TE OGH 2003/10/21 10ObS228/03g

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Veröffentlicht am 21.10.2003
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Wolfgang Höfle (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Leopold Smrcka (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Barbara F*****, Pensionistin, *****, vertreten durch Dr. Reinhold Glaser, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei Bundessozialamt Wien, Niederösterreich und Burgenland, 1010 Wien, Babenbergerstraße 5, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17-19, wegen Pflegegeld, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 11. Juni 2003, GZ 11 Rs 70/03y-10, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 25. Februar 2003, GZ 11 Cgs 198/02b-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Klägerin bezieht eine Witwenrente nach dem KOVG 1957 und bezog aufgrund eines rechtskräftigen Urteils des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 4. 6. 2002, AZ 11 Cgs 149/00y, Pflegegeld in Höhe der Stufe 2.

Mit Bescheid vom 29. 10. 2002 stellte die beklagte Partei dieses Pflegegeld mit Wirkung vom 1. 10. 2002 gemäß den §§ 3 Abs 1 und 9 Abs 5 BPGG mit der Begründung ein, die Klägerin habe seit September 2002 ihren Hauptwohnsitz nach Deutschland verlegt.Mit Bescheid vom 29. 10. 2002 stellte die beklagte Partei dieses Pflegegeld mit Wirkung vom 1. 10. 2002 gemäß den Paragraphen 3, Absatz eins und 9 Absatz 5, BPGG mit der Begründung ein, die Klägerin habe seit September 2002 ihren Hauptwohnsitz nach Deutschland verlegt.

Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin rechtzeitig Klage mit dem Begehren auf Weitergewährung des Pflegegeldes in Höhe der Stufe 2 ab 1. 10. 2002. Die Einstellung des Pflegegeldes wegen des Wohnsitzwechsels nach Deutschland verstoße gegen das Gemeinschaftsrecht, weil die Klägerin ihren Anspruch auf Pflegegeld verlieren würde, wenn sie von ihrem Recht auf Freizügigkeit innerhalb der Gemeinschaft Gebrauch mache.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, dass die Klägerin außer einer Rente nach dem KOVG 1957 kein weiteres inländisches Einkommen beziehe. Ein Krankenversicherungsbeitrag werde bei den Leistungen des KOVG nur dann abgezogen, wenn der Versicherte nicht bei einem anderen Sozialversicherungsträger krankenversichert sei. Da die Rente nach dem KOVG 1957 eine Sonderleistung für Opfer des Krieges darstelle, sei nach Art 4 Abs 4 der Verordnung Nr 1408/71 diese auf die Rente der Klägerin nicht anzuwenden. Dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes in der Rechtssache Jauch, Rs C-215/99, liege insofern ein anderer Sachverhalt zugrunde, als der dortige Kläger eine Pension nach dem ASVG bezogen habe, auf die die Verordnung Nr 1408/71 anwendbar sei. Im vorliegenden Fall existiere hingegen kein Gemeinschaftsrecht, das § 3 BPGG verdrängen könne. Da die Klägerin die Voraussetzung für die Weiterzahlung der Leistung, nämlich einen inländischen Wohnsitz, nicht mehr erfülle, sei ihr Begehren auf Weitergewährung des Pflegegeldes nicht berechtigt.Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, dass die Klägerin außer einer Rente nach dem KOVG 1957 kein weiteres inländisches Einkommen beziehe. Ein Krankenversicherungsbeitrag werde bei den Leistungen des KOVG nur dann abgezogen, wenn der Versicherte nicht bei einem anderen Sozialversicherungsträger krankenversichert sei. Da die Rente nach dem KOVG 1957 eine Sonderleistung für Opfer des Krieges darstelle, sei nach Artikel 4, Absatz 4, der Verordnung Nr 1408/71 diese auf die Rente der Klägerin nicht anzuwenden. Dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes in der Rechtssache Jauch, Rs C-215/99, liege insofern ein anderer Sachverhalt zugrunde, als der dortige Kläger eine Pension nach dem ASVG bezogen habe, auf die die Verordnung Nr 1408/71 anwendbar sei. Im vorliegenden Fall existiere hingegen kein Gemeinschaftsrecht, das Paragraph 3, BPGG verdrängen könne. Da die Klägerin die Voraussetzung für die Weiterzahlung der Leistung, nämlich einen inländischen Wohnsitz, nicht mehr erfülle, sei ihr Begehren auf Weitergewährung des Pflegegeldes nicht berechtigt.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte noch fest, dass die Klägerin im Zeitpunkt der Urteilsfällung (4. 6. 2002) im Verfahren 11 Cgs 149/00y des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht in Salzburg wohnte, dass sie am 9. 9. 2002 nach Bad Reichenhall in die Bundesrepublik Deutschland übersiedelt ist und seither in Österreich keinen Wohnsitz mehr hat.

Nach der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes bilde die Witwenrente nach dem KOVG eine Grundvoraussetzung für den Erhalt von Pflegegeld als Annexleistung. Die Klägerin erfülle sämtliche Voraussetzungen des BPGG zur Inanspruchnahme von Pflegegeld mit Ausnahme des Wohnsitzes in Österreich nach § 3 Abs 1 BPGG. In der Frage der Exportpflicht des Pflegegeldes habe der EuGH in der Rechtssache Jauch, Rs C-215/99, entschieden, dass es gegen Art 19 Abs 1 und die entsprechenden Bestimmungen der anderen Abschnitte des Kapitels 1 des Titels III der Verordnung (EWG) Nr 1408/71 verstoße, den Anspruch auf die Leistung von Pflegegeld nach dem BPGG davon abhängig zu machen, dass der Pflegebedürftige seinen Aufenthalt in Österreich habe. Der EuGH habe das Bundespflegegeld als Leistung bei Krankheit qualifiziert und die Anspruchsvoraussetzung des gewöhnlichen Aufenthalts in Österreich für Leistungen von Pflegegeld nach dem BPGG als gemeinschaftsrechtswidrig erachtet. Da auch das gegenständliche Verfahren den Anspruch auf Pflegegeld betreffe und nicht die von der Klägerin bezogene Witwenrente, sei die Anwendbarkeit der Verordnung Nr 1408/71 ausschließlich im Hinblick auf die Pflegegeldleistung gegeben. Der von der beklagten Partei herangezogene Art 4 Abs 4 dieser Verordnung komme nicht zum Tragen. Wegen des Anwendungsvorranges des Gemeinschaftsrechtes sei die in § 3 BPGG für den Anspruch auf Pflegegeld festgelegte Voraussetzung des gewöhnlichen Aufenthalts des Pflegebedürftigen in Österreich unbeachtlich, weshalb das auf Weitergewährung des Pflegegeldes gerichtete Klagebegehren berechtigt sei.Nach der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes bilde die Witwenrente nach dem KOVG eine Grundvoraussetzung für den Erhalt von Pflegegeld als Annexleistung. Die Klägerin erfülle sämtliche Voraussetzungen des BPGG zur Inanspruchnahme von Pflegegeld mit Ausnahme des Wohnsitzes in Österreich nach Paragraph 3, Absatz eins, BPGG. In der Frage der Exportpflicht des Pflegegeldes habe der EuGH in der Rechtssache Jauch, Rs C-215/99, entschieden, dass es gegen Artikel 19, Absatz eins und die entsprechenden Bestimmungen der anderen Abschnitte des Kapitels 1 des Titels römisch III der Verordnung (EWG) Nr 1408/71 verstoße, den Anspruch auf die Leistung von Pflegegeld nach dem BPGG davon abhängig zu machen, dass der Pflegebedürftige seinen Aufenthalt in Österreich habe. Der EuGH habe das Bundespflegegeld als Leistung bei Krankheit qualifiziert und die Anspruchsvoraussetzung des gewöhnlichen Aufenthalts in Österreich für Leistungen von Pflegegeld nach dem BPGG als gemeinschaftsrechtswidrig erachtet. Da auch das gegenständliche Verfahren den Anspruch auf Pflegegeld betreffe und nicht die von der Klägerin bezogene Witwenrente, sei die Anwendbarkeit der Verordnung Nr 1408/71 ausschließlich im Hinblick auf die Pflegegeldleistung gegeben. Der von der beklagten Partei herangezogene Artikel 4, Absatz 4, dieser Verordnung komme nicht zum Tragen. Wegen des Anwendungsvorranges des Gemeinschaftsrechtes sei die in Paragraph 3, BPGG für den Anspruch auf Pflegegeld festgelegte Voraussetzung des gewöhnlichen Aufenthalts des Pflegebedürftigen in Österreich unbeachtlich, weshalb das auf Weitergewährung des Pflegegeldes gerichtete Klagebegehren berechtigt sei.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und schloss sich der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes an (§ 500a ZPO). Es sprach aus, dass die ordentliche Revision gemäß § 502 Abs 1 ZPO zulässig sei, weil - soweit überblickbar - eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage, ob das Pflegegeld als Annexleistung zu einer Leistung nach dem KOVG vom Geltungsbereich der Verordnung 1408/71 nach deren Art 4 Abs 4 ausgenommen sei, nicht vorliege.Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und schloss sich der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes an (Paragraph 500 a, ZPO). Es sprach aus, dass die ordentliche Revision gemäß Paragraph 502, Absatz eins, ZPO zulässig sei, weil - soweit überblickbar - eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage, ob das Pflegegeld als Annexleistung zu einer Leistung nach dem KOVG vom Geltungsbereich der Verordnung 1408/71 nach deren Artikel 4, Absatz 4, ausgenommen sei, nicht vorliege.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die rechtzeitige Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision keine Folge zu geben.

