TE Vwgh Erkenntnis 2007/9/19 2007/08/0026

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Veröffentlicht am 19.09.2007
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §10 Abs1;
AlVG 1977 §38;
AlVG 1977 §9 Abs1;
AlVG 1977 §9;
AVG §37;
AVG §45 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde des A K in Wien, vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2-4/II/23, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 19. Dezember 2006, Zl. LGSW/Abt.3-AIV/05661/2006-10442, betreffend Verlust des Anspruches auf Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am 5. September 2006 wurde dem Beschwerdeführer mittels Niederschrift von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice der Auftrag erteilt, an der Maßnahme "Jobexpress" teilzunehmen, wobei als Kursbeginn der 18. September 2006 vorgesehen wurde. Dazu wurde ausgeführt, dass beim Beschwerdeführer ein Defizit an speziellen Bewerbungsstrategien für einen angespannten Arbeitsmarkt bestehe. Daher und zur Vermittlungsunterstützung sei die Teilnahme an allen Einzelmodulen dieser Maßnahme (Einstiegsphase, Aktivierung und Bewerbungstraining, begleitendes Einzelcoaching, bei Bedarf Praktikum) verbindlich.

Am 26. September 2006 wurde mit dem Beschwerdeführer vor der regionalen Geschäftsstelle eine Niederschrift zum Gegenstand "Weigerung sich einer Nach-(Um-)schulung zu unterziehen" aufgenommen. Darin wird ausgeführt, da die persönlichen Kenntnisse und Fähigkeiten zur Vermittlung am Arbeitsmarkt nicht ausreichten, sei dem Beschwerdeführer vom Arbeitsmarktservice am 5. September 2006 der Auftrag erteilt worden, an der Nach-(Um-)schulung "Jobexpress" bei "Venetia" teilzunehmen. Beginn der Nach- (Um-)schulung wäre der 18. September 2006 gewesen. Der Beschwerdeführer erklärte laut der Niederschrift im Wesentlichen, dass er nicht bereit sei, sich der angebotenen Nach-(Um-)schulung zu unterziehen, da es sich einerseits weder um eine Nach- oder Umschulung handle und andererseits der angestrebte Erfolg nicht gewährleistet sei, da ein Arbeitsmarkt für ältere Arbeitnehmer nicht vorhanden sei. Auftrag des Arbeitsmarktservice sei es, Arbeitsplätze zu vermitteln und dort Kurse einzusetzen, wo in der Folge tatsächlich ein Arbeitsverhältnis begründet werden könne. Laut der in der Niederschrift festgehaltenen Stellungnahme des Schulungsträgers sei der Beschwerdeführer kurz dort gewesen, aber noch vor Ausfüllen des "Begehrens" gegangen und nicht mehr erschienen.

Mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vom 2. Oktober 2006 wurde der Beschwerdeführer des Anspruches auf Notstandshilfe gemäß § 10 AlVG für den Zeitraum 18. September 2006 bis 29. Oktober 2006 verlustig erklärt. Begründend wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer habe sich geweigert, an der zumutbaren Maßnahme "Jobexpress" teilzunehmen. Berücksichtigungswürdige Gründe für eine Nachsicht lägen nicht vor.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung, der mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid keine Folge gegeben wurde. Eine Nachsicht gemäß § 10 Abs. 3 AlVG wurde nicht gewährt. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, das Ziel der Kursteilnahme sei gewesen, die aktuellen Fähigkeiten und Kenntnisse des Beschwerdeführers für eine Integration am Arbeitsmarkt zu festigen, da Vermittlungsversuche des Arbeitsmarktservice und die Bewerbungsbemühungen des Beschwerdeführers bisher erfolglos geblieben seien. Daher wäre zur Vermittlungsunterstützung die Teilnahme an allen Einzelmodulen dieser Maßnahme (Einstiegsphase, Aktivierung und Bewerbungstraining, begleitendes Einzelcoaching, bei Bedarf Praktikum) verbindlich gewesen. Das letzte Dienstverhältnis des Beschwerdeführers sei mit 30. Juni 2002 zu Ende gegangen. Im Jahre 2006 habe er insgesamt sieben Vermittlungsvorschläge erhalten, die aber zu keinem Dienstverhältnis geführt hätten. Daher sei es zielführend und nachvollziehbar, dass seitens des Arbeitsmarktservice versucht worden sei, offensichtliche Vermittlungshindernisse im Zuge der gegenständlichen Maßnahme zu beseitigen. Es widerspreche jeder Weiterbildungsmaßnahme, dass durch die Teilnahme der angestrebte Erfolg jedenfalls gewährleistet sein müsse.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

§ 9 Abs. 1 AlVG in der hier zeitraumbezogen maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 77/2004 hat folgenden Wortlaut:

"Arbeitswilligkeit

§ 9. (1) Arbeitswillig ist, wer bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle vermittelte zumutbare Beschäftigung anzunehmen, sich zum Zwecke beruflicher Ausbildung nach- oder umschulen zu lassen, an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt teilzunehmen, von einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit Gebrauch zu machen und von sich aus alle gebotenen Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung zu unternehmen, soweit dies entsprechend den persönlichen Fähigkeiten zumutbar ist."

§ 10. AlVG in der hier zeitraumbezogen maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 77/2004 lautet auszugsweise:

"§ 10 (1) Wenn die arbeitslose Person

...

3. ohne wichtigen Grund die Teilnahme an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt verweigert oder den Erfolg der Maßnahme vereitelt, oder

...

so verliert sie für die Dauer der Weigerung, mindestens jedoch für die Dauer der auf die Pflichtverletzung gemäß Z 1 bis 4 folgenden sechs Wochen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld. ...

...

(3) Der Verlust des Anspruches gemäß Abs. 1 ist in berücksichtigungswürdigen Fällen wie zB bei Aufnahme einer anderen Beschäftigung nach Anhörung des Regionalbeirates ganz oder teilweise nachzusehen."

Die genannten Bestimmungen gelten gemäß § 38 AlVG für die Notstandshilfe sinngemäß.

Zunächst ist festzuhalten, dass es sich bei dem hier gegenständlichen Kurs "Jobexpress" offenbar um eine Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt und um keine Schulungsmaßnahme handelt, wie sich aus dem Akteninhalt und der Bescheidbegründung ergibt.

Nach der Rechtsprechung setzt die Zulässigkeit einer Zuweisung zu einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt voraus, dass das Arbeitsmarktservice davor seiner Verpflichtung nachgekommen ist, dem Arbeitslosen die Gründe, aus denen das Arbeitsmarktservice eine solche Maßnahme für erforderlich erachtet, zu eröffnen, ihm Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben und den Arbeitslosen über die Rechtsfolgen einer Weigerung, an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt teilzunehmen, zu belehren. Von einer ungerechtfertigten Weigerung des Arbeitslosen, an Maßnahmen teilzunehmen, kann nur dann gesprochen werden, wenn sich die Zuweisung auf eine zulässige Maßnahme bezieht und die Weigerung in objektiver Kenntnis des Inhaltes, der Zumutbarkeit und der Erforderlichkeit einer solchen Maßnahme erfolgt. Dazu muss die Behörde die Voraussetzungen für eine solche Zuweisung in tatsächlicher Hinsicht ermittelt und das Ergebnis ihres Ermittlungsverfahrens dem Arbeitslosen - unter Hinweis auf die Rechtsfolgen einer Weigerung - zur Kenntnis gebracht haben. Ein Arbeitsloser, dem Maßnahmen im Sinne des § 9 Abs. 1 AlVG ohne nähere Spezifikation und ohne Vorhalt jener Umstände zugewiesen werden, aus denen sich das Arbeitsmarktservice zur Zuweisung berechtigt erachtet, kann im Falle der Weigerung, einer solchen Zuweisung Folge zu leisten, nicht vom Bezug der Geldleistung aus der Arbeitslosenversicherung im Sinne des § 10 Abs. 1 AlVG ausgeschlossen werden. Diesbezügliche Versäumnisse anlässlich der Zuweisung des Arbeitslosen zur Maßnahme können im Rechtsmittelverfahren nicht nachgeholt werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. April 2007, Zl. 2006/08/0328, mwN). Gleiches gilt hinsichtlich des konkreten Inhaltes der Maßnahme (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 2006, Zl. 2005/08/0175).

Vor diesem rechtlichen Hintergrund war die Zuweisung des Beschwerdeführers zur gegenständlichen Wiedereingliederungsmaßnahme unzulässig, weshalb seine Weigerung zur Teilnahme an der Maßnahme nicht zum Verlust der Notstandshilfe hätte führen dürfen. Dem Beschwerdeführer wurden nämlich vor der Zuweisung weder der nähere Inhalt der Maßnahme noch seine konkreten persönlichen Defizite, die durch die Maßnahme behoben werden sollten, mitgeteilt. Weder die bloße Aufzählung der Titel von "Einzelmodulen" einer Maßnahme noch der allgemeine Hinweis auf Defizite bezüglich "spezieller Bewerbungsstrategien für einen angespannten Arbeitsmarkt" genügen den genannten Anforderungen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG Abstand genommen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 19. September 2007

Schlagworte

Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2007080026.X00

Im RIS seit

29.10.2007

Zuletzt aktualisiert am

19.08.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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