TE Vwgh Erkenntnis 2007/6/14 2006/12/0155

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Veröffentlicht am 14.06.2007
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E1E;
E6J;
59/04 EU - EWR;
63/02 Gehaltsgesetz;
65/01 Allgemeines Pensionsrecht;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

11997E012 EG Art12 Abs1;
11997E018 EG Art18 Abs1;
11997E018 EG Art18;
61998CJ0156 Deutschland / Kommission;
62004CJ0520 Turpeinen VORAB;
62005CJ0192 Tas-Hagen and Tas VORAB;
ASVG §108 Abs5;
ASVG §108;
EURallg;
GehG 1956 §21 idF 1992/314;
PG 1965 §31 Abs1 Z1 idF 2001/I/087;
PG 1965 §31 Abs1 Z2 idF 2001/I/087;
PG 1965 §31 Abs1 Z3 idF 2001/I/087;
PG 1965 §41 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Nowakowski, Dr. Thoma und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schilhan, über die Beschwerde des Dr. G K in L, vertreten durch Dr. Barbara Kurz, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Dr. Karl Lueger-Ring 12, als Verfahrenshelferin, gegen den Bescheid des Bundesministers für Finanzen vom 18. April 2006, Zl. BMF-111301/0228-II/5/2005, betreffend Ruhebezug, nach durchgeführter Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreters des Beschwerdeführers und des Vertreters der belangten Behörde, Min.- Rat Dr. Warnung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht seit dem 1. Jänner 1993 als Legationsrat i.R. in einem öffentlich-rechtlichen Ruhestandsverhältnis zum Bund. Er lebt (nach dem Beschwerdevorbringen seit 15. Juli 2003) in Luxemburg.

Mit einem an das Bundespensionsamt gerichteten Antrag vom 31. Juli 2004 beantragte er rückwirkend ab 15. Juli 2003 eine "Erhöhung seiner Pension". Darin vertrat er im Wesentlichen die Auffassung, sein österreichischer Ruhebezug sei der Höhe nach an die höheren Lebenshaltungskosten in Luxemburg (höheres Lohnniveau, höhere Mindestlöhne, höhere Mindestpensionen, deutlich höheres Mietzinsniveau) anzupassen.

Zur Begründung seines Antrages führte er im Wesentlichen aus, dass es ihm als Unionsbürger frei stehe, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten. Bei Nichtanhebung seiner Pension an die höheren Lebenshaltungskosten in Luxemburg würde das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, an finanzielle Schranken stoßen. Er bemängelte das österreichische System der Beibehaltung des so genannten "Friedenkronenzinses", das zu einer unrealistischen Zusammensetzung des Verbraucherpreisindex sowie des Pensionistenindex führe und letztlich bewirke, dass über Wohnungsmieten keine marktkonformen Daten auflägen. Er legte mit näherer Begründung dar, dass er - würde er in Österreich leben - weniger Mietzins und geringere Betriebskosten zu bezahlen hätte. Auf Grund dieses unterschiedlichen Mietzinsniveaus begehre er eine angemessene Erhöhung seiner Pension.

Da das Bundespensionsamt über seinen Antrag nicht innerhalb von sechs Monaten entschied, stellte der Beschwerdeführer am 4. Februar 2005 einen Devolutionsantrag an die belangte Behörde.

Mit der zur hg. Zl. 2006/12/0024 protokollierten Säumnisbeschwerde machte der Beschwerdeführer eine Verletzung der Entscheidungspflicht durch die belangte Behörde bezüglich des genannten Devolutionsantrages geltend. Die belangte Behörde erließ sodann den angefochtenen Bescheid vom 18. April 2006, mit welchem (in Stattgebung des Devolutionsantrages des Beschwerdeführers) der Antrag vom 31. Juli 2004 abgewiesen wurde.

Begründend führte die belangte Behörde aus, gemäß § 41 Abs. 2 des Pensionsgesetzes 1965, BGBl. Nr. 340 (im Folgenden: PG 1965), in der bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Fassung änderte sich die Höhe des ruhegenussfähigen Monatsbezuges des Beamten des Ruhestandes entsprechend, wenn durch gesetzliche Vorschriften die Höhe des Gehaltes oder der ruhegenussfähigen Zulagen der Beamten des Dienststandes geändert wurden. Gleiches habe für die Bemessungsgrundlage der Ruhegenusszulage gegolten.

