TE Vwgh Erkenntnis 2008/2/20 2008/08/0013

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Veröffentlicht am 20.02.2008
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §10 Abs1 Z4;
AlVG 1977 §10 Abs3;
AlVG 1977 §12 Abs8;
AlVG 1977 §9 Abs3;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Moritz, Dr. Lehofer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde der AB in W, vertreten durch Dr. Anton Krautschneider und Dr. Erich Jungwirth, Rechtsanwälte in 1080 Wien, Trautsongasse 6, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 5. Dezember 2007, Zl. 2007-0566-9- 001334, betreffend Verlust des Anspruchs auf Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und dem ihr angeschlossenen angefochtenen Bescheid ergibt sich der folgende entscheidungswesentliche Sachverhalt:

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde ausgesprochen, dass die Beschwerdeführerin in der Zeit vom 30. August bis zum 10. Oktober 2007 ihren Anspruch auf Notstandshilfe gemäß § 10 AlVG verloren hat. Begründend führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin beziehe seit 30. Oktober 2003 Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung, seit 27. Juli 2004 in Form von Notstandshilfe. Am 14. August 2007 sei mit der Beschwerdeführerin von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice eine Niederschrift aufgenommen worden, in der die Beschwerdeführerin aufgefordert worden sei, wöchentlich zumindest zwei Bewerbungen glaubhaft zu machen. Angesichts der persönlichen Verhältnisse und des Ausbildungsstandes der Beschwerdeführerin (sie habe Berufserfahrung als Musiklehrerin und Kenntnisse der italienischen, französischen und türkischen Sprache) seien zwei Bewerbungen wöchentlich zumutbar. Hinzu komme der derzeitige dynamische Arbeitsmarkt in Wien sowie die Tatsache, dass der Beschwerdeführerin als Notstandshilfebezieherin kein Berufsschutz zukomme, d.h. dass es ihr auch zumutbar sei, sich im nichtakademischen Bereich und in Form sogenannter Blindbewerbungen zu bewerben. Diese Niederschrift sei von der Beschwerdeführerin unterschrieben worden. Am 30. August 2007 habe sie keine Nachweise vorlegen können und angegeben, sich weiterhin als Angestellte des Landes Tirol zu betrachten. Die Beschwerdeführerin habe in ihrer Berufung auch eingewendet, dass sie sich in einem langwierigen Rechtsstreit mit dem Land Tirol befinde, in dem sie sich gegen eine ungerechtfertigte Entlassung zur Wehr setze. Die Rechtssache wäre nunmehr beim Obersten Gerichtshof anhängig und die Beschwerdeführerin betrachte sich nach wie vor als Angestellte des Landes Tirol und wäre daher nicht in der Lage, eine Beschäftigung anzunehmen. Die Abgabe von Bewerbungen wäre daher "zum derzeitigen Zeitpunkt nicht sinnvoll".

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, dass eine arbeitslose Person, die auf Aufforderung durch die regionale Geschäftsstelle nicht bereit oder in der Lage sei, ausreichende Anstrengungen zu Erlangung einer Beschäftigung nachzuweisen, für die Dauer der Weigerung, mindestens jedoch für die Dauer der auf die Pflichtverletzung folgenden 6 Wochen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld verliere. Zum Einwand des Vorliegens eines Dienstverhältnisses bzw. dem von der Beschwerdeführerin in ihrer Berufung gegebenen Verweis auf § 12 Abs. 8 AlVG sei darauf hinzuweisen, dass zum Entscheidungszeitpunkt kein rechtskräftiges Urteil über das Vorliegen eines Dienstverhältnisses beim Land Tirol vorliege. Die Beschwerdeführerin stehe daher derzeit in keinem Dienstverhältnis, sodass Arbeitslosigkeit gemäß § 12 AlVG gegeben sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. § 7 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG) in der im vorliegenden Fall maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 102/2005, lautet - soweit hier maßgebend - wie folgt:

"§ 7. (1) Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, wer

1.

der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht,

2.

die Anwartschaft erfüllt und

3.

die Bezugsdauer noch nicht erschöpft hat.

(2) Der Arbeitsvermittlung steht zur Verfügung, wer eine Beschäftigung aufnehmen kann und darf (Abs. 3) und arbeitsfähig (§ 8), arbeitswillig (§ 9) und arbeitslos (§ 12) ist.

(3) Eine Beschäftigung aufnehmen kann und darf eine Person,

1. die sich zur Aufnahme und Ausübung einer auf dem Arbeitsmarkt üblicherweise angebotenen, den gesetzlichen und kollektivvertraglichen Vorschriften entsprechenden zumutbaren versicherungspflichtigen Beschäftigung bereithält, 2. die sich berechtigt im Bundesgebiet aufhält, um eine unselbständige Beschäftigung aufzunehmen und auszuüben, und 3. die nicht den Tatbestand des § 34 Abs. 3 Z 2 des Fremdengesetzes 1997 (FrG), BGBl. I Nr. 75, unter Berücksichtigung des § 34 Abs. 4 FrG erfüllt.

(4) Von der Voraussetzung der Arbeitsfähigkeit ist bei Arbeitslosen abzusehen, denen Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation gewährt wurden, die das Ziel dieser Maßnahmen (§ 300 Abs. 1 und 3 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes) erreicht und die erforderliche Anwartschaft nach dieser Maßnahme zurückgelegt haben."

Gemäß § 9 Abs. 1 AlVG ist arbeitswillig, wer bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle vermittelte zumutbare Beschäftigung anzunehmen, sich zum Zwecke beruflicher Ausbildung nach- oder umschulen zu lassen, an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt teilzunehmen, von einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit Gebrauch zu machen und von sich aus alle gebotenen Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung zu unternehmen, soweit dies entsprechend den persönlichen Fähigkeiten zumutbar ist.

2. Die Beschwerde nimmt mehrfach auf eine Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt Bezug und geht offenbar davon aus, dass der Verlust des Notstandshilfeanspruchs der Beschwerdeführerin damit begründet worden sei, dass sich diese ohne wichtigen Grund geweigert habe, an einer derartigen Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt teilzunehmen.

Dieses Beschwerdevorbringen geht am angefochtenen Bescheid vorbei, da mit diesem der Verlust des Notstandshilfeanspruchs der Beschwerdeführerin nicht auf Grund einer Pflichtverletzung gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AlVG (Verweigerung - ohne wichtigen Grund - der Teilnahme an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt oder Vereitelung des Erfolgs der Maßnahme) ausgesprochen wurde, sondern der Beschwerdeführerin als Pflichtverletzung angelastet wurde, dass sie der Aufforderung durch die regionale Geschäftsstelle, ausreichende Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung nachzuweisen, nicht nachgekommen ist (§ 10 Abs. 1 Z. 4 AlVG).

3. Die Beschwerdeführerin bringt vor, dass sie ein Musikhochschuldiplom für Gesang und Oper (künstlerisches Fach) und zusätzlich eine Lehrbefähigung für Gesang und Unterstufe Klavier (pädagogisches Fach) habe. Sie sei primär Sängerin und darüber hinaus Musikschullehrerin (nicht Musiklehrerin). Weiters habe sie keine relevante Ausbildung und keine spezifischen Kenntnisse, welche ihr - auch angesichts ihres Alters - die Aufnahme einer Berufstätigkeit, in der sie ihre Kenntnisse einsetzen könne, ermöglichen würden. Sie habe in der Niederschrift auch angegeben, dass sie immer dann, wenn eine Stelle ausgeschrieben werde, für die sie die entsprechende Ausbildung habe, eine Bewerbung abgebe, und dass sie darüber hinaus eine Dauerbewerbung beim niederösterreichischen Musikschulwerk deponiert habe.

Die Beschwerdeführerin bringt weiters vor, die gesetzliche Bestimmung des § 9 Abs. 1 AlVG könne ihrem Sinngehalt nach nur auf rechtskräftig aufgelöste Arbeitsverhältnisse angewendet werden, da es ihr als Bedienstete des Landes Tirol - wie sie im Ermittlungsverfahren der Verwaltungsbehörde dargelegt habe - nach den gesetzlichen Bestimmungen gar nicht möglich wäre, während des laufenden Arbeitsgerichtsprozesses eine (weitere) Beschäftigung anzunehmen. Bei richtiger rechtlicher Interpretation der gesetzlichen Bestimmungen habe die Beschwerdeführerin keine Pflichtverletzung nach dem AlVG begangen. Die belangte Behörde habe Verfahrensvorschriften verletzt, da der Beschwerdeführerin beim gegebenen Sachverhalt nicht unterstellt werden könne, sie habe ein Defizit hinsichtlich einer Arbeitsaufnahme, zumal nach dem Rechtsstandpunkt der Beschwerdeführerin ein aufrechtes Dienstverhältnis bestanden habe. Die Beschwerdeführerin habe ihren Anspruch auf Bestand des Dienstverhältnisses zum Land Tirol gerichtlich geltend gemacht und sei - solange die zuständige Behörde nicht rechtskräftig entschieden habe, oder vor der zuständigen Behörde ein Vergleich geschlossen worden sei - nicht verpflichtet, sich während des laufenden Prozesses vom Arbeitsmarktservice vermitteln zu lassen.

4. Mit diesem Vorbringen nimmt die Beschwerdeführerin auf § 12 Abs. 8 AlVG Bezug, wonach als arbeitslos gilt, wer auf Grund eines allenfalls auch ungerechtfertigten Ausspruches über die Lösung seines einen Kündigungs- oder Entlassungsschutz genießenden Dienstverhältnisses nicht beschäftigt wird, und zwar bis zu dem Zeitpunkt, in dem durch die zuständige Behörde das allfällige Weiterbestehen des Beschäftigungsverhältnisses rechtskräftig entschieden oder vor der zuständigen Behörde ein Vergleich geschlossen wurde.

Wie die belangte Behörde - von der Beschwerdeführerin unbekämpft - festgestellt hat, bestand für das Dienstverhältnis der Beschwerdeführerin zum Land Tirol kein besonderer Kündigungs- bzw. Entlassungsschutz, sodass die Anwendung des § 12 Abs. 8 AlVG schon aus diesem Grund ausscheidet.

Zudem verkennt die Beschwerdeführerin, dass die Sonderbestimmung des § 12 Abs. 8 AlVG dazu dient, dass an Personen, die in einem Dienstverhältnis stehen, welches durch die bloße Entlassungserklärung nicht aufgelöst ist, die jedoch nicht tatsächlich beschäftigt werden, Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung erbracht werden können, sofern die sonstigen Voraussetzungen, wie insbesondere die Arbeitswilligkeit und die Arbeitsfähigkeit vorliegen.

Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde auch nicht das Vorliegen der Arbeitslosigkeit verneint, sondern ist zum Ergebnis gekommen, dass die Beschwerdeführerin nicht bereit oder in der Lage gewesen sei, auf Aufforderung durch die regionale Geschäftsstelle ausreichende Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung nachzuweisen.

5. Wie der Verwaltungsgerichtshof - zuletzt im Erkenntnis vom 19. September 2007, Zl. 2006/08/0337 - ausgesprochen hat, ist es grundsätzlich Aufgabe der Behörde zu beurteilen, ob die nachgewiesenen Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung unter den konkreten Verhältnissen vor dem Hintergrund des Umfeldes auf dem konkret in Frage kommenden Teil des Arbeitsmarktes nach den persönlichen Verhältnissen des Arbeitslosen ausreichend waren oder nicht. Die Bescheidbegründung hat die diesbezüglichen Erwägungen darzulegen und auch eine Würdigung der Anstrengungen des Arbeitslosen zu enthalten. Hiebei ist das Gesamtverhalten des Arbeitslosen von der Aufforderung bis zur Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides zu beurteilen.

Im vorliegenden Fall hat sich die belangte Behörde zwar mit dem Hinweis der Beschwerdeführerin, sie gebe immer dann, wenn eine Stelle ausgeschrieben werde, für die sie die entsprechende Ausbildung habe, eine Bewerbung ab und habe darüber hinaus eine Dauerbewerbung beim niederösterreichischen Musikschulwerk deponiert, nicht im Detail auseinander gesetzt. Die Beschwerdeführerin vertrat aber schon vor der erstinstanzlichen wie auch vor der belangten Behörde die - auch in ihrer Beschwerde vorgebrachte - Auffassung, dass es ihr nicht möglich wäre, während des laufenden Arbeitsgerichtsprozesses eine Beschäftigung anzunehmen, bzw. dass sie jedenfalls nur für solche Stellen Bewerbungen abgeben möchte, welche in ihrem früher ausgeübten Berufsfeld liegen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2007/08/0219, ausgesprochen hat, kann es keinem Zweifel unterliegen, dass eine grundsätzliche und nachhaltige Weigerung, auch in Eigeninitiative eine Beschäftigung zu suchen, im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 4 AlVG zum Verlust des Anspruchs in der dort vorgesehenen Dauer führt. Nichts anderes kann gelten, wenn sich die Beschwerdeführerin, der als Notstandshilfebezieherin der Berufsschutz des § 9 Abs. 3 AlVG nicht mehr zukommt, generell weigert, in Eigeninitiative auch eine Beschäftigung zu suchen, die nicht in ihrem früheren Tätigkeitsbereich liegt.

Vor diesem Hintergrund begegnet es keinen Bedenken, wenn die belangte Behörde zum Ergebnis gekommen ist, dass die Beschwerdeführerin keine ausreichenden Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 4 AlVG nachgewiesen hat.

6. Die Beschwerdeführerin hat in ihrer Beschwerde kein konkretes Vorbringen im Hinblick auf die nicht erteilte Nachsicht gemäß § 10 Abs. 3 AlVG erstattet, sodass auf diese Frage nicht näher eingegangen werden kann. Es ist jedoch darauf zu verweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2007/08/0219, auch festgehalten hat, dass ein berücksichtigungswürdiger Grund gemäß § 10 Abs. 3 AlVG nicht vorliegt, wenn sich der Arbeitslose auch nach entsprechender Belehrung generell weigert, Eigeninitiative zu entwickeln.

7. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, dass die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war sie gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 20. Februar 2008

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2008080013.X00

Im RIS seit

08.04.2008

Zuletzt aktualisiert am

06.11.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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