TE Vwgh Erkenntnis 2007/4/25 2004/08/0196

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Veröffentlicht am 25.04.2007
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ASVG §111;
ASVG §114 Abs2;
ASVG §33;
ASVG §35 Abs3;
ASVG §59;
ASVG §67 Abs10;
ASVG §83;
VStG §9;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des A in H, vertreten durch Mag. German Bertsch, Rechtsanwalt in 6800 Feldkirch, Saalbaugasse 2, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 8. Juli 2004, Zl. MA 15-II-2-2784/2004, betreffend Haftung für Sozialversicherungsbeiträge (mitbeteiligte Partei:

Wiener Gebietskrankenkasse, vertreten durch Dr. Heinz Edelmann, 1060 Wien, Windmühlgasse 30), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Soziales und Konsumentenschutz) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 16. Oktober 2003 stellte die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse fest, dass der Beschwerdeführer als ehemaliger Geschäftsführer einer näher bezeichneten GesmbH in Liquidation gemäß § 67 Abs. 10 ASVG iVm § 83 ASVG verpflichtet sei, die auf dem Beitragskonto dieser Gesellschaft als Beitragsschuldnerin als rückständig ausgewiesenen Sozialversicherungsbeiträge samt Nebengebühren (Verzugszinsen berechnet bis 26. September 2003) in der Höhe von EUR 10.438,68 zuzüglich Verzugszinsen seit 27. September 2003 "in der sich nach § 59 Abs. 1 ASVG jeweils ergebenden Höhe, berechnet von EUR 7.528,70" binnen 14 Tagen nach Zustellung des Bescheides zu bezahlen. Der Beschwerdeführer sei zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Beiträge als Geschäftsführer zur Vertretung der Beitragsschuldnerin berufen gewesen. Zu den Pflichten des Geschäftsführers gehöre es, dafür zu sorgen, dass die Beiträge ordnungsgemäß entrichtet würden. Da dies schuldhaft unterblieben sei und die Beiträge nicht hätten eingebracht werden können, sei die Haftung für die Beiträge samt Nebengebühren auszusprechen gewesen.

In seinem gegen diesen Bescheid erhobenen Einspruch vom 24. November 2003 wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Richtigkeit des Rückstandsausweises sowie gegen das Vorliegen einer persönlichen Haftung. Der Beschwerdeführer könne gar nicht zur Haftung herangezogen werden. Abgesehen davon habe er nicht schuldhaft gehandelt.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Einspruch des Beschwerdeführers als unbegründet ab und bestätigte den Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse. Im Vorlagebericht vom 9. März 2004 habe die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse ausgeführt, bei dem Haftungsbeitrag handle es sich um den "3. Nachtrag 10/02", der auf Grund einer von Amts wegen durchgeführten Beitragsprüfung zu Stande gekommen wäre. Geprüft worden wäre der Zeitraum von September 1999 bis März 2000, wobei sich lediglich für den Zeitraum von September bis Dezember 1999 Differenzen anhand der auszubezahlenden Kollektivvertragslöhne ergeben hätten. Der jeweilige handelsrechtliche Geschäftsführer wäre als Vertreter des Dienstgebers verpflichtet gewesen, die notwendigen Meldungen zur Sozialversicherung zu erstatten. Der Beschwerdeführer habe die in der Beitragsprüfung festgestellten Meldeverstöße im Zeitraum von September bis Dezember 1999 zu verantworten.

In einer Verhandlung vom 21. April 2004 seien dem Beschwerdeführer der Vorlagebericht der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse, das Beitragsprüfungsprotokoll, der Beitragsnachweis 12/99 und die Beitragskontrollabrechnung zur Kenntnis gebracht worden. Mit Telefax vom 20. April 2004 habe der Vertreter des Beschwerdeführers mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer aus gesundheitlichen Gründen nicht zur mündlichen Verhandlung erscheinen könnte und um Vertagung ansuche. Hierauf sei eine Verhandlung für den 28. Juni 2004 anberaumt worden. Trotz Zustellung der Ladungen seien jedoch weder der Beschwerdeführer noch sein Vertreter erschienen.

Die Uneinbringlichkeit der vorgeschriebenen Beiträge bei der Beitragsschuldnerin sei dadurch nachgewiesen, dass der Antrag auf Konkurseröffnung mangels kostendeckenden Vermögens abgewiesen worden sei. Insbesondere auf Grund des von der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse erstatteten Vorbringens und der vorgelegten Unterlagen stehe fest, dass der Beschwerdeführer Meldungen nicht ordnungsgemäß erstattet habe. Der Beschwerdeführer habe zu den von der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vorgelegten Unterlagen auch keine konkreten Einwendungen erstattet und am laufenden Verfahren nicht mitgewirkt. Die mit dem "3. Nachtrag 10/2002" vorgeschriebenen Beiträge seien auf Meldeverstöße zurückzuführen. Dem Beschwerdeführer sei das Verschulden dafür anzulasten. Er wäre verpflichtet gewesen, diese Meldungen zu erstatten. Das Wissen um diese Meldepflicht sei als vom Grundwissen des Geschäftsführers umfasst anzusehen bzw. das Nichtwissen sei vom Geschäftsführer zu vertreten, weil jedem Geschäftsführer bekannt sein müsse, dass die im Kollektivvertrag festgesetzte Höhe der Löhne einzuhalten sei. Die zur Vertretung nach außen berufenen Geschäftsführer der Beitragsschuldnerin würden für Beitragsausfälle, die auf schuldhafte Meldepflichtverletzungen zurückzuführen seien, im Ausmaß der Uneinbringlichkeit dieser Beiträge grundsätzlich zur Gänze haften.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und - ebenso wie die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse - eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 67 Abs. 10 ASVG haften (u.a.) die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen im Rahmen ihrer Vertretungsmacht neben den durch sie vertretenen Beitragsschuldner für die von diesem zu entrichtenden Beiträge insoweit, als die Beiträge infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Seit dem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 12. Dezember 2000, Slg. Nr. 15.528/A, vertritt der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung, dass unter den "den Vertretern auferlegten Pflichten" im Sinne des § 67 Abs. 10 ASVG in Ermangelung weiterer, in den gesetzlichen Vorschriften ausdrücklich normierter Pflichten des Geschäftsführers, im Wesentlichen die Melde- und Auskunftspflichten, soweit diese in § 111 ASVG iVm § 9 VStG auch gesetzlichen Vertretern gegenüber sanktioniert sind, sowie die in § 114 Abs. 2 ASVG umschriebene Verpflichtung zur Abfuhr einbehaltener Dienstnehmerbeiträge zu verstehen sind. Ein Verstoß gegen diese Pflichten durch einen gesetzlichen Vertreter kann daher, sofern dieser Verstoß verschuldet und für die gänzliche oder teilweise Uneinbringlichkeit der Beitragsforderungen kausal ist, zu einer Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG führen. Auf die nähere Begründung dieses Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.

Der angefochtene Bescheid ist nun insofern rechtswidrig, als die Feststellung einer Haftung des Beschwerdeführers für Verzugszinsen verfehlt ist. Für die Entrichtung von Verzugszinsen gemäß § 59 iVm § 83 ASVG fehlt es im Sinne des Erkenntnisses des verstärkten Senates vom 12. Dezember 2000 an einer spezifisch sozialversicherungsrechtlichen Verpflichtung des Geschäftsführers, an die eine Haftung nach § 67 Abs. 10 ASVG anknüpfen könnte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Juli 2001, Zl. 2001/08/0061).

Darüber hinaus lässt sich mit den Feststellungen des angefochtenen Bescheides eine Haftung des Beschwerdeführers wegen eines Meldeverstoßes gemäß § 67 Abs. 10 ASVG für einen auf dem Beitragskonto der Beitragsschuldnerin rückständigen Haftungsbeitrag in der Höhe von EUR 10.438,68 nicht begründen. Für die Geltendmachung einer solchen Haftung wäre zunächst von der Behörde festzustellen, welche Umstände zu welchem Zeitpunkt im Sinne der §§ 33 ff ASVG hätten gemeldet werden müssen und dass diese Meldungen unterblieben sind. Erst wenn dies feststünde, läge es beim Meldepflichtigen darzutun, dass ihn - abgesehen von der Möglichkeit der Übertragung dieser Verpflichtung im Sinne des § 35 Abs. 3 ASVG an Dritte - aus bestimmten Gründen kein Verschulden an der Unterlassung der Meldung trifft (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Juli 2001, Zl. 2001/08/0069).

Der erstinstanzliche Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse beschränkt sich in seiner Begründung auf die Zitierung des § 67 Abs. 10 ASVG und die Feststellung, dass der Beschwerdeführer "zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Beiträge als Geschäftsführer der Beitragsschuldnerin berufen" gewesen sei, und es "zu seinen Pflichten gehöre, für eine ordnungsgemäße Beitragsentrichtung zu sorgen". In der Begründung des nunmehr angefochtenen Bescheides wird lediglich ausgeführt, dass "auf Grund der Aktenlage, insbesondere auf Grund des von der Wiener Gebietskrankenkasse im Vorlagebericht vom 9.3.2004 erstatteten Vorbringens, weiters der vorgelegten Unterlagen" feststehe, dass der Beschwerdeführer "Meldungen nicht ordnungsgemäß erstattet" habe. "Die mit dem 3. Nachtrag 10/02 vorgeschriebenen Beiträge" seien "auf Meldeverstöße zurückzuführen", für welche den Beschwerdeführer das Verschulden treffe.

Welche "Differenzen aus auszubezahlenden Kollektivvertragslöhnen" sich hinter der Bezeichnung "3. Nachtrag 10/02" verbergen, ist jedoch weder der Begründung des angefochtenen Bescheides noch den Verwaltungsakten, insbesondere auch nicht dem Vorlagebericht der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse zu entnehmen. Die Nachverrechnung mag zwar im Allgemeinen ein Indiz dafür sein, dass die gesetzlichen Vertreter der Beitragsschuldner die nach dem Gesetz gebotenen Meldungen unterlassen haben. Dies allein rechtfertigt jedoch noch nicht die Annahme eines vom Dienstgeber verschuldeten Meldeverstoßes, sondern dafür sind die oben angegebenen Umstände festzustellen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. September 2004, Zl. 2001/08/0072).

Der angefochtene Bescheid war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen der prävalierenden Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333. Das Kostenmehrbegehren war in Ansehung der sachlichen Abgabenfreiheit (vgl. § 110 ASVG) abzuweisen.

Wien, am 25. April 2007

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2004080196.X00

Im RIS seit

20.06.2007
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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