TE Vwgh Erkenntnis 2007/3/29 2004/15/0140

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Veröffentlicht am 29.03.2007
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
14/03 Abgabenverwaltungsorganisation;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

AVOG 1975 §3 Abs1;
BAO §188;
BAO §19 Abs1;
BAO §191 Abs1 litc;
BAO §191 Abs2;
BAO §273 Abs1;
BAO §289;
EStG 1988 §2;
EStG 1988 §6 Z9 lita;
VwGG §42 Abs2 Z2;
VwRallg;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):2004/15/0141

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kinsky, über die Beschwerde des Mag. WL in K, vertreten durch Dr. Siegfried Dillersberger, Rechtsanwalt in 6360 Kufstein, Maderspergerstraße 8/I, gegen die Bescheide des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien,

1. vom 9. September 2004, GZ. RV/0348-W/02, RV0805-W/04, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich einheitlicher und gesonderter Feststellung von Einkünften für die Jahre 1989 bis 1992 und einheitlicher und gesonderter Feststellung von Einkünften u.a. für die Jahre 1989 bis 1993, und

2. vom 24. September 2004, GZ. RV/0348-W/02, RV/0805-W/04, betreffend Berichtigung des zu 1. genannten Bescheides, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. Die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gehen von dem - nach Ausweis der Verwaltungsakten insofern - unstrittigen Sachverhalt aus:

Am 14. September 1987 verstarb der Vater des Beschwerdeführers, Dr. S.L., unter Hinterlassung - soweit für das Beschwerdeverfahren von Bedeutung - der Witwe, des Beschwerdeführers und der Töchter Hedwig S. und Emma D. Sein Testament vom 8. Mai 1983 lautet - auszugsweise - wie folgt:

"Zu meiner Universalerbin setze ich meine Ehefrau ... ein.

Sie soll mein Vermögen, so wie ich es besaß und zu besitzen berechtigt war, mit der Auflage erhalten, nach ihrem Gewissen und freien Willen, unter Einhaltung der Erbgesetze (Pflichtteilsrecht der Kinder) das von mir ererbte Vermögen, bei ihrem Ableben an unsere ehelichen Kinder Hedwig, Emma und Winfried oder an unsere Enkelkinder nach ihrem freien Ermessen weiterzugeben. Weil meine

Ehefrau ... unsere gemeinsamen Kinder und deren Kinder, also

unsere Enkelkinder, ganz gleichmäßig gern hat und um deren Wohlergehen sehr besorgt ist, wird sie die Verteilung des ererbten Vermögens so gerecht wie möglich und den jeweiligen Umständen entsprechend vornehmen. Sollte eine frühere Übergabe des Erbvermögens ganz oder teilweise zweckmäßig sein, was meine Ehefrau allein zu entscheiden hat, so müssen ihr neben ihrer kleinen Rente, aus den Erträgnissen des Erbes, vor allem der E-Werke, monatlich mindestens S 25.000,-- nach dem heutigen Wert und wertgesichert für die Zukunft, zur Verfügung gestellt werden und zwar durch einen Auftrag bei jener Bank, bei der die Stromgelder einlaufen ...

Meine gemeinsamen Kinder mit meiner Ehefrau, Hedwig, Emma und Winfried haben ihren Pflichtteil bereits erhalten. ..."

In einem "ergänzenden Testament", das in seiner Einleitung auf das Testament vom 8. Mai 1983 Bezug nimmt, heißt es auszugsweise:

"1) Meine 40 %-Anteile an der D. Papierfabrik in D. erhalten je zur Hälfte meine Töchter Hedwig und Emma.

     2)        Das E-Werk P. erhält meine Tochter Emma.

     Soweit vorgesehen bekommt Emma auch die 40 %-Anteile von D.

von der Mutter.

     3)        Die E-Werke B. und M. erhält mein Sohn Winfried mit

der Auflage der fideikommissarischen Substitution (Belastungs- und Veräußerungsverbotes) zu Gunsten seiner Kinder. ....

Weiters muss Winfried seiner Schwester Hedwig monatlich

S 10.000,-- so lange auszahlen, bis sie von der Mutter das E-Werk St. mit dem Bauernhof T. erhält.

4) Hedwig soll von der Mutter den schönen Bauernhof T.

erhalten und das E-Werk St. mit S 500.000,-- Reinertrag. ..."

Im Verlassenschaftsverfahren gab die Witwe vorerst eine bedingte Erbserklärung ab, die sie später in eine unbedingte Erbserklärung umwandelte.

Mit Einantwortungsurkunde vom 9. August 1993 wurde die Verlassenschaft der Witwe zur Gänze eingeantwortet. Mit der "Amtsurkunde zur Eintragung im Grundbuch" vom 9. August 1993 des Bezirksgerichtes wurde auf Grund des im Testament vom 8. Mai 1983 angeordneten Vermächtnisses bestätigt, dass ob den in den Nachlass fallenden - näher bezeichneten - Liegenschaften (es handelt sich um die E-Werke B. und M.) das Eigentumsrecht für den Beschwerdeführer zur Gänze mit der Beschränkung durch die fideikommissarische Substitution zu Gunsten näher genannter Minderjähriger einverleibt werden kann.

2. Ab dem Jahr 1987 wurden beim Finanzamt Abgabenerklärungen für die "Erbengemeinschaft nach Dr. S.L." eingereicht. Nach den Erklärungen der Einkünfte von Personengesellschaften gehörten der Gemeinschaft der Beschwerdeführer zu 40 %, die Witwe zu 30 %, Hedwig S. und Emma D. zu je 15 % an; als Zustellungsbevollmächtigte schritt die Witwe, als steuerlicher Vertreter der Beschwerdeführer ein. Nach den Erklärungen betrieb diese "Erbengemeinschaft" die Kraftwerke P., B., M. (die E-Werke B. und M. werden auch unter dem Begriff E-Werk Sch. genannt) und St. Die Witwe verstarb am 21. August 1995.

Im Bericht vom 8. Februar 1990 gemäß § 150 BAO über eine abgabenbehördliche Prüfung bei dieser "Erbgemeinschaft" wurden für die Jahre 1987 und 1988 die Gesellschafter- und die Beteiligungsverhältnisse laut den Erklärungen anerkannt.

Vom 6. Dezember 1995 bis 17. April 1997 wurde eine Buch- und Betriebsprüfung bei der "Erbengemeinschaft" hinsichtlich der Jahre 1989 bis 1993 durchgeführt. Im Bericht gemäß § 150 BAO vom 4. Juni 1997 wird - neben anderen Feststellungen - die Rechtsform mit Gesellschaft nach bürgerlichem Recht und die Eigentums- bzw. Beteiligungsverhältnisse mit Beschwerdeführer 65 %, Verlassenschaft nach der Witwe 20 % und Hedwig S. 15 % ausgewiesen.

Das Finanzamt - den Feststellungen der Betriebsprüfung folgend - verfügte mit Bescheiden vom 20. August 1997 die Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich der Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO und stellte die erzielten Einkünfte für die Jahre 1989 bis 1992 gemäß § 188 BAO fest. Für das Jahr 1993 wurde mit Bescheid vom selben Datum die Feststellung der Einkünfte gemäß § 188 BAO entsprechend den Ergebnissen der Betriebsprüfung vorgenommen. Die festgestellten Einkünfte aus Gewerbebetrieb wurden auf den Beschwerdeführer, Hedwig S., Emma D. und die Verlassenschaft nach der Witwe verteilt, der Anteil der Emma D. wurde in jedem Jahr mit "0" bestimmt. Die Bescheide richteten sich nach dem Adressfeld an die "Erben gem. nach L.... Dr. S.... z.H. (Beschwerdeführer)".

3. Mit dem erstangefochtenen Bescheid (der zweitangefochtene Bescheid betrifft die Berichtigung des einen Bestandteil des Spruches bildenden Berechnungsblattes) wurden - unter anderem - die Berufungen des Beschwerdeführers und der Hedwig S., betreffend Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich einheitlicher und gesonderter Feststellung von Einkünften für die Jahre 1989 bis 1992, als unbegründet abgewiesen. Die Berufung des Beschwerdeführers gegen die (neuen Sach-)Bescheide, betreffend einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften für die Jahre 1989 bis 1993, wurde als unbegründet abgewiesen; der Berufung der Hedwig S. gegen die (neuen Sach-)Bescheide, betreffend einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften für die Jahre 1989 bis 1993, wurde stattgegeben und im Spruch die festgestellten Einkünfte aus Gewerbebetrieb dem Beschwerdeführer und der Verlassenschaft nach der Witwe zugeteilt; der Anteil der Hedwig S. und der Emma D. wurde mit "0" bestimmt. In der Begründung wurde u.a. ausgeführt, der Beschwerdeführer habe mit Schreiben vom 18. März 1998 mitgeteilt, dass die "Erbengemeinschaft" mit dem Tod der Witwe am 21. August 1995 beendet worden sei. Über diesen Zeitpunkt hinausgehende Abgabenerklärungen seien nicht abgegeben worden. Dieses Schreiben sei erst nach Erlassung der Bescheide, betreffend Wiederaufnahme der Verfahren 1989 bis 1992 und Feststellung der Einkünfte 1989 bis 1993, am 20. August 1997 eingelangt. Die Berufungsentscheidung sei daher den Beteiligten gesondert zuzustellen.

4. Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gehen übereinstimmend davon aus, dass Kraftwerke, die einen Teil der Verlassenschaft nach dem Verstorbenen Dr. S.L. ausmachen, von der "Erbengemeinschaft", gebildet von der Witwe als Testamentserbin und den Legataren, als gesonderter Betrieb geführt wurden. Die Verlassenschaft sei der Witwe mit einer Einantwortungsurkunde vom 9. August 1993 zur Gänze eingeantwortet und mit der Amtsurkunde vom selben Datum sei bestätigt worden, dass ob den in den Nachlass fallenden Liegenschaften (2 Kraftwerke) das Eigentumsrecht für den Beschwerdeführer zur Gänze einverleibt werden kann. Weiters ist unstrittig, dass die Witwe am 21. August 1995 verstorben ist.

Die belangte Behörde ist von dem behaupteten Ende der "Erbengemeinschaft" mit 21. August 1995 ausgegangen. Sowohl dieser Zeitpunkt als auch der der Einantwortung der Verlassenschaft liegt lange vor dem Zeitpunkt der Erlassung der bekämpften Bescheide des Finanzamtes, die mit 20. August 1997 datiert sind. Das Finanzamt hat ihre Bescheide an die "Erbengemeinschaften nach L. Dr. S."

gerichtet. Diese mit der Personenumschreibung getroffene Wahl des Normadressaten ist wesentlicher Bestandteil jedes Bescheides. Die Benennung jener Person, der gegenüber die Behörde die in Betracht kommende Angelegenheit des Verwaltungsrechtes in förmlicher Weise gestalten will, ist notwendiges Inhaltserfordernis des individuellen Verwaltungsaktes und damit konstituierendes Bescheidmerkmal.

Der Feststellungsbescheid ergeht gemäß § 191 Abs. 1 lit. c BAO in den Fällen des § 188 an die Personenvereinigung (Personengemeinschaft) ohne eigene Rechtspersönlichkeit, deren Gesellschaftern (Mitgliedern) gemeinschaftliche Einkünfte zugeflossen sind. Ist eine Personenvereinigung (Personengemeinschaft) ohne eigene Rechtspersönlichkeit in dem Zeitpunkt, in dem der Feststellungsbescheid ergehen soll, bereits beendigt, so hat der Bescheid an diejenigen zu ergehen, die in den Fällen des Abs. 1 lit. a am Gegenstand der Feststellung beteiligt waren oder denen in den Fällen des Abs. 1 lit. c gemeinschaftliche Einkünfte zugeflossen sind (§ 191 Abs. 2 BAO).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes folgt aus § 191 Abs. 1 lit. c BAO in Verbindung mit § 191 Abs. 2 leg. cit., dass dort, wo der Abgabenbehörde nicht rechtsfähige Personenzusammenschlüsse als Gemeinschaften (Vereinigungen) gegenübertreten, der Feststellungsbescheid an eben diese Gemeinschaft (Vereinigung) zu richten ist, solange diese besteht; unzulässig ist es im Hinblick auf § 191 Abs. 2 BAO jedoch, den Bescheid an eine Gemeinschaft zu richten, die nicht mehr besteht. Ein Feststellungsbescheid gemäß § 188 BAO, der nach Beendigung der Personengesellschaft an diese ergeht, entfaltet keine Rechtswirkungen (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 3. August 2000, 99/15/0170, m.w.N.).

Die vor der belangten Behörde bekämpften Bescheide des Finanzamtes vom 20. August 1997 sind ausgehend von den Sachverhaltsannahmen der belangten Behörde sohin an eine nicht mehr existierende Gesellschaft ergangen und haben daher keine Rechtswirkungen entfaltet. Da keine wirksamen Bescheide vorlagen, wären die Berufungen gemäß § 273 Abs. 1 BAO durch die belangte Behörde zurückzuweisen gewesen. Die belangte Behörde hat dessen ungeachtet auf Grund der gegen diese Erledigungen erhobenen Berufungen erstmalig die Feststellung und die Verteilung der Einkünfte vorgenommen und - durch Abweisung der Berufung als unbegründet - die Wiederaufnahme der Verfahren verfügt. Solche erstmalige Absprüche fallen in die Zuständigkeit des Finanzamtes

Damit hat die belangte Behörde ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge (funktioneller) Unzuständigkeit belastet (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 13. März 1997, 96/15/0118, und vom 30. März 2006, 2004/15/0048); der Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben.

Für das fortzusetzende Verfahren ist darauf hinzuweisen, dass der Erbe hinsichtlich des Nachlassvermögens und der daraus erzielten Einkünfte schon mit dem Todestag in die Rechtsstellung des Erblassers eintritt und dass, wenn im Nachlass Betriebsvermögen enthalten ist, der Erbe die Buchwerte des Erblassers zu übernehmen und fortzuführen hat. Im Falle der Aussetzung von Legaten kann dem gegenüber dem Vermächtnisnehmer - der anders als der Erbe die Person des Erblassers nicht unmittelbar fortsetzt, sondern nur einen obligatorischen Anspruch gegen den Erben auf Herausgabe des Vermächtnisses erwirbt - das vermachte Gut und seine Erträgnisse einkommensteuerlich erst mit der Übertragung durch den Erben zugerechnet werden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. November 1990, 89/14/0156). Im Ausnahmefall können dem Legatar - nach den allgemeinen Grundsätzen der Einkünftezurechnung - auch für den davor liegenden Zeitraum Einkünfte zugerechnet werden, wenn dieser auf Grund einer vorausgegangenen, klaren und eindeutigen Vereinbarung mit dem Erben die Einkunftsquelle (mit-)bewirtschaftet hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. April 2005, 2003/15/0022).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 29. März 2007

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2004150140.X00

Im RIS seit

04.05.2007

Zuletzt aktualisiert am

19.04.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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