TE Vwgh Erkenntnis 2007/8/22 2005/01/0067

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Veröffentlicht am 22.08.2007
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
24/01 Strafgesetzbuch;
25/01 Strafprozess;
41/02 Staatsbürgerschaft;

Norm

B-VG Art130 Abs2;
StbG 1985 §10 Abs1 Z6;
StbG 1985 §11;
StGB §107;
StGB §83 Abs1;
StGB §83;
StPO 1975 §90g;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Mag. Nedwed und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerde des A B in L, vertreten durch Mag. Ulrich Bernhard, Rechtsanwalt in 6900 Bregenz, Deuringstraße 9, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 2. Dezember 2004, Zl. Ia 370-655/2003, betreffend Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers vom 17. Juni 2003 auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß §§ 10, 11a, 12, 13 und 14 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG) ab.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der 1986 in B geborene Beschwerdeführer - ein türkischer Staatsangehöriger - habe seit seiner Geburt ununterbrochen den Hauptwohnsitz in Österreich. Er habe die Pflichtschule in Österreich besucht; seit 10. September 2002 sei er bei einem näher bezeichneten Unternehmen als Bäckerlehrling beschäftigt.

Der Beschwerdeführer sei am 7. Mai 2001 wegen des Verdachtes der Vergehen nach den §§ 107 und 83 StGB angezeigt worden. Dieser Anzeige sei zu Grunde gelegen, dass der Beschwerdeführer am 31. März 2001 im Zuge von gegenseitigen Tätlichkeiten eine näher bezeichnete Person zumindest in den "Schwitzkasten" genommen habe. Durch eine solche Handlung werde körperliche Gewalt gegen eine Person ausgeübt und in Kauf genommen, dass die körperliche Unversehrtheit bzw. Freiheit eines anderen eingeschränkt werde. Das Verfahren sei am 1. August 2001 gemäß § 90g StPO (Durchführung eines außergerichtlichen Tatausgleiches - Diversion) eingestellt worden.

Mit Urteil des Bezirksgerichtes B vom 4. Dezember 2003 sei über den Beschwerdeführer wegen des Vergehens nach § 83 Abs. 1 StGB eine Geldstrafe in Höhe von 60 Tagessätzen (im Uneinbringlichkeitsfalle eine Ersatzfreiheitsstrafe von 30 Tagen) verhängt worden. Dieser strafgerichtlichen Verurteilung sei zu Grunde gelegen, dass der Beschwerdeführer zusammen mit C M am 9. Mai 2003 in L den M A durch Fußtritte gegen den Körper, welche eine Nasenprellung, Nasenbeinfraktur und mehrfache Hautabschürfungen zur Folge gehabt hätten, vorsätzlich am Körper verletzt habe.

Bei seiner niederschriftlichen Einvernahme durch die Bezirkshauptmannschaft Bregenz am 10. September 2003 habe der Beschwerdeführer unter anderem Folgendes angegeben:

"Ich hatte im Jahr 2001 eine Anzeige wegen Körperverletzung. Ich habe damals einen österreichischen Staatsbürger (Rene) geschlagen. Wohin ich ihn genau geschlagen habe, kann ich mich nicht mehr erinnern - wir haben uns gegenseitig geschlagen. Wir haben dann einen außergerichtlichen Tatausgleich gemacht."

In dieser niederschriftlichen Einvernahme habe er weiters angegeben:

"Vor ein paar Monaten hatte ich ebenfalls eine Körperverletzung. Bekannte von mir sind damals zu mir gekommen und wir sind ins Jugendheim. Ich hatte damals eine Schlägerei bzw. hatten wir uns beide auf dem Boden gerauft. Ich habe jetzt einen Erlagschein vom Bezirksgericht B erhalten. Wenn ich diesen Betrag von EUR 166,-- bezahle, ist das Ganze erledigt".

Der Beschwerdeführer habe am 5. November 2003 bei der belangten Behörde vorgesprochen und mitgeteilt, dass er die oben angeführten Taten begangen habe.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde nach Zitierung der Bestimmung des § 10 Abs. 1 Z 6 StbG aus, der Beschwerdeführer sei zweimal wegen des Vergehens der Körperverletzung (einmal auch in Verbindung mit einer gefährlichen Drohung) angezeigt worden. Die Behörde gehe - auch wenn ein Verfahren nach Durchführung einer Diversion gemäß § 90g StPO (wegen § 83 StGB) eingestellt worden sei - davon aus, dass der Beschwerdeführer auch diese Tat begangen habe. Seine Teilnahme an (gegenseitigen) Tätlichkeiten am 31. März 2001 wäre für sich alleine kein Grund für eine Ablehnung seines Verleihungsantrages gewesen. Er habe aber am 9. Mai 2003 die oben festgestellte vorsätzliche Körperverletzung begangen und sei dafür - trotz seiner Minderjährigkeit - vom Bezirksgericht B zu einer unbedingten Geldstrafe verurteilt worden. Das Strafurteil des Bezirksgerichtes B sei in Rechtskraft erwachsen; die Behörde müsse von den angeführten Handlungen ausgehen. Die Mitwirkung an Tätlichkeiten im Jahr 2001 sei keine derart schwerwiegende Handlung, dass dies eine negative Zukunftsprognose begründe, bereits aus diesem Verhalten sei aber erkennbar, dass der Beschwerdeführer den Einsatz körperlicher Gewalt gegenüber anderen Personen nicht scheue und "hohe Gewaltbereitschaft" vorhanden sei. Danach habe er - zusammen mit einer anderen Person durch Fußtritte gegen eine körperlich unterlegene Person - durch eine besonders brutale Vorgangsweise ein schwerwiegendes Verhalten gegen die körperliche Sicherheit einer anderen Person gesetzt. Seit dieser Tatbegehung seien erst eineinhalb Jahre vergangen; von seinem zukünftigen Wohlverhalten könne nach einer derart kurzen Zeit zum jetzigen Zeitpunkt (gemeint: der Bescheiderlassung) noch nicht ausgegangen werden. Auch wenn er diese Tat als Jugendlicher begangen habe, habe der Beschwerdeführer ein besonders verwerfliches Charakterbild bezogen auf die körperliche Unversehrtheit Dritter zu erkennen gegeben. Trotz mildernder Umstände sei er zu einer nicht unerheblichen und unbedingten Geldstrafe verurteilt worden; diese Tat stelle keine "entschuldbare Fehlleistung" dar. Demnach sei der Schluss gerechtfertigt, dass er auch in Zukunft wesentliche Vorschriften missachten werde, die "zur Abwehr und Unterdrückung von Gefahren für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit bzw. über die anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen erlassen wurden". Der Beschwerdeführer erfülle daher die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z 6 StbG nicht.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde, zu der die belangte Behörde eine Gegenschrift erstattete, hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 6 StbG kann die Staatsbürgerschaft einem Fremden verliehen werden, wenn er nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür bietet, dass er zur Republik bejahend eingestellt ist und weder eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstellt, noch andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte öffentliche Interessen gefährdet.

Bei der Prüfung dieser Verleihungsvoraussetzung ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf das Gesamtverhalten des Verleihungswerbers, insbesondere auch von ihm begangene Straftaten Bedacht zu nehmen. Maßgebend ist, ob es sich dabei um Rechtsbrüche handelt, die den Schluss rechtfertigen, der Verleihungswerber werde auch in Zukunft wesentliche, zum Schutz vor Gefahren für das Leben, die Gesundheit, die Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung - oder andere im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte Rechtsgüter - erlassene Vorschriften missachten. In der Art, der Schwere und der Häufigkeit solcher Verstöße kommt die - allenfalls negative - Einstellung des Betreffenden gegenüber den zur Hintanhaltung solcher Gefahren erlassenen Gesetzen zum Ausdruck (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 8. März 2005, Zl. 2004/01/0421, und vom 23. Februar 2006, Zl. 2004/01/0459).

Die Beschwerde bringt gegen den angefochtenen Bescheid vor, das Verhalten des Beschwerdeführers begründe keine negative Prognose. Hinsichtlich der Tat vom 31. März 2001 habe die belangte Behörde einen überzogenen strengen Maßstab angelegt; ein gewisses Maß an Gewaltbereitschaft sei leider bei den meisten männlichen 14- Jährigen auf Grund der Pubertät vorhanden. Wegen der Tat vom 9. Mai 2003 sei auch ein zweiter Täter verurteilt worden. Für die angestellte Prognose hätte die belangte Behörde feststellen müssen, ob bestimmte Tatbeiträge nur von einem der Täter geleistet worden seien. Dazu hätten die im Strafverfahren aufgenommenen Beweise herangezogen werden müssen. Wie aus der Aussage des M A (im folgenden kurz: MA) hervorgehe, habe der Beschwerdeführer stets bestritten, MA geschlagen oder getreten zu haben. Der Tatbeitrag des Beschwerdeführers habe nur darin bestanden, dass er sich mit MA im Kies gewälzt und ihm Schürfwunden zugefügt habe; die Verletzungen des MA an der Nase würden nicht vom Beschwerdeführer, sondern von den Fußtritten des C M stammen. Der Beschwerdeführer habe zwei tätliche Auseinandersetzungen mit Gleichaltrigen gehabt, er sei damals erst 14 bzw. 16 Jahre alt gewesen. In der Pubertät komme es in kleineren Gemeinden wie L "häufig zu Rangeleien zwischen Burschen". Nach der Tat vom 9. Mai 2003 habe sich der Beschwerdeführer wohlverhalten. Er sei (auf Grund der näher dargestellten Umstände) vollständig integriert.

Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Die belangte Behörde ging in der angefochtenen Entscheidung davon aus, dass der Beschwerdeführer die zwingende Verleihungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Z 6 StbG nicht erfüllt. Die Beurteilung, ob dieses Einbürgerungshindernis vorliegt, ist einer Ermessensübung im Sinne des § 11 StbG vorgelagert und liegt nicht im (freien) Ermessen der Behörde. Den Ausführungen der Beschwerde zu § 11 StbG (Interessenabwägung zugunsten des Beschwerdeführers) käme überhaupt nur Relevanz zu, wenn die bindend vorgeschriebene Verleihungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Z 6 StbG - entgegen der Auffassung der belangten Behörde - erfüllt wäre (vgl. hiezu etwa das hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 2005, Zl. 2003/01/0393, und die darin angeführte Judikatur).

Davon kann im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden. Insoweit die Beschwerde den Beitrag des Beschwerdeführers an der Tat vom 9. Mai 2003 abzuschwächen sucht, indem sie behauptet, die Nasenverletzungen des MA würden nicht vom Beschwerdeführer stammen, bzw. er habe keine Fußtritte ausgeführt, wird übersehen, dass nach dem Spruch des rechtskräftigen Strafurteils, der Beschwerdeführer schuldig befunden wurde, er habe (zusammen mit C M) dem MA diese Verletzungen durch Fußtritte vorsätzlich zugefügt. Die belangte Behörde ging daher zu Recht davon aus, dass der Beschwerdeführer diese vom Strafgericht rechtskräftig festgestellte Straftat begangen hat.

Die (von der Beschwerde bekämpfte) Annahme der belangten Behörde, die Straftat des Beschwerdeführers sei durch "besonders brutale Vorgangsweise" gekennzeichnet gewesen, weil der Beschwerdeführer eine vorsätzliche Körperverletzung zusammen mit einer anderen Person durch Fußtritte gegen eine körperlich unterlegene Person gesetzt habe, begegnet vor dem Hintergrund der im Strafverfahren festgestellten Verletzungsfolgen (vgl. zu diesen auch das Gutachten des Sachverständigen Dr. N in dem von der belangten Behörde beigeschafften Strafakt des Bezirksgerichtes Bregenz, Zl. ...) und der Tatsache, dass das Opfer dieser Straftat zwei Tätern gegenüberstand, keinen Bedenken.

Der belangten Behörde ist darin zuzustimmen, dass die Mitwirkung des Beschwerdeführers an Tätlichkeiten im Jahr 2001 (mit dem Ergebnis der Verfahrenseinstellung nach Diversion) für sich alleine die Ablehnung des Verleihungsantrages bzw. eine negative Zukunftsprognose nicht zu begründen vermocht hätte. Diese Tat gehört aber (auch) zum Gesamtverhalten, von dem die belangte Behörde bei ihrer Prüfung auszugehen hatte (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 22. August 2006, Zl. 2005/01/0026).

Wie der Verwaltungsgerichtshof dargelegt hat (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 13. Dezember 2005, Zl. 2003/01/0184, und vom 23. Februar 2006, Zl. 2004/01/0514, und die jeweils darin angegebene Judikatur) fallen Delikte gegen die körperliche Unversehrtheit bei der gemäß § 10 Abs. 1 Z 6 StbG zu treffenden Prognose besonders ins Gewicht. Im Allgemeinen ist nach derartigen Straftaten ein ausreichend langer Zeitraum des Wohlverhaltens erforderlich, um eine positive Prognose im Sinne des § 10 Abs. 1 Z 6 StbG gerechtfertigt erscheinen zu lassen.

Im Beschwerdefall konnte im Zeitpunkt der Bescheiderlassung (das war im Dezember 2004) jedenfalls nicht von längerem Wohlverhalten des Beschwerdeführers seit der im Mai 2003 begangenen Tat ausgegangen werden (vgl. insoweit auch etwa die hg. Erkenntnisse vom 28. Jänner 2005, Zl. 2004/01/0171, vom 13. Dezember 2005, Zl. 2003/01/0393, vom 23. Februar 2006, Zl. 2004/01/0459, und vom 8. März 2005, Zl. 2004/01/0456). Auch der von der Beschwerde ins Treffen geführte Umstand, der Beschwerdeführer sei im Zeitpunkt seiner Taten Jugendlicher ("geringes Alter") gewesen, führt zu keiner anderen Prognose, weil der vorliegende Fall nicht die Besonderheit aufweist, dass dem Beschwerdeführer zeitlich ausreichend lange zurückliegende Jugendstraftaten zur Last liegen (vgl. insofern das Erkenntnis vom 8. März 2005, Zl. 2004/01/0421). Der Hinweis der Beschwerde darauf, es komme zwischen Burschen in der Pubertät in kleineren Gemeinden wie L häufig zu "Rangeleien", wird den begangenen Taten schon in sachverhaltsmäßiger Hinsicht nicht gerecht; dieses Vorbringen ist nicht geeignet, zu einer für den Beschwerdeführer positiven Prognose gelangen zu können.

Nach dem Gesagten ist es dem Beschwerdeführer nicht gelungen, gegen die von der belangten Behörde vertretene Ansicht, es sei das Verleihungshindernis nach § 10 Abs. 1 Z 6 StbG gegeben, Bedenken zu erwecken.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 22. August 2007

Schlagworte

Ermessen besondere RechtsgebieteErmessen VwRallg8

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2005010067.X00

Im RIS seit

18.09.2007

Zuletzt aktualisiert am

10.03.2014
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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