TE Vwgh Erkenntnis 2007/6/26 2007/13/0016

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Veröffentlicht am 26.06.2007
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §184 Abs1;
BAO §184 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Fuchs, Dr. Pelant, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Trefil LL.M., über die Beschwerde des W in W, vertreten durch Dr. Friedrich Petri, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Marxergasse 34, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 18. Dezember 2006, Zl. RV/1304-W/05, betreffend Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer für 1990 bis 1992, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 1.171,20 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer betrieb in den Streitjahren ein Unternehmen mit dem Gegenstand "Kfz-Service" und ermittelte hiefür den Gewinn nach § 4 Abs. 1 EStG 1988.

Mit Bescheid vom 23. Februar 1996 wies die (damalige) Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland die Berufung des Beschwerdeführers gegen die im Gefolge einer bei ihm durchgeführten Betriebsprüfung ergangenen Bescheide des Finanzamtes betreffend die Festsetzung der Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer für die Streitjahre 1990 bis 1992 als unbegründet ab.

Der Verwaltungsgerichtshof hob diesen Bescheid mit Erkenntnis vom 23. Jänner 2002, 96/13/0068, (im Folgenden: erstes Vorerkenntnis) wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf. Zur Vorgeschichte und zum näheren Sachverhalt wird auf das erste Vorerkenntnis verwiesen.

Im fortgesetzten Verfahren vernahm die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland die Zeugin C.P., den Zeugen R.L. und den Zeugen E.H. Mit Bescheid vom 14. November 2002 wies die Finanzlandesdirektion die Berufung des Beschwerdeführers neuerlich ab. Aus den Aussagen der drei Zeugen leitete die Finanzlandesdirektion ab, man habe zwar bei "Firmen" auf den Namen des Beschwerdeführers einkaufen können, es könne aber davon ausgegangen werden, dass alle in Rede stehenden Materialeinkäufe durch den Beschwerdeführer erfolgt seien und Wareneinsatzverkürzungen darstellten.

Der Verwaltungsgerichtshof hob diesen Bescheid mit Erkenntnis vom 15. Juni 2005, 2002/13/0232, (im Folgenden: zweites Vorerkenntnis) wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf. Wenn die Finanzlandesdirektion einerseits davon ausginge, dass bei den in Rede stehenden Unternehmen andere Personen "auf Namen" des Beschwerdeführers (preisgünstiger) hätten einkaufen können, lasse dies offen, warum die Finanzlandesdirektion ungeachtet dieser vom Beschwerdeführer behaupteten und von ihr selbst eingeräumten Möglichkeit andererseits gleichzeitig davon ausgegangen sei, dass sämtliche in Rede stehenden Materialeinkäufe durch den Beschwerdeführer erfolgt seien. Gerade dagegen wendete sich der Beschwerdeführer bei der Bekämpfung der im Schätzungsweg ermittelten Bemessungsgrundlagen der Abgaben.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung (neuerlich) als unbegründet ab. Hinsichtlich der in Rede stehenden "Fremdeinkäufe" hätten die einvernommenen Zeugen C.P. und E.H. nicht bestätigen können, dass die Materialeinkäufe durch sie und nicht durch den Beschwerdeführer erfolgt seien. Die Zeugin C.P. habe ausgesagt, dass im Streitzeitraum nur eine größere Reparatur durchgeführt worden sei. Sie könne sich nicht erinnern, "welches Teil" kaputt gewesen sei, jedoch habe ihr damaliger Lebensgefährte "das Teil" ausgebaut und sie habe "es" nach Muster gekauft. Sie glaube sich aber erinnern zu können, dass "das Getriebe bzw. ein Teil des Getriebes" kaputt gewesen sei. Aus dieser Aussage könne die belangte Behörde nicht ableiten, dass die Zeugin C.P. die Einkäufe getätigt habe. Es liege nämlich keine Rechnung über "ein Bestandteil eines Getriebes" vor. Die Zeugin habe aber ausdrücklich bestätigt, dass ihr Lebensgefährte "das Teil" ausgebaut und sie "es" nach Muster gekauft habe. Weiters habe die Zeugin ausgesagt, dass sie einmal einen Kühlerschlauch gekauft habe und ein anderes Mal einen Spiegel und einen Scheibenwischer. Lediglich eine Rechnung über einen Kühlerschlauch liege vor. Bezüglich Kauf eines Rückspiegels und eines Scheibenwischers lägen keine Rechnungen vor. Auf Grund dieser Aussage könne die belangte Behörde bestenfalls davon ausgehen, dass die Zeugin C.P. den Kühlerschlauch gekauft habe, die übrigen Einkäufe aber durch den Beschwerdeführer selbst erfolgt seien.