Mit 1. Jänner 1999 sei an die Stelle der bisherigen "Pensionsautomatik" eine Anpassung der Ruhe- und Versorgungsbezüge an die Anpassung der Pensionen in der gesetzlichen Pensionsversicherung getreten. Der Beschwerdeführer stelle keinesfalls in Abrede, dass sein Ruhegenuss in der den einschlägigen Bestimmungen des PG 1965 entsprechenden Weise angepasst und erhöht worden sei. Die Frage, ob der Verbraucherpreisindex richtig ermittelt worden sei, sei im Verfahren zur Ermittlung der Höhe des Ruhebezuges nicht zu prüfen.

Allenfalls wäre zu erwägen, ob dem Beschwerdeführer nicht nach § 31 PG 1965 eine Kaufkraftausgleichszulage nach § 21b des Gehaltsgesetzes 1956, BGBl. Nr. 54 (im Folgenden: GehG), gebühre. Die Gebührlichkeit einer solchen hätte aber aus dem Grunde des § 31 Abs. 1 Z. 3 PG 1965 vorausgesetzt, dass der Beschwerdeführer unmittelbar vor seinem Ausscheiden aus dem Dienststand Anspruch auf die Kaufkraftausgleichszulage gehabt hätte. Nach der Aktenlage habe der Beschwerdeführer jedoch zwischen 1. August 1990 und seinem Ausscheiden aus dem Dienststand mit Ablauf des 31. Dezember 1992 Dienst in der "Zentrale" des Bundesministeriums für auswärtige Angelegenheiten versehen und in Wien gewohnt. Er habe daher unmittelbar vor seinem Ausscheiden aus dem Dienststand keinen Anspruch auf Kaufkraftausgleichszulage gehabt. § 31 Abs. 1 PG 1965 solle die besondere Lage der Beamten berücksichtigen, die im Zeitpunkt ihrer Ruhestandsversetzung ihren Wohnsitz im Ausland gehabt hätten, weil sie dort ihren Dienst verrichten mussten, und denen es nach Ausscheiden aus dem Dienststand aus wirtschaftlichen oder familiären Gründen nicht zumutbar gewesen sei, diesen Wohnsitz aufzugeben. Nicht gedacht sei diese Bestimmung für Beamte des Ruhestandes, die - wie der Beschwerdeführer - ihren Wohnsitz lange nach der Ruhestandsversetzung freiwillig in das Ausland verlegten. Dazu komme noch, dass der Beschwerdeführer über einen nicht unbeträchtlichen monatlichen Ruhebezug verfüge, sodass es ihm durchaus zumutbar erscheine, seine finanziellen Verhältnisse derart zu gestalten, dass es ihm trotz der höheren Lebenshaltungskosten an seinem derzeitigen Wohnort möglich sei, sich dort aufzuhalten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Der Beschwerdeführer macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrag geltend, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 31 PG 1965 (Stammfassung-BGBl. Nr. 340) lautete:

"Sonderbestimmungen für Anspruchsberechtigte mit Wohnsitz in einem Gebiet mit ausländischer Währung

§ 31. Die Bestimmungen des § 21 des Gehaltsgesetzes 1956, BGBl. Nr. 54/1956, gelten für einen Beamten des Ruhestandes und für die Hinterbliebenen sinngemäß, wenn sie für die Besoldung des Beamten unmittelbar vor dessen Ausscheiden aus dem Dienststand maßgebend gewesen sind und es dem Beamten oder seinem Hinterbliebenen aus wirtschaftlichen oder familiären Gründen nicht zumutbar ist, den Wohnsitz in dem Gebiet mit ausländischer Währung aufzugeben."

