TE Vwgh Erkenntnis 2007/5/22 2007/21/0141

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.05.2007
beobachten
merken

Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
41/02 Asylrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

B-VG Art130 Abs2;
FrPolG 2005 §55 Abs3;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde des M, vertreten durch Dr. Rudolf Breuer, Rechtsanwalt in 2700 Wiener Neustadt, Hauptplatz 28, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 31. Oktober 2006, Zl. Fr 1315/06, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen ägyptischen Staatsangehörigen, gemäß § 60 Abs. 1 und 2 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG ein unbefristetes Aufenthaltsverbot.

Zur Begründung dieser Maßnahme verwies die belangte Behörde auf die rechtskräftige Verurteilung des Beschwerdeführers durch das Landesgericht für Strafsachen Wien vom 18. Juli 2005 nach § 27 Abs. 1 und 2 Z 2 erster Fall Suchtmittelgesetz, teilweise als Beitragstäter, sowie nach den §§ 15, 269 Abs. 1 erster Fall StGB (versuchter Widerstand gegen die Staatsgewalt) zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von sieben Monaten. Demnach habe der Beschwerdeführer im Wesentlichen Suchtgift gewerbsmäßig anderen überlassen sowie (ab April 2005) wiederholt für den Eigenkonsum erworben und besessen, weiters Suchtgiftkonsumenten vermittelt und sich einer Festnahme mit Gewalt zu widersetzen versucht.

Weiters sei der Beschwerdeführer rechtskräftig mit Urteil vom 4. Jänner 2006 nach den §§ 127, 130 erster Fall, 15 StGB (teils versuchter, teils vollendeter gewerbsmäßiger Diebstahl), §§ 15, 142 Abs. 1 und 2 StGB (versuchter Raub), §§ 15, 144 Abs. 1 StGB (versuchte Erpressung), § 107 Abs. 1 StGB (gefährliche Drohung), § 83 Abs. 1 StGB (Körperverletzung) und § 241e Abs. 1 erster Satz StGB (Entfremdung unbarer Zahlungsmittel) zu einer Freiheitsstrafe von 28 Monaten verurteilt worden, wobei die bedingte Strafnachsicht des erstgenannten Urteils widerrufen worden sei. Die diesem Urteil zu Grunde liegenden strafbaren Handlungen stellte die belangte Behörde folgendermaßen dar:

     "Die Verurteilung erfolgte, da Sie

     1. in Wien gewerbsmäßig fremde bewegliche Sachen

Nachgenannten mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung

unrechtmäßig zu bereichern,

             a.        weggenommen haben, und zwar am 31.07.2005

der Adelheid B. ca. EUR 50,00 Bargeld;

             b.        wegzunehmen versucht haben, und zwar am

10.08.2005 Verfügungsberechtigten der Firma MERKUR 2 Clearasil im Wert von EUR 13,98;

2. am 11.08.2005 in Wien den Juan Ariel M. V. dadurch, dass Sie ihn festgehalten haben und ihm einen harten Gegenstand in den Rücken gedrückt haben und Geld gefordert haben, mit Gewalt gegen seine Person eine fremde bewegliche Sache mit dem Vorsatz abzunötigen versucht haben, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei der Raub ohne Anwendung erheblicher Gewalt an einer Sache geringen Wertes begangen wurde und die Tat nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat;

3. am 25.07.2005 in Wien in mehrfachen Angriffen versucht haben, Hatice Y. durch die Äußerung, Sie werden ihr Probleme machen, Sie werden sie umbringen, Sie werden sie vergewaltigen, sohin durch gefährliche Drohung zu einer Handlung, die diese am Vermögen schädigt, nämlich zur Ausfolgung von Bargeld in einer Höhe bis zu EUR 150,00 genötigt haben, wobei Sie mit dem Vorsatz gehandelt haben, sich durch das Verhalten der Genötigten unrechtmäßig zu bereichern;

4. am 10.08.2005 Hatice Y. in Süßenbrunn durch die Äußerungen, Sie werden sie umbringen, Sie werden sie vergewaltigen, wobei Sie sie an den Handgelenken gepackt und zugedrückt haben, gefährlich bedroht haben, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen;

5. Sie in Süßenbrunn zugleich durch die unter Punkt vier angeführte Gewalt vorsätzlich Hatice Y. am Körper verletzt haben, nämlich ihr Rötungen der Handgelenke zugefügt haben;

6. am 24.07.2005 in Wien unbare Zahlungsmittel, nämlich Kreditkarten lautend auf Michelle M. über die Sie nicht verfügen durften, durch Sachwegnahme sich mit dem Vorsatz verschafft haben, dass Sie oder ein Dritter durch deren Verwendung im Rechtsverkehr unrechtmäßig bereichert werden."

Zur Begründung der Gefährlichkeitsprognose nach § 60 Abs. 1 FPG verwies die belangte Behörde auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität und auf deren große Sozialschädlichkeit. Sie wertete das Fehlverhalten des Beschwerdeführers als außerordentlich gravierend und hob die massive mit seiner Drogensucht einhergehende Begleitkriminalität hervor. Die Absolvierung einer Drogentherapie im Gefängnis erachtete sie als nicht geeignet, bereits nach der Haftentlassung eine "günstigere" Gefährdungsprognose herbeizuführen. Zusammenfassend wertete sie das Aufenthaltsverbot zum Schutz der Rechte und der Gesundheit anderer dringend geboten im Sinn des Art. 8 Abs. 2 EMRK.

