TE Vwgh Beschluss 2007/9/24 2006/15/0081

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Veröffentlicht am 24.09.2007
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);

Norm

ABGB §1332;
VwGG §26 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §46 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kinsky, über den Antrag des M S in W, vertreten durch Dr. Albert Feichtner, Dr. Anneliese Lindorfer und Mag. Dr. Bernhard Feichtner, Rechtsanwälte in 6370 Kitzbühel, Josef-Pirchl-Straße 9, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Linz, vom 27. Oktober 2005, GZ. RV/0909-L/05, betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für die Jahre 2003 und 2004, und in der Beschwerdesache derselben Partei gegen den ebengenannten Bescheid, den Beschluss gefasst:

Spruch

1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.

2. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 381,90 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

In der am 14. Dezember 2005 zur Post gegebenen mit 13. Dezember 2005 datierten Beschwerde wurde zur Rechtzeitigkeit der Beschwerdeerhebung ausgeführt, dass der angefochtene Bescheid dem Beschwerdeführer "frühestens am 03.11.2005" zugestellt worden sei. In den Beschwerdeausführungen findet sich folgende Erläuterung zum Zustellvorgang:

"Der angefochtene Bescheid wurde von der Behörde am 02.11.2005 abgefertigt, sodass er mich frühestens am 03.11.2005 erreichte. Das Kuvert habe ich leider nicht aufbewahrt."

Nach Einleitung des Vorverfahrens wies die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift darauf hin, dass der in Beschwerde gezogene Bescheid dem Beschwerdeführer nachweislich am 31. Oktober 2005 durch Hinterlegung zugestellt worden sei.

Über ausdrückliche, dem Beschwerdevertreter am 25. Jänner 2006 zugestellte Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes, zu diesen Ausführungen der belangten Behörde Stellung zu nehmen, stellte der Beschwerdeführer den am 8. Februar 2006 zur Post gegebenen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist. Der Beschwerdeführer habe den angefochtenen Bescheid nicht selbst von der Post abgeholt, sondern dies aus beruflichen Gründen seiner Ehefrau überlassen müssen. Das Kuvert sei bedauerlicherweise nicht aufbewahrt worden, sodass der Beschwerdeführer nicht mehr habe nachvollziehen können, wann die Zustellung tatsächlich erfolgt sei. Der Beschwerdeführer habe auf Grund seiner fehlenden EDV- und Deutschkenntnisse den ihm bekannten Werner G. ersucht, "Kontakt zur Rechtsanwaltskanzlei aufzunehmen, die mich nunmehr in diesem Verfahren vertritt und der Kanzlei sämtliche für die Beschwerdeerhebung notwendigen Daten und Informationen zu liefern". Daraufhin habe Werner G. "online Einsicht in den Steuerakt" des Beschwerdeführers genommen. Den angefertigten Ausdruck der Kontendaten habe Werner G. so interpretiert, dass der anzufechtende Bescheid am 2. November 2005 zur Post gegeben worden sei. Werner G. habe den Beschwerdevertretern daher erklärt, dass die Zustellung frühestens einen Tag später erfolgt sein könne und "diesen Umstand als sicher dargestellt".

Nunmehrige Recherchen hätten ergeben, dass es sich bei dem vorgefundenen Datum um jenes Datum handeln würde, an dem der Bescheid der belangten Behörde dem Finanzamt (als Partei des Verfahrens vor dem unabhängigen Finanzsenat) zugestellt worden sei. Durch "die missverständliche Eintragung im Steuerakt" und die von Werner G. den Beschwerdevertretern erteilten Informationen sei es für den Beschwerdeführer durch ein unvorgesehenes und unabwendbares Ereignis dazu gekommen, dass die Beschwerdefrist versäumt worden sei. Den Beschwerdeführer treffe am Versäumen der Beschwerdefrist ebenso wie seinen Rechtsvertreter "maximal ein bloß minderer Grad eines Versehens". Die Wiedereinsetzungsfrist sei gewahrt, weil dem Beschwerdevertreter die Versäumung der sechswöchigen Beschwerdefrist erst am 25. Jänner 2006 durch Zustellung der Gegenschrift und der beigefügten Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes zur Kenntnis gelangt sei.

In einer angeschlossenen "eidesstättige(n) Erklärung" bestätigt Werner G. den wiedergegebenen Sachverhalt. Der dem Wiedereinsetzungsantrag gleichfalls beigefügte EDV-Ausdruck des Finanzamtes zeigt folgendes Bild:

Arbeinehmerveranlagung

Datum

Anbringen/Erledigung

Betrag

Zustellung mit

20.06.2005

Einkommensteuer - Erklärung elektronisch eingelangt

 

 

21.09.2005

Einkommensteuer - Erstbescheid

-960,82

FinanzOnline

29.09.2005

Einkommensteuer - Berufung eingelangt

 

 

02.11.2005

Einkommensteuer - Rechtsmittelerledigung

0,00

Fensterkuvert

Nach § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Verschulden des Parteienvertreters an der Fristversäumung einem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten (vgl. für viele den hg. Beschluss vom 24. November 1993, 93/15/0190). Ständige Judikatur ist es auch, dass der Begriff des minderen Grades des Versehens als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB zu verstehen ist. Weder der Wiedereinsetzungswerber noch sein Vertreter dürfen daher auffallend sorglos gehandelt haben. Sie dürfen die im Verkehr mit Gerichten und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihnen nach den persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt nicht außer Acht lassen (vgl. den hg. Beschluss vom 23. September 2005, 2005/15/0083, 0084).

Eine derartige auffallende Sorglosigkeit ist den Parteienvertretern (bzw. der namentlich genannten Parteienvertreterin) im gegenständlichen Fall aber anzulasten. Nach dem Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag konnte der vom Antragsteller beauftragte Werner G. der Parteienvertreterin den Tag der Zustellung des anzufechtenden Bescheides nicht nennen, sondern nur Vermutungen darüber anstellen, wann eine Zustellung frühestens erfolgt sein konnte. Dass sich die Parteienvertreterin nach der sachlichen Grundlage der von Werner G. angestellten Überlegungen erkundigt habe oder andere Maßnahmen zur Kontrolle der Richtigkeit des Zustelldatums gesetzt hätte, ist dem Wiedereinsetzungsantrag nicht zu entnehmen. Hätte sich die Parteienvertreterin über jene Umstände erkundigt, die Werner G. zu seiner Sachverhaltsannahme geführt haben und sich insbesondere den (nach Ansicht des Antragstellers irreführenden) EDV-Ausdruck vorlegen lassen, hätte der Parteienvertreterin aber ohne weiteres auffallen müssen, dass die von Werner G. herangezogene online-Abfrage nicht den gegenständlichen Zustellvorgang betreffen konnte, ist doch dort von einer Zustellung mittels Fensterkuverts die Rede, während der angefochtene Bescheid dem Antragsteller mit Rückschein(kuvert) zugestellt worden war.

Dass sich ein Parteienvertreter mit Vermutungen über einen frühest möglichen Zustellungszeitpunkt begnügt, begründet umso mehr eine auffallende Sorglosigkeit, wenn wie im Beschwerdefall zwischen Parteienvertreter und Partei eine weitere Person als Mittelsperson zwischengeschaltet ist. Es wäre daher Aufgabe der Rechtsvertreter des Antragstellers gewesen, das Zustelldatum (selbst) zu ermitteln, um damit einer möglichen Fristversäumnis zu entgehen.

Durch diese Unterlassungen hat die Vertreterin des Antragstellers die im Verkehr mit Gerichten und für die Einhaltung von Terminen erforderliche und berufsmäßigen Parteienvertretern zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen und somit ein Verhalten gesetzt, welches nicht mehr dem Begriff des minderen Grades des Versehens zugeordnet werden kann. Dem Wiedereinsetzungsantrag war daher nicht stattzugeben.

Gemäß § 26 Abs. 1 VwGG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde sechs Wochen. Ausgehend von der am Montag, dem 31. Oktober 2005, zugestandenen Zustellung des angefochtenen Bescheides endete die Beschwerdefrist am Montag, dem 12. Dezember 2005. Die erst am Mittwoch, dem 14. Dezember 2005, zur Post gegebene Beschwerde ist somit verspätet und war - im Zusammenhang mit der Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages - gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen, was der Gerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat beschlossen hat.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere auf § 51 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 24. September 2007

Schlagworte

Versäumung der Einbringungsfrist siehe VwGG §26 Abs1 Z1 (vor der WV BGBl. Nr. 10/1985: lita) sowie Mangel der Rechtsfähigkeit Handlungsfähigkeit Ermächtigung des Einschreiters

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2006150081.X00

Im RIS seit

11.02.2008

Zuletzt aktualisiert am

28.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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