TE Vfgh Beschluss 2002/11/26 V65/02

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Veröffentlicht am 26.11.2002
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Index

90 Straßenverkehrsrecht, Kraftfahrrecht
90/01 Straßenverkehrsordnung 1960

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
FahrverbotsV der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 26.06.02 für LKW über 12t
StVO 1960 §45

Leitsatz

Zurückweisung eines Individualantrags auf Aufhebung eines Fahrverbots für schwere Lastkraftfahrzeuge mangels Legitimation unter Hinweis auf die Vorjudikatur

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Die Bezirkshauptmannschaft Kufstein hat am 26. Juni 2002 zu Z4 C55/22-2002 eine Verordnung folgenden Inhalts erlassen:

"V E R O R D N U N G

Auf Grund des §43 Abs1 litb der Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159/1960, in der Fassung des Gesetzes BGBl. I Nr. 134/1999, wird verordnet:

§1

Auf der durch die Gemeinden Schwoich, Bad Häring und Kirchbichl führenden Gemeindestraße 'Grenzhäusl - Grüblbrand' ist ab der Abzweigung von der L 208 Bad Häring - Schwoicher Straße bei km 3,53 das Fahren mit Lastkraftfahrzeugen mit einem höchst zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 12t verboten.

§2

Vom Verbot nach §1 sind ausgenommen:

Versorgungsfahrten für Anlieger und forst- und landwirtschaftlicher Verkehr.

§3

Diese Verordnung tritt mit Aufstellung der Verkehrszeichen gemäß 52a Ziffer 7a StVO 1960 in Kraft.

§4

Die Aufstellung bzw. Anbringung und Instandhaltung der Verkehrszeichen obliegt der Gemeinde Schwoich.

Ergeht an:

(...)

Für den Bezirkshauptmann

(...)"

2. Gestützt auf Art139 B-VG begehrt die Antragstellerin die Aufhebung dieser Verordnung zur Gänze als gesetz- bzw. verfassungswidrig.

Die Antragstellerin bringt dazu vor, sie habe mit Antrag vom 17. September 2001 um die Genehmigung eines Gewinnungsbetriebsplanes nach dem MinRoG, eine Rodungsgenehmigung sowie eine naturschutzrechtliche Genehmigung für einen Schotterabbau auf (Teil-)Flächen näher bezeichneter Grundparzellen in der KG Schwoich angesucht. Die verkehrsmäßige Erschließung des geplanten Abbaugebietes führe über die Gemeindestraße Grenzhäusl - Grüblbrand. Die Verordnung stütze sich auf die (gemeinsamen) Anträge der Gemeinden Schwoich, Kirchbichl und Bad Häring, welche auf den geplanten Schotterabbau Bezug nehmen und diesen Schotterabbau als Motiv für die Antragstellung nennen würden.

Bei der vorliegenden Verordnung handle es sich um "eine reine Anlaßverordnung" mit dem Ziel, die Antragstellerin im angeführten Verwaltungsverfahren um die Bewilligung des Schotterabbaus in eine schlechtere Position zu rücken. Die Verordnung werde für die Antragstellerin ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung und ohne Erlassung eines Bescheides unmittelbar wirksam. Sie greife direkt in die rechtlich geschützten Interessen des Unternehmens der Antragstellerin ein. Es stehe sohin kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des behaupteten rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung. Die Provozierung eines Strafbescheides sei im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes unzumutbar. Durch die gesetz- bzw. verfassungswidrige Verordnung habe die Antragstellerin keine Möglichkeit mehr, die Bewilligung des geplanten Schotterabbaues zu erlangen.

Die angefochtene Verordnung sei verfassungs- und gesetzwidrig, weil die betreffende Gemeindestraße in einer Weise ausgebaut sein müsse, daß grundsätzlich Schwerverkehr darauf fahren können sollte. Ein etwaiger schlechter Straßenzustand sei Sache des entsprechenden Straßenhalters und könne nicht zum Nachteil der Antragstellerin gereichen. Die Erlassung der vorliegenden Verordnung stelle einen "reinen Willkürakt" der Behörde dar und finde im Gesetz bzw. in der Verfassung keine Deckung. Die Behörde habe die Verordnung erst im Nachhinein, nämlich als der Antrag auf Schottergewinnung bereits vorlag, erlassen. Die Verhinderung des Schotterabbaus sei in den Anträgen der betroffenen Gemeinden als Grund für das beantragte Lkw-Fahrverbot explizit angegeben.

