TE Vwgh Erkenntnis 2007/6/21 2004/10/0109

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Veröffentlicht am 21.06.2007
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Index

L50004 Pflichtschule allgemeinbildend Oberösterreich;
L50504 Schulbau Schulerhaltung Oberösterreich;
L50804 Berufsschule Oberösterreich;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
41/02 Melderecht;

Norm

B-VG Art6 Abs3 idF 1994/504;
MeldeG 1991 §1 Abs7;
PSchOG OÖ 1992 §53 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner sowie den Senatspräsidenten Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Köhler und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofer, über die Beschwerde der Stadt Wien, vertreten durch den Bürgermeister, 1082 Wien, Rathaus, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 8. Juni 2004, Zl. Bi-071871/1-2004-Zei/Hol, betreffend Gastschulbeitrag (mitbeteiligte Partei: Stadt G), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Ersatz des Schriftsatzaufwandes wird abgewiesen.

Begründung

Dem Einleitungssatz des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft G vom 10. Mai 2004, Bi-10-3-2004, zufolge hat "die Stadtgemeinde G mit der Zahlungsaufforderung vom 3. März 2004 den von der Stadt Wien für den Schüler Christian W., Hauptwohnsitz 1180 Wien, Sch-Gasse 79 (Nebenwohnsitz G, P-Straße 65), zu leistenden Gastschulbeitrag für das Schuljahr 2003/2004 in der Höhe von EUR 1.688,13 vorgeschrieben". Dem gegen diese Zahlungsaufforderung erhobenen Einspruch der Stadt Wien gab die Bezirkshauptmannschaft mit dem erwähnten Bescheid nicht statt. Begründend vertrat sie nach Zitat der §§ 46 Abs. 1, 53 Abs. 1 und 54 Abs. 2 des Oö. Pflichtschulorganisationsgesetzes 1992 die Auffassung, es sei "im konkreten Fall der Schüler Christian W. zum Zwecke des Besuches der Polytechnischen Schule in G, P-Straße 65 (Gemeinde A), wohnhaft".

Gegen diesen Bescheid erhob die Stadt Wien Berufung. Sie legte dar, die Ermittlungen des Magistrats der Stadt Wien hätten ergeben, dass der Schüler (Jahrgang 1988) vom 4. Dezember 1989 bis 10. Februar 2003 an der Adresse A, P-Straße 65, mit Hauptwohnsitz gemeldet gewesen sei. Die Anmeldung eines Hauptwohnsitzes in Wien sei am 10. Februar 2003 erfolgt, wobei der bisherige Hauptwohnsitz in A als Nebenwohnsitz beibehalten worden sei. Die Volksschule habe der Schüler in Oberösterreich absolviert. Im Laufe des Schuljahres 2000/2001 habe er erstmalig eine Schule in Wien besucht, wobei der Schulbesuch in Wien bis Ende des Schuljahres 2002/2003 (4. Klasse Hauptschule) gedauert habe. Es sei unstimmig, dass zur Zeit des Schulbesuches in Wien der Schüler mit Hauptwohnsitz in A, in der Zeit des Schulbesuches in G jedoch mit Hauptwohnsitz in Wien und Nebenwohnsitz in A gemeldet (gewesen) sei. Die Wohnsitzmeldungen entsprächen ganz offensichtlich nicht den Bestimmungen des Meldegesetzes und den tatsächlichen Lebensverhältnissen. Die Behörde habe es unterlassen, zur Klärung des Sachverhaltes ein Ermittlungsverfahren durchzuführen, alle Sachverhaltselemente zu erheben und Parteiengehör zu gewähren.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung unter Hinweis auf die §§ 51, 53 und 54 Oö. Pflichtschulorganisationsgesetz 1992 - Oö. POG 1992, LGBl. Nr. 35 idF LGBl. Nr. 84/2002, ab. Nach Darstellung des Verfahrensganges legte die belangte Behörde begründend dar, entgegen den Ausführungen in der Berufung seien im vorliegenden Fall sehr wohl Erhebungen hinsichtlich des Wohnsitzes des Schülers durchgeführt worden. Dies lasse sich "auch anhand des Verfahrensaktes nachvollziehen (Aktenvermerk vom 10. Mai 2004 sowie Schreiben der Marktgemeinde A an das Stadtamt G betreffend Haupt- als auch Nebenwohnsitz des Schülers)". Im Übrigen habe die Stadt Wien in ihrer Berufung selbst ausgeführt, dass die Anmeldung des Hauptwohnsitzes des Schülers in Wien am 10. Februar 2003 erfolgt sei, wobei der bisherige Hauptwohnsitz in A als Nebenwohnsitz beibehalten worden sei. Es sei daher unbestritten, dass der Schüler an dem für die Berechnung der Gastschulbeiträge maßgebenden Stichtag (15. Oktober des vorausgegangenen Kalenderjahres) mit seinem Hauptwohnsitz in Wien gemeldet war. Da ferner feststehe, dass der Schüler die Polytechnische Schule in G im Schuljahr 2003/2004 besucht habe, seien die gesetzlichen Voraussetzungen für die Vorschreibung des Gastschulbeitrages an die Stadt Wien erfüllt. Seitens der belangten Behörde bestehe keine Veranlassung, die erfolgte Meldung des Hauptwohnsitzes in Wien in Zweifel zu ziehen bzw. die Gründe hiefür zu hinterfragen. Die von der "Stadtgemeinde Wien" geforderte Überprüfung dieser Angaben sowie der tatsächlichen Lebensverhältnisse fiele nach dem Meldegesetz in die Zuständigkeit der jeweiligen Meldebehörde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde der Stadt Wien, die Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 53 Abs. 2 erster Satz Oö. POG 1992 haben die Gemeinden, in denen die Schüler ihren Hauptwohnsitz haben, für Schüler, die zum Zweck des Besuches einer allgemein bildenden Pflichtschule oder auf Grund einer Maßnahme der Jugendwohlfahrt im Sprengel einer allgemein bildenden Pflichtschule Wohnung beziehen, dem gesetzlichen Schulerhalter Gastschulbeiträge zu leisten.