In den Materialien zu dieser Gesetzesbestimmung 878 BlgNR X. GP, S. 27 f, heißt es:

"Die Besoldung der Beamten des Dienststandes, die ihren Dienstort in einem Gebiet mit ausländischer Währung haben und dort wohnen müssen, ist im § 21 des Gehaltsgesetzes 1956 geregelt. Das Gesetz ordnet für diese Fälle den Ausgleich des Kaufkraftunterschiedes an. Einem Beamten, der im Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Dienststand den Mittelpunkt seines Lebens in einem solchen Gebiet gefunden hat, kann die Aufgabe dieses Wohnsitzes billigerweise nicht zugemutet werden, wenn gewichtige wirtschaftliche oder familiäre Gründe für die Beibehaltung des Wohnsitzes in diesem Gebiet sprechen. Dies gilt in der Regel auch für die Hinterbliebenen. Daher sollen für den Beamten und seine Hinterbliebenen bei Erfüllung der vorgesehenen Voraussetzungen die Bestimmungen des § 21 des Gehaltsgesetzes 1956 weiter gelten."

Durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 344/1989 erhielt § 31 PG 1965 folgende Fassung:

"Sonderbestimmungen für Anspruchsberechtigte mit Wohnsitz in einem Gebiet mit ausländischer Währung oder in einem österreichischen Zollausschlussgebiet

§ 31. § 21 des Gehaltsgesetzes 1956, BGBl. Nr. 54, ist auf den Beamten des Ruhestandes und seine Hinterbliebenen anzuwenden, die in einem Gebiet mit ausländischer Währung oder in einem österreichischen Zollausschlussgebiet wohnen, wenn

1. es dem Beamten oder seinen Hinterbliebenen aus wirtschaftlichen oder familiären Gründen nicht zumutbar ist, diesen Wohnsitz aufzugeben, und

2. der Beamte unmittelbar vor seinem Ausscheiden aus dem Dienststand Anspruch auf Leistungen nach § 21 des Gehaltsgesetzes 1956 gehabt hat oder gehabt hätte, wäre § 21 Abs. 7 des Gehaltsgesetzes 1956 zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Dienststand anzuwenden gewesen."

Diese Änderung diente - wie die Materialien zu der zitierten Novellierung zeigen - (lediglich) der Erweiterung auf Wohnsitze in einem österreichischen Zollausschlussgebiet.

Eine weitere Novellierung der in Rede stehenden Gesetzesbestimmung durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 16/1994 diente einerseits der Anpassung an die Neuregelung der Bestimmungen über die Kaufkraftausgleichszulage durch die 53. Gehaltsgesetz-Novelle BGBl. Nr. 314/1992 sowie an den dadurch eingeführten Folgekostenzuschuss.

Schließlich erhielt § 31 Abs. 1 PG 1965 durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 87/2001 folgende Fassung:

"§ 31. (1) Dem Beamten des Ruhestandes und seinen Hinterbliebenen gebührt eine Kaufkraftausgleichszulage nach § 21 Abs. 1 des Gehaltsgesetzes 1956, BGBl. Nr. 54, wenn

1.

sie im Ausland wohnen,

2.

es dem Beamten oder seinen Hinterbliebenen aus wirtschaftlichen oder familiären Gründen nicht zumutbar ist, diesen Wohnsitz aufzugeben, und

              3.              der Beamte unmittelbar vor seinem Ausscheiden aus dem Dienststand Anspruch auf die Kaufkraftausgleichszulage gehabt hat."

Die zuletzt genannte Novellierung diente der Anpassung der in Rede stehenden Gesetzesbestimmung an den Wegfall österreichischer Zollausschlussgebiete.

Im Hinblick auf § 41 Abs. 1 PG 1965 in seiner Fassung vor Inkrafttreten des Budgetbegleitgesetzes 2003, BGBl. I Nr. 71, waren die genannten Novellierungen des § 31 Abs. 1 PG 1965 auch auf Beamte, die sich im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Novellen im Ruhestand befanden, anzuwenden. Für die Frage, ob dem Beschwerdeführer im hier strittigen Zeitraum zwischen 15. Juli 2003 und der Erlassung des angefochtenen Bescheides eine solche Zulage zustand, war § 31 Abs. 1 PG 1965 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 87/2001 maßgeblich. Die durch Art. 11 Z. 2 des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 176/2004 bewirkte Änderung des § 31 Abs. 1 PG 1965 war demgegenüber aus dem Grunde des § 41 Abs. 1 Satz 2 PG 1965 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 80/2005 ohne Auswirkung, zumal nichts Gegenteiliges angeordnet ist.

