TE Vfgh Beschluss 2008/6/16 B1767/07

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Veröffentlicht am 16.06.2008
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Index

40 Verwaltungsverfahren
40/01 Verwaltungsverfahren außer Finanz- und Dienstrechtsverfahren

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Legitimation
VStG §52b

Leitsatz

Zurückweisung der Beschwerde gegen die Zurückweisung einesDevolutionsantrags in einem Verwaltungsstrafverfahren mangelsBeschwer angesichts der bei Einlangen der Beschwerde bereitsergangenen Entscheidung der zuständigen Bezirkshauptmannschaft

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1.1. Mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Hallein

vom 18. August 2005 wurde gegen den Beschwerdeführer wegen einer Verwaltungsübertretung nach §3 der Verordnung der Landeshauptfrau von Salzburg vom 30. März 2005, LGBl. 31/2005 iVm §30 Abs1 Z4 Immissionsschutzgesetz-Luft (im Folgenden IG-L), BGBl. I 115/1997 idgF eine Geldstrafe in Höhe von € 250,- verhängt. Ihm wurde vorgeworfen, am 15. August 2005 als Lenker eines Personenkraftwagens auf der A 10 Tauernautobahn (Gemeinde Oberalm) die für das Sanierungsgebiet nach dem IG-L festgesetzte Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 36 km/h überschritten zu haben.

Mit Schriftsatz vom 30. August 2005 hat der Beschwerdeführer durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter - dessen Bevollmächtigung der Behörde mit demselben Schriftsatz angezeigt wurde - Einspruch gegen die Strafverfügung erhoben, einen Antrag auf Aktenübersendung gestellt und die Einräumung einer Frist zur Erstattung einer Rechtfertigung begehrt. Das zwischenzeitig von der Bezirkshauptmannschaft Hallein mit Schreiben vom 31. August 2005 gestellte Lenkerauskunftsersuchen wurde vom Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 7. September 2005 beantwortet. Nach Übermittlung des Verwaltungsaktes durch die Bezirkshauptmannschaft Hallein an die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn am 6. Oktober 2005 unter gleichzeitiger Einräumung einer Frist von drei Wochen für eine eventuelle Stellungnahme, erstattete der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 18. Oktober 2005 eine Rechtfertigung zu dem in der Strafverfügung erhobenen Vorwurf. Mit weiterem Schriftsatz vom 24. April 2006 nahm der Beschwerdeführer Stellung zu dem von der Behörde mit Schreiben vom 10. April 2006 übermittelten Eichschein.

Da die Bezirkshauptmannschaft Hallein bis 15. Juni 2007 kein Straferkenntnis erlassen hatte, stellte der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 15. Juni 2007 beim Unabhängigen Verwaltungssenat Salzburg (im Folgenden: UVS Salzburg) den Antrag auf Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung über seinen Einspruch vom 30. August 2005.

1.2. Mit Bescheid des UVS Salzburg vom 24. Juli 2007 wurde der Devolutionsantrag mit der Begründung zurückgewiesen, dass gemäß §52b VStG die Bestimmung des §73 AVG nur in Privatanklagesachen und im landesgesetzlichen Abgabenstrafrecht anzuwenden ist. Der UVS Salzburg führte ferner aus, dass nach seiner Auffassung im Verwaltungsstrafverfahren kein Regelungsbedarf im Sinne der Zulässigkeit eines Devolutionsantrages bestehe. Im Gegensatz etwa zu Administrativverfahren werde jedes Strafverfahren nach Ablauf von drei Jahren ab dem Tatzeitpunkt für einen Beschuldigten positiv durch Verjährung entschieden.

1.3. In der Folge erließ die Bezirkshauptmannschaft Hallein am 17. August 2007 das Straferkenntnis (das dem Beschwerdeführer nachweislich am 22. August 2007 zugestellt worden ist). Mit Schriftsatz vom 29. August 2007 erhob der Beschwerdeführer dagegen Berufung. Dieser Berufung wurde vom UVS Salzburg mit Bescheid vom 17. September 2007 gemäß §66 Abs4 AVG iVm §24 VStG Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis wurde aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß §45 Abs1 VStG eingestellt.

2. Am 18. September 2007 erhob der Beschwerdeführer die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde gegen den unter Punkt 1.2. genannten Bescheid des UVS Salzburg vom 24. Juli 2007, in der er die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf ein faires Verfahren nach Art6 EMRK und auf eine wirksame Beschwerde nach Art13 EMRK sowie wegen Anwendung der verfassungswidrigen Bestimmung des §52b VStG und der Verfassungsbestimmung des Art129a Abs1 Z4 B-VG bzw. dessen Passus "soweit es sich um Privatanklagesachen oder um das landesgesetzliche Abgabenstrafrecht handelt" geltend machte, die (kostenpflichtige) Aufhebung des Bescheides begehrte sowie die Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens anregte. Die Beschwerde langte beim Verfassungsgerichtshof am 21. September 2007 - dh. nach Erlassung des unter Punkt 1.3. genannten erstinstanzlichen Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Hallein - ein.

3. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift jedoch abgesehen.

4. Das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst hat auf Ersuchen des Verfassungsgerichtshofes eine Stellungnahme zum Beschwerdevorbringen erstattet.

II. Die Beschwerde ist nicht zulässig.

1. Gemäß Art144 B-VG kann gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde nach Erschöpfung des Instanzenzuges insbesondere wegen Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte Beschwerde erhoben werden. Voraussetzung der Zulässigkeit einer solchen Beschwerde ist zumindest die Möglichkeit der Verletzung der beschwerdeführenden Partei in subjektiven Rechten. Diese Voraussetzung muss - wie alle sonstigen Voraussetzungen für die Zulässigkeit - in dem Zeitpunkt bestehen, in dem die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof eingebracht wird.

Die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof gegen einen Bescheid setzt sohin auch ein Interesse der beschwerdeführenden Partei an der Beseitigung des angefochtenen Bescheides voraus. Ein solches Interesse der beschwerdeführenden Partei ist nur gegeben, wenn nach Aufhebung des Bescheides ein durch diesen bewirkter Rechtsnachteil der beschwerdeführenden Partei vermieden wird. Dabei kommt es nicht auf eine subjektive Beurteilung durch den Beschwerdeführer, sondern darauf an, ob bei Anlegung eines objektiven Maßstabes gesagt werden kann, dass der angefochtene Bescheid im Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung die Rechtsposition der beschwerdeführenden Partei zu deren Nachteil verändert (vgl. VfSlg. 11.764/1988, 16.516/2002, 27.6.2007 B1887/06).

Die vorliegende Beschwerde langte am 21. September 2007 beim Verfassungsgerichtshof ein. An diesem Tag konnte der Beschwerdeführer aber in den in der Beschwerde behaupteten subjektiven Rechten nicht mehr verletzt sein, weil zu diesem Zeitpunkt bereits eine Entscheidung der - angesichts der Zurückweisung des Devolutionsantrages - zu jeder Zeit des Verfahrens zuständig gewesenen Bezirkshauptmannschaft Hallein an ihn ergangen war (s. Punkt I.1.3.) und ihm somit - unabhängig von der Frage der Zulässigkeit eines Devolutionsantrages in Verwaltungsstrafverfahren - in dem in Rede stehenden Verfahren jedenfalls kein Recht auf eine Entscheidung im Devolutionsweg durch den UVS Salzburg mehr zustehen konnte. Der Beschwerdeführer konnte folglich durch den angefochtenen Bescheid gar nicht in seinen Rechten nach Art13 und Art6 EMRK verletzt sein, weil die belangte Behörde - auch für den Fall, dass die neue Rechtslage im Gefolge eines (allenfalls aufhebenden) Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes den Rechtsbehelf eines Devolutionsantrages für alle Verwaltungsstrafverfahren vorsehen würde - den Devolutionsantrag bei Erlassung des Ersatzbescheides jedenfalls mit der Begründung abweisen müsste, dass die Bezirkshauptmannschaft Hallein nicht mehr säumig ist.

2. Dem Beschwerdeführer fehlt daher die Beschwer, um den an ihn ergangenen Bescheid mit Verfassungsgerichtshofsbeschwerde anfechten zu können. Die Beschwerde ist daher mangels Legitimation als unzulässig zurückzuweisen (§19 Abs3 Z2 lite VfGG).

Schlagworte

VfGH / Legitimation, Beschwer, Verwaltungsstrafverfahren,Entscheidungspflicht, Devolution, Behördenzuständigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2008:B1767.2007

Zuletzt aktualisiert am

18.08.2010
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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