Die Revision ist zulässig; sie ist im Sinne des Aufhebungsantrages auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Anspruch auf Pflegegeld haben nach § 3 Abs 1 Z 5 BPGG unter anderem Bezieher von Renten, Beihilfen oder Ausgleichen nach dem KOVG 1957. Die Klägerin bezieht nach den Feststellungen eine Witwenrente nach dem KOVG 1957 (§ 34f KOVG). Ob die Klägerin ein weiteres inländisches (Pensions-)Einkommen bezieht, wurde vom Erstgericht nicht festgestellt. Nach dem Vorbringen der beklagten Partei in ihrer Klagebeantwortung bezieht die Klägerin außer der erwähnten Rente nach dem KOVG 1957 kein weiteres inländisches Einkommen, weshalb sich ein Anspruch der Klägerin auf Pflegegeld nach dem BPGG in diesem Fall nur auf die Rentenleistung nach dem KOVG 1957 gründen könnte. Das Pflegegeld würde in diesem Fall eine Annexleistung zur Witwenrente nach dem KOVG 1957 darstellen und deren rechtliches Schicksal teilen.Anspruch auf Pflegegeld haben nach Paragraph 3, Absatz eins, Ziffer 5, BPGG unter anderem Bezieher von Renten, Beihilfen oder Ausgleichen nach dem KOVG 1957. Die Klägerin bezieht nach den Feststellungen eine Witwenrente nach dem KOVG 1957 (Paragraph 34 f, KOVG). Ob die Klägerin ein weiteres inländisches (Pensions-)Einkommen bezieht, wurde vom Erstgericht nicht festgestellt. Nach dem Vorbringen der beklagten Partei in ihrer Klagebeantwortung bezieht die Klägerin außer der erwähnten Rente nach dem KOVG 1957 kein weiteres inländisches Einkommen, weshalb sich ein Anspruch der Klägerin auf Pflegegeld nach dem BPGG in diesem Fall nur auf die Rentenleistung nach dem KOVG 1957 gründen könnte. Das Pflegegeld würde in diesem Fall eine Annexleistung zur Witwenrente nach dem KOVG 1957 darstellen und deren rechtliches Schicksal teilen.

