TE Vwgh Erkenntnis 2007/4/17 2007/06/0041

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Veröffentlicht am 17.04.2007
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
19/05 Menschenrechte;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §37;
AVG §45 Abs3;
MRK Art6 Abs1;
VStG §51e idF 2002/I/065;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Khozouei, über die Beschwerde des Dr. CK in G, vertreten durch Dr. Christian Willmann, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Dominikanerbastei 4, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 1. Dezember 2006, GZ. UVS 30.5-42/2006-5, betreffend Übertretung gemäß des Stmk. Baugesetzes 1995 (weitere Partei: Steiermärkische Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt G vom 14. März 2006 wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, er habe als Geschäftsführer und somit als zur Vertretung nach außen berufene Person einer näher genannten GmbH zu verantworten, dass zumindest vom 1. April 2005 bis 12. Jänner 2006 die mit Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt G vom 16. Juni 2004 und mit Bescheid der Berufungskommission der Landeshauptstadt G vom 19. Jänner 2005 zum Umbau bewilligten Räumlichkeiten von Top 1 im

2. Obergeschoß des Gebäudes auf einem bestimmten Grundstück in G im Ausmaß von ca. 1150 m2 benützt worden seien, ohne dass eine behördliche Benützungsbewilligung vorgelegen hätte. Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 118 Abs. 1 Z. 6 Stmk. Baugesetz 1995 (Stmk. BauG) begangen und wurde hiefür mit einer Geldstrafe von EUR 400,--, im Falle der Uneinbringlichkeit mit einer Ersatzfreiheitsstrafe von 3 Tagen, bestraft.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung des Beschwerdeführers, in der er u.a. die Ladung und Einvernahme einer Zeugin und die eigene Einvernahme beantragt hatte, ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 66 Abs. 4 AVG mit der Maßgabe abgewiesen, dass er als "handelsrechtlicher Geschäftsführer" schuldig erkannt werde. Es wurde weiters die Geldstrafe auf EUR 181,50, sowie die Ersatzfreiheitsstrafe auf einen Tag herabgesetzt.

Zur Begründung führte die belangte Behörde zusammengefasst aus, dass sie ihre Entscheidung "auf Grund der Aktenlage - Vorakt in Verbindung mit der Verhandlungsschrift betreffend die Verhandlung vom 16.10.2006, GZ.: UVS 30.17-78/2006" getroffen habe und davon ausgehe, dass der Beschwerdeführer die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung zu verantworten habe. Das Tatbild des § 118 Abs. 1 Z. 6 Stmk. BauG sei erfüllt und der Beschwerdeführer könne sich nicht auf Rechtsirrtum oder Irrtum über die Strafbarkeit berufen.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer erachtet sich im Besonderen dadurch in seinen Rechten verletzt, dass die belangte Behörde ihre Entscheidung auf die Ergebnisse einer mündlichen Verhandlung stützte, von der er keine Kenntnis erlangt habe. Diese Verhandlungsschrift sei ihm nicht zur Kenntnis gebracht worden. Weder er noch sein Rechtsvertreter seien zu der Verhandlung geladen worden. Die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung, ohne den Beschwerdeführer zu laden oder ihm Gelegenheit zu geben, zu den Erkenntnissen aus dieser mündlichen Verhandlung Stellung zu nehmen, verstoße nach Ansicht des Beschwerdeführers in eklatanter Weise gegen den Grundsatz der Gewährung des Parteiengehörs.

Aus dem Akt ergibt sich, dass im vorliegenden Verwaltungsverfahren keine mündliche Vorverhandlung stattgefunden hat, die belangte Behörde hat sich aber auf eine Niederschrift über eine Verhandlung, die in einem anderen Verwaltungsstrafverfahren durchgeführt wurde, gestützt.

Der vorliegende Fall gleicht jenem Beschwerdefall, in dem der Verwaltungsgerichtshof den dort angefochtenen Bescheid im Hinblick auf gleichartige Bedenken des dortigen Beschwerdeführers wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit Erkenntnis vom 27. März 2007, Zl. 2007/06/0040, aufgehoben hat. Auch im vorliegenden Verwaltungsverfahren liegen die im angeführten Erkenntnis vom 27. März 2007 festgestellten wesentlichen Verfahrensmängel vor. Es wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die Begründung dieses Erkenntnisses verwiesen. Auch im vorliegenden Fall hätte die belangte Behörde gemäß § 51e VStG eine öffentliche mündliche Verhandlung durchführen müssen und sie hätte auch nur auf Aktenstücke Rücksicht nehmen dürfen, die in der Verhandlung zulässigerweise verlesen worden wären. Auch die belangte Behörde hätte im vorliegenden Fall bei Durchführung der nach Lage des Beschwerdefalles erforderlichen öffentlichen mündlichen Verhandlung zu einem anderen Ergebnis kommen können. Dieser unterlaufene Verfahrensmangel ist im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 EMRK relevant und wesentlich (vgl. das bereits zitierte Erkenntnis vom 27. März 2007). Dies führt gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Von der Durchführung der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 und 6 VwGG abgesehen werden. Diesem Erfordernis wird vielmehr im fortgesetzten Verfahren von der belangten Behörde Genüge zu tun sein, die - anders als der Verwaltungsgerichtshof - gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG zur Entscheidung in der Sache selbst berufen ist.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 17. April 2007

Schlagworte

Verfahrensbestimmungen Berufungsbehörde Parteiengehör Rechtsmittelverfahren Verwaltungsstrafverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2007060041.X00

Im RIS seit

17.05.2007

Zuletzt aktualisiert am

05.11.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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