TE Vwgh Erkenntnis 2007/6/21 2007/10/0046

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Veröffentlicht am 21.06.2007
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs3;
AVG §63 Abs5;
AVG §66 Abs4;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
ZustG §17 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofer, über die Beschwerde des CH in H, vertreten durch Dr. Herbert Schöpf, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Maria-Theresien-Straße 34, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 17. Jänner 2007, Zl. uvs-2007/12/0132-1, betreffend Zurückweisung einer Berufung als verspätet in Angelegenheiten der Übertretung des Lebensmittelgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Tirol ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 17. Jänner 2007 wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 12. Dezember 2006, mit dem über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe wegen einer ihm angelasteten Übertretung des Lebensmittelgesetzes verhängt und er zur Bezahlung eines Beitrages zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens sowie der Kosten der nach dem Lebensmittelgesetz durchgeführten Untersuchung verpflichtet wurde, gemäß § 66 Abs. 4 AVG i.V.m. § 24, 51, 51c und 51e VStG als verspätet zurückgewiesen.

Die belangte Behörde ging dabei davon aus, dass der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft (im Folgenden: BH) Innsbruck dem Beschwerdeführer am 19. Dezember 2006 durch Übernahme durch einen Arbeitnehmer des Beschwerdeführers an der Abgabestelle wirksam zugestellt worden sei. Der eingebrachten Berufung sei nicht zu entnehmen, dass irgendein Zustellmangel - insbesondere eine Ortsabwesenheit des Beschwerdeführers im Zeitpunkt der Zustellung -

vorgelegen sei, der die Zustellung des Straferkenntnisses durch Ersatzzustellung ungültig gemacht hätte. Da die Rechtsmittelfrist am 19. Dezember 2006 zu laufen begonnen habe, habe sie am 2. Jänner 2007 geendet. Die erst am 4. Jänner 2007 per e-mail eingebrachte Berufung erweise sich daher als verspätet.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, verzichtete jedoch auf die Erstattung einer Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer tritt der Annahme der belangten Behörde, die Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides durch Ersatzzustellung am 19. Dezember 2006 sei rechtswirksam gewesen, insofern entgegen, als er behauptet, zum Zeitpunkt der Zustellung "mehrtägig ortsabwesend" gewesen zu sein. Im Verwaltungsverfahren wurde präzisierend ausgeführt, der Bescheid der BH Innsbruck sei dem Beschwerdeführer erst am 3. Jänner zugegangen.

Der Beschwerdeführer rügt in der Beschwerde zutreffend, die belangte Behörde habe es unterlassen, Ermittlungen zur Frage der Rechtzeitigkeit der Berufung zu pflegen und ihm Parteiengehör zum Ermittlungsergebnis zu gewähren. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hätte die belangte Behörde vor Annahme der Verspätung der Berufung den Sachverhalt dem Beschwerdeführer zur Kenntnis bringen müssen; ansonsten hat sie das Risiko einer Bescheidaufhebung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften zu tragen. Der Rechtsmittelwerber unterliegt in einem solchen Fall auch nicht dem sonst im verwaltungsgerichtlichen Verfahren herrschenden Neuerungsverbot (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 2006, Zl. 2005/11/0169 oder vom 19. Dezember 1996, Zl. 96/19/0446).

Der vom Beschwerdeführer geltend gemachte Verfahrensmangel kann im vorliegenden Fall auch wesentlich sein, da bei Zutreffen der Behauptungen des Beschwerdeführers die Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides gemäß § 17 Abs. 3 Zustellgesetz erst mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist, an dem die hinterlegte Sendung hätte behoben werden können, wirksam geworden wäre. Ausgehend von den Behauptungen des Beschwerdeführers besteht daher die Möglichkeit, dass die Berufung rechtzeitig erhoben wurde.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 21. Juni 2007

Schlagworte

Parteiengehör

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2007100046.X00

Im RIS seit

13.07.2007
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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