TE Vwgh Erkenntnis 2007/5/15 2006/18/0418

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Veröffentlicht am 15.05.2007
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Index

41/02 Asylrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

AuslBG;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z8;
FrPolG 2005 §62 Abs1;
FrPolG 2005 §62 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde des A B in G, geboren 1979, vertreten durch Dr. Walter Eisl, Rechtsanwalt in 3300 Amstetten, Ardaggerstraße 14, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 16. Oktober 2006, Zl. St 218/06, betreffend Erlassung eines befristeten Rückkehrverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer den Aufwand von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 16. Oktober 2006 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 62 Abs. 1 und 2, § 60 Abs. 2 Z. 8 und §§ 63 und 66 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein Rückkehrverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer sei am 12. Jänner 2003 in das Bundesgebiet eingereist und habe am 10. Februar 2003 einen Asylantrag gestellt, der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 15. Februar 2005 abgewiesen worden sei. Zugleich sei festgestellt worden, dass seine Abschiebung, Zurückschiebung oder Zurückweisung in die Türkei zulässig sei. Über die dagegen vom Beschwerdeführer erhobene Berufung sei noch nicht entschieden worden.

Am 20. Oktober 2004 sei er vom Landesgericht Feldkirch gemäß §§ 15, 105 Abs. 1 StGB wegen versuchter Nötigung zu einer Geldstrafe in der Höhe von 200 Tagsätzen a EUR 5,--, im Nichteinbringungsfall zu 100 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe, verurteilt worden. Er habe am 8. Juli 2004 zusammen mit Ömer S. seine Ehegattin mit Gewalt zu einer Handlung, nämlich gegen deren Willen in einen PKW einzusteigen, zu nötigen versucht, indem Ömer S. die Ehefrau unter ihren Armen und der Beschwerdeführer diese an ihren Beinen erfasst und gegen ihren Willen zum PKW getragen hätten, wobei die Ehefrau Özlem B. sich schließlich hätte losreißen können. Mildernd seien bei der Verurteilung die bisherige Unbescholtenheit des Beschwerdeführers, sein Geständnis sowie der Umstand berücksichtigt worden, dass es beim Versuch geblieben sei. Als erschwerend habe das Zusammenwirken von zwei Personen Berücksichtigung gefunden. Im Zuge einer gegen ihn gerichteten Amtshandlung sei gegen ihn am 4. Oktober 2004 vom Gendarmerieposten Dornbirn eine Wegweisung bzw. ein Betretungsverbot erlassen worden.

Am 25. Februar 2006 sei er von Organen des Zollamtes Wels in einer Pizzeria bei einer nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz nicht erlaubten Beschäftigung betreten worden. Dabei seien fünf Personen überprüft worden. Der Beschwerdeführer sei in der Küche beim Zubereiten einer Pizza betreten worden. Er habe angegeben, er würde EUR 1.100,-- monatlich sowie freie Verpflegung und freie Unterkunft erhalten. Dem Vorbringen in der Berufung, er hätte die Beschäftigung bereits vor der Erteilung der Beschäftigungsbewilligung aufgenommen, weil ihm sein Arbeitgeber dazu geraten hätte, sei zu erwidern, dass dadurch das Verschulden des Beschwerdeführers nicht gemindert werde, zumal ihm bei Antragstellung durch seinen Arbeitgeber am 14. Februar 2006 klar gewesen sein müsse, dass das Verfahren auch negativ verlaufen könne und er eine Beschäftigung erst nach Erhalt einer entsprechenden Bewilligung ausüben dürfe. Insofern seien seine Ausführungen als Schutzbehauptungen anzusehen. Er habe somit durch sein Verhalten dokumentiert, an der Einhaltung der Rechts- und Werteordnung der Republik Österreich kein Interesse zu haben. Es sei die Annahme gerechtfertigt, dass sein Aufenthalt eine Gefahr für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit darstelle. Die Angabe des Beschwerdeführers, er hätte aus Unwissenheit über die Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes gearbeitet, sei eine Schutzbehauptung.

Wenn auch die Verurteilung des Beschwerdeführers nicht die Voraussetzungen des Tatbestandes des § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG erfülle, so sei seinem Verhalten doch eine Gelassenheit gegenüber den Rechts- und Wertvorschriften seines Gastlandes zu entnehmen. Zusammen mit der Aufnahme der illegalen Beschäftigung sei daraus abzuleiten, dass sein weiterer Aufenthalt die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Sicherheit gefährde.

Der Beschwerdeführer sei allein nach Österreich gekommen. Es bestünden keine familiären Bindungen. Er sei an keine Örtlichkeit gebunden. Seine beruflichen Bindungen zu Österreich würden durch das Rückkehrverbot nicht beeinträchtigt, weil er mangels arbeitsmarktrechtlicher Bewilligung nicht berechtigt sei, in Österreich einer Tätigkeit nachzugehen. Von einer Integration in das Bundesgebiet könne nicht ausgegangen werden, weil er sich auf Grund eines Asylantrages in Österreich aufhalte. Zudem habe er unter Beweis gestellt, gegenüber den Vorschriften seines Gastlandes keinen Respekt zu haben. Die Erlassung des Rückkehrverbotes sei zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG dringend geboten, zumal der Beschwerdeführer offensichtlich nicht gewillt sei, das Unrecht seines Handelns einzusehen. Aus den angeführten Gründen sei auch von der Ermessensbestimmung des § 62 Abs. 1 FPG Gebrauch zu machen gewesen. Eine Abstandnahme von der Erlassung des Rückkehrverbots hätte die öffentliche Ordnung zu schwer beeinträchtigt. Angesichts des seit 12. Jänner 2003 währenden Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet sei ihm ein gewisses Maß an Integration zuzugestehen. Diese Integration werde jedoch in seiner sozialen Komponente auf Grund des dargelegten Fehlverhaltens erheblich beeinträchtigt. Unter Abwägung aller oben angeführten Tatsachen und im Hinblick auf die für den weiteren Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet zu stellende negative Zukunftsprognose wögen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Rückkehrverbotes wesentlich schwerer als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf seine Lebenssituation. Das Rückkehrverbot sei daher iSd § 66 Abs. 2 FPG zulässig. Vor Ablauf der Dauer des verhängten Rückkehrverbotes könne nicht erwartet werden, dass sich der Beschwerdeführer an die in Österreich geltenden Normen halten würde.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, nahm aber von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 62 Abs. 1 FPG kann gegen einen Asylwerber ein Rückkehrverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen eine der in den Z. 1 und 2 leg. cit. umschriebenen Annahmen gerechtfertigt ist. Gemäß § 62 Abs. 2 iVm § 60 Abs. 2 FPG idF der Novelle BGBl. Nr. 99/2006 hat als bestimmte Tatsache im Sinn des § 62 Abs. 1 FPG insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder (Z. 1) von einem inländischen Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist, oder wenn ein Fremder (Z. 8) von einem Organ der Zollbehörde, der regionalen Geschäftsstelle oder der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz nicht ausüben hätte dürfen.

2. Der Beschwerdeführer bekämpft die Feststellungen der belangten Behörde über die Ausübung einer unerlaubten Beschäftigung nicht. Er bringt indes vor, sein Arbeitgeber habe ihm damals erklärt, er könne (bereits) ab dem Zeitpunkt, ab dem er für ihn angesucht hätte, bei ihm arbeiten. "Ich hatte damals wirklich mich auf das Wort meines Arbeitgebers verlassen und bei ihm die Beschäftigung aufgenommen."

Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, dass es zu dem bei jedermann voraussetzbaren Allgemeinwissen gehört, dass die Aufnahme einer unselbständigen Tätigkeit in Österreich durch einen Fremden einer Bewilligung nach den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes bedarf. Die angebliche Versicherung durch den Arbeitgeber des Beschwerdeführers, er könne schon vor dem Vorliegen einer solchen Bewilligung bei ihm zu arbeiten beginnen, stellt daher keinen Umstand dar, der das Verhalten des Beschwerdeführers entschuldigen könnte. Der Tatbestand des § 62 Abs. 2 iVm § 60 Abs. 2 Z. 8 FPG ist daher erfüllt.

3. Auf Grund seiner unerlaubten Tätigkeit hat der Beschwerdeführer das große öffentliche Interesse an der Verhinderung von Arbeit, die gegen die Regelungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes erbracht wird, erheblich beeinträchtigt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. Oktober 2006, Zl. 2003/18/0338). Darüber hinaus hat der Beschwerdeführer sich schon vor diesem Vorfall einer gegen die körperliche Integrität gerichteten Straftat schuldig gemacht. Er hat am 8. Juli 2004 gemeinsam mit einem Mittäter seine Ehefrau zu nötigen versucht, in einen PKW einzusteigen, indem er und der Mittäter seine Ehefrau gegen ihren Willen zum PKW getragen haben, wobei sich die Ehefrau schließlich losreißen konnte. Auch wenn dieses Verhalten - worauf der Beschwerdeführer richtig hinweist - den Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG nicht erfüllt, so stellt es doch ein weiteres Fehlverhalten dar, das gemeinsam mit der erwähnten Schwarzarbeit die Ansicht der belangten Behörde als rechtlich unbedenklich erscheinen lässt, dass die im § 62 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei.

4.1. Im Rahmen der Interessenabwägung gemäß § 66 Abs. 1 und 2 FPG hat die belangte Behörde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer keine familiären Bindungen geltend gemacht bzw. nachgewiesen habe. Er sei in seiner weiteren Lebensgestaltung flexibel und an keine Örtlichkeit gebunden.

Der Beschwerdeführer bringt in der Beschwerde (auch unter Verweis auf den Akt des Bundesasylamtes) vor, er habe am 16. Juli 2002 in der Türkei geheiratet und seine Ehefrau lebe seit 16 Jahren in Österreich. Er habe sich im Sommer des Jahres 2004 mit ihr "eine Zeitlang nicht verstanden". Mittlerweile habe er sich aber wieder ausgesöhnt. Die Ehegemeinschaft sei nach wie vor aufrecht. Seine Ehefrau habe ihm "diesen Vorfall längst verziehen" und beide hätten beschlossen, die Ehe fortzuführen. Die Integration in seine Kernfamilie habe ein Ausmaß erlangt, dass aus menschlichen Gründen ein Rückkehrverbot nicht gerechtfertigt sei.

4.2. Dieses Vorbringen führt die Beschwerde im Ergebnis zum Erfolg. Die Behörde ist einerseits vom Bestehen einer Ehe ausgegangen, hat aber andererseits - im Widerspruch dazu - das Bestehen familiärer Bindungen des Beschwerdeführers rundweg verneint. Sollte das oben wiedergegebene Vorbringen des Beschwerdeführers zutreffen, so wäre ein anderes Ergebnis der nach § 66 FPG vorzunehmenden Interessenabwägung nicht auszuschließen.

5. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

6. Der Zuspruch von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 15. Mai 2007

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2006180418.X00

Im RIS seit

02.07.2007

Zuletzt aktualisiert am

09.11.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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