TE Vwgh Beschluss 2007/11/19 2007/17/0110

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Veröffentlicht am 19.11.2007
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Index

E1E;
E3R E03201000;
E3R E03606000;
E6J;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
59/04 EU - EWR;

Norm

11997E034 EG Art34;
11997E234 EG Art234;
32006R0318 GMO Zucker Art16;
32006R0318 GMO Zucker Art19;
32006R0318 GMO Zucker Art3 Abs1 lita;
32006R0318 GMO Zucker Art39 Abs2;
32006R0320 Umstrukturierung Zuckerindustrie Art11;
32006R0493 Übergangsmaßnahmen GMO Zucker Art3;
61986CJ0203 Spanien / Rat;
61999CJ0117 Unilet und Le Bars VORAB;
62004CJ0126 Heineken Brouwerijen VORAB;
VwGG §38b;

Beachte

Vorabentscheidungsverfahren:* EU-Register: EU 2007/0010 11. Juni 2009 * EuGH-Zahl: C-33/08 * EuGH-Entscheidung:EuGH 62008CJ0033 11. Juni 2009 * Enderledigung des gegenständlichen Ausgangsverfahrens im fortgesetzten Verfahren: 2009/17/0103 E 3. Juli 2009

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler, Dr. Zens und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schiffkorn, in der Beschwerdesache der AGRANA Zucker GmbH in Tulln, vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte GmbH in 1014 Wien, Tuchlauben 17, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom 16. April 2007, Zl. BMLFUW-LE.2.2.17/0023- III/11/2007, betreffend befristeten Umstrukturierungsbetrag für das Wirtschaftsjahr 2006/2007, den Beschluss gefasst:

Spruch

Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften werden gemäß

Artikel 234 EG folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist Artikel 11 der Verordnung (EG) Nr. 320/2006 des Rates vom 20. Februar 2006 dahingehend auszulegen, dass auch eine Zuckerquote, die infolge einer präventiven Marktrücknahme nach

Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 493/2006 der Kommission vom 27. März 2006 nicht ausgenützt werden kann, Teil der Bemessung des befristeten Umstrukturierungsbetrages zu sein hat?

2. Für den Fall der Bejahung der Frage 1.:

Ist Artikel 11 der Verordnung (EG) Nr. 320/2006 mit Primärrecht, insbesondere mit dem aus Artikel 34 EG abzuleitenden Diskriminierungsverbot und dem Vertrauensschutz, vereinbar?

Begründung

1. Sachverhalt:

1.1. Mit Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (der vor dem Verwaltungsgerichtshof belangten Behörde) vom 26. Juni 2006 über die Zuteilung der Quote für die Erzeugung von Zucker in den Wirtschaftsjahren 2006/2007 bis einschließlich 2014/2015 bzw. mit dem Bescheid der belangten Behörde vom 18. Dezember 2006 über die Zuteilung der zusätzlichen Zuckerquote wurde der AGRANA Zucker GmbH (der vor dem Verwaltungsgerichtshof beschwerdeführenden Partei) eine Zuckerquote von insgesamt 405.812,4 t (387.326,4 t Zuckerquote zuzüglich 18.486,0 t zusätzlicher Zuckerquote) zuerkannt.

Mit dem Bescheid vom 28. Juni 2006 setzte die belangte Behörde für die Erzeugung von Quotenzucker im Wirtschaftjahr 2006/2007 eine Produktionsschwelle fest.

1.2. Mit dem Bescheid des Vorstandes für den Geschäftsbereich I der Agrarmarkt Austria (AMA) vom 16. Jänner 2007 wurde der beschwerdeführenden Partei die Zahlung der ersten Tranche des befristeten Umstrukturierungsbetrages für das Wirtschaftsjahr 2006/2007 in der Höhe von EUR 30,776.812,42 vorgeschrieben; dieser Betrag sei so rechtzeitig zu überweisen, dass er bis 28. Februar 2007 auf einem näher angeführten Konto der AMA einlange.

Mit dem Bescheid der belangten Behörde vom 26. Juni 2006 über die Zuteilung der Quote für die Erzeugung von Zucker in den Wirtschaftsjahren 2006/2007 bis einschließlich 2014/2015 bzw. mit dem Bescheid der belangten Behörde vom 18. Dezember 2006 über die Zuteilung der zusätzlichen Zuckerquote sei - so die Begründung des Bescheides - der beschwerdeführenden Partei eine Zuckerquote von insgesamt 405.812,4 t zuerkannt worden.

Gemäß Artikel 11 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 320/2006 hätten Unternehmen, denen eine Quote zugeteilt worden sei, jedes Wirtschaftsjahr je Tonne der Quote einen befristeten Umstrukturierungsbetrag zu leisten. Gemäß Artikel 11 Absatz 2 der zitierten Norm sei der Umstrukturierungsbetrag für das Wirtschaftsjahr 2006/2007 mit EUR 126,40 je t der Quote festgelegt worden. Dieser Betrag sei in zwei Tranchen festzusetzen, wobei bis spätestens 28. Februar 2007 60 % des befristeten Umstrukturierungsbetrages für das Wirtschaftsjahr 2006/2007 vorzuschreiben sei.

Die beschwerdeführende Partei erhob Berufung.

1.3. Mit ihrem Bescheid vom 16. April 2007, der Gegenstand des vorliegenden Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof ist, wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab.

Nach Artikel 11 Absatz 5 der Verordnung (EG) Nr. 320/2006 sei der durch den jeweiligen Mitgliedstaat in seinem Hoheitsgebiet zu erhebende Umstrukturierungsbetrag auf die dort befindlichen Unternehmen nach Maßgabe der ihnen in dem betreffenden Wirtschaftsjahr zugewiesenen Quoten aufzuteilen.

Die Zahlung des befristeten Umstrukturierungsbetrages nach

Artikel 11 Absatz 1 erster Unterabsatz dieser Verordnung setze demnach voraus, dass dem betreffenden Unternehmen zuvor eine Quote zugeteilt worden sei. Dieser Betrag sei diesfalls pro Tonne zugeteilter Quote zu bezahlen.

Von der Erhebung dieses Betrages seien nach

Artikel 11 Absatz 1 zweiter Unterabsatz der Verordnung nur diejenigen Quoten ausgenommen, die ein Unternehmer in einem bestimmten Wirtschaftsjahr gemäß Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung aufgegeben habe. Unter einer derartigen Zuckerquotenaufgabe sei ein definitiver Verzicht zur Gänze oder zum Teil auf eine Quote im Wirtschaftsjahr 2006/2007, 2007/2008, 2008/2009 oder 2009/2010 zu verstehen, die einem zuckererzeugenden Unternehmen zuvor bis 1. Juli 2006 durch den Mitgliedstaat zugeteilt worden war, und die zumindest einer Fabrik zugewiesen worden sei. Damit verbunden müssten auch die betroffenen Produktionsanlagen gänzlich oder teilweise abgebaut werden bzw. dürfe dort kein Rohzucker mehr raffiniert werden.

Sei infolge der präventiven Marktrücknahme nur jener Zucker, mit Ausnahme der zugeteilten Zusatzquote, als Quotenzucker des Wirtschaftsjahres 2006/2007 anzusehen, der bis zur oben angeführten Produktionsschwelle erzeugt worden sei, so habe die beschwerdeführende Partei weder dadurch, noch sonst im Wirtschaftsjahr 2006/2007 eine Quote im Sinne des Artikels 3 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 320/2006 aufgegeben. Nach dem eindeutigen Wortlaut des Artikels 11 Absatz 1 zweiter Unterabsatz dieser Verordnung könne jedoch nur eine derartige Quotenaufgabe zu einer Befreiung vom befristeten Umstrukturierungsbetrag führen.

1.4. Strittig ist im verwaltungsgerichtlichen Verfahren allein die Frage, ob der Umstrukturierungsbetrag gemäß Artikel 11 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 320/2006 von der gesamten zugeteilten Quote zu berechnen ist, wie dies die belangte Behörde getan hat, oder ob die der Berechnung zu Grunde zu legende Quote im Hinblick auf die Produktionsschwelle und die damit verbundene präventive Marktrücknahme zu vermindern sei. Nach dem Vorbringen der beschwerdeführenden Partei wäre der Umstrukturierungsbetrag nur von 348.565,56 t (anstatt von 405.812,4 t) zu berechnen.

Die beschwerdeführende Partei bringt in diesem Zusammenhang vor, dass sie die Differenzmenge von 57.246,34 t im Wirtschaftsjahr 2006/2007 nicht am Markt als Quotenzucker verkaufen könne, dass sie aber - folge man der Ansicht der belangten Behörde - im Wirtschaftsjahr 2006/2007 für diese Menge einen Umstrukturierungsbetrag zu zahlen habe. Die Differenzmenge könne gemäß Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 493/2006 in Verbindung mit Artikel 19 der Verordnung (EG) Nr. 318/2006 nur entweder auf Kosten der beschwerdeführenden Partei auf Lager gelegt werden und unter Anrechnung auf die nächstjährige Quote sodann im nächsten Wirtschaftsjahr verkauft werden, als Industriezucker zu einem weit unter dem Referenzpreis für Quotenzucker liegenden Nichtquoten-Zuckerpreis verkauft werden oder als Nichtquotenzucker im Rahmen der nach Artikel 39 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 318/2006 genannten Verfahren festgesetzten Mengenbegrenzungen zu Weltmarktpreisen exportiert werden.

Auch ein "Hinüberziehen" der auf Grund der präventiven Marktrücknahme verringerten Quotenbestände in das nächste Jahr würde bedeuten, dass im nächsten Jahr eine entsprechend geringere Quotenmenge produziert werden könnte, die von der präventiven Marktrücknahme betroffene Menge daher insoweit vom Absatz als Quotenmenge ausgeschlossen bliebe. Darüber hinaus würde im Wirtschaftsjahr 2007/2008 die "hinübergezogene Menge" neuerlich dem Umstrukturierungsbetrag unterworfen werden. Was die Nichtquotenerzeugung und die Verwertbarkeit als Industriezucker betreffe, sei damit eine beträchtliche wirtschaftliche Einbuße verbunden; betrage der Referenzpreis für das Wirtschaftsjahr 2006/2007 nämlich EUR 631,9 pro t, so liege der Preis für Industriezucker zwischen EUR 270 und EUR 350 pro t.

Die präventive Marktrücknahme gemäß Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 493/2006 bewirke daher, dass für den über dem Schwellenwert produzierten Anteil der Quote entweder gar kein Entgelt (bei Hinüberziehen auf die nächstjährige Quote) oder nur ein weit unter dem Referenzpreis liegender Nichtquoten-Zuckerpreis erzielt werden könne; dennoch sei die beschwerdeführende Partei als zuckererzeugendes Unternehmen verpflichtet worden, einen Umstrukturierungsbetrag auch für diese Zuckermengen zu bezahlen.

Die Miteinbeziehung dieser Differenzmenge, die auf Grund der Quotenkürzung gemäß Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 493/2006 im Wirtschaftsjahr 2006/2007 nicht zur Verfügung stehe, in die Bemessungsgrundlage des im Wirtschaftsjahr 2006/2007 zu leistenden Umstrukturierungsbetrages sei gemeinschaftsrechtlich unzulässig, weil sie gegen das primärrechtliche Verhältnismäßigkeitsgebot und das primärrechtliche Diskriminierungsverbot verstoße.

2. Voraussetzungen für die Vorlage nach Artikel 234 EG:

2.1. Der Verwaltungsgerichtshof geht zunächst davon aus, dass die beschwerdeführende Partei nicht zur Erhebung einer Nichtigkeitsklage nach Artikel 230 EG befugt war, sie sich somit im vorliegenden Rechtsstreit vor dem Verwaltungsgerichtshof auf die Rechtswidrigkeit eines Gemeinschaftsrechtaktes berufen kann.

2.2. Die vor dem Verwaltungsgerichtshof beschwerdeführende Partei bringt zum primärrechtlichen Diskriminierungsverbot gemäß

Artikel 34 Absatz 2 EG vor, dass die Kürzung durch die präventive Marktrücknahme nicht nach einem für alle Mitgliedstaaten einheitlicher Prozentsatz erfolge, sondern unter Anwendung von für die einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedlichen Koeffizienten. Der für die Kürzung maßgebliche Koeffizient bestimme sich dabei vor allem durch die Anzahl der Quoten, auf die in dem betreffenden Mitgliedstaat im Wirtschaftsjahr 2006/2007 gemäß Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 320/2006 insgesamt verzichtet worden sei. Je mehr Quoten in einem Mitgliedstaat im Wirtschaftsjahr 2006/2007 "stillgelegt" worden seien, umso geringer falle die Kürzung für den Mitgliedstaat und daher für die darin ansässigen Unternehmen aus. Daraus ergebe sich für die Unternehmen in den einzelnen Mitgliedstaaten eine unverhältnismäßige Kürzung ihrer Quoten. Unternehmen in Ländern mit geringerer Kürzung, also höherer Nettoquote, könnten mehr zu höheren Preisen absetzen als Unternehmen in Ländern mit höherer Kürzung. Unternehmen in Mitgliedsstaaten mit wenigen oder, wie in Österreich, überhaupt nur einem zuckererzeugenden Unternehmen, seien darüber hinaus von dieser Kürzung "naturgemäß" unverhältnismäßig stärker betroffen als Unternehmen in Mitgliedstaaten mit einer breiteren Unternehmensstruktur auf dem Zuckererzeugungssektor; dies sei bereits als eine Diskriminierung im Sinn des Artikel 34 Absatz 2 EG anzusehen.

Ein Vergleich der Auswirkungen dieser ungleichen Quotenkürzung in zwei gleich großen Mitgliedstaaten mit gleichen Quoten, die jeweils zu gleichen Teilen auf zwei im Land befindliche Unternehmen aufgeteilt seien, zeige deutlich, dass ein Verständnis des Artikels 11 der Verordnung (EG) Nr. 320/2006, wonach der Umstrukturierungsbetrag auch von jenem Teil der Quote zu zahlen sei, der auf Grund der präventiven Marktrücknahme dem Unternehmen nicht zur Verfügung stehe, eine gröbliche Benachteiligung eines Teiles der Unternehmen mit sich bringe und daher diskriminierend und gleichheitswidrig sei:

Wenn nämlich in einem dieser Mitgliedstaaten eines von den beiden produzierenden Zuckererzeugungsunternehmen seine Produktion ganz oder teilweise stilllege und seine Quote gemäß Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 320/2006 aufgebe, so sei das andere Unternehmen in dem Mitgliedstaat, das die Zuckerproduktion voll umfänglich aufrechterhalte, durch dieses Verhalten des anderen Unternehmens indirekt begünstigt. Im Verhältnis zu den vergleichbaren Unternehmen in dem anderen Mitgliedstaat, wo keines der beiden Unternehmen seine Produktion aufgebe oder einschränke, werde seine Quote nämlich auf Grund der von ihm nicht beeinflussbaren Aufgabe der Quote durch das zweite Unternehmen weniger stark gekürzt.

Unternehmen in den von der Kürzung stärker betroffenen Mitgliedstaaten könnten im Vergleich zu Unternehmen in anderen Mitgliedstaaten verhältnismäßig weniger Zucker zum Referenzpreis von EUR 631,9 pro t im Wirtschaftsjahr 2006/2007 verkaufen. Dies sei bereits als eine Diskriminierung im Sinn des Artikels 34 Absatz 2 EG anzusehen. Werde der Umstrukturierungsbetrag aber nun auch noch von der ungekürzten Quote berechnet, so bedeutet dies, dass diese Unternehmen nochmals benachteiligt würden, weil sie für die ihnen verbleibenden Zuckermengen auch noch einen geringeren Nettoreferenzpreis erhielten, als Unternehmen in Mitgliedstaaten mit geringerer Quotenkürzung.

Dies verstoße nicht nur gegen den allgemeinen gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, sondern insbesondere auch gegen das primärrechtliche Diskriminierungsverbot des Artikel 34 Absatz 2 EG, wonach jede Diskriminierung zwischen Erzeugern und Verbrauchern innerhalb der Gemeinschaft auszuschließen sei und die Preispolitik auf gemeinsamen Grundsätzen und einheitlichen Berechnungsmethoden beruhen müsse.

Eine Verpflichtung eines Zuckererzeugungsunternehmens zur Zahlung eines Umstrukturierungsbetrages von der durch die präventive Marktrücknahme dem Unternehmen gar nicht mehr zur Verfügung stehenden Quote sei daher wegen Primärrechtswidrigkeit jedenfalls unzulässig.

Nach der ständigen Rechtssprechung des EuGH seien Bestimmungen des abgeleiteten Gemeinschaftsrechts möglichst so auszulegen, dass sie mit dem EG-Vertrag und den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts vereinbar seien; Artikel 11 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 320/2006 wäre daher für die Vorschreibung des Umstrukturierungsbetrages im Wirtschaftsjahr 2006/2007 so auszulegen, dass unter "Quote" nur die der beschwerdeführenden Partei im Wirtschaftsjahr 2006/2007 tatsächlich zur Verfügung stehende Nettoquote zu verstehen sei. Soweit eine derartige Auslegung aber in der betreffenden Bestimmung keine Deckung finden könne, sei diese infolge Verstoßes gegen das primärrechtliche Diskriminierungsverbot des Artikel 34 Absatz 2 EG als ungültig anzusehen.

2.3. Hinsichtlich des ihrer Ansicht nach vorliegenden Verstoßes gegen das Verhältnismäßigkeitsgebot bringt die beschwerdeführende Partei vor dem Verwaltungsgerichtshof vor, dass der über der Produktionsschwelle produzierte Zucker jedenfalls nicht als Quotenzucker verkauft werden könne. Gemäß Artikel 3 Absatz 1 litera a der Verordnung (EG) Nr. 318/2006 sei für das Wirtschaftsjahr 2006/2007 von einem Referenzpreis von EUR 631,9 pro t Zucker auszugehen; nach Abzug des davon zu zahlenden Umstrukturierungsbetrages ergebe sich ein Nettoreferenzpreis von EUR 505,50 auf Produzentenebene. Dadurch, dass im angefochtenen Bescheid der Umstrukturierungsbetrag für die gesamte Quote, also ohne Berücksichtigung der durch die präventive Marktrücknahme dem Markt entzogenen Quote, vorgeschrieben worden sei, sinke der tatsächliche Nettoreferenzpreis weit unter den Betrag von EUR 505,50. Der auf die volle Quote berechnete Umstrukturierungsbetrag müsse nämlich nunmehr mit einer geringeren Quote, nämlich der verkürzten Quote, erreicht werden. Werde aber der durch die präventive Marktrücknahme im Wirtschaftsjahr 2006/2007 dem Markt entzogene Quotenteil gemäß Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 493/2006 in Verbindung mit Artikel 19 der Verordnung (EG) Nr. 318/2006 in das nächste Wirtschaftsjahr hinübergezogen, so gelte er als erster Quotenzucker des Wirtschaftsjahres 2007/2008 und werde dort wiederum für die Bemessung des Umstrukturierungsbetrages herangezogen. Dazu komme weiters, dass auf Quotenzucker des Jahres 2007/2008 gemäß

Artikel 16 der Verordnung (EG) Nr. 318/2006 auch eine Produktionsabgabe in der Höhe von EUR 12 pro t zu zahlen sei, wobei der Industrieanteil davon EUR 6 pro t Quotenzucker betrage, was die für die Unternehmen verbleibende Fabrikspanne noch weiter reduziere. Die Fabrikspanne sei danach bei Berechnung des Umstrukturierungsbetrages auch von dem aus dem Markt genommenen Quotenteil nach Produktionsabgabe nur noch etwa halb so groß, wie jene am Ende der Preissenkungsphase bzw. 62 % niedriger als die Fabrikspanne, die für den Quotenzucker im Wirtschaftsjahr 2006/2007 durch die Zuckermarktordnung vorgesehen sei.

Da die Marktrücknahme vor allem die wettbewerbsstarken Erzeuger treffe, die bisher noch keine Quote in dem Fonds, gegeben hätten, laufe eine solche diskriminierende Benachteiligung dem Kernziel der Zuckermarktreform, nämlich dem Abbau von unrentablen Zuckerproduktionen und damit der nachhaltigen Stärkung der wettbewerbsfähigen Standorte, "diametral" entgegen.

Dies sei nicht im Einklang mit dem gemeinschaftsrechtlich gebotenen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Ein derartiges Ergebnis widerspreche auch dem vierten Erwägungsgrund der Verordnung (EG) Nr. 320/2006, wonach die Umstrukturierungsbeihilfen durch die Einhebung von befristeten Umstrukturierungsbeträgen von den Zuckerproduzenten finanziert werden sollten, denen die Umstrukturierung letztendlich zu Gute komme. Wenn der Umstrukturierungsbetrag auf gar nicht vermarktbare Zuckermengen berechnet werde, komme es zu unverhältnismäßigen und diskriminierenden Belastungen der Zuckererzeugungsunternehmen, deren Quoten stark gekürzt würden. Ihnen kämen die von ihrer vollen Quote berechneten Umstrukturierungsbeträge wegen des niedrigeren Nettoreferenzpreises jedenfalls weniger zu Gute, als jenen Unternehmen, deren Quoten weniger stark gekürzt worden seien und die daher einen höheren Nettoreferenzpreis für die vermarkteten Zuckermengen erzielen könnten. Es könnte daher dazu kommen, dass stark belastete Unternehmen vom Markt verdrängt würden und ihnen der Umstrukturierungsbetrag niemals zu Gute komme. Es sei daher im Sinn einer verhältnismäßigen und daher primärrechtskonformen Regelung geboten, den Umstrukturierungsbetrag von jenem Quotenteil zu berechnen, der von den Unternehmen tatsächlich zum Referenzpreis vermarktet werden könne und der somit keinen wettbewerbsverzerrten Effekt habe.

2.4. Die beschwerdeführende Partei kommt daher insgesamt zu dem Ergebnis, dass bei der im Gemeinschaftsrecht gebotenen systematischen und primärrechtskonformen Auslegung

Artikel 11 der Verordnung (EG) Nr. 320/2006 jedenfalls dahin zu verstehen sei, dass nur von jenen Quoten ein Umstrukturierungsbetrag einzuheben wäre, die auch tatsächlich zum Referenzpreis auf dem Markt verkauft werden könnten.

Soweit eine derartige Auslegung aber in der betreffenden Bestimmung keine Deckung finden könne, sei diese in Folge Verstoßes gegen das primärrechtliche Verhältnismäßigkeitsgebot als ungültig anzusehen.

2.5. Die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts erscheint im vorliegenden Fall nicht als offenkundig. So zeigt etwa die Rechtsprechung des EuGH zur Auslegung des Diskriminierungsverbotes nach Artikel 34 Absatz 2 EG (vgl. etwa die Urteile vom 20. September 1988 in der Rechtssache 203/86, Spanien/Rat, Sammlung 1988, 4563, vom 13. Juli 2000 in der Rechtssache C 117/99, Unilet, Sammlung 2000, I 6077, vom 13. Januar 2005 in der Rechtssache C 126/04, Heineken Brouwereijen Sammlung 2005, I-00331) zu dieser spezifischen Ausformung des allgemeinen Gleichheitssatzes, dass es auch in Fällen von (behaupteter) Ungleichbehandlung eine Rechtfertigung für diese (behauptete) Differenzierung geben kann, also eine Abwägung im Einzelfall zu erfolgen hat.

Im Hinblick darauf erscheint es dem vorlegenden Gericht nicht von vornherein ausgeschlossen, dass Artikel 11 der Verordnung (EG) Nr. 320/2006 mit Primärrecht nicht zu vereinbaren ist, falls er nicht im Sinne der beschwerdeführenden Partei auszulegen ist. Gegen eine derartige Auslegung spricht jedoch der Wortlaut des Artikels 3 der Verordnung (EG) Nr. 493/2006 ebenso wie gegen das Vorliegen einer Diskriminierung der Systemzusammenhang und der Regelungszweck der Verordnungen (EG) Nr. 318/2006 des Rates vom 20. Februar 2006 über die gemeinsame Marktorganisation für Zucker, Nr. 320/2006 des Rates vom 20. Februar 2006 und Nr. 493/2006 der Kommission vom 27. März 2006.

Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die zu lösende gemeinschaftsrechtliche Frage bezogen auf die anzuwendende Rechtslage bislang in der Rechtsprechung des EuGH nach Ansicht des vorlegenden Gerichtes keine (ausreichende) Klärung erfahren hat. Es waren daher die eingangs formulierten Fragen dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zur Vorabentscheidung gemäß

Artikel 234 EG vorzulegen.

Wien, am 19. November 2007

Gerichtsentscheidung

EuGH 61999CJ0117 Unilet und Le Bars VORAB
EuGH 62004CJ0126 Heineken Brouwerijen VORAB

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2007170110.X00

Im RIS seit

21.04.2008

Zuletzt aktualisiert am

20.04.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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