Ebenso habe der Zeuge E.H. ausgesagt, dass er sich nicht erinnern könne, Ersatzteile bei der Firma J. eingekauft zu haben. Er glaube, dass er den Beschwerdeführer damit beauftragt habe. Der Zeuge habe sich jedoch daran erinnern können, dass er einmal Skiträger auf den Namen des Beschwerdeführers eingekauft habe. Bezüglich dieser Skiträger liege aber keine Rechnung vor. Das könne nur bedeuten, dass der Zeuge E.H. die Skiträger entweder nicht auf den Namen des Beschwerdeführers oder außerhalb des Streitzeitraumes eingekauft habe. Diese Skiträger seien auch der Kalkulation nicht zu Grunde gelegt worden.

Der Zeuge R.L. habe zwar bestätigt, dass man Automaterial bei "Firmen" günstiger einkaufen könne, wenn man den Namen des Beschwerdeführers nenne, im Oldtimer-Club sei dies entgegen den Berufungsausführungen aber nicht publik gemacht worden. Der Beschwerdeführer habe auch keine Namen nennen können, welche Leute aus dem Oldtimer-Club auf seinen Namen eingekauft hätten. Da diese Tatsache nicht im Oldtimer-Club publik gemacht worden sei, hätten die Informationen nur durch den Beschwerdeführer erfolgt sein können. Dieser habe aber abgesehen von der Zeugin C.P. und E.H. nicht angegeben, welche Leute er darüber informiert hätte, dass man bei "Automaterialfirmen" günstig einkaufen könne, wenn man seinen Namen nenne. Aus der Aussage des Zeugen R.L. könne aber abgeleitet werden, dass man bei "Firmen" auf den Namen des Beschwerdeführers einkaufen könne, sodass die beantragte Einvernahme eines weiteren Zeugen - abgesehen davon, dass dessen genaue Daten nicht bekannt gegeben worden seien - entbehrlich erschiene.

Nehme man alle Zeugenaussagen zusammen, bestehe die Wahrscheinlichkeit, dass die Zeugin C.P. einen Kühlerschlauch gekauft habe, die übrigen Einkäufe aber durch den Beschwerdeführer erfolgt seien. Es müsse somit davon ausgegangen werden, dass die Materialeinkäufe mit Ausnahme des Kühlerschlauchs durch den Beschwerdeführer erfolgt seien und Wareneinsatzverkürzungen darstellten.

Die von der Betriebsprüfung angewandte Schätzungsmethode widerspreche nicht den Denkgesetzen und stehe auch mit den allgemeinen wirtschaftlichen Erfahrungen im Einklang. Selbst wenn man davon ausgehe, dass ein Kühlerschlauch durch die Zeugin C.P. gekauft worden sei und eine Rechnung vom 4. Dezember 1992 Reinigungsmittel und Wellendichtringe betroffen habe, die der Beschwerdeführer zur Reparatur seines privaten Bootes benötigt habe, sei diesen Umständen dadurch Rechnung getragen, dass die Schätzung dieser Jahre nicht in höchstmöglichem Ausmaß vorgenommen, sondern abgerundet worden sei. Der verkürzte Umsatz sei im Jahr 1991 um rund 13.100 S, im Jahr 1992 um rund 12.400 S niedriger angesetzt, als er sich laut verkürztem Materialansatz errechnet hätte. Demgegenüber würden die Rechnungsbeträge der "strittigen Rechnungen" im Jahr 1991 netto 68 S und im Jahr 1992 netto 401,20 S betragen. Multipliziere man diese Beträge mit fünf, ergäben sich Beträge in Höhe von 340 S im Jahr 1991, und 2.006 S im Jahr 1992. Der verkürzte Wareneinsatz mache im Verhältnis zum erklärten Wareneinsatz im Jahr 1991 rund 89 % und im Jahr 1992 rund 102 % aus, sodass sich auf Grund dieser Beträge verkürzte Umsätze in Höhe von 300 S im Jahr 1991 und rund 2.000 S im Jahr 1992 errechneten. Diese Beträge fänden in den rund 13.100 S im Jahr 1991 und den rund 12.400 S im Jahr 1992 jedenfalls Deckung, sodass sich die Schätzung ohne Berücksichtigung dieser Rechnungen nicht anders dargestellt hätte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 184 Abs. 1 BAO hat die Abgabenbehörde die Grundlagen für die Abgabenerhebung zu schätzen, wenn sie diese nicht ermitteln oder berechnen kann. Zu schätzen ist nach § 184 Abs. 3 BAO, wenn der Abgabepflichtige die Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Abgabenvorschriften zu führen hat, nicht vorlegt oder die Bücher oder Aufzeichnungen sachlich unrichtig sind oder solche Mängel aufweisen, die geeignet sind, die sachliche Richtigkeit der Bücher oder Aufzeichnungen in Zweifel zu ziehen.

Schon im ersten Vorerkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof im Beschwerdefall den Behörden die Schätzungsberechtigung zugebilligt.