Nach § 9 Abs 4 BPGG ist das Pflegegeld - bescheidmäßig - zu entziehen, wenn eine Voraussetzung für die Gewährung von Pflegegeld wegfällt. Eine Voraussetzung für die Gewährung von Pflegegeld fällt insbesondere dann weg, wenn die bisher berechtigte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht mehr im Inland hat, wenn ihr keine Grundleistung mehr gebührt (§ 3 Abs 1 BPGG) oder ihr Pflegebedarf infolge einer Änderung der tatsächlichen Verhältnisse durchschnittlich nicht mehr als 50 Stunden monatlich (§ 4 Abs 1 und 2 BPGG) beträgt (vgl SSV-NF 9/52 mwN ua).Nach Paragraph 9, Absatz 4, BPGG ist das Pflegegeld - bescheidmäßig - zu entziehen, wenn eine Voraussetzung für die Gewährung von Pflegegeld wegfällt. Eine Voraussetzung für die Gewährung von Pflegegeld fällt insbesondere dann weg, wenn die bisher berechtigte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht mehr im Inland hat, wenn ihr keine Grundleistung mehr gebührt (Paragraph 3, Absatz eins, BPGG) oder ihr Pflegebedarf infolge einer Änderung der tatsächlichen Verhältnisse durchschnittlich nicht mehr als 50 Stunden monatlich (Paragraph 4, Absatz eins und 2 BPGG) beträgt vergleiche SSV-NF 9/52 mwN ua).

Im vorliegenden Fall hat die beklagte Partei die von ihr verfügte Entziehung des Pflegegeldes im angefochtenen Bescheid ausschließlich damit begründet, dass die Klägerin ihren Hauptwohnsitz seit September 2002 nach Deutschland verlegt habe. Auch in ihrem Prozessvorbringen hat sich die beklagte Partei ausschließlich auf diesen Umstand gestützt, sodass im Zusammenhang mit der vom Erstgericht unbekämpft getroffenen Feststellung, die Klägerin bezieht eine Witwenrente nach dem KOVG 1957, der erkennende Senat davon ausgeht, dass die Klägerin diese Rentenleistung auch nach ihrer Übersiedlung nach Deutschland weiterhin bezieht. Es trifft nämlich zwar zu, dass es sich bei der von der Klägerin bezogenen Witwenrente nach dem KOVG 1957 nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes um eine Leistung aus einem Leistungssystem für Opfer des Krieges und seiner Folgen iSd Art 4 Abs 4 der Verordnung Nr 1408/71 handelt, auf welche nach dieser Bestimmung die genannte Verordnung nicht anzuwenden ist (vgl VwGH, 17. 5. 2000, Zl 99/09/0120 mwN), es sieht aber § 60 KOVG 1957 ausdrücklich vor, dass der Anspruch auf die geldlichen Versorgungsleistungen nach diesem Bundesgesetz durch einen Wohnsitz oder Aufenthalt im Ausland nicht berührt wird. Auch nach Art 1 des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Kriegsopferversorgung und Beschäftigung Schwerbeschädigter vom 7. 5. 1963 (BGBl 1964/218 samt Zusatzvertrag vom 7. 2. 1969, BGBl 1970/201) erhalten Personen, die nach den Vorschriften des einen Vertragsstaates über die Versorgung von Kriegsopfern versorgungsberechtigt sind und ihren ständigen Aufenthalt im Gebiet des anderen Vertragsstaates haben, die Versorgungsleistungen von dem einem Staat nach seinen Vorschriften, soweit dieser Vertrag nicht vorsieht, dass sie von dem anderen Staat nach dessen Vorschriften zu gewähren sind. Nach Art 6 des Vertrages wird unter anderem auch Personen, die ihren ständigen Aufenthalt im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland haben und Hinterbliebenenversorgung nach dem Kriegsopferversorgungsgesetz erhalten, von deutscher Seite Krankenbehandlung nach den Vorschriften des deutschen Bundesversorgungsgesetzes gewährt, wenn und soweit nach diesem Gesetz der Anspruch auf Krankenbehandlung nicht ausgeschlossen ist.Im vorliegenden Fall hat die beklagte Partei die von ihr verfügte Entziehung des Pflegegeldes im angefochtenen Bescheid ausschließlich damit begründet, dass die Klägerin ihren Hauptwohnsitz seit September 2002 nach Deutschland verlegt habe. Auch in ihrem Prozessvorbringen hat sich die beklagte Partei ausschließlich auf diesen Umstand gestützt, sodass im Zusammenhang mit der vom Erstgericht unbekämpft getroffenen Feststellung, die Klägerin bezieht eine Witwenrente nach dem KOVG 1957, der erkennende Senat davon ausgeht, dass die Klägerin diese Rentenleistung auch nach ihrer Übersiedlung nach Deutschland weiterhin bezieht. Es trifft nämlich zwar zu, dass es sich bei der von der Klägerin bezogenen Witwenrente nach dem KOVG 1957 nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes um eine Leistung aus einem Leistungssystem für Opfer des Krieges und seiner Folgen iSd Artikel 4, Absatz 4, der Verordnung Nr 1408/71 handelt, auf welche nach dieser Bestimmung die genannte Verordnung nicht anzuwenden ist vergleiche VwGH, 17. 5. 2000, Zl 99/09/0120 mwN), es sieht aber Paragraph 60, KOVG 1957 ausdrücklich vor, dass der Anspruch auf die geldlichen Versorgungsleistungen nach diesem Bundesgesetz durch einen Wohnsitz oder Aufenthalt im Ausland nicht berührt wird. Auch nach Artikel eins, des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Kriegsopferversorgung und Beschäftigung Schwerbeschädigter vom 7. 5. 1963 (BGBl 1964/218 samt Zusatzvertrag vom 7. 2. 1969, BGBl 1970/201) erhalten Personen, die nach den Vorschriften des einen Vertragsstaates über die Versorgung von Kriegsopfern versorgungsberechtigt sind und ihren ständigen Aufenthalt im Gebiet des anderen Vertragsstaates haben, die Versorgungsleistungen von dem einem Staat nach seinen Vorschriften, soweit dieser Vertrag nicht vorsieht, dass sie von dem anderen Staat nach dessen Vorschriften zu gewähren sind. Nach Artikel 6, des Vertrages wird unter anderem auch Personen, die ihren ständigen Aufenthalt im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland haben und Hinterbliebenenversorgung nach dem Kriegsopferversorgungsgesetz erhalten, von deutscher Seite Krankenbehandlung nach den Vorschriften des deutschen Bundesversorgungsgesetzes gewährt, wenn und soweit nach diesem Gesetz der Anspruch auf Krankenbehandlung nicht ausgeschlossen ist.

Aufgrund dieser Erwägungen geht der erkennende Senat somit davon aus, dass die Klägerin auch nach der Verlegung ihres Wohnsitzes nach Deutschland weiterhin Anspruch auf Gewährung der Witwenrente nach dem KOVG 1957 hat und sie damit weiterhin eine Grundleistung bezieht, die einen Anspruch auf Bundespflegegeld als Annexleistung rechtfertigen würde. Diese Frage bildet auch keinen Streitpunkt zwischen den Parteien. Strittig ist vielmehr nur die Frage, ob auch das der Klägerin zuerkannte Bundespflegegeld aufgrund der Bestimmungen der Verordnung Nr 1408/71 nach Deutschland zu exportieren ist.

Nach der Rechtsprechung des EuGH beantwortet sich die Frage, ob eine bestimmte Leistung (hier: Pflegegeld nach dem BPGG) in den Geltungsbereich der Verordnung Nr 1408/71 fällt, entscheidend nach ihren Wesensmerkmalen, insbesondere ihren Zwecken und den Voraussetzungen ihrer Gewährung (vgl ua Urteil vom 6. Juli 2000 in der Rechtssache C-73/99, Movrin, Slg 2000, I-5625, Rnr 38 mwN). In der das österreichische Bundespflegegeld betreffenden Entscheidung vom 8. März 2001, Rs C-215/99, Jauch, Slg 2001, I-01901, gelangte der EuGH zu dem Ergebnis, dass das Bundespflegegeld als eine finanzielle Leistung bei Krankheit iSd Art 4 Buchstabe a der Verordnung Nr 1408/71 anzusehen ist und es daher gemäß Art 19 Abs 1 Buchstabe b dieser Verordnung und den entsprechenden Bestimmungen der anderen Abschnitte des Kapitels 1 des Titels III dieser Verordnung als eine Geldleistung bei Krankheit unabhängig davon auszuzahlen ist, in welchem Mitgliedstaat ein Pflegebedürftiger wohnt, der die sonstigen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt (Rnr 28 und 35 f des Urteils). Das Bundespflegegeld ist daher entgegen der Ansicht der Revisionswerberin nicht als Leistung der Kriegsopferfürsorge iSd Art 4 Abs 4 der Verordnung Nr 1408/71 sondern als Leistung bei Krankheit iSd Art 4 Buchstabe a dieser Verordnung zu werten. Das Bundespflegegeld ist somit als Geldleistung der Krankenversicherung nach den Art 13 ff der Verordnung bzw nach den speziellen Zuständigkeitsvorschriften für die Leistungen bei Krankheit (vgl Art 19 Abs 1 Buchstabe b, 25 Abs 1 Buchstabe b und 28 Abs 1 Buchstabe b der Verordnung) auch in das Ausland zu exportieren, wenn Österreich für die Gewährung der Leistungen bei Krankheit und Mutterschaft zuständig ist (10 ObS 286/02k mwN; Siedl in Tomandl, SV-System 14. ErgLfg 790/11 ua).Nach der Rechtsprechung des EuGH beantwortet sich die Frage, ob eine bestimmte Leistung (hier: Pflegegeld nach dem BPGG) in den Geltungsbereich der Verordnung Nr 1408/71 fällt, entscheidend nach ihren Wesensmerkmalen, insbesondere ihren Zwecken und den Voraussetzungen ihrer Gewährung vergleiche ua Urteil vom 6. Juli 2000 in der Rechtssache C-73/99, Movrin, Slg 2000, I-5625, Rnr 38 mwN). In der das österreichische Bundespflegegeld betreffenden Entscheidung vom 8. März 2001, Rs C-215/99, Jauch, Slg 2001, I-01901, gelangte der EuGH zu dem Ergebnis, dass das Bundespflegegeld als eine finanzielle Leistung bei Krankheit iSd Artikel 4, Buchstabe a der Verordnung Nr 1408/71 anzusehen ist und es daher gemäß Artikel 19, Absatz eins, Buchstabe b dieser Verordnung und den entsprechenden Bestimmungen der anderen Abschnitte des Kapitels 1 des Titels römisch III dieser Verordnung als eine Geldleistung bei Krankheit unabhängig davon auszuzahlen ist, in welchem Mitgliedstaat ein Pflegebedürftiger wohnt, der die sonstigen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt (Rnr 28 und 35 f des Urteils). Das Bundespflegegeld ist daher entgegen der Ansicht der Revisionswerberin nicht als Leistung der Kriegsopferfürsorge iSd Artikel 4, Absatz 4, der Verordnung Nr 1408/71 sondern als Leistung bei Krankheit iSd Artikel 4, Buchstabe a dieser Verordnung zu werten. Das Bundespflegegeld ist somit als Geldleistung der Krankenversicherung nach den Artikel 13, ff der Verordnung bzw nach den speziellen Zuständigkeitsvorschriften für die Leistungen bei Krankheit vergleiche Artikel 19, Absatz eins, Buchstabe b, 25 Absatz eins, Buchstabe b und 28 Absatz eins, Buchstabe b der Verordnung) auch in das Ausland zu exportieren, wenn Österreich für die Gewährung der Leistungen bei Krankheit und Mutterschaft zuständig ist (10 ObS 286/02k mwN; Siedl in Tomandl, SV-System 14. ErgLfg 790/11 ua).

