TE Vwgh Erkenntnis 2007/11/28 2007/15/0058

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Veröffentlicht am 28.11.2007
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
61/01 Familienlastenausgleich;

Norm

FamLAG 1967 §10 Abs2;
FamLAG 1967 §10 Abs4;
FamLAG 1967 §2 Abs2;
FamLAG 1967 §2a;
FamLAG 1967 §46;
FamLAG 1967 §7;
FamLAGNov 1993 Art2 §4;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kinsky, über die Beschwerde des Finanzamtes Waldviertel in 3500 Krems an der Donau, Rechte Kremszeile 58, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 2. Februar 2007, GZ. RV/2205-W/05, betreffend Familienbeihilfe für Oktober 2005 (mitbeteiligte Partei: GM in B), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der Mitbeteiligte und seine Ehefrau führten einen gemeinsamen Haushalt, dem auch die gemeinsamen Kinder Daniel und Christian angehörten. Im Laufe des 2. Oktober 2005 ist die Ehefrau ausgezogen.

Mit Bescheid vom 10. November 2005 wurde der Antrag des Mitbeteiligten auf Familienbeihilfe für die beiden Kinder für den Monat Oktober 2005 abgewiesen. Das Finanzamt führte in seiner Begründung aus, dass derjenige Elternteil einen vorrangigen Anspruch auf Familienbeihilfe habe, der jenen Haushalt führe, dem das Kind angehöre. Bis zum Nachweis des Gegenteiles werde angenommen, dass die Mutter den Haushalt überwiegend führe. Da der Mitbeteiligte bis einschließlich 2. Oktober 2005 mit der Kindesmutter im gemeinsamen Haushalt gelebt habe, habe diese einen vorrangigen Anspruch auf Familienbeihilfe für den Monat Oktober.

Gegen diesen Bescheid erhob die mitbeteiligte Partei Berufung und führte aus, dass es nicht nachvollziehbar sei, einem Elternteil Familienbeihilfe für einen ganzen Monat zuzusprechen, wenn er im betreffenden Monat nur zwei Tage den Haushalt geführt habe.

Die belangte Behörde entschied über die Berufung mit dem angefochtenen Bescheid. Sie sprach aus, dass der Bescheid des Finanzamtes betreffend Abweisung des Antrages des Mitbeteiligten aufgehoben werde.

Die belangte Behörde stellte im angefochtenen Bescheid fest, dass die beiden Kinder des Mitbeteiligten vom 1. bis 2. Oktober 2005 dem gemeinsamen Haushalt der Eltern und ab 3. Oktober 2005 dem Haushalt des Mitbeteiligten angehört hätten. Der Beihilfenanspruch sei nach den rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten im Anspruchszeitraum zu beurteilen (Hinweis auf das hg Erkenntnis vom 29. September 2004, 2000/13/0103). Da im Streitzeitraum überwiegend kein gemeinsamer Haushalt zwischen dem Mitbeteiligten und der Kindesmutter bestanden habe und der Mitbeteiligte im Monat Oktober 2005 den Haushalt, in dem die Kinder lebten, überwiegend geführt habe, stehe ihm die Familienbeihilfe für diesen Zeitraum zu.

Gegen diesen Bescheid erhob das Finanzamt gemäß § 292 BAO Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 2 FLAG lautet auszugsweise:

"(1) Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,

a) für minderjährige Kinder, ...

(2) Anspruch auf Familienbeihilfe für ein in Abs. 1 genanntes Kind hat die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.

...

(5) Zum Haushalt einer Person gehört ein Kind dann, wenn es bei einheitlicher Wirtschaftsführung eine Wohnung mit dieser Person teilt.

...

Ein Kind gilt bei beiden Elternteilen als haushaltszugehörig, wenn diese einen gemeinsamen Haushalt führen, dem das Kind angehört."

§ 2a Abs. 1 FLAG lautet:

"Gehört ein Kind zum gemeinsamen Haushalt der Eltern, so geht der Anspruch des Elternteiles, der den Haushalt überwiegend führt, dem Anspruch des anderen Elternteiles vor. Bis zum Nachweis des Gegenteils wird vermutet, dass die Mutter den Haushalt überwiegend führt."

Gemäß § 7 FLAG wird die Familienbeihilfe für ein Kind nur

einer Person gewährt.

§ 10 FLAG lautet auszugsweise:

"(1) Die Familienbeihilfe wird nur auf Antrag gewährt; ...

(2) Die Familienbeihilfe wird vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.

(3)...

(4) Für einen Monat gebührt Familienbeihilfe nur einmal."

Wie sich aus § 2 Abs. 2 FLAG ergibt, knüpft der Anspruch auf Familienbeihilfe primär an die Haushaltszugehörigkeit an. Dabei geht das Gesetz erkennbar davon aus, dass ein Kind nur einem Haushalt angehören kann. Einerseits wird gemäß § 7 FLAG für ein Kind Familienbeihilfe nur einer Person gewährt, andererseits gibt es unter dem Gesichtspunkt "Haushaltszugehörigkeit" keine Regelungen über eine Reihung von potentiell anspruchsberechtigten Personen, etwa nach der Dauer oder dem Grad der Intensität einer solchen Zugehörigkeit. Lediglich dann, wenn das Kind dem gemeinsamen Haushalt beider Elternteile angehört, kennt das FLAG einen "Konkurrenzfall", der in § 2a geregelt ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. April 2007, 2006/13/0120).

Im vorliegenden Fall ist unstrittig, dass die beiden Kinder von 1. bis einschließlich 2. Oktober dem gemeinsamen Haushalt der Eltern und ab 3. Oktober dem Haushalt des Mitbeteiligten angehörten. Auf Grund der Regelung des § 2a FLAG ist davon auszugehen, dass am 1. und 2. Oktober die Mutter den Haushalt überwiegend geführt hat. Ab 3. Oktober gab es keinen gemeinsamen Haushalt der Eltern mehr; ab diesem Zeitpunkt gehörten die Kinder dem Haushalt an, der ausschließlich vom Mitbeteiligten geführt wurde. Somit ist festzustellen, dass in Bezug auf den Monat Oktober beide Elternteile die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für den Beihilfenanspruch erfüllten. Das Gesetz trifft keine ausdrückliche Aussage darüber, wessen Anspruch vorgeht, normiert aber in § 7 FLAG, dass die Familienbeihilfe für ein Kind nur einer Person gewährt wird, und in § 10 Abs. 4 FLAG, dass sie für einen Monat nur einmal gebührt.

Im hg Erkenntnis vom 29. September 2004, 2000/13/0103, auf welches sich die belangte Behörde stützt, wird lediglich ausgesprochen, die Frage, ob für einen bestimmten Zeitraum Familienbeihilfe zustehe, sei anhand der rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten im Anspruchszeitraum zu beantworten. Der gesetzlich festgelegte Anspruchszeitraum für die Familienbeihilfe sei der Monat. Das Bestehen des Familienbeihilfeanspruches für ein Kind könne somit je nach dem Eintritt von Änderungen der Sach- und oder Rechtslage von Monat zu Monat anders zu beurteilen sein. Den Fall, dass ein Kind in einem Monat zeitlich nacheinander unterschiedlichen Haushalten angehört, betrifft jenes Erkenntnis nicht.

Entgegen der Ansicht des beschwerdeführenden Finanzamtes nimmt die Regelung des § 10 Abs. 2 FLAG keine Anspruchsreihung dahingehend vor, dass nach den Verhältnissen am Monatsbeginn zu entscheiden wäre, wem der Anspruch auf Familienbeihilfe zusteht. Der erste Satz der genannten Bestimmung trifft eine Aussage darüber, dass, selbst wenn die Anspruchsvoraussetzungen erst im Laufe des Monats eintreten (beispielsweise die Geburt des Kindes), die Familienbeihilfe trotzdem bereits ab dem 1. des Monats gebührt. Nach dem zweiten Satz gebührt hingegen für den Fall, dass die Anspruchsvoraussetzungen im Laufe des Monats wegfallen, die Familienbeihilfe trotzdem bis zum Ablauf des Monats.

Das Finanzamt verweist auch auf Art. II § 4 Abs. 3 des Bundesgesetzes über die Änderung des FLAG 1967, BGBl 1993/246, in welcher Bestimmung in Bezug auf die Auszahlung der Familienbeihilfe im Rahmen der Selbstträgerschaft normiert werde, dass die Verhältnisse zu Beginn eines Kalendermonates maßgeblich seien. Aus dieser Norm lässt sich allerdings für den Standpunkt des Finanzamtes nichts gewinnen. Art. II § 4 BGBl 1993/246 betrifft das Verfahren der Auszahlung von Familienbeihilfe durch die in § 46 FLAG genannten Gebietskörperschaften und gemeinnützigen Krankenanstalten. Abs. 3 der genannten Bestimmung regelt, wie sich dies aus den Gesetzesmaterialien (ErlRV BlgNR XVIII GP, 766) ergibt, dass für die Frage, welche Körperschaft zur Auszahlung der Familienbeihilfe verpflichtet ist, die Verhältnisse zu Beginn eines Kalendermonats maßgeblich sind. Es geht also um die Frage, welcher der in § 46 FLAG genannten Selbstträger zur Auszahlung verpflichtet ist und ob überhaupt ein Selbstträger auszuzahlen hat. Eine Regelung über die materiellen Voraussetzungen eines Beihilfenanspruch wurde mit dieser Norm aber nicht getroffen.

Wie oben ausgeführt regelt § 2a FLAG den "Konkurrenzfall", der vorliegt, wenn das Kind dem gemeinsamen Haushalt beider Elternteile angehört, und stellt dabei auf die überwiegende Haushaltsführung ab. Auf die im Beschwerdefall anstehende Rechtsfrage, welcher Beihilfenanspruch vorgeht, wenn das Kind innerhalb eines Monates zeitlich hintereinander unterschiedlichen Haushalten angehört, kann diese Wertungsentscheidung des Gesetzgebers per Analogie zur Anwendung gebracht werden. Der für einen Monat nur einfach gebührende Beihilfenanspruch steht daher, wenn das Kind im Kalendermonat zeitlich hintereinander zu unterschiedlichen Haushalten gehört hat, in Anwendung des Überwiegensprinzips demjenigen zu, der für den längeren Zeitraum den Haushalt geführt hat (oder nach § 2a FLAG als Haushaltsführender vermutet wird).

Die belangte Behörde ist sohin im Beschwerdefall zu Recht davon ausgegangen, dass der Anspruch auf Familienbeihilfe für Oktober 2005 dem Mitbeteiligten zugekommen ist.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Wien, am 28. November 2007

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Analogie Schließung von Gesetzeslücken VwRallg3/2/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2007150058.X00

Im RIS seit

28.12.2007

Zuletzt aktualisiert am

21.05.2013
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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