TE Vwgh Erkenntnis 2008/2/20 2005/08/0172

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Veröffentlicht am 20.02.2008
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §25 Abs1;
AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
AVG §62 Abs4;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde des MW in F, vertreten durch Mag. Laszlo Szabo, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Claudiaplatz 2, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Tirol vom 9. September 2005, Zl. LGSTi/V/0552/3403 19 04 71-702/2005, betreffend Rückforderung von Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Innsbruck vom 23. August 2005 wurde gegenüber dem Beschwerdeführer gemäß § 24 Abs. 2 AlVG der Bezug des Arbeitslosengeldes für den Zeitraum vom 26. April bis zum 14. Mai 2004 widerrufen und der Beschwerdeführer wurde gemäß § 25 Abs. 1 AlVG zur Rückzahlung des unberechtigt empfangenen Arbeitslosengeldes in der Höhe von EUR 452,96 verpflichtet. Begründend wird in diesem Bescheid im Wesentlichen ausgeführt, dass nach dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der Beschwerdeführer die Leistung aus der Arbeitslosenversicherung für den Zeitraum vom 26. April bis zum 14. Mai 2004 zu Unrecht bezogen habe, da er von der Firma L. bereits mit 26. April 2004 angemeldet worden sei.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung und führte im Wesentlichen aus, dass es zutreffe, dass er im Zeitraum vom 26. April bis zum 14. Mai 2004 bereits in Beschäftigung stand und ab dem 26. April 2004 angemeldet gewesen sei. Das Arbeitsmarktservice sei aber über diesen Sachverhalt in Kenntnis gewesen, als sie dem Beschwerdeführer auch für den Zeitraum vom 26. April bis 14. Mai 2004 das Arbeitslosengeld zur Auszahlung gebracht habe. Der Beschwerdeführer habe keine unwahren Angaben gemacht oder maßgebliche Tatsachen verschwiegen. Er habe vom Arbeitsmarktservice ein Schreiben vom 30. April 2004 erhalten, in dem ihm mitgeteilt worden sei, dass der Leistungsbezug mit 26. April 2004 auf Grund der Aufnahme eines Beschäftigungsverhältnisses eingestellt worden sei. Aus dem Schreiben sei auch hervorgegangen, dass es nicht mehr erforderlich sei, sich mit der regionalen Geschäftsstelle in Verbindung zu setzen, wenn der Beschwerdeführer keine Einwände gegen die getroffene Entscheidung habe. Die Einstellung des Leistungsbezuges mit 26. April 2004 sei für den Beschwerdeführer nachvollziehbar gewesen, und er habe sich daher auch nicht mehr mit dem Arbeitsmarktservice in Verbindung gesetzt. Als dann die Zahlung des Arbeitsmarktservice erfolgt sei, habe er davon ausgehen können, dass es sich dabei um einen noch ausstehenden Leistungsbezug handle. Der Beschwerdeführer habe jedenfalls gutgläubig darauf vertraut, dass ihm die angewiesene Zahlung tatsächlich zustehe und es sei für ihn nicht ersichtlich gewesen, für welchen Zeitraum die Leistung zur Auszahlung gebracht worden sei. Er habe sohin auch darauf vertrauen können, dass ihm dieser Bezug in der überwiesenen Höhe auch tatsächlich zustehe.

Die belangte Behörde hat mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid die Berufung des Beschwerdeführers "gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Innsbruck vom 23.08.2005, mit dem der Bezug des Arbeitslosengeldes vom 26.04.2005 bis 14.05.2005 ... widerrufen und der Betrag von EUR 452,96 ... rückgefordert wurde", abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde nach Anführung der zur Anwendung kommenden gesetzlichen Bestimmungen aus, dass der Beschwerdeführer vom 1. Jänner bis 14. Mai 2004 in Bezug von Arbeitslosengeld gestanden sei. Er sei jedoch seit 26. April 2004 in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden. Die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Innsbruck habe daher den Bezug des Arbeitslosengeldes vom 26. April bis 14. Mai 2004 widerrufen und den Betrag in der Höhe von EUR 452,96 zurückgefordert. Den Berufungsausführungen des Beschwerdeführers werde entgegengehalten, dass ihm zum Liquidierungstermin am 3. Mai 2004 für 25 Tage EUR 588,74 zur Auszahlung gebracht worden seien. Zum "07.05.2005" (richtig: 2004) sei dem Beschwerdeführer wiederum Arbeitslosengeld für fünf Tage in der Höhe von EUR 119,20 und zum Liquidierungstermin "02.06.2005" (richtig: 2004) für 14 Tage in der Höhe von EUR 333,76 ausbezahlt worden. Da es somit auch noch im Juni 2004 zu einer Auszahlung von Arbeitslosengeld für 14 Tage gekommen sei, hätte dem Beschwerdeführer spätestens dann auffallen müssen, dass ihm diese Beträge nicht mehr zustehen können. Zudem habe der Beschwerdeführer aus den ihm zugegangenen Mitteilungsblättern insbesondere wissen müssen, wie hoch der Tagsatz des Leistungsbezuges sei und dass das Arbeitslosengeld jeweils im Nachhinein zur Auszahlung gelange.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Gemäß § 25 Abs. 1 AlVG ist bei Einstellung, Herabsetzung, Widerruf oder Berichtigung einer Leistung der Empfänger des Arbeitslosengeldes zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn er den Bezug durch unwahre Angaben oder durch Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt hat oder wenn er erkennen musste, dass die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte.

2. Der Beschwerdeführer rügt, dass die belangte Behörde im Spruch ausgeführt habe, dass der Bezug des Arbeitslosengeldes für einen im Jahr 2005 gelegenen Zeitraum widerrufen worden sei. Der Beschwerdeführer habe jedoch im Jahr 2005 kein Arbeitslosengeld bezogen und dieser Zeitraum sei auch nie Gegenstand der Berufung gewesen.

Die belangte Behörde hat im Kopf des Bescheides tatsächlich - wie oben wiedergegeben - bei der Zitierung des vom Beschwerdeführer mit Berufung bekämpften Bescheides des Arbeitsmarktservice Innsbruck ausgeführt, dass mit diesem Bescheid der Bezug des Arbeitslosengeldes vom 26. April bis zum 14. Mai 2005 widerrufen worden sei. Dabei handelt es sich jedoch um ein offenkundiges (und daher jederzeit gemäß § 62 Abs. 4 AVG berichtigbares) Versehen. In der Begründung des angefochtenen Bescheides wird richtig wiedergegeben, dass mit dem erstinstanzlichen Bescheid der Bezug des Arbeitslosengeldes vom 26. April bis zum 14. Mai 2004 widerrufen worden sei. Auch für den Beschwerdeführer konnte somit nicht zweifelhaft sein, dass mit dem angefochtenen Bescheid über seine Berufung gegen den einen Zeitraum im Jahr 2004 betreffenden erstinstanzlichen Bescheid abgesprochen wurde. Bei der Anführung des Jahres 2005 im Kopf des angefochtenen Bescheides handelt es sich daher um ein offenkundiges Versehen, das einer berichtigenden Auslegung zugänglich ist (vgl. - hinsichtlich eines falsch zitierten Datums des erstinstanzlichen Bescheides - das hg. Erkenntnis vom 2. Juli 2007, Zl. 2007/12/0019).

3. Der Beschwerdeführer macht geltend, es sei ihm im Verfahren erster Instanz keine Möglichkeit zur Stellungnahme zur Rechtsansicht des Arbeitsmarktservice Innsbruck gegeben worden. Eine - in Kopie im Akt erliegende - Aufforderung zur Rechtfertigung sei ihm nie zugekommen. Er hätte sonst die Möglichkeit gehabt, darzulegen, dass die Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung vom 10. Juni und vom 15. Mai 2004 unter dem Titel "Nachz." bzw. "AlV-Leistung 04-05 Anspr" geleistet worden seien, sodass für ihn keineswegs erkennbar gewesen wäre, dass ihm diese Leistungen nicht gebühren würden. Auch habe der Beschwerdeführer seine Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid primär gegen den Vorwurf gerichtet, er habe den Bezug durch unwahre Angaben oder durch Verschweigen maßgebender Tatsachen herbeigeführt. Von der Rechtsansicht der belangten Behörde, wonach ihm keine Verschweigung maßgeblicher Tatsachen vorgeworfen werde, sondern die Rückforderung darauf gegründet werde, dass er wissen hätte müssen, wie hoch der Tagsatz eines Leistungsbezuges sei und dass das Arbeitslosengeld jeweils im Nachhinein zur Auszahlung gelange, sei er im angefochtenen Bescheid überrascht worden. Hätte er von dieser Rechtsmeinung gewusst, hätte er darlegen können, dass er keine Ahnung davon gehabt habe und auch nicht hatte haben müssen, dass ihm Gelder ausbezahlt worden seien, die ihm nicht zustünden und die er deshalb gutgläubig verbraucht habe, weil die Auszahlung sich laut Widmung auf dem Kontoauszug einmal auf einen berechtigten Leistungszeitraum bezogen habe und einmal unter dem Titel Nachzahlung gewährt worden sei, und weil ihm ausdrücklich vom Arbeitsmarktservice mitgeteilt worden war, dass er sich mit dem Arbeitsmarktservice nicht in Verbindung setzen müsse, wenn es richtig sei, dass er am 26. April 2004 "aus dem Dienstverhältnis" (gemeint: Leistungsbezug) ausgeschieden sei. Er hätte in Kenntnis dieser Rechtsansicht auch darlegen können, dass er angesichts der angeführten Umstände und der Tatsache, dass es auch in Dienstverhältnissen immer wieder zu Nachverrechnungen von Gehaltsbestandteilen komme, davon ausgegangen sei, dass seine Bezüge berechtigt gewesen seien. Die Gelegenheit, diese im Berufungsverfahren vorzubringen, sei dem Beschwerdeführer genommen worden. Die belangte Behörde wäre auch dazu verpflichtet gewesen, von Amts wegen auf das Schreiben vom 30. April 2004 und auf die Widmung der Auszahlungen Bedacht zu nehmen und deshalb von der Rückforderung Abstand zu nehmen.

4. Zu diesem Beschwerdevorbringen ist festzuhalten, dass bereits in der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid der wesentliche Inhalt des nunmehr in der Beschwerde dargelegten Vorbringens enthalten ist. Insbesondere wurde darin bereits ausgeführt, dass dem Beschwerdeführer nicht erkennbar gewesen sei, für welchen Zeitraum Leistungen des Arbeitsmarktservice zur Auszahlung gebracht worden seien und dass er darauf vertrauen habe können, dass ihm der Bezug in der überwiesenen Höhe auch zustehe. Es ist nicht zu erkennen, dass der Beschwerdeführer daher mit dem angefochtenen Bescheid von einer Rechtsansicht überrascht worden wäre, mit der er nach dem durchgeführten Verwaltungsverfahren nicht hätte rechnen können.

Auch soweit das Beschwerdevorbringen sich inhaltlich gegen die mit dem angefochtenen Bescheid getroffene Entscheidung wendet, vermag es keine Rechtswidrigkeit aufzuzeigen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 3. Februar 1983, Slg. 10.968/A) ist der Rückforderungstatbestand des Erkennenmüssens nur dann erfüllt, wenn dem Leistungsempfänger bei einer ihm nach den Umständen des Einzelfalles zumutbaren Aufmerksamkeit auffallen musste, dass die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte; hierbei dürfen weder der Grad der pflichtgemäßen Aufmerksamkeit überspannt noch ganz allgemein überdurchschnittliche geistige Fähigkeiten verlangt werden.

Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer die Bezüge, deren Rückzahlung ihm mit dem angefochtenen Bescheid aufgetragen wurde, im Mai und Juni 2004 erhalten, nachdem ihm die Einstellung des Leistungsbezuges bereits mitgeteilt worden war und er sich in einer neuen Beschäftigung befand. Auch sonstige Umstände, die für den Beschwerdeführer Nachzahlungen wegen einer Veränderung in der Höhe des Leistungsanspruchs hätten erwarten lassen, etwa auf Grund richtig gestellter Beitragsgrundlagen oder der Neugewährung von Familienzuschlägen, hat der Beschwerdeführer weder vorgebracht, noch ergeben sich dafür Anhaltspunkte aus dem Verwaltungsakt.

Der belangten Behörde kann daher nicht entgegengetreten werden, wenn sie zum Ergebnis gekommen ist, dass dem Beschwerdeführer angesichts der ihm auf Grund von Mitteilungen des Arbeitsmarktservice der Höhe nach bekannten täglichen Leistungsanspruchs - bei Anwendung einer von ihm zu erwartenden und ihm zumutbaren Aufmerksamkeit (vgl. schon das hg. Erkenntnis vom 3. Februar 1983, Slg. Nr. 10.968/A) - hätte auffallen müssen, dass die erfolgten Zahlungen nicht mehr für jenen Zeitraum erfolgt sein konnten, für den ihm ein Anspruch zustand.

5. Der Beschwerdeführer macht weiters auch Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend, weil dem Arbeitgeber der Antritt einer Beschäftigung durch den Beschwerdeführer "spätestens am 30.04.2005 (richtig: 2004) bekannt" gewesen sei und danach die Abrechnung des Arbeitslosengeldes erfolgt sei. Der Beschwerdeführer habe dadurch "keine Mehrleistungen des AMS" verursacht.

Der Rückforderungstatbestand des § 25 AlVG, soweit es das "Erkennenmüssen" betrifft, setzt jedoch nicht voraus, dass der Leistungsbezug vom Leistungsempfänger veranlasst wurde, sondern betrifft gerade auch Fälle, in denen es auf Grund eines Versehens des Arbeitsmarktservice selbst zu einer Auszahlung gekommen ist. Auch dieses Vorbringen des Beschwerdeführers vermag daher die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufzuzeigen.

6. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 20. Februar 2008

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2005080172.X00

Im RIS seit

08.04.2008

Zuletzt aktualisiert am

05.11.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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