§ 21 Abs. 1 und 2 GehG in der im Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung des Beschwerdeführers am 31. Dezember 1992 in Kraft gestandenen Fassung nach dem Bundesgesetz BGBl. Nr. 314/1992 lautete (auszugsweise):

"§ 21. (1) Dem Beamten gebührt, solange er seinen Dienstort im Ausland hat und dort wohnen muss,

1. eine monatliche Kaufkraftausgleichszulage, wenn die Kaufkraft des Schillings dort geringer ist als im Inland,

...

Der Anspruch kann immer nur für Zeiträume bestehen, für die auch ein Anspruch auf Gehalt besteht.

(2) Die Kaufkraftausgleichszulage ist nach dem Verhältnis der Kaufkraft des Schillings im Inland zur Kaufkraft des Schillings im Gebiet des ausländischen Dienstortes des Beamten zu bemessen. Sie ist in einem Hundertsatz des Monatsbezuges, der Sonderzahlung und der Auslandsverwendungszulage festzusetzen."

Art. 18 Abs. 1 EG lautet:

"(1) Jeder Unionsbürger hat das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vorbehaltlich der in diesem Vertrag und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen frei zu bewegen und aufzuhalten."

Unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides vertritt der Beschwerdeführer die Auffassung, die in § 31 Abs. 1 Z. 3 PG 1965 enthaltene Voraussetzung für die Gebührlichkeit einer Kaufkraftausgleichszulage für Beamte des Ruhestandes, nämlich das Bestehen eines Anspruches auf Kaufkraftausgleichszulage gemäß (richtig:) § 21 GehG im Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Dienststand sei sachlich nicht gerechtfertigt und verstoße gegen Art. 18 EG. Die in Rede stehende Gesetzesbestimmung bewirke nämlich, dass Beamte, die unmittelbar vor ihrem Ausscheiden eine Kaufkraftausgleichszulage bezogen hätten, ungerechtfertigt besser gestellt seien als solche Beamte, bei denen dies nicht der Fall gewesen sei. Durch die genannte Bestimmung würden Unionsbürger davon abgehalten, in einem anderen Mitgliedstaat, in dem der Kaufpreisindex wesentlicher höher sei als im Herkunftsstaat, ihren Wohnsitz zu nehmen. Unter diesem Gesichtspunkt seien die Argumente des Beschwerdeführers, der Freiheit, sich überall aufzuhalten, seien finanzielle Schranken gesetzt, zu verstehen.

Insofern der Beschwerdeführer mit diesem Argument eine Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des § 31 Abs. 1 Z. 3 PG 1965 (und damit dessen Unanwendbarkeit infolge des Anwendungsvorranges des Gemeinschaftsrechtes) geltend macht, ist ihm Folgendes zu erwidern:

Art. 18 Abs. 1 EG erstreckt sich räumlich auf das Hoheitsgebiet aller Mitgliedstaaten. Geschützte Verhaltensweisen sind Bewegung und Aufenthalt. Erfasst werden damit die Einreise in andere Mitgliedstaaten, die freie Bewegung in ihrem Hoheitsgebiet, das Verlassen des Hoheitsgebietes des Heimatstaates oder anderer Mitgliedstaaten sowie der ständige Aufenthalt an einem Ort einschließlich der Wohnsitznahme. Darüber hinaus bewegt sich ein Unionsbürger, der von seinem Recht auf Freizügigkeit gemäß Art. 18 Abs. 1 EG Gebrauch gemacht hat, im Anwendungsbereich des Vertrages und kann sich folglich auf das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 12 Abs. 1 EG berufen, wonach jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten ist (vgl. hiezu Calliess/Ruffert, Kommentar zu EU-Vertrag und EG-Vertrag, Rz 3 bis 5 zu Art. 18 EG).

Zur Auslegung des in Art. 18 EG verankerten Rechtes hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in seinem Urteil vom 9. November 2006 in der Rechtssache C-520/04, Turpeinen, Rz 18 bis 22, darüber hinaus Folgendes ausgeführt:

"18. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes ist der Unionsbürgerstatus dazu bestimmt, der grundlegende Status der Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten zu sein, der es denjenigen unter ihnen, die sich in der gleichen Situation befinden, erlaubt, im sachlichen Geltungsbereich des Vertrages unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit und unbeschadet der insoweit ausdrücklich vorgesehenen Ausnahmen die gleiche rechtliche Behandlung zu genießen (vgl. u. a. Urteile vom 20. September 2001 in der Rechtssache C-184/99, Grzelczyk, Slg. 2001, I-6193, Randnr. 31, und vom 29. April 2004 in der Rechtssache C-224/02, Pusa, Slg. 2004, I-5763, Randnr. 16).

19. Zu den Situationen, die in den Geltungsbereich des Gemeinschaftsrechts fallen, gehören diejenigen, die sich auf die Ausübung der durch den Vertrag garantierten Grundfreiheiten beziehen, und insbesondere auch die, in denen es um das durch

Artikel 18 EG verliehene Recht geht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (vgl. u. a. Urteile Grzelczyk, Randnr. 33, und Pusa, Randnr. 17).

20. Da ein Unionsbürger in allen Mitgliedstaaten Anspruch auf die gleiche rechtliche Behandlung wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats hat, die sich in der gleichen Situation befinden, wäre es mit dem Recht auf Freizügigkeit unvereinbar, wenn der Mitgliedstaat, dem er angehört, ihn weniger günstig behandeln könnte, als wenn er nicht von den Erleichterungen Gebrauch gemacht hätte, die ihm der Vertrag in Bezug auf die Freizügigkeit gewährt (Urteile vom 11. Juli 2002 in der Rechtssache C-224/98, D'Hoop, Slg. 2002, I-6191, Randnr. 30, und Pusa, Randnr. 18).

21. Diese Erleichterungen könnten nämlich ihre volle Wirkung nicht entfalten, wenn ein Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats von ihrer Wahrnehmung durch Hindernisse abgehalten werden könnte, die seinem Aufenthalt im Aufnahmemitgliedstaat infolge einer Regelung seines Herkunftsstaats entgegenstehen, die Nachteile daran knüpft, dass er von ihnen Gebrauch gemacht hat (Urteil Pusa, Randnr. 19).

22. Eine nationale Regelung, die bestimmte Inländer allein deshalb benachteiligt, weil sie von ihrem Recht Gebrauch gemacht haben, sich in einem anderen Mitgliedstaat frei zu bewegen und aufzuhalten, würde zu einer Ungleichbehandlung führen, die den Grundsätzen widerspräche, auf denen der Status eines Unionsbürgers beruht, nämlich der Garantie der gleichen rechtlichen Behandlung bei der Ausübung seiner Freizügigkeit (Urteil Pusa, Randnr. 20)."

Vergleichbare Aussagen zum Verbot, eigene Staatsangehörige allein deshalb zu benachteiligen, weil sie von ihrer Freiheit, sich in einen anderen Mitgliedstaat zu begeben und sich dort aufzuhalten, Gebrauch gemacht haben, finden sich im Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom 26. Oktober 2006, Rs C-192/05, Tas-Hagen, Slg. 2006, I- 10451, Rz 29 bis 31).

Gegen den durch die oben wiedergegebene Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften ausgelegten Art. 18 EG verstößt die in § 31 Abs. 1 Z. 3 PG 1965 umschriebene Voraussetzung zweifellos nicht:

Sie bewirkt nämlich weder eine Diskriminierung nach den in Art. 12 Abs. 1 EG umschriebenen Gesichtspunkten in Ansehung der Ausübung der Rechte des Art. 18 Abs. 1 EG, noch bewirkt sie eine Benachteiligung österreichischer Staatsangehöriger (Beamter des Ruhestandes), die von dem in Art. 18 EG geschützten Recht Gebrauch machen, gegenüber solchen, die dies nicht tun (und in ihrem Heimatland niedergelassen bleiben).

