TE Vwgh Erkenntnis 2007/7/19 2007/07/0081

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Veröffentlicht am 19.07.2007
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
83 Naturschutz Umweltschutz;

Norm

AWG 1990 §45a Abs7;
AWG 2002 §76 Abs7 idF 2004/I/043;
AWG 2002 §76 Abs8 idF 2004/I/043;
AWG 2002 §79 Abs2 Z17;
DeponieV 1996 §5 Z7;
DeponieV 1996;
VStG §19;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger sowie die Hofräte Dr. Hinterwirth und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Chlup, über die Beschwerde der I P in G, vertreten durch Eisenberger & Herzog RechtsanwaltsGmbH in 8010 Graz, Hilmgasse 10, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 22. März 2007, Zl. uvs-2006/K13/2216-2, betreffend Bestrafung wegen Übertretung des AWG 2002 (weitere Partei: Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die D. R. GmbH & Co KG, deren persönlich haftende Gesellschafterin die D. R. GmbH ist, ist Inhaberin der schon vor dem 1. Juli 1997 betriebenen (Massenabfall-)Deponie R. mit dem Standort in W. in Tirol. Auf dieser Deponie wurden in der Vergangenheit auch aus den Bundesländern Salzburg und Oberösterreich stammende Abfälle mit mehr als fünf Masseprozent organischem Kohlenstoff (TOC) abgelagert.

Im Hinblick darauf wurde mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft K vom 10. Juli 2006 über die Beschwerdeführerin als handelsrechtliche Geschäftsführerin der D. R. GmbH gemäß § 79 Abs. 2 Z 17 iVm § 76 Abs. 8 des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 - AWG 2002 und iVm der Verordnung des Landeshauptmannes von Tirol LGBl. Nr. 73/2004 eine Geldstrafe von EUR 5.400,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 9 Tage) verhängt und sie wurde zur Tragung der Verfahrenskosten verpflichtet. Der Beschwerdeführerin wurde - zusammengefasst - angelastet, sie habe es als gemäß § 9 Abs. 1 VStG Verantwortliche zu vertreten, dass im Zeitraum vom 6. September 2005 bis 10. Juli 2006 in die von der genannten KG betriebene öffentliche Mülldeponie R. entgegen § 76 Abs. 8 AWG 2002 nicht im Bundesland Tirol angefallene Abfälle mit mehr als fünf Masseprozent organischem Kohlenstoff (TOC) eingebracht worden seien, obwohl derInhaber einer Deponie, für die eine Verordnung gemäß § 76 Abs. 7 AWG 2002 gelte, nur jene in der Verordnung genannten Abfälle mit mehr als fünf Masseprozent TOC ablagern dürfe, die im selben Bundesland angefallen seien, wobei in diesem Straferkenntnis die einzelnen Abfallanlieferungen näher beschrieben wurden.

Die dagegen erhobene Berufung wurde mit dem angefochtenen, nach mündlicher Verhandlung ergangenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol (der belangten Behörde) vom 22. März 2007 als unbegründet abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin einerseits Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 27. Juni 2007, B 943/07-3, ablehnte, und andererseits Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.

Über diese - nur Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende - Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Die in Beschwerde gezogene Bestrafung der Beschwerdeführerin stützt sich (in Verbindung mit § 9 Abs. 1 VStG) auf den Straftatbestand des § 79 Abs. 2 Z 17 zweiter Fall AWG 2002. Diese Norm lautet:

"(2) Wer

(...)

17. entgegen § 63 Abs. 1 oder 4 oder § 76 Abs. 8 in Verbindung mit Abs. 9 Abfälle auf einer Deponie einbringt,

(...)

begeht (...) eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 360 EUR bis 7.270 EUR zu bestrafen ist; wer jedoch gewerbsmäßig im Bereich der Abfallwirtschaft tätig ist, ist mit einer Mindeststrafe von 1.800 EUR bedroht."

Der angesprochene § 76 Abs. 8 und 9 AWG 2002 hat folgenden Wortlaut:

"(8) Der Deponieinhaber einer Deponie, für die eine Verordnung gemäß Abs. 7 gilt, darf nur jene in der Verordnung genannten Abfälle mit mehr als fünf Masseprozent TOC ablagern, die im selben Bundesland angefallen sind. Dies gilt nicht, wenn durch am 1. Jänner 2004 bestehende landesrechtliche Regelungen Entsorgungsbereiche festgelegt sind und entsprechend dieser landesrechtlichen Regelungen Abfälle eines Entsorgungsbereichs in einem benachbarten Bundesland abgelagert werden dürfen.

(9) Die Ablagerung von Abfällen gemäß einer Verordnung nach § 65 bleibt von Abs. 8 unberührt."

In der Beschwerde werden - wie schon in der Berufung - weder die vorgeworfenen Tathandlungen noch die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Beschwerdeführerin iSd § 9 Abs. 1 VStG bestritten.

Für das vorliegende Beschwerdeverfahren ist hinsichtlich der von der belangten Behörde angenommenen Verwirklichung des zitierten Straftatbestandes nur (mehr) die Beantwortung der Frage entscheidend, ob es der Deponiebetreiberin verboten war, nicht im Bundesland Tirol angefallene Abfälle mit mehr als fünf Masseprozent TOC auf der Deponie R. in W. abzulagern.

In diesem Zusammenhang ist vorauszuschicken, dass mit der (aufgrund des § 76 Abs. 7 AWG 2002 erlassenen) Verordnung des Landeshauptmannes von Tirol vom 26. Juli 2004, LGBl. Nr. 73/2004, eine Ausnahme vom Verbot der Deponierung von Abfällen mit mehr als fünf Masseprozent organischem Kohlenstoff (TOC) für die im Bundesland Tirol bestehenden öffentlichen Deponien gemäß § 2 Abs. 5 des Tiroler Abfallwirtschaftsgesetzes, LGBl. Nr. 50/1990 - dazu zählt auch die gegenständliche Deponie R. in W. - befristet bis 31. Dezember 2008 festgelegt wurde. Demzufolge dürften nach dem ersten Satz des § 76 Abs. 8 AWG 2002 grundsätzlich nur solche (nicht vorbehandelten) Abfälle mit mehr als fünf Masseprozent organischem Kohlenstoff (TOC) auf der gegenständlichen Deponie abgelagert werden, die im Bundesland Tirol angefallen sind. Durch die (unbestrittene) Ablagerung von derartigen, in den Bundesländern Salzburg und Oberösterreich angefallenen Abfällen auf der genannten Deponie hätte die Beschwerdeführerin diesem Gebot zuwidergehandelt. Es kommt somit entscheidungswesentlich auf die - zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens strittige - Beurteilung an, ob sich die Betreiberin der Deponie R. insoweit auf den - eine Ausnahme von der Herkunftsgebietsbeschränkung des ersten Satzes vorsehenden - zweiten Satz dieser Bestimmung berufen kann.

Mit der in diesem Zusammenhang maßgeblichen Frage der Auslegung dieser Ausnahmebestimmung hat sich der Verwaltungsgerichtshof in dem über eine - insoweit im Wesentlichen inhaltsgleiche - Beschwerde der D. R. GmbH & Co KG betreffend einen Auftrag zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes ergangenen Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2007/07/0062, bereits ausführlich auseinandergesetzt. Der Gerichtshof gelangte dabei aus näher dargestellten Gründen, auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, zu dem Ergebnis, dass die Ablagerung von durch die Verordnung des Landeshauptmannes von Tirol LGBl. Nr. 73/2004 erfassten Abfällen mit mehr als fünf Masseprozent organischem Kohlenstoff (TOC) nur dann auf der Deponie R. in W. zulässig ist, wenn dieser Abfall in Tirol angefallen ist. Die Ablagerung von derartigen Abfällen aus anderen Bundesländern auf dieser Deponie widerspricht somit dem ersten Satz des § 76 Abs. 8 AWG 2002, weshalb der erwähnte Straftatbestand des § 79 Abs. 2 Z 17 AWG 2002 objektiv erfüllt ist. Das Vorliegen der subjektiven Tatseite wird in der Beschwerde nicht substantiiert bestritten.

Zusammenfassend kann der belangten Behörde daher nicht entgegen getreten werden, wenn sie die Tatbestandsverwirklichung der genannten Strafnorm angenommen hat.

Die belangte Behörde ging bei der - in der Beschwerde auch bekämpften - Strafbemessung davon aus, der Unrechtsgehalt der angelasteten Übertretung sei erheblich, weil dadurch eine geordnete Entwicklung der Abfallentsorgung unterlaufen werde. Der anzuwendende Strafrahmen betrage im vorliegenden Fall EUR 1.800,-- bis EUR 7.270,--. Die Geldstrafe habe den Zweck, die Beschwerdeführerin von der weiteren Annahme derartiger Abfalllieferungen aus anderen Bundesländern abzuhalten. Die Strafhöhe müsse daher in Relation zu den Einnahmen aus diesen Abfalllieferungen gesehen werden, wobei allein bei den Beobachtungen am 6. September 2005 und am 11. Oktober 2005 vier bzw. drei Transporte festgestellt worden seien. Im Verhältnis zu den mit den Abfalltransporten aus anderen Bundesländern verbundenen Umsätzen sei die verhängte Strafe immer noch gering. Um einen spezialpräventiven Erfolg erwarten zu lassen, sei die Geldstrafe in diesem Umfang - "auch in Anbetracht" (gemeint: trotz) der bisherigen Unbescholtenheit der Beschwerdeführerin - jedenfalls erforderlich und gerechtfertigt.

Dem hielt die Beschwerde entgegen, der Unrechtsgehalt sei nicht erheblich, "wenn man eine falsche Interpretation des Willens des Gesetzgebers erwischt". Das vorwerfbare Verschulden hätte angesichts der unklaren und für den Normadressaten nicht verständlichen Regelung viel geringer gewertet werden müssen. Außerdem wäre der Milderungsgrund der Unbescholtenheit der Beschwerdeführerin stärker zu berücksichtigen gewesen.

Nach § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen.

Die belangte Behörde hat sich an diesen Strafzumessungsregeln orientiert und sie hat - entgegen der Beschwerdemeinung - auch ausreichend auf die bisherige Unbescholtenheit der Beschwerdeführerin Bedacht genommen. Sie ist aber ebenfalls zutreffend davon ausgegangen, dass die Beschwerdeführerin gewerbsmäßig im Bereich der Abfallwirtschaft tätig ist (vgl. dazu das Erkenntnis vom 21. Juni 2007, Zl. 2006/07/0126) und daher die Mindeststrafe EUR 1.800,-- beträgt. Angesichts des langen Deliktszeitraumes und des sich daraus ergebenden großen Umfangs der rechtswidrig deponierten Abfälle durfte die belangte Behörde im vorliegenden Fall die Geldstrafe aber durchaus im Ausmaß des Dreifachen dieser Mindeststrafe festsetzen, zumal sie bei der Strafbemessung zu Recht auch auf den Umstand Bedacht genommen hat, dass aus den unerlaubten Ablagerungen Einnahmen erzielt werden. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt zum Ausdruck gebracht hat, entspricht es dem Gesetz, wenn bei der Strafbemessung wirtschaftliche Vorteile, die aus der verpönten Tätigkeit erzielt werden können, in die Erwägungen einbezogen werden (vgl. das Erkenntnis vom 26. Juni 1997, Zl. 96/09/0058, und die dort angeführte Vorjudikatur).

Soweit sich die Beschwerdeführerin auf die mangelnde Klarheit der Regelung beruft, sind ihr aber die Ausführungen in dem schon erwähnten Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2007/07/0062, entgegen zu halten, wonach eine am Zweck orientierte Auslegung zu einem ganz eindeutigen Ergebnis führt und kein Spielraum für eine Interpretation im Sinne der Auffassung der Beschwerdeführerin bleibt. Im Übrigen ist die Beschwerdeführerin darauf zu verweisen, dass ihr der gegenteilige behördliche Standpunkt zur Auslegung des § 76 Abs. 8 zweiter Satz AWG 2002 - nach den unbekämpften Feststellungen - seit der Besprechung am 20. Juni 2005 bekannt war und sie ihr Verhalten ungeachtet der in der Folge in diesem Sinne auch ergangenen Bescheide nicht einstellte. Vor diesem Hintergrund kann die vorgenommene Strafbemessung nicht für rechtswidrig erachtet werden.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 19. Juli 2007

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Auslegung Diverses VwRallg3/5 Erschwerende und mildernde Umstände

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2007070081.X00

Im RIS seit

03.08.2007
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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