TE Vwgh Erkenntnis 2007/7/3 2007/05/0029

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Veröffentlicht am 03.07.2007
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §63 Abs5;
AVG §66 Abs4;
VStG §24;
VStG §51 Abs5;
VStG §51a Abs2;
VwGG §26 Abs3 impl;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §61 impl;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Kail und Dr. Pallitsch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fritz, über die Beschwerde des Dipl.-Ing. EP in W, vertreten durch Dr. PSch, Rechtsanwalt in W, L-Straße 39, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 19. Jänner 2007, Zl. UVS-04/AV/30/415/2007-1, betreffend Zurückweisung einer Berufung im Verwaltungsstrafverfahren, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 16. Bezirk, vom 6. November 2006 wurde über den Beschwerdeführer wegen Übertretung des § 135 Abs. 1 iVm § 129 Abs. 2 der Bauordnung für Wien gemäß § 135 Abs. 1 leg. cit. eine Geldstrafe von EUR 1.470,--, im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von einer Woche, drei Tagen und 12 Stunden verhängt. Dieses Straferkenntnis wurde dem Beschwerdeführer am 15. November 2006 zugestellt.

Mit Telefaxeingabe vom 22. November 2006 beantragte der Beschwerdeführer die "Beigebung eines Verteidigers". Das Telefax wurde vom Beschwerdeführer am 25. November 2006 an das Magistratische Bezirksamt für den 16. Bezirk übermittelt.

Die belangte Behörde forderte den Beschwerdeführer mit Verfügung vom 6. Dezember 2006, dem Beschwerdeführer zugestellt am 12. Dezember 2006, auf, innerhalb einer Frist von zwei Wochen ab Zustellung dieses Schreibens das beigelegte Formular (Vermögensbekenntnis) zu ergänzen und an den Unabhängigen Verwaltungssenat Wien zu retournieren. Die belangte Behörde belehrte den Beschwerdeführer in diesem Schreiben, dass zur Überprüfung des Vorliegens der erforderlichen Voraussetzungen für die Beigebung eines Verteidigers konkrete Angaben zu den "allseitigen Verhältnissen" des Beschwerdeführers erforderlich seien. Der Beschwerdeführer habe darzulegen, aus welchen Gründen seiner Ansicht nach die beabsichtigte Rechtsverfolgung im Interesse der Verwaltungsrechtspflege gelegen sei. Sollte er innerhalb der ihm gesetzten Zweiwochenfrist die geforderten Daten nicht bekannt geben, müsse er damit rechnen, dass auf Grund der Aktenlage entschieden werde.

Mit dem am 4. Jänner 2007 bei der belangten Behörde eingelangten e-Mail teilte der Beschwerdeführer mit, dass er den Rechtsanwalt Dr. PSch. beauftragt und bevollmächtigt habe, ihn in der gegenständlichen Verwaltungsstrafsache zu vertreten. Dieses e-Mail wurde an Rechtsanwalt Dr. PSch. vom Beschwerdeführer gleichzeitig ("Cc") übermittelt.

Nach Akteneinsicht durch einen Angestellten des nunmehr bevollmächtigten Rechtsanwaltes am 12. Jänner 2007 wurde vom nunmehrigen Rechtsvertreter des Beschwerdeführers die am 16. Jänner 2007 zur Post gegebene Berufung gegen das eingangs erwähnte Straferkenntnis erhoben.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde diese Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG als verspätet zurückgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass die Berufungsfrist im Beschwerdefall am 29. November 2006 geendet habe. Die erst am 16. Jänner 2007 im Postwege eingebrachte Berufung des Beschwerdeführers sei daher verspätet.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Unter Berufung auf § 51 Abs. 5 VStG führt der Beschwerdeführer aus, dass die Berufungsfrist in dem Fall, in welchem die Beigebung eines Rechtsanwaltes beantragt wird, erst mit der Zustellung des Bescheides über die Bestellung des Rechtsanwaltes zu laufen beginne. Die Frist beginne erst zu laufen, wenn ein Bescheid über die Abweisung eines solchen Antrages zugestellt werde. Der Beschwerdeführer habe einen solchen Antrag gestellt, über diesen Antrag sei jedoch bisher nicht entschieden worden. Das Rechtsmittel sei daher vor Ablauf der Frist eingebracht worden, weil die Frist noch nicht einmal zu laufen begonnen habe.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 51 Abs. 1 VStG steht den Parteien im Verwaltungsstrafverfahren das Recht der Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat.

Gemäß § 24 VStG gilt im Verwaltungsstrafverfahren auch § 63 Abs. 5 AVG. Nach dieser Gesetzesstelle ist die Berufung von der Partei binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Die Frist beginnt für jede Partei mit der an sie erfolgten Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Bescheides, im Fall bloß mündlicher Verkündung mit dieser. Wird eine Berufung innerhalb dieser Frist bei der Berufungsbehörde eingebracht, so gilt dies als rechtzeitige Einbringung; die Berufungsbehörde hat die bei ihr eingebrachte Berufung unverzüglich an die Behörde erster Instanz weiterzuleiten.

Gemäß § 51 Abs. 5 VStG beginnt jedoch für den Beschuldigten, der innerhalb der Berufungsfrist die Beigebung eines Verteidigers beantragt hat, die Berufungsfrist mit dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Bescheid über die Bestellung des Rechtsanwalts zum Verteidiger und der anzufechtende Bescheid diesem zugestellt sind. Wird der rechtzeitig gestellte Antrag auf Beigebung eines Verteidigers abgewiesen, so beginnt die Berufungsfrist mit der Zustellung des abweisenden Bescheides an den Beschuldigten zu laufen.

Gemäß § 51a Abs. 2 VStG kann der Antrag auf Beigebung eines Verteidigers schriftlich oder mündlich gestellt werden. Er ist ab Erlassung des Bescheides bis zur Vorlage der Berufung bei der Behörde, ab Vorlage der Berufung beim unabhängigen Verwaltungssenat einzubringen. Wird der Antrag innerhalb der Berufungsfrist beim Unabhängigen Verwaltungssenat eingebracht, so gilt er als rechtzeitig gestellt. In dem Antrag ist die Strafsache bestimmt zu bezeichnen, für die die Beigebung eines Verteidigers begehrt wird.

Gemäß Abs. 3 dieses Paragraphen hat der Unabhängige Verwaltungssenat über den Antrag durch Einzelmitglied zu entscheiden. Hat der Unabhängige Verwaltungssenat die Beigebung eines Verteidigers beschlossen, so hat er den Ausschuss der nach dem Sitz des unabhängigen Verwaltungssenates zuständigen Rechtsanwaltskammer zu benachrichtigen, damit der Ausschuss einen Rechtsanwalt zum Verteidiger bestelle. Dabei hat der Ausschuss den Wünschen des Beschuldigten zur Auswahl der Person des Verteidigers im Einvernehmen mit dem namhaft gemachten Rechtsanwalt nach Möglichkeit zu entsprechen.

Gemäß § 51a Abs. 4 VStG erlischt die Bestellung eines Verteidigers mit dem Einschreiten eines Bevollmächtigten.

§ 51 Abs. 5 VStG ist § 26 Abs. 3 VwGG nachgebildet (siehe hiezu XVII. GP, RV 1090, S. 18 zu Art. I Z 18).

Im Beschwerdefall hat der Beschwerdeführer innerhalb der Berufungsfrist die Beigebung eines Verteidigers im Sinne des § 51 Abs. 5 VStG beantragt. § 51 Abs. 5 VStG stellt ebenso wie § 26 Abs. 3 VwGG für den Beginn des Zeitpunktes des Laufens der Rechtsmittelfrist ausdrücklich auf eine meritorische Erledigung (Stattgebung oder Abweisung) des Verfahrenshilfeantrages ab (vgl. hiezu den hg. Beschluss vom 21. April 1994, Zl. 93/09/0268). Einem Berufungswerber ist es jedoch nicht verwehrt, nach rechtzeitiger Einbringung eines Verfahrenshilfeantrages - unabhängig von der Erledigung dieses Antrages und der in diesem Rahmen erfolgten Bestellung eines Rechtsanwaltes - die Beschwerde auch nach Ablauf der ursprünglichen Beschwerdefrist durch einen gewillkürten Vertreter einzubringen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 2003, Zl. 99/21/0142). Dies folgt insbesondere aus § 51 Abs. 5 letzter Satz VStG, wonach die Berufungsfrist mit der Zustellung des abweisenden Bescheides im Falle der rechtzeitigen Antragstellung auf Beigebung eines Verteidigers an den Beschuldigten zu laufen beginnt.

Hier war im Hinblick auf den vom Beschwerdeführer rechtzeitig (die zweiwöchige Berufungsfrist endete am 29. November 2006) eingebrachten und unerledigt gebliebenen Antrag auf Beigebung eines Verteidigers auch noch im Zeitpunkt der Berufungserhebung durch den gewillkürten Vertreter die Berufungsfrist noch offen. Die Zurückweisung der Berufung des Vertreters des Beschwerdeführers wegen Verspätung steht daher mit der Rechtslage nicht im Einklang.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Die Abweisung des Kostenmehrbegehrens des Beschwerdeführers betrifft den angesprochenen, jedoch nicht entstandenen "Verhandlungsaufwand".

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung war gemäß § 39 Ab. 2 Z. 4 VwGG Abstand zu nehmen.

Wien, am 3. Juli 2007

Schlagworte

Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG) Verfahrensbestimmungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2007050029.X00

Im RIS seit

31.07.2007
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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