TE Vfgh Erkenntnis 2002/11/29 G181/02

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.11.2002
beobachten
merken

Index

86 Veterinärrecht
86/01 Veterinärrecht allgemein

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs1 / Allg
B-VG Art140 Abs1 / Sachentscheidung Wirkung
StGG Art3
StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung
FleischuntersuchungsG-Nov BGBl I 73/2001 Art2 Abs3
FleischuntersuchungsG §6 Abs3 idF BGBl I 73/2001
FleischuntersuchungsG §51 Abs1a idF BGBl I 73/2001
VfGG §62 Abs1

Leitsatz

Abweisung eines Drittelantrags von Nationalratsabgeordneten aufAufhebung des Verbotes der Bestellung von Amtstierärzten zuFleischuntersuchungstierärzten; kein Verstoß gegen denGleichheitsgrundsatz, das Recht auf Bewerbung um ein öffentliches Amtund die Erwerbsausübungsfreiheit; Zurückweisung des Antrags aufAufhebung weiterer Bestimmungen des FleischuntersuchungsG mangelsDarlegung von Bedenken sowie der Novelle 2001 wegen entschiedenerSache

Spruch

Der Antrag auf Aufhebung des §6 Abs3 erster Satz des Fleischuntersuchungsgesetzes, BGBl. Nr. 522/1982, idF des Art1 Z2 des Bundesgesetzes, mit dem das Fleischuntersuchungsgesetz geändert wird, BGBl. I Nr. 73/2001, wird abgewiesen.

Im übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit ihrem am 13. Mai 2002 beim Verfassungsgerichtshof eingelangten, auf Art140 B-VG gestützten Antrag begehren 64 Mitglieder des Nationalrates,

"-

§6 Abs3 Fleischuntersuchungsgesetz, BGBl. Nr. 522/1982 idF des Art1 Z2 des Bundesgesetzes, mit dem das Fleischuntersuchungsgesetz geändert wird, BGBl. I Nr. 73/2001, und

-

die Wortfolge '§6 Abs3,' in §51 Abs1a Fleischuntersuchungsgesetz, BGBl. Nr. 522/1982 idF des Art1 Z7 des Bundesgesetzes, mit dem das Fleischuntersuchungsgesetz geändert wird, BGBl. I Nr. 73/2001, sowie

-

Art2 des Bundesgesetzes, mit dem das Fleischuntersuchungsgesetz geändert wird, BGBl. I Nr. 73/2001,

in eventu

-

Art2 Abs3 des Bundesgesetzes, mit dem das Fleischuntersuchungsgesetz geändert wird, BGBl. I Nr. 73/2001,

als verfassungswidrig aufzuheben."

2. Zu ihrer Antragslegitimation führen die Antragsteller folgendes aus:

"Die einschreitenden Mitglieder des Nationalrates verkörpern mehr als ein Drittel der Mitglieder des Nationalrates und sind daher gemäß Art140 B-VG und §62 Abs2 VfGG berechtigt, den Antrag zu stellen, Bundesgesetze als verfassungswidrig aufzuheben."

II. a) Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes, mit dem das Fleischuntersuchungsgesetz geändert wird, BGBl. I Nr. 73/2001, haben folgenden Wortlaut:

"Artikel 1

Das Fleischuntersuchungsgesetz, BGBl. Nr. 522/1982, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 66/1998, wird wie folgt geändert:

1. ...

2. §6 Abs3 lautet:

'(3) Amtstierärzte dürfen nicht zu Fleischuntersuchungstierärzten bestellt werden. Ausgenommen von diesem Verbot sind

1.

Fleischuntersuchungstierärzte gemäß §4 Abs3 und

2.

Amtstierärzte, wenn andere, geeignete Tierärzte nicht zur Verfügung stehen und die Bestellung nicht für den Bereich des Amtssprengels des Amtstierarztes erfolgt und der Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen der Bestellung zustimmt.'

              3.              ...

              7.              Nach dem §51 Abs1 wird folgender Abs1a eingefügt:

'(1a) §1 Abs3, §6 Abs3, §16, [...] treten in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 73/2001 mit Ablauf des Tages der Kundmachung in Kraft.'

Artikel 2

(1) Die entgegen der Bestimmung des §6 Abs3 erfolgte Bestellung eines Amtstierarztes zum Fleischuntersuchungstierarzt ist nichtig.

(2) Die Bestellung zum Fleischuntersuchungsarzt erlischt, sobald dieser Tierarzt zum Amtstierarzt bestellt wird.

(3) Die vor dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes erfolgte Bestellung eines Amtstierarztes zum Fleischuntersuchungstierarzt erlischt ein Jahr nach Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes, sofern

1.

die Bestellung zum Fleischuntersuchungstierarzt nicht schon vorher widerrufen wird oder

2.

der Fleischuntersuchungstierarzt nicht schon vorher auf Dauer seine Stellung als Amtstierarzt verliert.

(4) Art2 tritt mit Ablauf des Tages der Kundmachung in Kraft."

Das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 73/2001 wurde am 10. Juli 2001 kundgemacht.

(Anm.: In der Folge wurde mit den Bundesgesetzen BGBl. I Nr. 98/2001 [1. Euro-Umstellungsgesetz - Bund] und BGBl. I Nr. 96/2002 das Fleischuntersuchungsgesetz geändert. Die mit dem vorliegenden Antrag bekämpften Bestimmungen sind davon jedoch nicht berührt.)

b) Der in §6 Abs3 des Fleischuntersuchungsgesetzes (FleischUG) (idF des eben zitierten Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 73/2001) bezogene §4 Abs3 lautete zunächst:

"Der Landeshauptmann hat die Schlachttier- und Fleischuntersuchung solchen Gemeinden zu übertragen, die über mindestens einen in einem Dienstverhältnis zur Gemeinde stehenden Fleischuntersuchungstierarzt verfügen."

Durch Art1 Z2 des Bundesgesetzes, mit dem das Fleischuntersuchungsgesetz und das Tierseuchengesetz (TSG) geändert werden, BGBl. I Nr. 96/2002, erhielt §4 Abs3 FleischUG folgenden neuen Wortlaut:

"Die Schlachttier- und Fleischuntersuchung im Bundesland Wien darf durch Tierärzte wahrgenommen werden, die in einem Dienstverhältnis zur Gemeinde Wien stehen."

III. Die Antragsteller präzisieren ihre Bedenken - nach Darstellung der Rechtslage und ihrer Entwicklung - wie folgt:

"A. Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes entspricht ein Gesetz dann nicht dem Gleichheitssatz, wenn die in Betracht kommende Regelung sachlich nicht gerechtfertigt ist. Jede unsachliche Unterscheidung ist unter dem Blickwinkel des Gleichheitssatzes verfassungswidrig (vgl. z.B. VfSlg. 11.011/1986), demzufolge ist - nach Auffassung der Antragsteller - auch eine unsachliche Gleichbehandlung objektiv 'ungleicher' Sachverhalte verfassungswidrig.

Nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes bindet der Gleichheitsgrundsatz also auch den Gesetzgeber. Die vom Verfassungsgerichtshof dazu entwickelte Prüfungsformel stellt darauf ab, dass der Gleichheitsgrundsatz nur 'sachlich gerechtfertigte' Differenzierungen zulässt. Eine solche sachliche Differenzierung liegt dann vor, wenn sie nach objektiven Unterscheidungsmerkmalen ('aus Unterschieden im Tatsächlichen') erfolgt (z.B. VfSlg. 2.088/1951, 10.492/1985, 13.178/1992; VfGH 26.6.2000, G7/00;

30.11.2000, G110/00). Das bedeutet eine Verpflichtung des Gesetzgebers, an gleiche Tatbestände gleiche Rechtsfolgen zu knüpfen;

umgekehrt müssen wesentliche Unterschiede im Tatsachenbereich zu entsprechenden unterschiedlichen Regelungen führen

(VfSlg. 8.217/1977, 13.558/1993, 14.521/1996; VfGH 8.3.2000, G1/00;

Mayer, Das österreichische Bundes-Verfassungsrecht2 [1997] Anm. III.1 zu Art2 StGG).

Darüber hinaus hat der Gerichtshof in seiner neueren Judikatur ein den Gesetzgeber bindendes allgemeines Sachlichkeitsgebot angenommen (vgl. etwa VfSlg. 13.781/1994, 14.362/ 1995; VfGH 19.6.2000, G16/00). Eine derartige Sachlichkeitsprüfung zielt auf eine Bewertung der Relation des von einer Regelung erfassten Sachverhalts mit der vorgesehenen Rechtsfolge ab; es wird gefragt, ob das Verhältnis von Sachverhalt und Rechtsfolge auf einem 'vernünftigen' Grund beruht (vgl. dazu näher Holoubek, Die Sachlichkeitsprüfung des allgemeinen Gleichheitssatzes, ÖZW 1991, 72; Mayer, Bundes-Verfassungsrecht, Anm. IV.1. zu Art2 StGG; Öhlinger, Verfassungsrecht4 (1999) Rz 765 ff.; Korinek, Gedanken zur Bindung des Gesetzgebers an den Gleichheitssatz nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes, FS Melichar [1983] 39; Bernegger, Der (allgemeine) Gleichheitsgrundsatz (Art7 B-VG, Art2 StGG) und das Diskriminierungsgebot gemäß Art14 EMRK, in: Machacek/Pahr/Stadler (Hrsg.), Grund- und Menschenrechte in Österreich III (1997) 731 ff.). Im Rahmen des Sachlichkeitsgebotes ist eine gesetzliche Maßnahme dann zulässig, wenn die Ziele der Norm im öffentlichen Interesse gelegen sind, die Norm geeignet ist, diese Ziele zu erreichen, sie erforderlich und darüber hinaus adäquat ist (VfSlg. 12.492/1990). Die Eignung einer Regelung zur Zielerreichung im Sinne dieser Judikatur ist zu bejahen, wenn die Maßnahme zur Zielerreichung nicht absolut untauglich ist.

Die Antragsteller räumen ein, daß dem einfachen Gesetzgeber eine - freilich nicht unbegrenzte - rechtspolitische Gestaltungsfreiheit zukommt. Rechtspolitische Erwägungen des Gesetzgebers unterliegen - außer, wie hier, im Falle eines Exzesses - nicht der Kontrolle durch den VfGH und sind insoweit auch nicht mit den aus dem Gleichheitsgebot ableitbaren Maßstäben zu messen. Zur Frage, wann ein Exzedieren des Gesetzgebers vorliegt, hat der VfGH am Beispiel einer in rechtspolitischen Erwägungen gegründeten abgabenrechtlichen Differenzierung der verschiedenen Einkunftsarten im Erk. VfSlg. 6.533/1971 ausgeführt, daß ein Exzeß zB dann gegeben wäre, wenn durch die differenzierende Vorschrift ein anderes Grundrecht, etwa die Freiheit der Erwerbsausübung, im Wesen geschmälert würde (VfSlg. 9.583/1982). Ein Exzeß liegt demzufolge nach Auffassung der Antragsteller auch dann vor, wenn durch eine undifferenzierte Gleichbehandlung ein anderes Grundrecht in seinem Wesen geschmälert wird, wie das bei den angefochtenen Bestimmungen der Fall ist.

2. Die angefochtenen Bestimmungen wurden vom Gesetzgeber damit begründet, dass sich im Hinblick auf die Kontrollbefugnisse der Amtstierärzte die bisherige Regelung (die verpflichtende Übertragung der Kontrollbefugnisse) in der Praxis als nicht ausreichend erwiesen habe, Interessenskonflikte, die zu Zweifel an der Unparteilichkeit von Behördenorganen führen können, auszuschließen.

Die Antragsteller anerkennen die Notwendigkeit einer funktionierenden und vertrauenerweckenden Fleischuntersuchung. Dem Argument des Gesetzgebers, die bisherige Regelung habe sich in der Praxis als nicht ausreichend erwiesen, halten die Antragsteller entgegen, daß eine Eigenkontrolle auch schon nach der bisherigen Regelung nicht stattfand und 'Interessenskonflikte' aufgrund der Vorschrift des §7 AVG und §47 BDG (bzw. gleichlautender Bestimmungen in den Dienstpragmatiken der Länder) ebenfalls ausgeschlossen sind. Die Formulierung 'Zur Verhinderung von Interessenskonflikten, ...'

unterstellt ohne jede Substantiierung eine Neigung der betroffenen Amtstierärzte zu rechtswidrigem Verhalten, bzw. unterstellt das Argument, die bisherige Regelung habe sich in der Praxis als nicht ausreichend erwiesen, ohne jede Begründung ein tatsächliches rechtswidriges Verhalten in der Vergangenheit.

Die einleitenden Ausführungen in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage lassen erkennen, daß die gegenständliche Novelle aufgrund der BSE-Krise in Europa erfolgte. Der Gesetzgeber bleibt aber jede Antwort auf die Frage schuldig, in welchem Zusammenhang die Amtstierärzte bzw. die Fleischuntersuchungstierärzte in Österreich mit der Verbreitung dieser Seuche in Europa stehen sollen. Die Antragsteller weisen darauf hin, daß es in Österreich eine 'BSE-Krise' nicht gibt und auch nicht gab. In diesem Zusammenhang sind die Antragsteller der Auffassung, daß der generelle Ausschluß der Amtstierärzte von der Schlachttier- und Fleischuntersuchung kein geeignetes Mittel darstellt, Tierseuchen zu bekämpfen bzw. hintanzuhalten. Es ist vielmehr kontraproduktiv, auf dem Gebiet des Veterinärwesens besonders geschulte Organe mit langjähriger Berufserfahrung von solchen Untersuchungen auszuschließen.

Die neue Regelung (§6 Abs3 FleischUG in der angefochtenen Fassung) ist - nach Auffassung der Antragsteller - deswegen unsachlich, weil alle Amtstierärzte davon betroffen sind, auch solche, die keine Kontrollbefugnisse gem. §16 FleischUG und auch keine Revisionszuständigkeit gem. §28 Abs4 FleischUG haben. Ein Verbot ist nämlich nur insoweit gerechtfertigt, als sonst von ein und derselben Person die Schlachttier- und Fleischuntersuchung und die Revision des Beschauurteils gemäß §28 Abs4 FleischUG durchgeführt würde. Demgegenüber wird aber innerhalb der 'Personengruppe' der Amtstierärzte hinsichtlich des Verbots der Bestellung zum Fleischuntersuchungstierarzt nicht danach unterschieden, ob ein Amtstierarzt etwa überhaupt im Vollzugsbereich der Schlachttier- und Fleischuntersuchung tätig ist (und damit allenfalls, was aber dahingestellt bleiben kann, eine sachliche Rechtfertigung dafür bietet, daß ihm die Bestellung zum Fleischuntersuchungstierarzt verwehrt bleibt) oder ob das nicht der Fall ist (und daher keinesfalls eine sachliche Rechtfertigung ersichtlich ist).

Das betrifft zB Amtstierärzte, die in einer Zentralstelle tätig sind, oder hauptberuflich mit Dienstvertrag angestellte Grenztierärzte. Auch diese dürfen nicht zum Fleischuntersuchungstierarzt bestellt werden, obwohl weder die einen noch die anderen in irgendeinem Sprengel Kontrollbefugnisse nach §16 bzw. eine Revisionszuständigkeit nach §28 Abs4 FleischUG haben.

Diese Regelung ist daher im Sinne der oben angeführten Judikatur sachlich nicht gerechtfertigt bzw. exzessiv, weil ein Zweifel an der Unparteilichkeit eines Amtstierarztes, der nicht im Vollzugsbereich 'Fleischuntersuchung' tätig ist, nicht besteht, und auch eine Eigenkontrolle gar nicht stattfinden kann. Zugleich greifen die angefochtenen Bestimmungen auch in andere Grundrechte ein, nämlich in das der gleichen Zugänglichkeit zu öffentlichen Ämtern und in das der Freiheit der Erwerbsausübung (siehe dazu die jeweils gesonderten Ausführungen unter B. und C.).

3. Ein generelles Verbot der Bestellung eines Amtstierarztes zum Fleischuntersuchungstierarzt auch hinsichtlich jener Amtstierärzte, die tatsächlich im Vollzugsbereich der Schlachttier- und Fleischuntersuchung tätig sind, ist weiters inadäquat und daher nicht mit dem aus dem Gleichheitsgrundsatz abzuleitenden Sachlichkeitsgebot vereinbar. Es wäre nämlich zur Herbeiführung der angestrebten Wirkung eine weit weniger drastische Gesetzesänderung ausreichend gewesen: Der Gesetzgeber geht zu Recht davon aus, daß Personen, denen Kontrollbefugnisse nach dem FleischUG zukommen, nicht gleichzeitig zum Fleischuntersuchungstierarzt bestellt werden sollen. Um dies zu erreichen, wäre eine Regelung ausreichend gewesen wonach Amtstierärzte, die zu Kontrollen gemäß §16 und §28 Abs4 FleischUG berufen sind, innerhalb ihres Amtssprengels nicht zu Fleischuntersuchungstierärzten bestellt werden dürfen. Dies wäre ein geringerer Eingriff in bestehende Rechte gewesen, gleichzeitig wäre damit aber gewährleistet, daß sie in dieser Funktion nicht mehr von relativ eng mit ihnen zusammenarbeitenden Kollegen kontrolliert werden, sondern eben von den Kollegen des jeweils anderen Sprengels.

Die Antragsteller weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, daß der Verein der Amtstierärzte Steiermark bereits 1993 einen Beschluß gefasst hat, wonach Amtstierärzte in ihrem Amtssprengel (Verwaltungsbezirk), in welchem sie Kontrollfunktionen gemäß §16 FleischUG wahrzunehmen haben, nicht die Schlachttier- und Fleischuntersuchung durchführen dürfen (...).

4. Auch ein Vergleich mit freiberuflich tätigen, niedergelassenen Tierärzten, die zu Fleischuntersuchungstierärzten bestellt werden, macht die Unsachlichkeit des generellen Verbotes der Bestellung von Amtstierärzten zu Fleischuntersuchungstierärzten deutlich: Es ist nämlich nicht einzusehen, warum in bezug auf die Schlachttier- und Fleischuntersuchung bei Amtstierärzten vom Gesetzgeber ein genereller Interessenskonflikt angenommen, eine mögliche Befangenheit bei jenen Tierärzten, die Viehbestände betreuen und gleichzeitig Tiere ihrer Betreuungsbetriebe der Schlachttier- und Fleischuntersuchung unterziehen, hingegen offenbar für unmöglich gehalten wird.

5. Ebenfalls nicht vereinbar mit dem aus dem Gleichheitsgrundsatz abzuleitenden Sachlichkeitsgebot bzw. dem Vertrauensschutz ist die mit Art2 Abs3 des Bundesgesetzes, BGBl. I Nr. 73/2001 gesetzlich angeordnete 'Aufhebung' bereits bestehender Bestellungen zum Fleischuntersuchungstierarzt spätestens mit Ablauf des 11. Juli 2002 bzw. mit der Bestellung zum Amtstierarzt.

Zum Zeitpunkt der Gesetzwerdung der gegenständlichen Änderung waren zahlreiche Amtstierärzte zum Fleischuntersuchungstierarzt rechtskräftig bestellt. Diese konnten von ihrem Recht auf Verbleib als Fleischuntersuchungstierarzt im vorgegebenen gesetzlichen Rahmen ausgehen. Sie konnten ihre Lebensplanung, insbesondere ihre finanzielle Vorschau und Gebarung, nach den Bestimmungen, die vor der gegenständlichen Gesetzesänderung galten, ausrichten und davon ausgehen, weiterhin Entgelte aus der Fleischuntersuchung zu erzielen, sofern sich nicht ein im FleischUG aufgezählter Widerrufsgrund verwirklicht.

Das subjektive Recht aus der Bestellung zum Fleischuntersuchungstierarzt umfaßt unter anderem das Recht auf Widerruf der Bestellung nur bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen (§6 Abs4 und Abs5 FleischUG; VwSlg. 14.613 A/1997). Art2 des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 73/2001 bewirkt eine gesetzlich angeordnete, generelle Rechtskraftdurchbrechung materiell rechtskräftiger Bestellungsbescheide und damit eine direkte Betroffenheit der derzeit zu Fleischuntersuchungstierärzten bestellten Amtstierärzte. Auch diese Bestimmung differenziert nicht innerhalb der betroffenen Personengruppe.

Die materielle Rechtskraft der Bestellungsbescheide hindert den Gesetzgeber zwar nicht prinzipiell daran, in die daraus erwachsenden Rechte einzugreifen. Der Verfassungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung dargetan, daß keine Verfassungsvorschrift den Schutz wohlerworbener Rechte gewährleistet, sodaß es im Prinzip in den rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers fällt, eine einmal geschaffene Rechtsposition auch zu Lasten des Betroffenen zu verändern. In dieser Rechtsprechung kommt aber auch zum Ausdruck, daß die Aufhebung oder Abänderung von Rechten, die der Gesetzgeber zunächst eingeräumt hat, sachlich begründbar sein muß; ohne eine solche Rechtfertigung würde der Eingriff dem verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz widersprechen (VfSlg. 11.665/1988).

Im Sinne der vom Verfassungsgerichtshof entwickelten Judikatur ist ein solcher Eingriff hinsichtlich Intensität und Kurzfristigkeit sorgfältig abzuwägen. Ein Eingriff in bestehende Rechtspositionen ist nur zulässig, wenn er geringfügig und langfristig absehbar erfolgt, sowie von sachlichen Erwägungen getragen ist. Der Verfassungsgerichtshof stellt in seiner Judikatur weiters klar, daß auch nur pro futuro wirkende Eingriffe in bestehende Rechtspositionen verfassungswidrig sind, sofern es sich dabei um schwerwiegende und plötzliche Eingriffe in Rechtspositionen, auf deren Bestand die Betroffenen vertrauen durften, handelt (VfSlg. 11.309/1987).

Nicht jedes öffentliche Interesse vermag dabei jeden beliebigen Eingriff in bestehende Rechtspositionen zu rechtfertigen. Auch Eingriffe, die an sich sachlich gerechtfertigt sind, können nicht die Minderung bestehender Rechte jedweder Art und jedweder Intensität sachlich begründen (VfSlg. 11.309/1987, 11.665/1988). Der Gesetzgeber ist selbst bei der Verfolgung legitimer öffentlicher Interessen an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebunden, also verpflichtet, eine Abwägung vorzunehmen zwischen dem Ausmaß des Eingriffs in bestehende Rechtspositionen und dem Gewicht der öffentlichen Interessen, die die Einschränkung erzwingen.

Im Rahmen einer solchen Verhältnismäßigkeitsprüfung ist nach der Judikatur etwa zu beachten, daß der Gesetzgeber nicht plötzlich und intensiv in erworbene Rechtspositionen eingreifen darf (VfSlg. 15.269/1998). Eine Regelung ist dann verfassungswidrig, wenn sie einen schwerwiegenden und plötzlich eintretenden Eingriff in erworbene Rechtspositionen vornimmt, auf deren Bestand die Rechtsunterworfenen berechtigterweise vertrauen durften (VfGH 27.09.2000, G59/00 ua.).

Die Antragsteller schließen sich der Ansicht an, daß keine Verfassungsvorschrift den Schutz 'wohlerworbener Rechte' gewährleistet. Nach weiterer Auffassung der Antragsteller ist es darüber hinaus unerheblich, ob es sich bei den aus der Bestellung zum Fleischuntersuchungstierarzt entstehenden Rechten um 'wohlerworbene' solche handelt, jedenfalls handelt es sich dabei um subjektive Rechte (VwSlg. 14.613 A/1997).

Ein gesetzlicher Eingriff in diese Rechte ist nach Auffassung der Antragsteller und nach der ständigen Judikatur des VfGH nicht automatisch verfassungswidrig. Der durch die gegenständliche Novellierung vorgenommene Eingriff ist aber schwerwiegend, weil dadurch die betroffenen Amtstierärzte einen beträchtlichen Teil ihres Einkommens verlieren und ihnen auch keine Alternativen, dies zu kompensieren, offenstehen. Den betroffenen Amtstierärzten wird damit eine wichtige Grundlage ihrer wirtschaftlichen Existenz entzogen. Der Eingriff ist auch plötzlich:

Da der Einkommensentfall von den meisten Betroffenen nicht kurzfristig kompensiert werden kann, bedarf es der Umstellung der gesamten Lebensplanung, und dafür ist ein einziges Jahr bei weitem nicht ausreichend.

Der Eingriff ist dazu noch unsachlich, die Antragsteller verweisen zu diesem Punkt auf die obenstehenden Ausführungen. Ein öffentliches Interesse von einer solchen Bedeutung, die die Intensität des Eingriffes rechtfertigen würde, besteht nach Auffassung der Antragsteller nicht, denn die Fleischuntersuchung hat bislang klaglos funktioniert. Auch die 'BSE-Krise' hat Österreich in Wahrheit nicht einmal tangiert, eben weil die Schlachttier- und Fleischuntersuchung schon seit vielen Jahren lückenlos und zur Zufriedenheit der Konsumenten durchgeführt wird.

Die Antragsteller verneinen also ein bestehendes öffentliches Interesse an der Undifferenziertheit der angefochtenen Bestimmungen.

Der Eingriff in die den bestellten Amtstierärzten bescheidmäßig zuerkannten Rechte durch Art2 des Bundesgesetzes, mit dem das Fleischuntersuchungsgesetz geändert wird, BGBl. I Nr. 73/2001, ist - wie sich aus diesen Ausführungen ergibt - aufgrund seiner Intensität und seiner Plötzlichkeit, aufgrund seines exzessiven Charakters, aufgrund der Undifferenziertheit, sowie mangels eines ausreichenden öffentlichen Interesses sachlich nicht gerechtfertigt und daher verfassungswidrig.

B. Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip

1. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner ständigen Rechtsprechung dargetan hat, ist die österreichische Rechtsordnung vom Prinzip der Rechtsstaatlichkeit beherrscht (vgl. z.B. VfSlg. 14.374/1995 und die dort zitierte Vorjudikatur). Zu diesem Prinzip gehört insbesondere das System des Rechtsschutzes, das von dem der Rechtskraft nicht zu trennen ist.

Bereits in VfS1g. 4273/1962 hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, daß der Gesetzgeber zwar grundsätzlich berechtigt ist, Durchbrechungen der Rechtskraft vorzusehen, doch hat er dies unter die Einschränkung gestellt, daß dies nur insofern gerechtfertigt ist, als solche Bestimmungen das öffentliche Interesse an der Gesetzmäßigkeit der Vollziehung zum Ausdruck bringen. Diese Rechtssprechung hat er in VfSlg. 4986/1965 fortgesetzt und erkennen lassen, daß jedenfalls Regelungen, die die materielle Rechtskraft zur Gänze und undifferenziert durchbrechen, mit dem Rechtsstaatsprinzip nicht vereinbar sind.

Nach Auffassung der Antragsteller ist eine solche gänzliche Durchbrechung der Rechtskraft mit dem Rechtsstaatsprinzip nur dann vereinbar, wenn sie durch das öffentliche Interesse geboten und auch sonst sachlich zu rechtfertigen ist.

2. Nach Auffassung der Antragsteller verstößt Art2 Abs3 des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 73/2001 gegen das Rechtsstaatsprinzip. Nach dieser Bestimmung erlöschen vor dem Inkrafttreten des genannten Bundesgesetzes erfolgte Bestellungen von Amtstierärzten zum Fleischuntersuchungstierarzt ex lege mit Ablauf eines Jahres nach Inkrafttreten des genannten Bundesgesetzes. Dies bedeutet, daß diese Bestimmung die Rechtskraft der Bescheide, mit denen Amtstierärzte zu Fleischuntersuchungstierärzten bestellt wurden, zur Gänze durchbricht.

Wie vorhin unter A.5. dargelegt wurde, existiert keinerlei öffentliches Interesse an einer derartigen generellen Beseitigung der Rechtskraft der Bescheide, mit denen Amtstierärzte zu Fleischuntersuchungstierärzten bestellt wurden. Die genannte Bestimmung verstößt daher auch gegen das Rechtsstaatsprinzip.

C. Verstoß gegen das Recht auf gleiche Zugänglichkeit der öffentlichen Ämter

Öffentliche Ämter iS des Art3 StGG sind jene bei den Gebietskörperschaften sowie sonstigen juristischen Personen öffentlichen Rechts eingerichteten Organe, deren Inhaber durch einen öffentlich-rechtlichen Akt bestellt werden und hoheitliche Aufgaben besorgen (Öhlinger, Verfassungsrecht4 (1999) Rz 804; VfSlg. 7.593/1975, 14.299/1995).

Fleischuntersuchungstierärzte sind der Behörde 'Landeshauptmann' zuzurechnen. Ihre Bestellung erfolgt durch einen öffentlich-rechtlichen Akt (Bescheid). Die Schlachttier- und Fleischuntersuchung ist iS der Rechtsprechung des VwGH (VwSlg. 10963 A/1983) eine hoheitliche Aufgabe. Die Fleischuntersuchungstierärzte sind mit - wenn auch geringfügiger - Hoheitsgewalt ausgestattet (siehe zB §26 FleischUG). Aus dem folgt, daß es sich bei der Stellung als Fleischuntersuchungstierarzt um ein öffentliches Amt iS des Art3 StGG handelt.

Art 3 StGG gewährleistet allen Staatsbürgern ein subjektives Recht auf gleiche Ämterzugänglichkeit. Durch die angefochtenen Bestimmungen wird dieses Recht in seinem Wesen geschmälert. Es kann dahingestellt bleiben, ob es sachlich gerechtfertigt erscheint, die Bestellung von Amtstierärzten, die im Vollzugsbereich 'Fleischuntersuchung' tätig sind, zu Fleischuntersuchungstierärzten gesetzlich zu untersagen. Denn vom Wortlaut der angefochtenen Bestimmungen sind alle Amtstierärzte umfasst, daher auch jene, für die eine solche allfällige sachliche Rechtfertigung zweifelsfrei nicht zutrifft.

Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf gleiche Zugänglichkeit der öffentlichen Ämter ist (nur) in jenen Fällen gegeben, in denen einer Person die Bewerbung um ein öffentliches Amt verweigert wird (VfSlg. 13.060/1992). Das Verbot der Bestellung von Amtstierärzten zu Fleischuntersuchungstierärzten stellt - nach Auffassung der Antragsteller - zweifellos eine objektive, von den betroffenen Personen nicht aus eigener Kraft zu überwindende Hürde (iS der Rechtsprechung des VfGH zur Freiheit der Erwerbstätigkeit) dar, die einer Verweigerung der Bewerbung um ein solches Amt entspricht.

Aus diesen Ausführungen ergibt sich, daß §6 Abs3 FleischUG idF BGBl. I Nr. 73/2001 gegen das Recht auf gleiche Ämterzugänglichkeit verstößt und daher schon aus diesem Grund verfassungswidrig ist.

D. Verstoß gegen die Freiheit der Erwerbsausübung

1.a) Gegenstand der Erwerbsfreiheit ist jede Tätigkeit, die auf wirtschaftlichen Erfolg gerichtet ist, also jede Art, Vermögen zu erwerben, nicht nur eine gewerbliche Tätigkeit iS der Gewerbeordnung (VfSlg. 3.092/1956). Gleichgültig ist, ob die Erwerbstätigkeit selbständig oder unselbständig ausgeübt wird. Auch Beamte genießen den Schutz dieses Rechtes (VfSlg. 7.798/1976). In den Schutzbereich des Art6 StGG fallen der Antritt einer Erwerbsbetätigung und deren Ausübung (Öhlinger, Verfassungsrecht4 (1999) Rz 886).

Wie oben unter II.A. bereits dargestellt, gebührt Fleischuntersuchungstierärzten für ihre Tätigkeit ein - landesgesetzlich geregeltes - Entgelt. Dieses Entgelt bildet für den Organwalter einen über eine bloße Aufwandsentschädigung hinausgehenden wesentlichen Einkommensbestandteil, dessen Entfall für den Organwalter von so gravierender Bedeutung ist, daß der Verlust des Amtes einen Eingriff in die Rechtssphäre des Amtsinhabers bedeutet (VfSlg. 12.331/1990).

Aus dem Umstand, daß der Gesetzeswortlaut des Art6 StGG nicht weiter unterscheidet, leitete der Verfassungsgerichtshof ab, daß auch Beamte den Schutz des Art6 StGG genießen

(VfSlg. 7.798/1976). Die Antragsteller sind der Auffassung, daß auch sonstige Inhaber öffentlicher Ämter den Schutz des Art6 StGG genießen und daher - da es sich bei der Tätigkeit als Fleischuntersuchungstierarzt um ein öffentliches Amt handelt (siehe oben unter III.B) - auch die Erwerbstätigkeit als Fleischuntersuchungstierarzt vom Schutzzweck des Art6 StGG umfasst ist.

b) Der Gesetzgeber ist nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 3968/1961, 4011/1961, 5871/1968) dem Art6 StGG zufolge ermächtigt, die Ausübung der Berufe dergestalt zu regeln, daß sie unter gewissen Voraussetzungen erlaubt oder unter gewissen Umständen verboten sind (also auch den Erwerbsantritt behindernde Vorschriften zu erlassen), sofern er dabei den Wesensgehalt des Grundrechtes nicht verletzt und die Regelung auch sonst nicht verfassungswidrig ist.

Zur Bindung des Gesetzgebers an dieses Grundrecht geht der VfGH weiters in mittlerweile gefestigter Rechtsprechung davon aus, daß Beschränkungen der Erwerbsausübungsfreiheit nur zulässig sind, wenn sie durch ein öffentliches Interesse geboten, zur Zielerreichung geeignet, adäquat und auch sonst sachlich zu rechtfertigen sind (VfSlg. 13.704/1994, ua.).

Dem einfachen Gesetzgeber ist bei der Entscheidung, welche Ziele er mit seinen Regelungen verfolgt, innerhalb der Schranken der Verfassung ein weiter rechtspolitischer Gestaltungsspielraum eingeräumt. Der Verfassungsgerichtshof hat nicht zu beurteilen, ob die Verfolgung eines bestimmten Zieles etwa aus wirtschaftspolitischen oder sozialpolitischen Gründen zweckmäßig ist. Er kann dem Gesetzgeber nur entgegentreten, wenn dieser Ziele verfolgt, die keinesfalls als im öffentlichen Interesse liegend anzusehen sind. Errichtet das Gesetz eine Schranke schon für den Antritt eines Gewerbes, die der Betroffene, der alle subjektiven Voraussetzungen erfüllt, aus eigener Kraft nicht überwinden kann - eine Schranke, wie sie etwa eine Bedarfsprüfung darstellt -, so liegt grundsätzlich ein schwerer Eingriff in die verfassungsgesetzlich gewährleistete Erwerbsausübungsfreiheit vor, der nur angemessen ist, wenn dafür besonders wichtige öffentliche Interessen sprechen und wenn keine Alternativen bestehen, um den erstrebten Zweck in einer gleich wirksamen, aber die Grundrechte weniger einschränkenden Weise zu erreichen (VfSlg. 12.009/1989).

2. Die angefochtenen Bestimmungen greifen schwerwiegend in die Freiheit der Erwerbstätigkeit ein, indem sie Personen, die zweifellos die sonstigen subjektiven Voraussetzungen zur Bestellung zum Fleischuntersuchungstierarzt erfüllen, nämlich in Österreich zur Berufsausübung berechtigten Tierärzten, die Aufnahme (und auch die Fortsetzung) der Erwerbstätigkeit 'Fleischuntersuchungstierarzt' unmöglich machen.

Die Antragsteller anerkennen - wie bereits erwähnt - das öffentliche Interesse, bzw. vor allem das Interesse der Konsumenten an einer funktionierenden und lückenlosen Schlachttier- und Fleischuntersuchung. Weiters bestreiten die Antragsteller nicht, daß die gegenständliche Gesetzesänderung zur Zielerreichung geeignet ist.

Nach Auffassung der Antragsteller ist aber - wie oben bereits ausgeführt - das öffentliche Interesse in diesem Zusammenhang nicht von einer derartigen Bedeutung, daß es einen solchen massiven Eingriff in das Grundrecht der freien Erwerbsbetätigung rechtfertigen würde.

Zudem stellt der Ausschluß aller Amtstierärzte im gesamten Bundesgebiet eine exzessive und damit unsachliche Maßnahme dar. In dem Zusammenhang sei auf die Ausführungen unter III.A verwiesen. Nach Auffassung der Antragsteller wäre nämlich eine Regelung, wonach Amtstierärzte in ihrem Amtssprengel nicht die Schlachttier- und Fleischuntersuchung durchführen dürfen, völlig ausreichend gewesen, das vom Gesetzgeber angestrebte Ziel zu erreichen und hätte einen weit geringeren Eingriff in die Freiheit der Erwerbstätigkeit bewirkt, wäre also ein 'gelinderes' Mittel gewesen.

Diese überschießende Unsachlichkeit betrifft sowohl (und ganz besonders) Amtstierärzte, die gar keine Kontrollbefugnisse gem. §16 FleischUG und keine Revisionszuständigkeit gem. §28 Abs4 leg.cit. haben, weil nicht einzusehen ist, wie es hier zu einem Zweifel an der behördlichen Objektivität kommen soll, als auch jene Amtstierärzte, denen solche Befugnisse aufgrund ihrer behördlichen Tätigkeit sehr wohl zukommen, letztere nämlich hinsichtlich des Gebietes außerhalb ihres Amtssprengels (Verwaltungsbezirkes), denn dort haben sie genauso wenig behördliche Befugnisse wie jeder niedergelassene Tierarzt.

Die Antragsteller sind also insgesamt der Auffassung, daß die getroffenen Maßnahmen weit überschießend, also exzessiv und damit inadäquat und auch sonst in dieser Schärfe sachlich nicht zu rechtfertigen sind, weil ohne Differenzierung alle Amtstierärzte betroffen sind, Ziel der Regelung aber nur war, sicherzustellen, daß an der Unparteilichkeit von Behördenorganen kein Zweifel besteht. Die angefochtenen Bestimmungen - die auch von einem öffenlichen Interesse nicht ausreichend getragen werden - verstoßen also gegen Art6 StGG und sind daher auch aus diesem Grund verfassungswidrig."

IV. Die Bundesregierung hat am 2. Juli 2002 eine Äußerung erstattet.

Darin begehrt sie hinsichtlich des Antrages auf Aufhebung des Art2 des Bundesgesetzes, mit dem das Fleischuntersuchungsgesetz geändert wird, BGBl. I Nr. 73/2001, mit folgender Begründung die Zurückweisung:

"Ein Gesetzesprüfungsantrag hat die gegen die Verfassungsmäßigkeit der angefochtenen Norm sprechenden Gründe im Einzelnen darzulegen, weil sich der Verfassungsgerichtshof nach seiner ständigen Rechtsprechung in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 B-VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Bedenken zu beschränken hat (vgl. Hiesel, Die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zur Zulässigkeit gerichtlicher Verordnungs- und Gesetzesprüfungsanträge, ÖJZ 1997, 841 [844], mwH).

Die Antragsteller beantragen u.a. die Aufhebung des Art2 des Bundesgesetzes, mit dem das Fleischuntersuchungsgesetz geändert wird, BGBl. I Nr. 73/2001. Der Antragsschriftsatz enthält jedoch keine Ausführungen zu jenen Gründen, die gegen die Verfassungsmäßigkeit von Art2 Abs1 und Abs2 leg.cit. sprechen, sondern enthält nur Ausführungen zur Verfassungswidrigkeit von Art2 Abs3 leg.cit. (...). Das Fehlen der durch §62 Abs1 erster Satz VfGG geforderten Darlegung der gegen die Verfassungsmäßigkeit des bekämpften Gesetzes sprechenden verfassungsrechtlichen Bedenken ist aber kein behebbares Formgebrechen, sondern ein Prozesshindernis (vgl. VfSlg. 10.577/1985, 11.610/1988, 12.564/1990); das Nichtdarlegen von Bedenken gegen einzelne der aufzuhebenden Bestimmungen bildet - nach gefestigter Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes - einen zur sofortigen Zurückweisung des Antrages führenden Mangel (vgl. zB VfSlg. 7593/1975, 8863/1980; VfGH 25.02.1988 G221/87, 28.11.1988 G110-116/88).

Der Antrag auf Aufhebung von Art2 des Bundesgesetzes, mit dem das Fleischuntersuchungsgesetz geändert wird, BGBl. I Nr. 73/2001, ist daher zurückzuweisen."

In der Sache nimmt die Bundesregierung wie folgt Stellung:

"...

A. Zum behaupteten Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichheit aller

Staatsbürger vor dem Gesetz

1. Zu §6 Abs3 des Fleischuntersuchungsgesetzes in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 73/2001

Das Gleichheitsgebot (Art7 B-VG) verbietet es dem Gesetzgeber, Differenzierungen zu schaffen, die sachlich nicht begründbar sind (vgl. schon VfSlg. 4916/1965). Dem Gesetzgeber steht aber - freilich nicht unbegrenzt - rechtspolitische Gestaltungsfreiheit zu (vgl. z.B. VfSlg. 6401/1971, 6621/1971 und 7359/1974). Diese Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers besteht sowohl in Ansehung der angestrebten Ziele als auch bezüglich der Auswahl der zur Zielerreichung einzusetzenden Mittel. Grundsätzlich steht es dem Gesetzgeber frei zu entscheiden, welche Instrumente er - unter Berücksichtigung allfälliger erwünschter oder in Kauf genommener Nebenwirkungen - in der jeweils gegebenen Situation zur Zielerreichung geeignet erachtet und welches unter mehreren möglichen Mitteln er auswählt und einsetzt. Der Verfassungsgerichtshof kann dem Gesetzgeber nur dann entgegentreten, wenn er bei der Bestimmung der einzusetzenden Mittel die ihm von der Verfassung gesetzten Schranken überschreitet. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn er das sich aus dem Gleichheitsgebot ergebende Sachlichkeitsgebot verletzt, wenn er also beispielsweise zur Zielerreichung völlig ungeeignete Mittel vorsieht oder wenn die vorgesehenen, an sich geeigneten Mittel zu einer sachlich nicht begründbaren Differenzierung führen (VfSlg. 8457/1978).

Im Gegensatz zur Ansicht der Antragstellers erweist sich §6 Abs3 des Fleischuntersuchungsgesetzes jedoch nicht als verfassungswidrig:

Zum öffentlichen Interesse an der Regelung

Zum rechtspolitischen Hintergrund zur Novelle BGBl. I Nr. 73/2001 ist zunächst auszuführen, dass die sog. BSE-Krise eine Novelle des Fleischuntersuchungsgesetzes erforderlich machte, im Zuge derer auch die nunmehr bekämpften Bestimmungen eingefügt wurden. Die Regelungen des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 73/2001 sollen - unter anderem - zur wirksamen Überwachung der umfangreichen BSE-Untersuchungen von Schlachtrindern im Zuge der Fleischuntersuchung und somit zur Verhinderung der Seuchenverbreitung in Österreich beitragen.

Als unzutreffend erweisen sich daher die Ausführungen der Antragsteller, wonach es in Österreich eine BSE-Krise nicht gibt und auch nicht gegeben habe. Richtig ist vielmehr, dass eine solche Krise europaweit besteht und es in Österreich nur auf Grund drastischer Sperr- und Kontrollmaßnahmen bislang gelungen ist, weitgehend davon verschont zu bleiben.

Amtstierärzte haben Kontrollfunktionen gegenüber den Fleischuntersuchungstierärzten. Der bisherige §6 Abs3, wonach Amtstierärzte nur dann im Bereich ihres

Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten