TE Vwgh Erkenntnis 2007/10/23 2007/06/0241

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Veröffentlicht am 23.10.2007
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Index

L37158 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Vorarlberg;
L80008 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan
Vorarlberg;
L81708 Baulärm Vorarlberg;
L82000 Bauordnung;
L82008 Bauordnung Vorarlberg;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §8;
BauG Vlbg 2001 §8;
BauRallg;
GewO 1994 §112 Abs3 idF 2005/I/134;
RPG Vlbg 1996 §14 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Waldstätten und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Chlup, über die Beschwerde des AG in S, vertreten durch Dr. Michael Battlogg, Rechtsanwalt in 6780 Schruns, Gerichtsweg 2, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Vorarlberg vom 22. März 2007, Zlen. UVS-318-012/E8-2006, UVS-414- 032/E8/2006, betreffend Einwendungen gegen eine Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde S), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird in jenem Umfang, soweit er noch nicht durch das hg. Erkenntnis vom 12. September 2007, Zl. 2007/04/0100, aufgehoben wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Vorweg wird darauf hingewiesen, dass der Verwaltungsgerichtshof, soweit die Beschwerde die gewerberechtliche Betriebsanlagengenehmigung betrifft, den angefochtenen Bescheid mit Erkenntnis vom 12. September 2007, Zl. 2007/04/0100, bereits wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben hat.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bludenz vom 24. August 2006 wurde unter Spruchpunkt I. über Antrag der mitbeteiligten Partei gemäß §§ 18, 28 und 29 des Vorarlberger Baugesetzes (BauG) die Baubewilligung "nach Maßgabe des Sachverhaltes und der einen Bestandteil dieses Bescheides bildenden Plan- und Beschreibungsunterlagen" und unter Auflagen zur Einrichtung einer Gaststätte (Restaurant) mit Gastgarten erteilt.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer als Nachbar Berufung. Die belangte Behörde führte eine Berufungsverhandlung durch, in der sie u.a. ergänzende Gutachten des gewerbetechnischen und des gesundheitspolizeilichen Amtssachverständigen einholte. Die Mitbeteiligte schränkte ihr Ansuchen im Berufungsverfahren (Schreiben vom 19. Jänner 2007) dahingehend ein, dass der Betrieb des Gastgartens generell um 22.00 Uhr enden werde.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers ab und bestätigte den vorliegend angefochtenen Bescheid einerseits unter Zugrundelegung der genannten Einschränkung der Betriebszeit und andererseits mit der Maßgabe, dass eine Zulieferung zum Restaurant über das Grundstück Nr. 174 der in Rede stehenden Gemeinde nicht antragsgegenständlich sei. In der Begründung führte die belangte Behörde zur Baubewilligung - soweit hier relevant - zusammengefasst aus, dass sich die Baubewilligung nur auf ein Baugrundstück im Eigentum der Mitbeteiligten beziehe und der Beschwerdeführer hinsichtlich einer behaupteten fehlenden Übereinstimmung mit der Flächenwidmung, einer behaupteten fehlenden rechtlich gesicherten Zufahrt im Bauverfahren und hinsichtlich der behaupteten mangelnden Eignung des Bauplatzes kein Mitspracherecht habe. Die Bauabstände entsprächen dem Bebauungsplan.

Hinsichtlich der Immissionen dürften Bauwerke, ortsfeste Maschinen und sonstige ortsfeste technische Einrichtungen gemäß § 8 BauG keinen Verwendungszweck haben, der eine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung der Nachbarn erwarten lasse. Ob eine Belästigung das ortsübliche Ausmaß übersteige, sei unter Berücksichtigung der Flächenwidmung am Standort des Bauvorhabens zu beurteilen. Emissionen, die sich im Rahmen des in einer Widmungskategorie üblichen Ausmaßes halten, seien als zumutbar anzusehen, und zwar auch dann, wenn sie beispielsweise das Ausmaß der in der unmittelbaren Nähe eines anderen Gebäudes feststellbaren Emissionen überstiegen. Im vorliegenden Fall sei das Baugrundstück als Baufläche/Kerngebiet ausgewiesen. Angesichts der breiten Mischung zulässiger Nutzungsarten für diese Widmungskategorie sei die Errichtung einer Gaststätte mit ca. 74 Sitzplätzen einschließlich eines Gastgartens in der Größenordnung von 40 Verabreichungsplätzen, welcher eine Betriebszeit von 9 Uhr bis 22 Uhr habe, und der zudem unter den lärmmindernden Voraussetzungen des § 112 Abs. 3 GewO 1994 betrieben werde, in dem für ein Kerngebiet allgemein Üblichen zulässig. Die mit der gastgewerblichen Betriebsanlage dieser Art und Größe verbundenen Immissionen seien daher von den Nachbarn jedenfalls als ortsüblich hinzunehmen. Der Gastgartenbetrieb verursache nach Beurteilung des Sachverständigen auf dem Balkon des Beschwerdeführers Lärm von 54 dB, dieser liege unterhalb des nach der ÖAL-Richtlinie Nr. 3 maßgeblichen Grenzwertes von 55 dB für die Gebietskategorie. Dies gelte auch für den von der Lüftungsanlage verursachten Lärm.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, zu der die belangte Behörde die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet hat. Der Verwaltungsgerichtshof hat, soweit die Beschwerde die gewerberechtliche Betriebsanlagengenehmigung betrifft, wie bereits ausgeführt, den angefochtenen Bescheid aufgehoben. Hinsichtlich des verbleibenden baurechtlichen Inhalts des angefochtenen Bescheides macht der Beschwerdeführer ausschließlich Lärmbelästigung geltend, insofern hat der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Im Beschwerdefall ist das Vorarlberger Baugesetz (BauG), LGBl. Nr. 52/2001, anzuwenden.

§ 8 BauG regelt den Immissionsschutz. Nach dieser Bestimmung dürfen Bauwerke, ortsfeste Maschinen und sonstige ortsfeste technische Einrichtungen keinen Verwendungszweck haben, die eine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung oder eine Gefährdung des Nachbarn erwarten lässt. Ob eine Belästigung das ortsübliche Ausmaß übersteigt, ist unter Berücksichtigung der Flächenwidmung am Standort des Bauvorhabens zu beurteilen.

Diesbezüglich kommt den Nachbarn gemäß § 26 Abs. 1 lit. c BauG ein Mitspracherecht zu, soweit mit Immissionen auf seinem Grundstück zu rechnen ist.

Gemäß § 14 Abs. 2 des Vorarlberger Raumplanungsgesetzes (RPG), LGBl. Nr. 39/1996 (Wiederverlautbarung), in der Fassung LGBl. Nr. 58/2001, sind "Kerngebiete Gebiete in zentraler innerörtlicher Lage, die vornehmlich für Gebäude für Verwaltung, Handel, Bildungs- und andere kulturelle und soziale Einrichtungen, sonstige Dienstleistungen und Wohnungen bestimmt sind. Andere Gebäude sind zulässig, wenn der Charakter als Wohngebiet nicht gestört wird."

Der Verwaltungsgerichtshof hat im vorliegenden Fall bereits in seinem Erkenntnis vom 12. September 2007, Zl. 2007/04/0100, hinsichtlich der gewerberechtlichen Genehmigung des gegenständlichen Objektes ausgesprochen, der Einwand des Beschwerdeführers sei vom Ergebnis her zielführend zu beurteilen, dass die Behörde durch geeignete Maßnahmen auch dafür Sorge tragen müsse, dass eine vom Gastgarten ausgehende Lärmbelästigung vermieden werde:

