TE Vwgh Beschluss 2007/3/29 2006/15/0027

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Veröffentlicht am 29.03.2007
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Index

L34007 Abgabenordnung Tirol;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
21/03 GesmbH-Recht;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

GmbHG §93;
LAO Tir 1984 §78;
VwGG §34 Abs1;
ZustG §13 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kinsky, in der Beschwerdesache der "B Gesellschaft m.b.H.", vertreten durch Mag. Dr. Kurt Braito, Wirtschaftsprüfer in 6300 Wörgl, Speckbacherstraße 10, gegen die Erledigung der Berufungskommission für Abgabensachen Innsbruck, vom 27. April 2004, Zl. I-Rm-00013e/2004, betreffend Kommunalsteuer für den Zeitraum vom 28. September 1995 bis 9. Oktober 2001 sowie Säumnis- und Verspätungszuschlag, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Aufwandersatz wird nicht zuerkannt.

Begründung

Die angefochtene Erledigung der belangten Behörde ist an die B. GmbH gerichtet und der T-Steuerberatungsgesellschaft zugestellt worden. In der Beschwerde und weiteren Schriftsätzen wird behauptet, dass die B. GmbH mit Generalversammlungsbeschluss vom 9. August 2000 aufgelöst und nach Beendigung der Liquidation am 18. Oktober 2001 im Firmenbuch gelöscht worden sei. Die Gesellschaft sei vermögenslos.

Der Verwaltungsgerichtshof, welcher das Vorliegen der Prozessvoraussetzungen und damit das Fehlen von Prozesshindernissen in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. März 2003, 2001/13/0302 bis 0316), hat dieses durch die Vorlage eines Firmenbuchauszuges bestätigt gefundene Beschwerdevorbringen der belangten Behörde zur Gegenäußerung vorgehalten.

In ihrer Stellungnahme vom 23. Oktober 2006 verwies die belangte Behörde zum einen auf das verwaltungsgerichtliche Neuerungsverbot, zum anderen darauf, dass sich die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren durch die T-Steuerberatungsgesellschaft habe vertreten lassen, welcher auch der angefochtene Bescheid laut vorgelegtem Originalrückschein (am 30. April 2004) zugestellt worden sei.

In einem weiteren Schriftsatz vom 3. November 2006 erklärte der für die B. GmbH auftretende Beschwerdevertreter, die ehemaligen Geschäftsführer und Liquidatoren der Gesellschaft hätten am 22. Jänner 2003 als ihnen bekannt geworden sei, dass die Behörde beabsichtige, der bereits gelöschten Gesellschaft Kommunalsteuer vorzuschreiben, der T-Steuerberatungsgesellschaft mündlich Vollmacht erteilt, die gelöschte Gesellschaft in einem allfälligen Abgabenverfahren zu vertreten. Der Beschwerdevertreter sei am 17. Mai 2004 von den ehemaligen Geschäftsführern und Liquidatoren ebenfalls mündlich mit der Beschwerdeerhebung beauftragt worden.

Die Löschung einer GmbH im Firmenbuch hat nur deklarativen Charakter. Die GmbH besteht trotz ihrer Löschung noch so lange fort, als ein Vermögen der Gesellschaft vorhanden ist. Ist infolge der Vermögenslosigkeit kein Abwicklungsbedarf mehr gegeben, tritt die Vollbeendigung der Gesellschaft ein. In der Regel erlischt auch die Parteifähigkeit der gelöschten Gesellschaft (vgl. Kostner/Umfahrer, Die GmbH, Tz. 789 und 790, Gellis, Kommentar zum GmbH-Gesetz6, Tz. 7ff zu § 93).

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes besteht die Rechtspersönlichkeit der Gesellschaft so lange fort, als noch Abwicklungsbedarf vorhanden ist, was dann der Fall ist, wenn Abgabenverbindlichkeiten einer solchen Gesellschaft bescheidmäßig festzusetzen sind (vgl. den hg. Beschluss vom 20. September 1995, 95/13/0068).

Ob dies auch für den Fall zutrifft, dass die Abgabenfestsetzung in keiner denkbaren Konstellation - etwa durch Anrechnung von Steuervorauszahlungen, Abzugsteuern oder Vorsteuern - zu einem Aktivvermögen der gelöschten Gesellschaft führen kann, kann im Beschwerdefall, dahingestellt bleiben, weil es an der Beschwerdeberechtigung der B. GmbH jedenfalls fehlt:

Nach § 13 Abs. 3 ZustellG iVm § 78 Tiroler Landesabgabenordnung ist, falls der Empfänger keine natürliche Person ist, die Sendung einem zur Empfangnahme befugten Vertreter zuzustellen. Mit der Löschung verliert die Gesellschaft ihre organschaftliche Vertretung. Die Funktion der Liquidatoren ist erloschen. Ihre Legitimation lebt von selbst für keine Rechtshandlung auf (vgl. Gellis, Kommentar zum GmbH-Gesetz, Tz. 7 und 8 zu § 93).

Mit dem AbgÄG 2004, BGBl. I Nr. 180/2004, wurde dem § 80 BAO, der die Vertretung juristischer Personen in Abgabenverfahren des Bundes regelt, folgender dritter Absatz angefügt:

"(3) Vertreter (Abs. 1) der aufgelösten Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach Beendigung der Liquidation ist, wer nach § 93 Abs. 3 GmbHG zur Aufbewahrung der Bücher und Schriften der aufgelösten Gesellschaft verpflichtet ist oder zuletzt verpflichtet war."

Die neue Vertretungsregelung ist erstmals anzuwenden, wenn die Liquidation der GmbH nach dem 31. Jänner 2005 beendigt wird (§ 323 Abs. 17 zweiter Unterabsatz).

In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (686 BlgNR 22. GP) wird zur Ergänzung des § 80 BAO ausgeführt:

"Insbesondere für im Zeitpunkt der Löschung der GmbH im Firmenbuch offene Rechtsmittelverfahren sowie für Außenprüfungen (§ 147 Abs. 1 BAO) benötigt die Abgabenbehörde einen Vertreter der aufgelösten, aber noch nicht beendeten (somit noch parteifähigen) GmbH. Die Vertretungsregelung in neuen § 80 Abs. 3 BAO ist zweckmäßiger als eine ua für die Gerichte aufwendige Bestellung eines Vertreters nach § 15a GmbHG bzw. nach § 93 Abs. 5 GmbHG."

Die gegenständlich zur Anwendung kommende Tiroler Landesabgabenordnung, LGBl. Nr. 34/1984, wurde in ihrem § 60, der im Übrigen § 80 BAO inhaltlich entspricht, nicht ergänzt.

Für den Beschwerdefall hätte es zur rechtswirksamen Zustellung von Bescheiden daher einer Vertreterbestellung nach den angeführten Bestimmungen des GmbHG bedurft. Eine solche ist nach den unstrittigen Beschwerdevorbringen nicht erfolgt. Die T-Steuerberatungsgesellschaft, der der angefochtene Bescheid zugestellt wurde, war zur Entgegennahme von Zustellungen für die B. GmbH nicht befugt, weil sie hiezu von Personen, die selbst nicht (mehr) zu Vertretung der gelöschten Gesellschaft befugt waren, nicht ermächtigt werden konnte.

Voraussetzung für die Beschwerdeführung vor dem Verwaltungsgerichtshof ist, dass ein Bescheid überhaupt erlassen wurde. Mangels rechtswirksamer Zustellung ist dies aber hinsichtlich der gegenständlich angefochtenen Erledigung der belangten Behörde nicht der Fall.

Ein Bescheid im Sinne des Art. 131 Abs. 1 B-VG liegt der Beschwerde somit nicht zu Grunde, weshalb diese gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung zurückzuweisen war, was der Gerichtshof in einem nach § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat beschlossen hat.

Mangels Vorhandenseins eines Rechtssubjektes, dem die Beschwerde rechtlich zugerechnet werden könnte, fehlt es an der Voraussetzung für einen Abspruch über den Aufwandersatz (siehe mit weiteren Nachweisen den hg. Beschluss vom 9. Februar 2005, 2000/13/0116).

Wien, am 29. März 2007

Schlagworte

Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Grundsätzliches zur Parteistellung vor dem VwGH Allgemein

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2006150027.X00

Im RIS seit

09.07.2007
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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