TE Vwgh Erkenntnis 2007/12/13 2003/14/0018

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Veröffentlicht am 13.12.2007
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Index

L34007 Abgabenordnung Tirol;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

BAO §288 Abs1 litd;
BAO §93 Abs3 lita;
EStG 1988 §22 Z2;
EStG 1988 §25 Abs1;
KommStG 1993 §5 Abs1;
LAO Tir 1984 §213 Abs1 litd;
LAO Tir 1984 §73 Abs3 lita;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Robl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pfau, über die Beschwerde der E GmbH in I, vertreten durch Dr. Michael Goller, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Edith-Stein-Weg 2, gegen den Bescheid der Berufungskommission in Abgabensachen bei der Stadtgemeinde Innsbruck vom 12. Dezember 2002, Zl. I-Rm-1025e/2002, betreffend Festsetzung der kommunalsteuerpflichtigen Bemessungsgrundlage für den Zeitraum 1.1.1997 bis 31.12.2001, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Landeshauptstadt Innsbruck hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Anlässlich einer bei der beschwerdeführenden GmbH (die in ihrem Firmenwortlaut den Begriff "Ergotherapie" führt) durchgeführten Nachschau gemäß § 116 TLAO wurde unter anderem festgestellt, dass die betreffende Kapitalgesellschaft die in den Jahren 1997, 1998, 2000 und 2001 gewährten "Praktikanten Entschädigungen" im Ausmaß von insgesamt S 31.700,-- (1997: S 9.000,--, 1998: S 2.700,--, 2000: S 15.000,-- und 2001: S 5.000,--) nicht der Kommunalsteuer unterworfen habe. Es sei daher diesbezüglich ein Betrag von S 951,-- (rund EUR 70,--) an Kommunalsteuer nachzufordern.

In der Folge erließ die Landeshauptstadt Innsbruck einen Bescheid über die Festsetzung von Kommunalsteuer für den Zeitraum 1.1.1997 bis 31.12.2001, in welchem (in einem Gesamtbetrag) unter anderem die entsprechende Nachforderung an Kommunalsteuer vorgeschrieben wurde.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung und führte im Zusammenhang mit den "Praktikumsentschädigungen" aus, die Empfänger dieser Entschädigungen seien Studierende an der Akademie für Ergotherapie, die im Rahmen ihrer Ausbildung eines von mehreren Pflichtpraktika absolvierten. Auch während des Praktikums seien die Studierenden durch ihre Zugehörigkeit zur Akademie ASVG-vollversichert, für eine Haftpflichtversicherung werde ebenfalls von der Akademie gesorgt. Die rechtliche Ausprägung eines Praktikumsplatzes stelle sich so dar, dass die Akademie mit der Praktikumsleiterin und der Praktikumsstelle in Kontakt trete und vorgebe, welche Inhalte während des Praktikums vermittelt werden sollten, wann dieses stattzufinden habe, über welchen Zeitraum sich dieses zu erstrecken habe und welche Anzahl an Wochenstunden von der "Praktikantin" zu leisten sei. Bei deutlichen Abweichungen von diesen Sollvorgaben habe sich die Praktikumsleiterin bzw. Praktikumsstelle mit der Akademie in Verbindung zu setzen und "um Anweisungen anzuhalten". Mit Beendigung des Praktikums werde der Praktikumsbericht von der Lehrtherapeutin und der Praktikumsstelle ausgefüllt und an die Akademie geschickt. Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen Praktikantin und Lehrtherapeutin sei die Akademie berufen, zu entscheiden und zu schlichten. Sollte sich die Praktikantin nicht an die von der Akademie vorgegebenen Anwesenheitszeiten halten, so sei dies der Akademie zu berichten und diese sei berufen, etwaige Sanktionen zu verhängen. Sollte die Praktikumsleiterin bzw. Praktikumsstelle der Meinung sein, dass das Praktikum abzubrechen sei, so sei das mit der Akademie zu besprechen und erst nach Zustimmung dieser zu beenden. Damit dürfte ausreichend dargelegt sein, dass "oben beschriebene Praktikanten weder in ihrem geschäftlichen Willen unter der Leitung" der Beschwerdeführerin stünden, noch in deren Organismus eingegliedert seien. Das Merkmal eines Dienstverhältnisses zwischen der Beschwerdeführerin und Praktikanten, nämlich das "Schulden der Arbeitskraft" fehle vollständig. Vielmehr verkenne die Behörde die Tatsache, dass eine Rechtsbeziehung zwischen Praktikantin und Akademie bzw. Akademie und Lehrtherapeutin/Ausbildungsstätte bestehe.

Nach Erlassung einer Berufungsvorentscheidung, in welcher zum Ausdruck gebracht wurde, dass die in der Berufung angeführten Rechtsbeziehungen zwischen den Praktikanten und der Akademie bzw. der Akademie und der "Lehrtherapeutin/Ausbildungsstätte" sowie "die daraus resultierenden Arbeitsabläufe" in keiner Weise in Frage gestellt würden, wurde hinsichtlich der Praktikumsentschädigung darauf verwiesen, dass es sich laut Aussage des Gesellschafters bei diesen Entschädigungen um eine freiwillige Entschädigung der Gesellschaft an die Praktikanten handle. Die "Praktikumsentschädigungen" würden unter anderem buchhalterisch auch als "Taschengeld Praktikant" tituliert. Die "Praktikumsentschädigungen" seien von der Gesellschaft an die Praktikanten für "deren Leistung im Unternehmen" gewährt worden und stellten daher Entgelt im Sinne des Kommunalsteuergesetzes 1993 dar. Aus "Sicht der Behörde" habe es sich um in den Betriebsorganismus eingegliederte, weisungsgebundene Arbeitskräfte gehandelt. Insgesamt ergebe sich daher das Bild, dass die Praktikanten im Rahmen ihrer Tätigkeit an die vorgegebenen Arbeitszeiten und Arbeitsorte sowie an die Weisungen der Lehrtherapeutin gebunden gewesen seien und diese mit den Betriebsmitteln des Unternehmens verrichtet hätten.

In ihrem "Antrag auf Vorlage der Berufung" führte die Beschwerdeführerin aus, dass es sich bei der "Praktikumsentschädigung" weder um einen Bezug im Sinne des § 22 Z. 2 EStG 1988 noch um einen Bezug im Sinne des § 25 Abs. 1 lit. a und b (gemeint wohl leg. cit.) handle. Es liege auch keine Eingliederung in den Betriebsorganismus vor. Es werde nochmals auf die Berufung verwiesen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab. Nach der "in der Berufungsschrift skizzierten rechtlichen Ausprägung eines Praktikumsplatzes" handle es sich gegenständlich um jene Art von Praktika, welche auf Grund schul- oder studienrechtlicher Vorschriften absolviert werden müssten. Daran anknüpfend sei festzustellen, dass im Hinblick auf die "Vorstellungslage aller daran Beteiligter - also Beschäftiger, Beschäftigte und die jeweilige Institution: hier Akademie für Ergotherapie", das Tätigwerden des Praktikanten (der Praktikantin) durch eine Arbeitspflicht desselben (derselben) getragen und charakterisiert sei. Unbeschadet der bestehenden Rechtsbeziehungen zwischen Akademie und Praktikumsstelle bzw. Akademie und Praktikanten erfolge auf Grund der dargelegten Sachlage im Rahmen der rechtlichen Beziehung zwischen Beschäftiger und Beschäftigten eine bewusste Entgegennahme und Erbringung von verpflichtenden Arbeitsleistungen in Ein- und Unterordnung in den betrieblichen Arbeitsprozess, d.h. die Unterwerfung unter betriebliche Ordnungsvorschriften, die Bindung an Arbeitsort, betriebliche Arbeitszeit und arbeitsbezogenes Verhalten, die Bindung an Anordnungen des Beschäftigers bzw. eine damit korrespondierende Kontrollunterworfenheit, woraus sich für die Abgabenbehörde zweiter Instanz die Qualifikation der Rechtsbeziehung zwischen Ausbildungsstelle und Praktikant als Arbeitsverhältnis eindeutig ergebe. Wie, wann und unter welchen sonstigen Umständen jemand während seiner Praktikumstätigkeit "Hand anlege", sei nämlich grundsätzlich und regelmäßig der Bestimmung durch den Beschäftiger überlassen. Der betriebliche Nutzen, den die Ausbildungsstelle aus der Beschäftigung von Praktikanten ziehe, manifestiere sich in der Gewährung von "Entschädigungen" durch die Beschwerdeführerin auf Grund von erbrachten Arbeitsleistungen der Praktikanten an die genannte Gesellschaft. Der Vollständigkeit halber verbleibe im gegebenen Zusammenhang noch anzumerken, dass die Praktikantenentschädigungen in der Gewinn-Verlustrechnung der Unternehmensbilanz als Betriebs(Personal-)aufwand buchhalterisch erfasst worden seien. Die Praktikumsentschädigungen seien daher "als Bemessungsgrundlage" für die Berechnung der Kommunalsteuer gemäß § 5 Abs. 1 KommStG 1993 "heranzuziehen".

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde erwogen:

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss die Begründung eines Bescheides erkennen lassen, welcher Sachverhalt der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die belangte Behörde zur Einsicht gelangt ist, dass gerade dieser Sachverhalt vorliegt und aus welchen Gründen die Behörde die Subsumtion dieses Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand für zutreffend erachtet. Die Begründung eines Bescheides muss in einer Weise erfolgen, dass der Denkprozess, der in der behördlichen Erledigung seinen Niederschlag findet, sowohl für Abgabepflichtigen als auch im Fall der Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes für diesen nachvollziehbar ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Mai 1997, 94/13/0200).

Diesen Anforderungen an eine Bescheidbegründung entspricht der angefochtene Bescheid nicht. Es ist weder nachvollziehbar, woraus die belangte Behörde ableitet, dass im Hinblick auf die "Vorstellungslage aller Beteiligter" das Tätigwerden der Praktikanten durch deren Arbeitspflicht getragen und charakterisiert sein sollte. Entsprechende Sachverhaltsfeststellungen zur "Vorstellungslage aller Beteiligter" enthält der angefochtene Bescheid nicht.

Es ist aber auch nicht nachvollziehbar, worauf die belangte Behörde ihre Annahme gründet, "wie, wann und unter welchen Umständen jemand während seiner Praktikumstätigkeit Hand anlegt" sei "grundsätzlich und regelmäßig der Bestimmung durch den Beschäftiger überlassen". Im Hinblick darauf, dass in der Berufung ausgeführt worden war, dass sich "die rechtliche Ausprägung" eines Praktikumsplatzes so darstelle, dass die Akademie mit der Praktikumsleiterin und der Praktikumsstelle in Kontakt trete und vorgebe, welche Inhalte während des Praktikums vermittelt werden sollten, wann dieses stattzufinden habe, über welchen Zeitraum sich dieses zu erstrecken habe und welche Wochenstundenzahl von der "Praktikantin" zu leisten sei, hätte die belangte Behörde konkrete Feststellungen zu treffen gehabt, "wie, wann und unter welchen Umständen" ein Praktikant während seiner Praktikumstätigkeit "Hand anzulegen" hatte und inwiefern diese Umstände entgegen dem Berufungsvorbringen vom "Beschäftiger" bestimmt wurden bzw. wer überhaupt "Beschäftiger" war. In diesem Zusammenhang wären auch Feststellungen erforderlich gewesen, was die Beschwerdeführerin unter der angeführten "Praktikumsleiterin" versteht.

Insgesamt erweist sich daher der angefochtene Bescheid als rechtswidrig infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Er war daher (wegen der untrennbaren Abgabenvorschreibung in einem Gesamtbetrag zur Gänze) gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 13. Dezember 2007

Schlagworte

Begründung Begründungsmangel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2003140018.X00

Im RIS seit

07.02.2008

Zuletzt aktualisiert am

05.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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