Zur Interessenabwägung nach § 66 FPG verwies die belangte Behörde darauf, dass sich der Beschwerdeführer seit September 2002 in Österreich aufhalte und nach Einreise mit einem "Schengenvisum" von einem österreichischen Staatsangehörigen adoptiert worden sei. Ihm sei als begünstigtem Drittstaatsangehörigen eine quotenfreie Erstniederlassungsbewilligung erteilt worden. Die Beziehung zum Wahlvater sei jedoch durch die Volljährigkeit relativiert und er sei auf Grund seiner gehäuften Straftaten ungeachtet der Niederlassung seit dem Jahr 2002 und der teilweisen Berufstätigkeit nicht integriert. Auch seinem Wahlvater sei es nicht möglich gewesen, den Beschwerdeführer von den strafbaren Handlungen abzuhalten. Die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und die seiner Familie wögen nicht schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes. Auch bei großzügiger Auslegung könne weder § 66 FPG noch die Ermessensbestimmung des § 60 Abs. 1 FPG zu seinen Gunsten angewendet werden. Die oftmaligen strafbaren Handlungen und das teilweise rücksichtslose Vorgehen würden als besonders schwerwiegend eingestuft. Wegen der Drogensucht und der gehäuften Beschaffungskriminalität könne nicht abgeschätzt werden, wann der Grund für die Verhängung des Aufenthaltsverbotes weggefallen sein werde, weshalb die Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes "unbedingt erforderlich" sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:

Gemäß § 60 Abs. 1 FPG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen (diese Konventionsbestimmung nennt die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung, die Verhinderung von strafbaren Handlungen, den Schutz der Gesundheit und der Moral und den Schutz der Rechte und Freiheiten anderer) zuwiderläuft (Z 2).

In § 60 Abs. 2 FPG sind demonstrativ Sachverhalte angeführt, die als bestimmte Tatsachen im Sinn des § 60 Abs. 1 leg. cit. gelten, bei deren Verwirklichung die dort genannte Annahme gerechtfertigt sein kann. Bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 60 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Bei der Entscheidung, ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, ist Ermessen zu üben, wobei die Behörde vor dem Hintergrund der gesamten Rechtsordnung auf alle für und gegen das Aufenthaltsverbot sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen hat (vgl. das zu den Voraussetzungen eines Aufenthaltsverbotes nach dem FrG ergangene und auch im Bereich des FPG anwendbare hg. Erkenntnis vom 26. April 2005, Zl. 2005/21/0044).

Der Beschwerdeführer tritt den behördlichen Feststellungen nicht entgegen, weshalb die belangte Behörde den Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 1 FPG als verwirklicht ansehen durfte. Entgegen der Beschwerdemeinung ist auch die behördliche Prognose nach § 60 Abs. 1 FPG, dass der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich die öffentliche Ordnung und Sicherheit und das öffentliche Interesse an der Unterbindung der Suchtgift- und Begleitkriminalität gefährden würde, nicht zu beanstanden. Daran vermag das Vorbringen, dass der Beschwerdeführer bereits in der Strafhaft eine Therapie absolviert habe und diese nach Ende seiner Haft fortsetzen werde, nichts zu ändern, könnte doch erst nach einer entsprechenden Zeit des Wohlverhaltens in Freiheit eine günstige Prognose für den Beschwerdeführer erstellt werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. September 2006, Zl. 2003/21/0058). Ergänzend wird angemerkt, dass der Beschwerdeführer selbst bei Anwendung der §§ 86 iVm 87 FPG zur Vermeidung einer Diskriminierung unter Gleichheitsgesichtspunkten auf volljährige Adoptivkinder mangels Behauptung einer Unterhaltsgewährung durch den Adoptivvater nicht nach diesen Bestimmungen über begünstigte Drittstaatsangehörige zu behandeln war.

Die belangte Behörde erachtete das Aufenthaltsverbot - jeweils iVm § 60 Abs. 6 FPG - auch zutreffend als dringend geboten nach § 66 Abs. 1 FPG und als zulässig im Sinn einer Interessenabwägung nach § 66 Abs. 2 leg. cit. Der Beschwerdeführer unterlässt eine Konkretisierung, aus welchen Umständen seine behauptete "vollständige Integration in die österreichische Gesellschaft" abzuleiten sei. Da der seit September 2002 in Österreich befindliche Beschwerdeführer bereits im April 2005 straffällig geworden ist, können trotz der Wahlverwandtschaft zu einem österreichischen Staatsangehörigen die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich nicht höher gewertet werden als das äußerst große öffentliche Interesse an der Verhinderung derartiger vom Beschwerdeführer gesetzter strafbarer Handlungen.

Da die vorliegenden Verurteilungen dem Verfestigungstatbestand des § 55 Abs. 3 FPG entgegenstünden, wäre auch eine Ermessensübung zu Gunsten des Beschwerdeführers mit dem Gesetz nicht in Einklang gestanden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Jänner 2007, Zl. 2006/18/0254).

Letztlich zeigt die Beschwerde auch keinen Umstand auf, warum mit einem Aufenthaltsverbot in der Dauer von zehn Jahren "das Auslangen zu finden gewesen" wäre. Im Blick auf das massive Fehlverhalten des Beschwerdeführers kann nicht prognostiziert werden, wann der Grund für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes, nämlich die Gefährlichkeit des Beschwerdeführers, weggefallen sein wird. Somit erweist sich auch die unbefristete Dauer des Aufenthaltsverbotes nicht als rechtswidrig.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 22. Mai 2007

Schlagworte

Ermessen besondere RechtsgebieteErmessen VwRallg8

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2007210141.X00

Im RIS seit

11.07.2007

Zuletzt aktualisiert am

05.11.2013
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten