TE Vwgh Erkenntnis 2007/7/4 2006/08/0005

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Veröffentlicht am 04.07.2007
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Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

ABGB §1297;
AlVG 1977 §25 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der G in G, vertreten durch die Dr. Reinhard Tögl Rechtsanwaltgesellschaft mbH, 8010 Graz, Schmiedgasse 31, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Steiermark vom 20. September 2005, Zl. LGS600/SfA/0566/2005-Dr.-Si/S, betreffend Berichtigung und Rückforderung von Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 23. August 2005 hat das Arbeitsmarktservice Graz entschieden, dass ihr Bescheid vom 11. August 2005, mit dem der Anspruch der Beschwerdeführerin auf Notstandshilfe für die Zeit vom 1. Mai bis zum 30. Juni 2005 widerrufen bzw. die Bemessung rückwirkend berichtigt worden sei, von Amts wegen dahingehend abgeändert werde, dass die Beschwerdeführerin für die Zeit vom 1. April bis zum 30. Juni 2005 die Notstandshilfe zu Unrecht bezogen habe und EUR 1.616,16 rückgefordert würden. Nach der Begründung habe das Ermittlungsverfahren ergeben, dass die Beschwerdeführerin bereits ab 1. April 2005 keinen Anspruch auf Notstandshilfe gehabt habe, da sie die Arbeitsaufnahme ihres Ehemannes nicht gemeldet habe.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, ihr Ehemann habe, als er Arbeitslosengeld beantragt habe, eine Wiedereinstellungszusage für den 1. März 2005 vorgelegt; an diesem Tag habe er zu arbeiten begonnen. Zudem habe die Beschwerdeführerin dem Arbeitsmarktservice mitgeteilt, dass ihr Mann am 1. April 2005 wieder zu arbeiten beginne. Die Mitarbeiterin des Arbeitsmarktservice habe auf die Frage der Beschwerdeführerin, ob sie wegen ihres Notstandshilfebezuges die Arbeitsaufnahme ihres Mannes extra melden müsse, geantwortet, dass dies nicht notwendig sei, da die Arbeitsaufnahme ihres Mannes automatisch weitergeleitet werde, weil sie im Computer gespeichert sei. Zudem hätten die Unterhaltszahlungen des Ehemannes der Beschwerdeführerin für seine Tochter aus zweiter Ehe und Kreditzahlungen für die Finanzierung der Wohnungseinrichtung bei der Einkommensanrechnung berücksichtigt werden müssen; die Beschwerdeführerin leide an schwerem Asthma.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der Berufung teilweise stattgegeben und den erstinstanzlichen Bescheid dahin abgeändert, dass der Rückforderungsbetrag EUR 1.163,77 betrage.

In der Begründung stellte die belangte Behörde den Gang des Verwaltungsverfahrens sowie die von ihr angewendeten Rechtsvorschriften dar und führte wörtlich aus:

"Unabhängig von einer eventuell erfolgten Meldung des Arbeitsbeginnes hätten Sie erkennen müssen, dass sie nach der Arbeitsaufnahme Ihres Gatten die Notstandshilfe nicht in der gleichen Höhe wie in den Monaten davor erhalten können. Schließlich beziehen Sie seit Jahren Notstandshilfe, wobei diese jeweils in der Zeit, in der Ihr Gatte in einem Dienstverhältnis steht, nur in einer geringen Höhe zuerkannt wird."

Aus der von der belangten Behörde in der Folge angestellten Berechnung ergibt sich, dass der Beschwerdeführerin im Widerrufszeitraum Notstandshilfe in der Höhe von EUR 17,76 täglich ausbezahlt wurde, während der tägliche Anspruch im April EUR 8,79, im Mai EUR 1,49 und im Juni EUR 4,75 betragen habe. Daraus ergebe sich der Rückforderungsbetrag.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 28. November 2005, Zl. B 3297/05-3, abgelehnt und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat.

In der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gelten.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die Beschwerde wendet sich gegen die Berichtigung des Leistungsbezuges der Beschwerdeführerin und gegen die Rückforderung des Überbezuges in der Höhe von EUR 1.616,16.

Gemäß § 25 Abs. 1 AlVG ist der Empfänger des Arbeitslosengeldes bei Einstellung, Herabsetzung, Widerruf oder Berichtigung der Leistung zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen unter anderem dann zu verpflichten, wenn er erkennen musste, dass die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte.

Dieser (dritte) Rückforderungstatbestand des § 25 Abs. 1 erster Satz AlVG ist nicht erst dann erfüllt, wenn der Leistungsempfänger die Ungebührlichkeit der Leistung an sich oder ihrer Höhe erkannt hat; das Gesetz stellt vielmehr auf das bloße Erkennenmüssen ab und statuiert dadurch eine (freilich zunächst nicht näher bestimmte) Diligenzpflicht. Für die Anwendung des dritten Tatbestandes genügt, dass Fahrlässigkeit gegeben war. Fahrlässige Unkenntnis davon, dass die Geldleistung nicht gebührte, setzt voraus, dass die Ungebühr bei Gebrauch der (iS des § 1297 ABGB zu vermutenden) gewöhnlichen Fähigkeiten erkennbar gewesen ist. Ob dies zutrifft, ist im Einzelfall zu beurteilen, wobei jedoch der Grad der pflichtgemäßen Aufmerksamkeit weder überspannt, noch überdurchschnittliche geistige Fähigkeiten verlangt werden dürfen (vgl. das Erkenntnis vom 14. September 2005, Zl. 2005/08/0155, mwN).

Unter Bedachtnahme auf diese Grundsätze hängt die Rechtmäßigkeit der Bejahung des dritten Rückforderungstatbestandes des § 25 Abs. 1 erster Satz AlVG davon ab, ob die Beschwerdeführerin bei Gebrauch ihrer zu vermutenden gewöhnlichen Fähigkeiten - sachverhaltsbezogen - aus dem Bezug des Arbeitslosengeldes in der Höhe von täglich EUR 17,76 erkennen musste, dass ihr Arbeitslosengeld in dieser Höhe nicht gebührte.

Die belangte Behörde geht davon aus, die Beschwerdeführerin hätte den Überbezug erkennen müssen, weil sie nach der Arbeitsaufnahme ihres Ehemannes Notstandshilfe nicht in der gleichen Höhe wie in den Monaten davor erhalten könne. Dazu stellte sie - unbekämpft - fest, die Beschwerdeführerin beziehe seit Jahren Notstandshilfe, die in Zeiten, in denen ihr Ehemann nicht arbeitslos war, nur gering sei, sowie - ebenfalls unbekämpft - die Berechnungsgrundlagen, wonach anstelle der vorher bezogenen EUR 17,76 täglich zwischen EUR 1,49 (Mai 2005) und 8,79 (April 2005) an Notstandshilfe zustünden.

Die Beschwerdeführerin hat nach der Aktenlage beispielsweise im Jahre 2002 ohne Anrechnung des Einkommens ihres Ehemannes Notstandshilfe von täglich 19,10 EUR, mit Anrechnung zwischen 12,62 EUR und 15,81 EUR, im Jahre 2003 ohne Anrechnung 19,10 EUR, mit Anrechnung 12,75 EUR und im Jahre 2004 ohne Anrechnung 22,07 EUR, mit Anrechnung zwischen 7,70 EUR und 16,59 EUR erhalten. Der vorliegende Sachverhalt unterscheidet sich damit von jenem, der dem - aufhebenden - hg. Erkenntnis vom 21. Februar 2007, Zl. 2004/08/0175, zu Grunde gelegen ist, weil dort die Beschwerdeführerin bei zunächst zurecht bezogenen 21,92 EUR und dann zu viel bezogenen 22,01 EUR täglich schon auf Grund des unwesentlichen Unterschiedes zwischen diesen Beträgen den Überbezug nicht hätte erkennen müssen. Anders als in diesem Erkenntnis hätte die Beschwerdeführerin im vorliegenden Fall jedoch schon auf Grund ihrer bisherigen mehrjährigen Erfahrung in Bezug auf die Anrechnung des Einkommens ihres Ehemannes erkennen müssen, dass, wenn ihr Ehemann einen die Arbeitslosigkeit ausschließenden Bezug erhält, der eigene Notstandshilfebezug jedenfalls geringer werden musste. Dass sich andere Umstände geändert hätten, die kompliziertere Berechnungen notwendig gemacht hätten und allenfalls zu einer Kompensation der Anrechnung des Einkommens des Ehemannes geführt hätte, wurde weder vorgebracht noch ergibt sich dies aus der Aktenlage.

Macht die Beschwerdeführerin in der Beschwerde im Rahmen der Rechtsrüge und als Verfahrensmangel geltend, die belangte Behörde habe keine Feststellungen über die von ihr dem Arbeitsmarktservice gemachte Mitteilung über die Arbeitsaufnahme ihres Ehemannes getroffen, ist sie darauf zu verweisen, dass die belangte Behörde die Rückforderung nicht auf eine Meldepflichtverletzung gestützt hat, sodass sie auch nicht gehalten war, zur Frage der Meldung der Arbeitsaufnahme Feststellungen zu treffen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 4. Juli 2007

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2006080005.X00

Im RIS seit

15.08.2007
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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