3. Dem Antrag sind jeweils Kopien eines Schreibens des Bürgermeisters der Gemeinde Bad Häring an die Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 18. Jänner 2002, eines Schreibens des Bürgermeisters der Gemeinde Schwoich an die Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 4. Februar 2002 sowie eines Auszuges aus dem Sitzungsprotokoll des Gemeinderates der Gemeinde Kirchbichl vom 7. Februar 2002 beigelegt, aus denen hervorgeht, daß die betreffende Gemeindestraße für einen Schottertransport weder hinsichtlich ihrer Tragfähigkeit noch hinsichtlich ihrer Straßenbreite als geeignet und eine derartige Nutzung ohne schwere Schäden an der Straßenanlage als nicht möglich erachtet wird. Dem letztgenannten Sitzungsprotokoll ist zudem das Vorhaben zu entnehmen, die Gemeinde Kirchbichl solle im Hinblick auf die für die Anrainer entlang dieses Straßenstückes mit dem Abtransport des gewonnenen Schotters einhergehende unzumutbare Belastung durch Lärm, Abgase und Staub "alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen, um den Schotterabbau zu verhindern".

II. Der Antrag ist nicht zulässig.

1. Gemäß Art139 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner mit VfSlg. 8059/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, daß die Verordnung in die Rechtssphäre der betroffenen (natürlichen oder juristischen) Person eingreift und sie - im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit - verletzt. Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art139 Abs1 letzter Satz B-VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl. zB VfSlg. 8594/1979, 10353/1985, 11730/1988, 14463/1996, 14959/1997, 15527/1999).

2. Der Verfassungsgerichtshof hat bereits in mehreren Beschlüssen dargetan, daß die Möglichkeit der Erwirkung einer Ausnahmebewilligung gemäß §45 StVO 1960 zur Bekämpfung einer mittels Verordnung verfügten Verkehrsbeschränkung einen zumutbaren Weg zur Geltendmachung der behaupteten Rechtswidrigkeit dieser Verordnung eröffnet (vgl. VfSlg. 10302/1984, 12317/1990, VfGH 27.11.2001, V105/00 ua.). Auch in dem vorliegenden Fall besteht für die Antragstellerin gemäß §45 StVO 1960 die Möglichkeit, in einem (auf Antrag der Betroffenen einzuleitenden) Verwaltungsverfahren abzuklären, ob die Voraussetzungen für die Erteilung einer solchen Ausnahmebewilligung vom allgemeinen Fahrverbot gegeben sind. Liegen die Voraussetzungen vor, so hat die Behörde durch Erteilung der beantragten Bewilligung die sonst für jedermann eintretende Verkehrsbeschränkung für die Antragstellerin aufzuheben. Damit steht dieser ein Mittel zur Verfügung, die Wirkung der Verordnung von sich abzuwenden oder aber - wenn dieser Weg aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen erfolglos bleiben sollte - in einer Beschwerde die Frage der Gesetzmäßigkeit des Verbots an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen.

3. Soweit die Antragstellerin durch das in der angefochtenen Verordnung ausgesprochene Fahrverbot einen Eingriff in ihre Rechtssphäre wegen Beeinträchtigung ihrer wirtschaftlichen Interessen behauptet, fehlt es daran von vornherein. Wie der Verfassungsgerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen hat, handelt es sich bei solchen wirtschaftlichen Auswirkungen von Verkehrsvorschriften nur um faktische Reflexwirkungen, nicht aber um Eingriffe in die Rechtssphäre des Unternehmens (vgl. VfSlg. 12914/1991, VfGH 27.11.2001, V105/00 ua.).

Der Antrag war daher mangels Legitimation der Antragstellerin zurückzuweisen.

4. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Straßenpolizei, Fahrverbot, VfGH / Individualantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2002:V65.2002

Dokumentnummer

JFT_09978874_02V00065_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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