Zur Schätzungsmethode, deren Wahl der belangten Behörde grundsätzlich freistand (vgl. das erste Vorerkenntnis), führte die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid abermals aus, "die von der BP angewandte Schätzungsmethode widerspricht nicht den Denkgesetzen und steht auch mit den allgemeinen wirtschaftlichen Erfahrungen im Einklang". Damit übernahm die belangte Behörde die von der Prüferin "nachgewiesenen Wareneinsatzverkürzungen" im angeführten Umfang als Schätzungsgrundlage.

Der Beschwerdeführer brachte vor, dass andere Personen seines Bekanntenkreises die in Rede stehenden Materialeinkäufe unter Nennung seines Namens zur Erzielung von Preisnachlässen getätigt hätten.

Im zweiten Vorerkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof dargelegt, dass die Frage, ob die von der belangten Behörde angenommenen Materialeinkäufe ("Fremdeinkäufe") zur Gänze vom Beschwerdeführer durchgeführt worden seien und damit Wareneinsatzverkürzungen darstellten, eine Tatfrage ist, welche in freier Beweiswürdigung zu beantworten war.

Die Zeugin C.P. habe ausdrücklich ausgesagt, nur "ein Teil" gekauft zu haben, und "beim reparierten Gegenstand habe es sich um ein Getriebe bzw. um ein Teil für den Motor" gehandelt, während tatsächlich eine Rechnung, die mehrere Teile eines Getriebes zum Gegenstand hatte, vorliege, und auf Grund dieser Widersprüche ginge für die damals belangte Behörde hervor, dass C.P. die Wareneinkäufe nicht vorgenommen habe.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im zweiten Vorerkenntnis der Argumentation der damals belangten Behörde nicht folgen können. Auf die Gründe jenes Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen.

Auch im angefochtenen Bescheid stellt die nunmehr belangte Behörde mit der allgemein gehaltenen Begründung "nimmt man alle Zeugenaussagen zusammen" fest, die Zeugin C.P. habe lediglich einen Kühlerschlauch gekauft. Warum sich auf einer der in Rede stehenden Rechnungen nicht "ein Teil" oder "Teile eines Getriebes" als Gegenstand jener Reparatur befinden sollten, welche nach Aussagen der Zeugin deren damaliger Lebensgefährte durchgeführt habe, begründet die belangte Behörde damit, es liege keine Rechnung über "ein Bestandteil eines Getriebes" vor. Diese Begründung hat der Gerichtshof bereits im zweiten Vorerkenntnis als unschlüssig angesehen.

Der Zeuge R.L. bestätigte, dass man bei "Automaterialfirmen" günstig einkaufen konnte, wenn man den Namen des Beschwerdeführers nannte, im Oldtimer-Club sei dies allerdings nicht publik gemacht worden. Er könne aber nicht ausschließen, dass der Beschwerdeführer von sich aus anderen Leuten diese Möglichkeit mitgeteilt habe.

Die belangte Behörde räumte auf Grund der Zeugenaussagen selbst ein, es sei möglich gewesen, dass bei den in Rede stehenden Unternehmen "auf den Namen des Beschwerdeführers" eingekauft werden konnte, und gestand einen solchen Einkauf der Zeugin C.P. in einem Fall (Kühlerschlauch) auch zu. Der Zeuge R.L. hat das Wissen um eine solche Möglichkeit im Oldtimer-Club zumindest als möglich dargestellt. Der Zeuge E.H. konnte sich hinsichtlich Ersatzteile nicht konkret erinnern, bestätigte einen solchen Kauf auf Namen des Beschwerdeführers aber über einen Skiträger. Da der gekaufte Gegenstand (Skiträger) jedoch nicht auf den in Rede stehenden Rechnungen aufscheine, nahm die belangte Behörde an, dass dieser Kauf außerhalb des Streitzeitraumes erfolgt sei, oder sah ihn - ohne Begründung - als nicht auf den Namen des Beschwerdeführers erfolgt an. Allein dass der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren nicht von sich aus weitere Namen von Personen genannt habe, denen er die Information über eine solche Einkaufsmöglichkeit weitergegeben habe, lässt im Beschwerdefall noch nicht zu, dass die belangte Behörde als "wahrscheinlich" annehmen durfte, diese unstrittig bestehende Möglichkeit wäre hinsichtlich der in Rede stehenden Rechnungen nur im Falle des Kaufes eines Kühlerschlauches durch C.P. ausgeschöpft worden.

Angesichts dieser Sachlage lässt die belangte Behörde eine tragfähige Erklärung dafür vermissen, warum sie sämtliche Materialeinkäufe - mit Ausnahme des einen, ihrer Ansicht nach C.P. zuzurechnenden Kaufes eines Kühlerschlauches - dem Beschwerdeführer zurechnete und nicht bloß einen - gegebenenfalls zu schätzenden - Teil dieser Einkäufe. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 26. Juni 2007

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2007130016.X00

Im RIS seit

19.07.2007
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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