TE Vwgh Erkenntnis 2008/1/15 2007/15/0213

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.01.2008
beobachten
merken

Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §281;
BAO §288 Abs1 litd;
BAO §293;
BAO §93 Abs2;
BAO §93 Abs3 lita;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kinsky, über die Beschwerde der EE in B, vertreten durch Mag. Andreas Radaschitz, Rechtsanwalt in 8082 Kirchbach Nr. 5, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Graz, vom 27. März 2007, GZ RV/0295- G/06, betreffend Aussetzung der Entscheidung über eine Berufung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in Höhe von EUR 921,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist eine russische Staatsbürgerin, deren Asylverfahren mit Bescheid vom 3. März 2006 positiv beendet worden ist.

Mit Erledigung vom 14. März 2007 sprach die belangte Behörde aus, gemäß § 281 BAO werde die Entscheidung über die von der Beschwerdeführerin eingebrachten Berufung gegen die Bescheide des Finanzamtes betreffend Abweisung des Antrages auf Gewährung von Familienbeihilfe ab 1. Juni 2002 "bis zur Beendigung des beim Verwaltungsgerichtshof zu den GZ RV/0627-L/05, RV/0813-L/05 ua. schwebenden Verfahrens" ausgesetzt.

Diese Erledigung vom 14. März 2007 ist der Beschwerdeführerin zugekommen. Nachdem sie der belangten Behörde aber mitgeteilt hat, dass die Erledigung weder den richtigen Namen der Beschwerdeführerin noch deren richtige Anschrift enthält, hat die belangte Behörde den nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpften Bescheid mit Ausfertigungsdatum 27. März 2007 erlassen, dessen Inhalt sich von der Erledigung vom 14. März 2007 nur darin unterscheidet, dass er - abgesehen von einem Hinweis auf die Berichtigung in der Bescheidbegründung - die Bezeichnung "Gem.

§ 293 BAO berichtigter" Bescheid trägt und im Kopf den richtigen Namen und die richtige Anschrift der Beschwerdeführerin aufweist.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 93 Abs 2 BAO lautet:

"Jeder Bescheid ist ausdrücklich als solcher zu bezeichnen, er hat den Spruch zu enthalten und in diesem die Person (Personenvereinigung, Personengemeinschaft) zu nennen, an die er ergeht."

Im Spruch eines Berichtigungsbescheides nach § 293 BAO ist lediglich auszusprechen, inwieweit der Spruch eines vorangegangenen fehlerhaften Bescheides berichtigt wird (vgl Ritz, BAO3, § 293 Tz 18).

Ist die Bezeichnung des Adressaten einer Erledigung nicht zweifelsfrei, ist dem Gebot des § 93 Abs 2 BAO nicht entsprochen und kann der Erledigung nicht Bescheidcharakter beigemessen werden.

Im gegenständlichen Fall enthält der Spruch des angefochtenen Bescheides keine Aussage über die Berichtigung eines Bescheides. Im Spruch wird ausschließlich die Aussetzung der Entscheidung über die Berufung der Beschwerdeführerin (§ 281 BAO) verfügt. Im gegebenen Zusammenhang ergibt sich daraus, dass die belangte Behörde von einer unzureichenden Benennung des Bescheidadressaten in ihrer Erledigung vom 14. März 2007 ausgegangen ist.

Auch die Beschwerdeführerin bringt in ihrer Stellungnahme an den Verwaltungsgerichtshof vom 3. Oktober 2007 vor, dass die Erledigung vom 14. März 2007 in der Adressierung "eine Reihe von Unklarheiten" aufweise, sodass erst aus dem Bescheid vom 27. März 2007 erkennbar sei, dass es die Beschwerdeführerin - und damit nicht eine andere Person - sei, in deren Rechte eingegriffen werde.

Bei der gegebenen Sachlage war davon auszugehen, dass der Beschwerdeführerin gegenüber erstmals mit dem angefochtenen Bescheid (und damit nicht schon mit der Erledigung vom 14. März 2007) die Aussetzung der Entscheidung über ihre Berufung verfügt worden ist.

§ 281 BAO idF BGBl. I Nr. 97/2002, welcher die Aussetzung regelt, lautet:

"(1) Ist wegen einer gleichen oder ähnlichen Rechtsfrage eine Berufung anhängig oder schwebt sonst vor einem Gericht oder einer Verwaltungsbehörde ein Verfahren, dessen Ausgang von wesentlicher Bedeutung für die Entscheidung über die Berufung ist, so kann die Abgabenbehörde die Entscheidung über diese unter Mitteilung der hiefür maßgebenden Gründe aussetzen, sofern nicht überwiegende Interessen der Partei (§ 78) entgegenstehen.

(2) Nach rechtskräftiger Beendigung des Verfahrens, das Anlass zur Aussetzung gemäß Abs. 1 gegeben hat, ist das ausgesetzte Berufungsverfahren von Amts wegen fortzusetzen.

(3) Von der Abgabenbehörde erster Instanz erlassene Aussetzungsbescheide (Abs. 1) verlieren ihre Wirksamkeit, sobald die Partei (§ 78) die Fortsetzung des Berufungsverfahrens beantragt."

In der Beschwerde wird vorgebracht, der Ausgang der im Spruch des angefochtenen Bescheides genannten Verfahren sei keineswegs von wesentlicher Bedeutung für die Entscheidung über die Berufung der Beschwerdeführerin. Im Berufungsverfahren der Beschwerdeführerin gehe es nämlich um die Frage, ob Familienbeihilfe rückwirkend ab dem Antrag auf Asylerteilung (nach einem positiven Asylbescheid) zu gewähren sei.

Die Begründung eines Bescheides muss erkennen lassen, welcher Sachverhalt der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die Behörde zur Einsicht gelangt ist, dass dieser Sachverhalt vorliegt und aus welchen Gründen die Behörde die Subsumtion des Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand für zutreffend erachtet (vgl etwa das hg Erkenntnis vom 26. Juli 2007, 2005/15/0133).

Der angefochtene Bescheid wird diesen Ansprüchen an eine Bescheidbegründung nicht gerecht, weil er nicht erkennen lässt, im Hinblick auf welche Rechtsfrage die Aussetzung der Entscheidung über die Berufung verfügt worden ist. Dass die in der Beschwerde angeführte Rechtsfrage, ob im Falle der Asylgewährung rückwirkend ab dem Antrag auf Asyl Anspruch auf Familienbeihilfe bestehe, im Berufungsverfahren der Beschwerdeführerin die strittige Rechtsfrage ist, kann dem angefochtenen Bescheid genauso wenig entnommen werden wie die Rechtsfrage, die in den im Spruch des angefochtenen Bescheides mit Geschäftszahlen der belangten Behörde bezeichneten Verfahren die strittige ist.

Im Hinblick auf diesen Verstoß gegen die Begründungspflicht ist es dem Verwaltungsgerichtshof verwehrt zu beurteilen, ob der Ausgang der im Spruch des angefochtenen Bescheides bezeichneten Verfahren für die Entscheidung über die Berufung der Beschwerdeführerin von Bedeutung ist.

In ihrer Gegenschrift bringt die belangte Behörde vor, im Berufungsverfahren der Beschwerdeführerin sei die Rechtsfrage betreffend den Anwendungsbereich des § 3 FLAG in der Fassung des Pensionsharmonisierungsgesetzes, BGBl. I Nr. 142/2004, strittig. Aus verfahrensökonomischen Gründen sei daher darauf verwiesen, dass über eine solche Rechtsfrage bereits mit dem hg Erkenntnis vom 8. Februar 2007, 2006/15/0098, entschieden worden ist.

Der angefochtene Bescheid ist sohin mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet und war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 3 lit c VwGG aufzuheben.

Von der Durchführung einer Verhandlung konnte aus den Gründen des § 39 Abs 2 Z 3 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich im Rahmen des Antrages auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 15. Jänner 2008

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2007150213.X00

Im RIS seit

28.02.2008

Zuletzt aktualisiert am

01.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten