TE Vwgh Erkenntnis 2008/1/23 2005/08/0135

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.01.2008
beobachten
merken

Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §10 Abs1;
AlVG 1977 §38;
AVG §60;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde des Mag. WS in G, vertreten durch Reinhard Tögl Rechtsanwaltgesellschaft m.b.H. in 8010 Graz, Schmiedgasse 31, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Steiermark vom 13. Juni 2005, LGS600/SfA/0566/2005-SP/S, betreffend Verlust des Anspruchs auf Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Graz vom 4. Mai 2005 wurde ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer für den Zeitraum vom 1. Mai 2005 bis zum 11. Juni 2005 den Anspruch auf Notstandshilfe gemäß § 38 i.V.m.

§ 10 AlVG verloren habe. Begründend wurde nach Wiedergabe der angeführten Gesetzesbestimmungen ausgeführt, das Ermittlungsverfahren habe ergeben, der Beschwerdeführer habe die Arbeitsaufnahme bei der Firma S. verweigert. Worauf sich diese Feststellung stützt, wird in diesem Bescheid nicht dargelegt.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung führt der Beschwerdeführer aus, dass es nicht den Tatsachen entspreche, dass er die Arbeitsaufnahme bei der Firma S. verweigert habe. Er verweist dabei auf eine am 28. April 2005 bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Graz aufgenommene Niederschrift, in der er ausgeführt habe, dass er keinerlei Einwendungen gegen die angebotene Beschäftigung habe und sich gegenüber dem potentiellen Dienstgeber stets arbeitswillig erklärt habe. Das Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses sei durch das Arbeitsmarktservice selbst bedingt, welches möglicherweise ein eher allgemein gehaltenes E-Mail des Beschwerdeführers "mit dem Hinweis auf die Vermittlungspraxis dem AMS (vor allem hinsichtlich der Existenzsicherung durch die Verdienstmöglichkeiten aus angebotenen Beschäftigungen wie in meinem Fall)" zum Anlass genommen haben dürfte, sein "angebliches Desinteresse an der genannten Stelle anzunehmen". Für diese Annahme spreche, dass das Arbeitsmarktservice seine Kontaktperson beim potentiellen Dienstgeber ohne jegliche Rücksprache mit ihm dahingehend informiert habe, dass der Beschwerdeführer angeblich an dieser Stelle nicht interessiert sei. Diesen Sachverhalt habe der Beschwerdeführer bereits vor Erstellung des bekämpften Bescheides beim Arbeitsmarktservice niederschriftlich angegeben. Somit habe das Arbeitsmarktservice selbst die vom Beschwerdeführer gesetzten Bemühungen, eine angebotene Stelle anzunehmen, vereitelt.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers abgewiesen und den erstinstanzlichen Bescheid bestätigt.

Begründend führte die belangte Behörde - nach Darlegung des wesentlichen bisherigen Beschäftigungs- und Bezugsverlaufs des Beschwerdeführers - aus, dass dem Beschwerdeführer am 14. Februar 2005 von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Graz eine vom Arbeitsmarktservice geförderte Beschäftigung als Mitarbeiter bei S. angeboten worden sei. S. sei ein gemeinnütziges Beschäftigungsprojekt, das Langzeitbeschäftigungslosen die Chance auf Reintegration in den Arbeitsmarkt biete. In diesem Rahmen sei dem Beschwerdeführer eine Anstellung bei "culture unlimited" angeboten worden. Möglicher Arbeitsantritt wäre der 1. Mai 2005 gewesen. Das erste Bewerbungsgespräch am 9. März 2005 sei äußerst positiv verlaufen, der Beschwerdeführer habe den Wunsch geäußert, die angebotene Stelle zu bekommen, da sie sich auf Grund der geringen Arbeitszeit mit seinen privaten Verpflichtungen sehr gut vereinbaren lasse. Daher sei mit dem Beschwerdeführer vereinbart worden, dass er mit dem Vorstand am 1. April 2005 ein Abschlussgespräch habe, um die genauen Bedingungen seiner Arbeitsaufnahme am 1. Mai 2005 zu konkretisieren. Zu diesem Termin und zu zwei weiteren Terminen sei der Beschwerdeführer jedoch nicht erschienen. Vielmehr habe er telefonisch diese Gesprächstermine storniert, weil er keine Zeit gehabt habe. Daraufhin habe "der Verein" (gemeint offenbar der potentielle Dienstgeber S.) gemeldet, kein weiteres Interesse am Beschwerdeführer mehr zu haben. Laut Niederschrift vom 28. April 2005 habe der Beschwerdeführer erklärt, die Stelle nicht erhalten zu haben, da der Kursbetreuer des Arbeitsmarktservice Graz dem Verein abgeraten habe, ihn einzustellen. Da die Arbeitsaufnahme bei der Firma S. aus Verschulden des Beschwerdeführers nicht zu Stande gekommen sei, sei die Notstandshilfe des Beschwerdeführers für sechs Wochen, vom 1. Mai bis 11. Juni 2005, eingestellt worden.

In der Folge wird das Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers zusammengefasst und § 10 Abs. 1 und 3 AlVG wiedergegeben. Daran anschließend enthält der Bescheid folgende Ausführungen:

"Der Ausschuss für Leistungsangelegenheiten hat daher folgende Auffassung vertreten:

Wie Sie den gesetzlichen Bestimmungen entnehmen können, verliert ein Arbeitsloser seinen Anspruch auf Notstandshilfe, wenn er eine ihm zugewiesene zumutbare Beschäftigung nicht annimmt oder durch sein Verhalten eine mögliche Arbeitsaufnahme vereitelt.

Die Stelle bei St. WUK war Ihnen zumutbar.

Sie haben jedoch den Termin am 1. April nicht wahrgenommen und auch zwei weitere Gesprächstermine mit dem Vorstand nicht eingehalten.

Am Telefon haben Sie sich mit dem Grund entschuldigt, dass Sie keine Zeit hätten.

Es ist daher nicht weiter verwunderlich, dass der Verein an Ihrer Zuverlässigkeit und tatsächlichen Motivation, ab 1. Mai das Beschäftigungsverhältnis zu beginnen, zweifelte. Das Arbeitmarktservice Graz und Ihr Mail waren nicht der Grund, warum es zu keiner Anstellung kam. Vielmehr haben Ihre Berater und der Kursbetreuer bis zuletzt interveniert, um Ihnen diese Chance zu erhalten.

Da Sie jedoch die Termine im April nicht einhielten, verschuldeten Sie das Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnis selbst.

Ihre Notstandshilfe wurde daher zu Recht für die Dauer von 6 Wochen eingestellt und Ihrer Berufung war keine Folge zu geben."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Gemäß § 10 Abs. 1 AlVG verliert die arbeitslose Person, wenn sie sich weigert, eine ihr von der regionalen Geschäftsstelle zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, für die Dauer der Weigerung, mindestens jedoch für die Dauer der auf die Pflichtverletzung folgenden sechs Wochen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld.

2. Gemäß § 60 AVG sind in der Begründung eines Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen.

3. Mit dem angefochtenen Bescheid ist die belangte Behörde davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer einen mit dem potentiellen Dienstgeber vereinbarten Termin nicht wahrgenommen und zwei weitere Gesprächstermine mit dem Vorstand des potentiellen Dienstgebers nicht eingehalten und damit das Zustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses vereitelt habe.

Der angefochtene Bescheid lässt jedoch, worauf der Beschwerdeführer zutreffend hinweist, nicht erkennen, worauf die belangte Behörde ihre Feststellungen hinsichtlich der Terminabsagen bzw. der Nichtwahrnehmung eines Termins stützt.

4. Der Beschwerdeführer hat bereits in seiner Berufung ausgeführt, dass er sich bemüht habe, die angebotene Stelle anzunehmen, jedoch die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice ein von ihm an das Arbeitsmarktservice gerichtetes E-Mail zum Anlass genommen habe, dem potentiellen Dienstgeber gegenüber mitzuteilen, dass der Beschwerdeführer an der Beschäftigung nicht interessiert sei.

Weder den vorgelegten Verwaltungsakten noch dem angefochtenen Bescheid ist zu entnehmen, dass die belangte Behörde dieses Vorbringen des Beschwerdeführers überprüft hätte. Im Verwaltungsakt finden sich Eintragungen aus dem EDV-System des Arbeitsmarktservice, in denen einerseits festgehalten wurde, dass der Beschwerdeführer sich beim Bewerbungsgespräch sehr willig und bemüht gezeigt habe und auch die Vertreterin des potentiellen Dienstgebers den Eindruck gewonnen habe, dass er sehr an der angebotenen Stelle interessiert sei und sich auch um ein Gespräch mit der Obfrau bemüht habe; dieses Gespräch habe am 9. März 2005 stattgefunden, rund eine Stunde gedauert und sei von der Vertreterin des potentiellen Dienstgebers als sehr positiv gewertet worden.

In weiteren Eintragungen wird festgehalten, dass der Beschwerdeführer zu drei Veranstaltungen des Vereins eingeladen worden sei, damit er die Arbeit des Vereins und auch den Vorstand auf diesem Wege kennen lernen könne. Der Beschwerdeführer habe alle Einladungen mit der Begründung abgesagt, er habe keine Zeit und habe stattdessen an die Vertreterinnen des Dienstgebers "wunderliche E-Mails" geschickt, in denen er teilweise von sich in der dritten Person gesprochen habe. Auf Grund des offenkundigen Desinteresses und der Haltung, die im Widerspruch zu den Gesprächen stehe, sowie der E-Mails, hätten "TAG und culture unlimited" von einer Einstellung des Beschwerdeführers Abstand genommen.

Da aber Frau Mag. S. aus der ursprünglichen Intervention des Arbeitsmarktservice Graz geschlossen habe, dass dem Arbeitsmarktservice sehr viel an einer Hilfestellung für den Beschwerdeführer durch das Projekt liege, habe sie und der Vorstand des Vereins beschlossen, abzuwarten, ob der Beschwerdeführer einen Termin am 1. April 2005 wahrnehme. In einem weiteren Eintrag im EDV-System wird festgehalten, dass "das Projekt TAG und der Verein unculture limited" den Beschwerdeführer angerufen und ihm mitgeteilt hätten, dass sie ihn auf Grund seines gesamten Verhaltens, besonders aber wegen seiner merkwürdigen E-Mails, nicht als Mitarbeiter nehmen würden.

Weiters enthält der Verwaltungsakt einen Ausdruck aus dem EDV-System des Arbeitsmarktservice mit einem an das Arbeitsmarktservice gerichteten E-Mail des Beschwerdeführers mit Bezug auf die zugewiesene Beschäftigung.

5. Aus den vorgelegten Unterlagen lässt sich nicht nachvollziehen, wie die belangte Behörde zum Ergebnis des angefochtenen Bescheides gekommen ist. Der Beschwerdeführer hat eine von der Darstellung des Arbeitsmarktservice vollkommen abweichende Darstellung des Ablaufs gegeben und insbesondere auch vorgebracht, dass seitens des Arbeitsmarktservice die Kontaktperson des Beschwerdeführers beim potentiellen Dienstgeber ohne Rücksprache mit dem Beschwerdeführer informiert worden sei, dass der Beschwerdeführer an der angebotenen Beschäftigung nicht interessiert sei.

Die belangte Behörde hat es dennoch unterlassen, diesbezügliche Ermittlungen vorzunehmen und nachvollziehbare Feststellungen zu treffen. Den Verwaltungsakten lässt sich nicht entnehmen, dass die belangte Behörde nach Vorlage der Berufung durch die erstinstanzliche Behörde überhaupt ein Ermittlungsverfahren durchgeführt hätte.

6. Da dem angefochtenen Bescheid weder nachvollziehbare Feststellungen noch überhaupt Erwägungen zur Beweiswürdigung zu entnehmen sind, ist dem Verwaltungsgerichtshof eine Überprüfung auf seine inhaltliche Rechtmäßigkeit nicht möglich. Der angefochtene Bescheid erweist sich daher als mit einem wesentlichen Verfahrensmangel behaftet, sodass er schon aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 23. Jänner 2008

Schlagworte

Begründung Begründungsmangel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2005080135.X00

Im RIS seit

15.02.2008

Zuletzt aktualisiert am

01.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten