TE Vfgh Beschluss 2003/2/25 B1846/02

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Veröffentlicht am 25.02.2003
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Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

AVG §61a
VfGG §33

Leitsatz

Abweisung eines Wiedereinsetzungsantrages; Rechtsirrtum über die Legitimation zur Erhebung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof kein Wiedereinsetzungsgrund; gleichzeitige Zurückweisung der Beschwerde als verspätet

Spruch

I. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.

II. Die Beschwerde wird als verspätet zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1. Mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 28. Juni 2002 wurde der Verein "Moving Handicap" gemäß §24 Vereinsgesetz 1951 iVm. Art11 Abs2 EMRK wegen Überschreitung seines statutenmäßigen Wirkungskreises aufgelöst.

Die gegen diesen Bescheid erhobene, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde des Vereins "Moving Handicap" wurde mit hg. Beschluss vom 26. November 2002, B1615/02, mangels Legitimation zurückgewiesen, weil nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofs nach rechtskräftiger behördlicher Auflösung eines Vereins lediglich die ehemaligen Vereinsmitglieder Träger der Vereinsfreiheit sind; nur sie (und nicht etwa der - aufgelöste - Verein) sind daher berechtigt, gegen den Auflösungsbescheid Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof zu erheben.

2. Mit dem vorliegenden, beim Verfassungsgerichtshof am 18. Dezember 2002 eingelangten Schriftsatz beantragt der Einschreiter - unter Hinweis auf seine ehemalige Vereinsmitgliedschaft - die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Beschwerdeführung gegen den oben genannten Bescheid und verbindet damit eine (ihren Formulierungen zufolge wiederum vom - aufgelösten - Verein erhobene) Beschwerde gemäß Art144 B-VG.

Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags wird ausgeführt, dass der angefochtene Bescheid in seiner Rechtsmittelbelehrung

"keinerlei Information darüber [enthalte], dass ein Wechsel in der Beschwerdelegitimation einträte, ist doch die Diktion im Passiv (arg.: '... kann erhoben werden ...') mehrdeutig und ließ die Beschwerde so zu, wie sie erhoben wurde.

Wenn die Kenntnis einschlägiger Judikatur vom betroffenen Verein verlangt werden konnte, muss dies umso mehr für die belangte Behörde gelten, die dem - im Administrativverfahren unvertretenen - Verein den entsprechenden Hinweis sohin vorenthalten hatte."

3. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der sechswöchigen Beschwerdefrist ist nicht begründet:

3.1. Da das Verfassungsgerichtshofgesetz in seinem §33 die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 dieses Gesetzes die entsprechenden Bestimmungen des §146 Abs1 ZPO sinngemäß anzuwenden: Danach ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein "unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis" an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozesshandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für sie den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozesshandlung zur Folge hatte. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Unter "minderem Grad des Versehens" ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes leichte Fahrlässigkeit zu verstehen, die dann vorliegt, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (vgl. VfSlg. 9817/1983, 11.706/1988 uva.).

3.2. Der vom Einschreiter im Ergebnis geltend gemachte Rechtsirrtum über die Legitimation zur Erhebung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist aber nicht als solcher Fehler einzustufen. Gemäß §61a AVG ist in letztinstanzlichen Bescheiden auf die Möglichkeit einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof bzw. beim Verwaltungsgerichtshof, auf die bei der Einbringung solcher Beschwerden einzuhaltenden Fristen, auf das Erfordernis der Unterschrift eines Rechtsanwalts sowie auf die für solche Beschwerden zu entrichtenden Gebühren hinzuweisen. Das Gesetz gebietet jedoch keinen Hinweis auf die Legitimation zur Einbringung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof; die Unterlassung eines solchen Hinweises bildet daher auch keinen tauglichen Wiedereinsetzungsgrund, zumal es jedermann selbst obliegt, sich Kenntnis von den für das Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof geltenden Prozessvoraussetzungen zu verschaffen. Ganz besondere Umstände, auf Grund derer dies dem Beschwerdeführer unmöglich oder unzumutbar gewesen wäre, sind auf Grund des Vorbringens des - vom selben Rechtsanwalt wie der (zu B1615/02 beschwerdeführende) Verein vertretenen - Einschreiters für den Verfassungsgerichtshof nicht erkennbar.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war somit abzuweisen.

4. Die unter einem eingebrachte Beschwerde nach Art144 B-VG war wegen Versäumung der sechswöchigen Beschwerdefrist (§82 Abs1 VfGG) zurückzuweisen.

5. Bei diesem Verfahrensergebnis erübrigt es sich, über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, abzusprechen.

6. Dies konnte gemäß §33 und §19 Abs3 Z2 litb VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Bescheid Rechtsmittelbelehrung, VfGH / Wiedereinsetzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2003:B1846.2002

Dokumentnummer

JFT_09969775_02B01846_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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