. Juni 2004, B 1028/03-6, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abgetretene - Beschwerde.

In seiner vor dem Verwaltungsgerichtshof ergänzten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Der Beschwerdeführer erachtet sich u. a. in seinem Recht auf Befreiung des von Todes wegen erworbenen endbesteuerten Kapitalvermögens von Erbschafts- und Schenkungssteuer verletzt.

Mit Beschluss vom 25. Jänner 2007, A 2007/0001-1, stellte der Verwaltungsgerichtshof im Beschwerdefall gemäß Art. 140 Abs. 1 B-VG an den Verfassungsgerichtshof den Antrag, die Z 1 des § 1 Abs. 1 Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955, BGBl. 141, mit der Wortfolge "1. der Erwerb von Todes wegen," als verfassungswidrig aufzuheben.

Mit Erkenntnis vom 7. März 2007, G 54/06-15 u.a., hob der Verfassungsgerichtshof auch aus Anlass des vorliegenden Beschwerdefalles § 1 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes vom 30. Juni 1955 betreffend die Erhebung einer Erbschafts- und Schenkungssteuer (Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955), BGBl. 141, als verfassungswidrig auf.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Ist ein Gesetz wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben worden oder hat der Verfassungsgerichtshof gemäß Abs. 4 ausgesprochen, dass ein Gesetz verfassungswidrig war, so sind gemäß Art. 140 Abs. 7 B-VG alle Gerichte und Verwaltungsbehörden an den Spruch des Verfassungsgerichtshofes gebunden. Auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalles ist jedoch das Gesetz weiterhin anzuwenden, sofern der Verfassungsgerichtshof nicht in seinem aufhebenden Erkenntnis anderes ausspricht. Hat der Verfassungsgerichtshof in seinem aufhebenden Erkenntnis eine Frist gemäß Abs. 5 gesetzt, so ist das Gesetz auf alle bis zum Ablauf dieser Frist verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalles anzuwenden.

Der Beschwerdefall bildet einen Anlassfall für den verfassungsgerichtlichen Ausspruch, dass die angewendete und vom Verwaltungsgerichtshof anzuwendende Gesetzesstelle verfassungswidrig war.

Dadurch, dass die belangte Behörde den angefochtenen Abgabenbescheid auf diese die Abgabenvorschreibung tragende Gesetzesstelle gestützt hat, belastete sie diesen mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.

Der angefochtene Bescheid waren daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 29. März 2007

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2007160038.X00

Im RIS seit

11.05.2007
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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