Der Amtsarzt sei im erstinstanzlichen Sachverständigengutachten bei seiner Beurteilung davon ausgegangen, dass beim Gastgarten entsprechend dem Genehmigungsantrag vom Verhalten der Gäste, wie es in § 112 Abs. 3 GewO umschrieben ist (dabei handelt es sich um lautes Sprechen, Singen und Musizieren) auszugehen sei, und dass der Gastgartenbetrieb im Sommer um 23.00 Uhr, sonst um 22.00 Uhr ende. Vor diesem Hintergrund und auf der Basis der vorgelegenen Messungen und Berechnungen des gewerbetechnischen Sachverständigen sei der Arzt im erstinstanzlichen Verfahren zum Ergebnis gelangt, es seien bei den Nachbarn Lärmimmissionen zu erwarten, die die Grenze der Zumutbarkeit überschritten und zu Gesundheitsschädigungen führen könnten (Gutachten vom 21. Juli 2006). Die belangte Behörde habe den angefochtenen Bescheid allerdings auf das ergänzend eingeholte medizinische Gutachten im Berufungsverfahren gestützt. In diesem Gutachten vom 18. Jänner 2007 habe der ärztliche Sachverständige die tagsüber auftretenden Lärmimmissionen auf ihre Eignung, die Gesundheit der Nachbarn zu gefährden, beurteilt und diese Frage verneint. Er habe sich jedoch nicht zur Frage geäußert, ob bzw. inwieweit Nachbarn tagsüber durch betriebskausale Lärmimmissionen des hier zu beurteilenden Gastgartens belästigt werden (eine solche Beurteilung erfolgte bloß betreffend den - durch den angefochtenen Bescheid nunmehr ohnehin ausgeschlossenen - Betrieb des Gastgartens nach 22.00 Uhr). Die Frage, ob Nachbarn durch den Betrieb des gegenständlichen Gastgartens vor 22.00 Uhr belästigt würden und gegebenenfalls welches Ausmaß diese Belästigungen erreichen bzw. welcher Art die belästigenden Geräusche seien, sei daher auf der Gutachtensebene unbeantwortet geblieben. Im letztgenannten Gutachten fänden sich allerdings gleichzeitig Anhaltspunkte dafür, dass Schallpegelwerte über 50 dB (diese werden nach dem Gesagten gegenständlich überschritten) grundsätzlich zu Störungen bei anspruchsvollen mentalen Tätigkeiten führen könnten. Diese Frage könne auch bei von einem gemäß § 112 Abs. 3 GewO betriebenen Gastgarten nicht dahin gestellt bleiben. Die Genehmigung für einen unter § 112 Abs. 3 GewO fallenden Gastgarten sei aber zu versagen, wenn er zu unzumutbaren Belästigungen bzw. zur Gesundheitsgefährdung von Nachbarn führen würde. Dies werde gegenständlich im fortgesetzten Verfahren zu prüfen sein.

Diese Aussagen des Verwaltungsgerichtshofes können grundsätzlich auch auf die baurechtliche Komponente des gegenständlichen Falles bezogen werden. Diese, vom Verwaltungsgerichtshof hinsichtlich der gewerberechtlichen Beurteilung der Anlage geforderte Beurteilung, ob die Lärmbelästigung das ortsübliche Ausmaß angesichts der konkreten Situierung des Vorhabens übersteigt, hätte die belangte Behörde auch bei der baurechtlichen Beurteilung im Grunde des § 8 BauG anstellen müssen, weil unzumutbare Belästigungen bzw. Gesundheitsgefährdungen auch nach dieser Bestimmung vom Nachbarn nicht geduldet werden müssen. Sie hätte hiebei - allenfalls auch in Form von präzisierenden Auflagen - klarstellen müssen, ob und inwieweit die Türe zum Gastgarten geschlossen bleibt bzw. geschlossen zu bleiben hat (vgl. insoferne einen ähnlichen Fall des hg. Erkenntnisses vom 27. Juni 2006, Zl. 2005/06/0179).

Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid daher auch soweit er eine Baubewilligung betrifft, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Verfahrenskosten wurden bereits mit dem angeführten Erkenntnis vom 12. September 2007 zugesprochen.

Wien, am 23. Oktober 2007

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Schutz vor Immissionen BauRallg5/1/6 Rechtsgrundsätze Auflagen und Bedingungen VwRallg6/4 Baurecht Nachbar

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2007060241.X00

Im RIS seit

26.11.2007
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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