Die Beschwerde macht unter Hinweis auf § 1 Abs. 7 des Hauptwohnsitzgesetzes, BGBl. Nr. 505/1994, und das Vorbringen der Berufung geltend, die belangte Behörde habe sich mit der Frage, zu welchem der mehreren (gemeldeten) Wohnsitze der Schüler das überwiegende Naheverhältnis im Sinne des Gesetzes habe, überhaupt nicht befasst und insoweit weder Erhebungen angestellt noch Feststellungen getroffen.

Damit ist die Beschwerde im Recht.

Der Begriff des Hauptwohnsitzes wird in Art. 6 Abs. 3 B-VG in der Fassung des Bundesverfassungsgesetzes BGBl. Nr. 504/1994 wie folgt definiert:

"(3) Der Hauptwohnsitz einer Person ist dort begründet, wo sie sich in der erweislichen oder aus den Umständen hervorgehenden Absicht niedergelassen hat, hier den Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen zu schaffen; trifft diese sachliche Voraussetzung bei einer Gesamtbetrachtung der beruflichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebensbeziehungen einer Person auf mehrere Wohnsitze zu, so hat sie jenen als Hauptwohnsitz zu bezeichnen, zu dem sie das überwiegende Naheverhältnis hat."

§ 1 Abs. 7 Meldegesetz 1991, LGBl. Nr. 9/1992, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 28/2001, lautet:

"(7) Der Hauptwohnsitz eines Menschen ist an jener Unterkunft begründet, an der er sich in der erweislichen oder aus den Umständen hervorgehenden Absicht niedergelassen hat, diese zum Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen zu machen; trifft diese sachliche Voraussetzung bei einer Gesamtbetrachtung der beruflichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebensbeziehungen eines Menschen auf mehrere Wohnsitze zu, so hat er jenen als Hauptwohnsitz zu bezeichnen, zu dem er das überwiegende Naheverhältnis hat."

Maßgebend ist somit der nach tatsächlichen Anknüpfungspunkten zu ermittelnde Mittelpunkt der Lebensbeziehungen einer Person (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Februar 2007, Zl. 2005/10/0051, vom 29. Jänner 2007, Zl. 2006/10/0257, und vom 16. Dezember 2002, Zl. 2000/10/0192, zum NÖ Pflichtschulgesetz). Wie der Verwaltungsgerichtshof in dem zitierten Erkenntnis vom 16. Dezember 2002 ausgeführt hat, ist die Meldung nach dem Meldegesetz 1991 in der Frage des Hauptwohnsitzes nicht von entscheidender Bedeutung (vgl. hiezu z.B. auch das Erkenntnis vom 25. Juni 2002, Zl. 97/17/0161, mwN). Jedenfalls kann die Annahme, eine Person habe in einem bestimmten Ort ihren Hauptwohnsitz, weder auf den Umstand der Meldung in diesem Ort als Hauptwohnsitz allein gegründet noch durch den Hinweis auf die Meldung in einem anderen Ort allein widerlegt werden.

Im angefochtenen Bescheid fehlen die nach dem Gesagten erforderlichen Feststellungen, auf deren Grundlage beurteilt werden könnte, in welchem Ort der Mittelpunkt der Lebensbeziehungen des Schülers im Sinne des Art. 6 Abs. 3 B-VG im maßgeblichen Zeitpunkt gelegen war, zur Gänze. Aus der Begründung folgt, dass die belangte Behörde entsprechende Feststellungen im Hinblick auf die behördliche Meldung des Schülers in Wien "als Hauptwohnsitz" für entbehrlich hielt. Die belangte Behörde hat somit - was die rechtliche Wirkung der behördlichen Meldung für die Eigenschaft eines bestimmten Ortes als "Hauptwohnsitz" einer Person betrifft - die Rechtslage verkannt, was zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG führen musste.

Der Vollständigkeit halber ist zu bemerken, dass die erforderlichen Feststellungen auch nicht auf der Grundlage der in der Begründung des angefochtenen Bescheides angeführten "Erhebungen" hätten getroffen werden können. Das von der belangten Behörde erwähnte Schreiben der Marktgemeinde A enthält lediglich die auf der Tatsachenebene nicht konkretisierte Auskunft, der Schüler habe "in A nur seinen Zweitwohnsitz, der Hauptwohnsitz befindet sich in Wien"; dem ebenfalls im angefochtenen Bescheid bezogenen Amtsvermerk vom 10. Mai 2004 ist lediglich zu entnehmen, dass der Schüler "seit 4. 12. 1989 in G, P-Straße 65 gemeldet" sei. Diesen "Erhebungen" ist somit in der maßgeblichen Frage des nach tatsächlichen Anknüpfungspunkten zu ermittelnden Mittelpunktes der Lebensbeziehungen des Schülers nichts zu entnehmen.

Der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Zuerkennung des Schriftsatzaufwandes war gemäß § 49 Abs. 1 letzter Satz VwGG abzuweisen, weil die beschwerdeführende Partei nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten war.

Wien, am 21. Juni 2007

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2004100109.X00

Im RIS seit

13.07.2007
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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