Die somit entscheidungswesentliche Frage, ob die Klägerin trotz ihres Wohnsitzes in Deutschland der österreichischen Krankenversicherung zuzuordnen ist, wurde bisher mit den Parteien in keiner Weise erörtert und es wurden vom Erstgericht auch keine ausreichenden Feststellungen getroffen, welche eine Beurteilung dieser Frage gestatten würden. So hat das Erstgericht, wie bereits erwähnt, keine Feststellungen darüber getroffen, ob die Klägerin neben ihrer Witwenrente nach dem KOVG ein weiteres Pensionseinkommen aus Österreich oder ein sonstiges Pensionseinkommen aus einem anderen Staat (Deutschland) bezieht, sodass derzeit die Frage der Leistungszuständigkeit der österreichischen oder deutschen Krankenversicherung noch nicht beurteilt werden kann. Sollte sich herausstellen, dass die Klägerin neben ihrer Witwenrente nach dem KOVG kein weiteres Pensionseinkommen bezieht, wird mit den Parteien die Frage zu erörtern sein, inwieweit der Bezug einer Witwenrente nach dem KOVG einen Krankenversicherungsschutz für den Leistungsbezieher - auch bei Wohnort in Deutschland - zur Folge haben kann. Die beklagte Partei macht in diesem Zusammenhang erstmals in ihren Revisionsausführungen geltend, die Klägerin sei nicht in Österreich sondern im Hinblick auf ihren nunmehrigen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland krankenversichert, weshalb eine Leistungszuständigkeit eines österreichischen Krankenversicherungsträgers nicht gegeben sei. Die Klärung der Frage der Zuordnung des Leistungsberechtigten zur österreichischen Krankenversicherung ist unabdingbare Entscheidungsvoraussetzung. Diese Frage hat daher das Gericht entgegen der Rechtsansicht der Revisionswerberin aufgrund der Bestimmung des § 87 Abs 1 ASGG von Amts wegen zu überprüfen und hierüber die notwendigen Feststellungen zu treffen.Die somit entscheidungswesentliche Frage, ob die Klägerin trotz ihres Wohnsitzes in Deutschland der österreichischen Krankenversicherung zuzuordnen ist, wurde bisher mit den Parteien in keiner Weise erörtert und es wurden vom Erstgericht auch keine ausreichenden Feststellungen getroffen, welche eine Beurteilung dieser Frage gestatten würden. So hat das Erstgericht, wie bereits erwähnt, keine Feststellungen darüber getroffen, ob die Klägerin neben ihrer Witwenrente nach dem KOVG ein weiteres Pensionseinkommen aus Österreich oder ein sonstiges Pensionseinkommen aus einem anderen Staat (Deutschland) bezieht, sodass derzeit die Frage der Leistungszuständigkeit der österreichischen oder deutschen Krankenversicherung noch nicht beurteilt werden kann. Sollte sich herausstellen, dass die Klägerin neben ihrer Witwenrente nach dem KOVG kein weiteres Pensionseinkommen bezieht, wird mit den Parteien die Frage zu erörtern sein, inwieweit der Bezug einer Witwenrente nach dem KOVG einen Krankenversicherungsschutz für den Leistungsbezieher - auch bei Wohnort in Deutschland - zur Folge haben kann. Die beklagte Partei macht in diesem Zusammenhang erstmals in ihren Revisionsausführungen geltend, die Klägerin sei nicht in Österreich sondern im Hinblick auf ihren nunmehrigen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland krankenversichert, weshalb eine Leistungszuständigkeit eines österreichischen Krankenversicherungsträgers nicht gegeben sei. Die Klärung der Frage der Zuordnung des Leistungsberechtigten zur österreichischen Krankenversicherung ist unabdingbare Entscheidungsvoraussetzung. Diese Frage hat daher das Gericht entgegen der Rechtsansicht der Revisionswerberin aufgrund der Bestimmung des Paragraph 87, Absatz eins, ASGG von Amts wegen zu überprüfen und hierüber die notwendigen Feststellungen zu treffen.

Um die Parteien mit der dargelegten Rechtsansicht nicht zu überraschen und um die sachverhaltsmäßige Grundlage für eine abschließende Beurteilung der Leistungszuständigkeit der österreichischen Krankenversicherung im dargelegten Sinne zu schaffen, war die Rechtssache unter Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.Der Kostenvorbehalt beruht auf Paragraph 52, ZPO.

Textnummer

E71151

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2003:010OBS00228.03G.1021.000

Im RIS seit

20.11.2003

Zuletzt aktualisiert am

06.02.2013
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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