TE Vwgh Erkenntnis 2008/2/20 2005/08/0198

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Veröffentlicht am 20.02.2008
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Index

66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;
66/03 Sonstiges Sozialversicherungsrecht;

Norm

Allg PensionsG 2005 §5 Abs4;
FSVG §16;
FSVG §2 Abs2;
FSVG §21e;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde der Dr. SG in Wien, vertreten durch Dr. Charlotte Böhm, Rechtsanwältin in 1020 Wien, Taborstraße 10/2, gegen den Bescheid der Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz vom 22. Juni 2004, Zl. BMSG- 229.311/0001-II/A/3/2005, betreffend Versicherungspflicht nach dem FSVG (mitbeteiligte Partei: Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft in 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84-86), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für Soziales und Konsumentenschutz) Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 19. März 2004 stellte die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft fest, dass die Befreiung der Beschwerdeführerin von der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach § 16 Z. 2 iVm § 21e FSVG mit 28. Februar 2001 geendet habe und sie gemäß § 2 Abs. 2 FSVG ab 1. März 2001 bis auf weiteres versichert sei.

Dem Einspruch der Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid gab der Landeshauptmann von Wien mit Bescheid vom 24. Jänner 2005 keine Folge.

Gestützt auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs (Hinweis auf die hg. Erkenntnisse vom 8. Februar 1994, Zl. 93/08/0234, und vom 20. September 2000, Zl. 97/08/0617) und des Verfassungsgerichtshofes führte der Landeshauptmann aus, dass der Bestand einer Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung neben dem Bezug einer Alterspension verfassungsgesetzlich unbedenklich sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführerin ab.

Nach Darstellung des Verfahrensganges und Wiedergabe der § 2 Abs. 1 FSVG, § 16 FSVG und § 21e Abs. 1 FSVG stellte die belangte Behörde fest, dass die Beschwerdeführerin seit 1971 als Fachärztin tätig sei. Vom 1. Jänner 1979 bis 28. Februar 2001 sei sie nach dem ASVG freiwillig weiterversichert gewesen und habe mit 1. März 2001 die Alterspension aus dieser Versicherung angetreten. Seither sei sie weiterhin freiberuflich neben dem Pensionsbezug als Fachärztin tätig. Auf Grund ihres Antrags vom 25. Juni 1979 sei die Beschwerdeführerin gemäß § 16 Z. 2 GSVG und § 21e FSVG in der jeweils geltenden Fassung für die Dauer der Weiterversicherung in der Pensionsversicherung nach dem ASVG in der Zeit vom 1. September 1979 bis zum 28. Februar 2001 von der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung befreit gewesen.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, dass durch den Wegfall des Befreiungstatbestandes der Weiterversicherung in der Pensionsversicherung nach dem ASVG gemäß § 16 FSVG in der damals geltenden Fassung sowie durch die weitere freiberufliche Tätigkeit als Fachärztin und eingetragenes Mitglied der Ärztekammer die Beschwerdeführerin den Tatbestand des § 2 Abs. 2 FSVG erfülle und sie daher in der Unfall- und Pensionsversicherung der in der gewerblichen Wirtschaft selbständig Erwerbstätigen pflichtversichert sei.

Unter Bezugnahme auf die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zur 22. Novelle zum GSVG, 886 BlgNR 20. GP, und Ausführungen zum Gleichheitsgrundsatz argumentierte die belangte Behörde weiter, dass der Gesetzgeber auch von einer Durchschnittsbetrachtung ausgehen und auf den Regelfall abstellen könne. Unter Bedachtnahme auf die angeführte Judikatur schloss die belangte Behörde, dass durch die dem Beschwerdefall zu Grunde liegende Rechtslage der Gleichheitsgrundsatz nicht verletzt werde, auch wenn mit der getroffenen Regelung Härten verbunden sein mögen.

Dem Vorbringen der Beschwerdeführerin hielt die belangte Behörde entgegen, dass "das Bestehen einer ASVG-Versicherung gleichwertigen, auf früheren oder gegenwärtigen Beiträgen gegründeten sozialrechtlichen Absicherung die Versicherungspflicht grundsätzlich nicht ausschließt". Der Grundsatz der Mehrfachversicherung habe zur Folge, dass - abgesehen von den in den Gesetzen eigens vorgesehenen Subsidiaritäten - für jedes Beschäftigungsverhältnis eine eigene Versicherungspflicht ausgelöst werde. Das System der Mehrfachversicherung sei bereits aus verschiedenen Anlässen vom Verfassungsgerichtshof geprüft und dem Grundsatz nach für verfassungskonform befunden worden. Auf Grund der Durchschnittsbetrachtung werde in Kauf genommen, dass Versicherte in Einzelfällen trotz ihrer Einbindung in die Pflichtversicherung aller Voraussicht nach keine Leistungen erhalten werden.

Eine allfällige Versicherungspflicht werde daher nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Erwerbstätige ihrer nicht bedarf, das heißt, dass es außer im Bereich der Unfallversicherung kein abzudeckendes Risiko gäbe. Dafür spreche das Solidaritätsprinzip der Sozialversicherung, das mit sich bringe, dass in Kauf genommen werden müsse, dass es trotz Versicherungspflicht faktisch zu keinem Leistungsanfall komme. Der Verfassungsgerichtshof gehe im Rahmen der abwägenden Verhältnismäßigkeitsprüfung von einer Durchschnittsbetrachtung aus. Es komme dabei weniger auf die Größe des betroffenen Personenkreises als vielmehr auf die Intentionalität oder das Gewicht des Effekts an.

Die belangte Behörde argumentierte, dass für die Pflichtversicherung zwei Aspekte maßgeblich seien. Einmal gehe es um die Frage, welche Personengruppe sozialen Schutz benötige. Das zweite Ziel der Pflichtversicherung bestehe darin, der Versichertengemeinschaft eine stabile Grundlage zu geben und durch die Einbeziehung sämtlicher, von gleichartigen Risiken bedrohter Personen einen möglichst umfassenden Riskenausgleich herzustellen. Der Verfassungsgerichtshof habe wiederholt ausgesprochen, dass die Sozialversicherung von dem Grundgedanken getragen werde, dass die Angehörigen eines Berufsstandes eine Riskengemeinschaft bilden, in der der Versorgungsgedanke im Vordergrund stehe, welcher den Versicherungsgedanken in der Ausprägung der Vertragsversicherung zurückdränge und dass überhaupt der Gedanke von einem unmittelbaren Zusammenhang zwischen Beiträgen und Leistungen in der Sozialversicherung verfassungsrechtlich verfehlt sei. Darüber hinaus sei es nicht Aufgabe der belangten Behörde, die Verfassungsmäßigkeit bestehender Gesetze auch vor dem Hintergrund von gesellschaftlichen Änderungen bzw. Änderungen im strukturellen Wandel zu überprüfen.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 12. Oktober 2005, Zl. B 893/05, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof abtrat.

In der ergänzten Beschwerde begehrt die Beschwerdeführerin die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, erklärte, von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand zu nehmen und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde. Auch die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft nahm von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Die Beschwerdeführerin wiederholt in ihrer Beschwerde ihr Vorbringen vor dem Verfassungsgerichtshof, wonach sie sich in ihren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Unverletzlichkeit des Eigentums verletzt erachtet. Zur Behandlung eines solchen Vorbringens ist aber der Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Z. 1 B-VG nicht zuständig (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 28. April 2005, Zl. 2004/07/0060).

2. Soweit die Beschwerde über die wörtliche Wiedergabe der an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde hinausgeht, beschränkt sie sich überwiegend auf rechtspolitische Erwägungen, in denen die Beschwerdeführerin etwa ausführt, welche gesetzlichen Änderungen ihrer Ansicht nach erforderlich wären. Derartige rechtspolitische Erwägungen vermögen keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.

3. Weiters versucht die Beschwerde darzulegen, dass die anzuwendenden Rechtsvorschriften, insoweit sie die Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung auf Grund ihrer freiberuflichen Tätigkeit als Fachärztin neben dem bereits bestehenden Pensionsbezug nach dem ASVG begründen, eine unsachliche Ungleichbehandlung gegenüber Erwerbstätigen vor dem Pensionsantritt bewirken. Auch damit macht sie im Ergebnis einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz geltend, wie sie ihn materiell schon in der an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde ausgeführt hat, ohne dass der Verfassungsgerichtshof diese Bedenken aufgegriffen hätte. Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich daher - insbesondere unter Hinweis auf die schon im Ablehnungsbeschluss des Verfassungsgerichtshofes zitierte verfassungsgerichtliche Rechtsprechung - auch nicht veranlasst, hinsichtlich der anzuwendenden gesetzlichen Bestimmungen einen Gesetzesprüfungsantrag an den Verfassungsgerichtshof zu stellen. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin bezieht sich in diesem Zusammenhang auch im Wesentlichen auf § 143 GSVG, der jedoch, wie auch der Verfassungsgerichtshof in seinem Ablehnungsbeschluss schon festgehalten hat, für den Beschwerdefall nicht präjudiziell ist.

Auch soweit die Beschwerde schließlich auf die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (im Folgenden Gleichbehandlungs-Rahmenrichtlinie) Bezug nimmt und meint, es sei "zu erwägen, ob die lückenhafte bzw. mangelhafte gesetzliche Regelung" nicht gegen diese Richtlinie verstoße, weil sie eine verbotene Diskriminierung des Alters bedinge, zeigt sie keine konkrete Verletzung eines subjektiven Rechtes der Beschwerdeführerin auf.

Eine nähere Konkretisierung des von der Beschwerdeführerin als möglich erachteten Verstoßes gegen die Gleichbehandlungs-Rahmenrichtlinie ist der Beschwerde nicht zu entnehmen. Das im Zusammenhang mit dem Hinweis auf die genannte Richtlinie stehende Beschwerdevorbringen bezieht sich auf eine von der Beschwerdeführerin angenommene "planwidrige Lücke" in § 2 Abs. 2 FSVG, da diese Bestimmung keine "begleitenden Regelungen" vorsehe, um Nachteile auf Grund des Alters auszuschließen, wobei die Beschwerdeführerin meint, dass diese Lücke im Wege einer Analogie zu § 5 Abs. 4 APG zu schließen wäre. Es ist aber nicht erkennbar, in welcher Weise eine Analogie zur Bestimmung des § 5 Abs. 4 APG, welche die Erhöhung der monatlichen Bruttoleistung im Fall eines Pensionseintritts nach der Erreichung des Regelpensionsalters regelt, zu dem Ergebnis führen könnte, dass die Beschwerdeführerin nicht der von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid festgestellten Versicherungspflicht unterläge.

4. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 20. Februar 2008

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2005080198.X00

Im RIS seit

11.04.2008

Zuletzt aktualisiert am

19.02.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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