Auch ein Verstoß gegen das gemeinschaftsrechtliche Sachlichkeitsgebot liegt schon aus folgenden Gründen zweifellos nicht vor:

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften besteht eine gegen den genannten Grundsatz verstoßende Diskriminierung darin, dass unterschiedliche Vorschriften auf vergleichbare Situationen angewendet werden oder dass dieselbe Vorschrift auf unterschiedliche Situationen angewandt wird (vgl. das Urteil dieses Gerichtshofes vom 19. September 2000, Kommission/Deutschland, Rs C-156/98, Slg. 2000, I-06857, Rz 84).

Wie die Materialien zur Stammfassung des § 31 PG 1965 zeigen, sollte die Bestimmung des § 21 GehG ausschließlich jenen Beamten des Ruhestandes (und ihren Hinterbliebenen) zu Gute kommen, die während des Dienststandes aus dienstlichen Gründen gezwungen waren, einen ausländischen Wohnsitz zu begründen und denen es in der Folge aus wirtschaftlichen oder familiären Gründen nicht zumutbar war, diesen aus Anlass der Ruhestandsversetzung aufzugeben.

Diese gesetzgeberische Zielsetzung, welche im Wortlaut der Stammfassung des § 31 PG 1965 noch deutlicher zum Ausdruck kommt als in den späteren Novellenfassungen, sollte - wie die Materialien zu den jeweiligen Novellierungen zeigen - keinesfalls aufgegeben werden.

§ 31 Abs. 1 PG 1965 in der hier maßgeblichen Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 87/2001 ist daher dahingehend auszulegen, dass die in Z. 1 und Z. 2 umschriebenen Voraussetzungen durchgehend seit dem Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung vorliegen müssen.

Vor diesem Hintergrund erscheint aber die in § 31 Abs. 1 PG 1965 vorgenommene Differenzierung zwischen Beamten, die den ausländischen Wohnsitz (dessen Aufgabe aus Anlass der Ruhestandsversetzung ihnen aus wirtschaftlichen oder familiären Gründen nicht zumutbar ist) aus Dienstesrücksichten zu begründen gezwungen waren und solchen, die sich sonst gezwungen sehen, mehr als zehn Jahre nach ihrer Ruhestandsversetzung einen ausländischen Wohnsitz zu begründen (wie dies beim Beschwerdeführer, welcher in diesem Zusammenhang nicht näher präzisierte familiäre und politische Gründe durchblicken lässt, der Fall ist), keinesfalls unsachlich. Der Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts stünde der Anwendung des § 31 Abs. 1 Z. 3 PG 1965 demnach auch dann ohne jeden Zweifel nicht entgegen, wenn das gemeinschaftsrechtliche Sachlichkeitsgebot in einer Situation wie jener, in welcher sich der Beschwerdeführer seit der Begründung seines Wohnsitzes in Luxemburg befindet, (neben dem Diskriminierungsverbot nach Art. 12 Abs. 1 EG) anwendbar ist.

Dem Art. 18 EG ist schließlich ohne jeden Zweifel keine (unmittelbare Ansprüche begründende) Anordnung zu entnehmen, die Niederlassung eigener Staatsbürger in anderen Mitgliedstaaten durch Maßnahmen positiver Diskriminierung (etwa bei der Ausgestaltung der Pensionssysteme für Beamte) gegenüber den im Heimatstaat ansässig Verbliebenen zu begünstigen.

Dies vorausgeschickt, ist den Verfahrensrügen Folgendes entgegenzuhalten:

Es erweist sich nach dem Vorgesagten als rechtlich bedeutungslos, ob der Beschwerdeführer sich - wie die belangte Behörde meint - "freiwillig" in Luxemburg niedergelassen hat, oder ob er sich dazu aus anderen (etwa familiären oder politisch bedingten) Gründen gezwungen sah. Auch die Frage, ob der dem Beschwerdeführer gebührende Ruhebezug ohnedies ausreichen würde, um die Lebenshaltungskosten in Luxemburg zu finanzieren, vermag nach dem Vorgesagten dahinstehen.

Wenn der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang weiters rügt, die belangte Behörde habe sich hinsichtlich ihrer Feststellung, ihm habe vor dem Ausscheiden aus dem Dienststand kein Anspruch auf Kaufkraftausgleichszulage gebührt, lediglich auf die Aktenlage berufen, ohne entsprechende Ermittlungen gepflogen zu haben, so unterlässt er es, die Relevanz dieses Verfahrensmangels darzutun, zumal er auch in der Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht konkret behauptete, auf Grund welcher von der belangten Behörde zu ermittelnder Sachverhaltselemente sich die (gegenteilige) Beurteilung, eine solche Zulage habe unmittelbar vor dem Ausscheiden aus dem Dienststand gebührt, hätte ergeben sollen.

Ebenso wenig sind Feststellungen zur Frage des Vorliegens der Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 Z. 2 PG 1965 erforderlich, weil ein Anspruch schon am Fehlen der Voraussetzung der Z. 3 leg.cit. scheitert.

Hat die belangte Behörde nach dem Vorgesagten aber als Ergebnis eines mängelfreien Ermittlungsverfahrens die Gebührlichkeit einer Zulage nach § 31 PG 1965 schon dem Grunde nach zu Recht verneint, erübrigten sich auch die in der Beschwerde vermissten Ermittlungen zur Bemessung der Höhe einer solchen Zulage.

Da - wie eben aufgezeigt - die hier anzuwendende innerstaatliche Rechtslage dem Gemeinschaftsrecht nicht widerstreitet, vermag der Beschwerdeführer auch mit der weiteren Rüge, die belangte Behörde habe sich mit juristischen Lehrmeinungen zum Verhältnis zwischen innerstaatlichem Recht und Gemeinschaftsrecht bzw. Völkerrecht, auf die sich der Beschwerdeführer berufen hatte, nicht auseinander gesetzt, keinen relevanten Begründungsmangel aufzuzeigen.

Soweit sich die Rüge einer mangelhaften Auseinandersetzung der belangten Behörde mit der vom Beschwerdeführer an der Ermittlung des Verbraucherpreisindex sowie des Pensionistenindex im Zusammenhang mit dem "Friedenskronenzins" geübten Kritik auch auf die Ermittlung der Pensionsanpassungen ab dem 1. Jänner 1999 unter dem Gesichtspunkt des § 41 Abs. 2 und 3 PG 1965 beziehen sollte (was vor dem Hintergrund des Beschwerdevorbringens, die belangte Behörde habe das Vorbringen des Beschwerdeführers mit ihren Ausführungen zu der genannten Gesetzesbestimmung verkannt, allerdings zweifelhaft erscheint), so wäre ihm zu entgegnen, dass der nach § 41 Abs. 3 PG 1965 in diesem Zusammenhang maßgebliche Anpassungsfaktor gemäß § 108 Abs. 5 und § 108f ASVG mit Verordnung festzusetzen ist, sodass die belangte Behörde diesbezüglich keine Begründungspflicht traf.

Im Hinblick auf die oben erstatteten Ausführungen zur Gemeinschaftsrechtskonformität der angewendeten innerstaatlichen Rechtsnormen sieht sich der Verwaltungsgerichtshof auch nicht gehalten, den Anregungen des Beschwerdeführers auf Einholung eines Vorabentscheidungsverfahrens nachzukommen.

Ebenso wenig sind beim Verwaltungsgerichtshof aus den schon im Zusammenhang mit dem gemeinschaftsrechtlichen Sachlichkeitsgebot dargelegten Gründen Bedenken gegen die Verfassungskonformität des § 31 Abs. 1 Z. 3 PG 1965 vor dem Hintergrund des innerstaatlichen Gleichheitssatzes entstanden, sodass sich er sich auch nicht veranlasst sieht, insofern ein Gesetzesprüfungsverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof zu beantragen.

Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 14. Juni 2007

Gerichtsentscheidung

EuGH 62004J0520 Turpeinen VORAB
EuGH 62005J0192 Tas-Hagen and Tas VORAB

Schlagworte

Gemeinschaftsrecht Auslegung des Mitgliedstaatenrechtes EURallg2Gemeinschaftsrecht Auslegung Allgemein EURallg3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2006120155.X00

Im RIS seit

17.07.2007

Zuletzt aktualisiert am

24.07.2013
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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