TE Vfgh Beschluss 2003/4/1 B119/03

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Veröffentlicht am 01.04.2003
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Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art131 Abs1 Z1
B-VG Art137 / Allg
VwGG §30
ZPO §63 Abs1 / Aussichtslosigkeit

Leitsatz

Teilweise Abweisung, teilweise Zurückweisung eines Verfahrenshilfeantrags; Aussichtslosigkeit der beabsichtigten Rückforderung von Strafgeldern; kein Aufschub des Eintrittes der formellen Rechtskraft und der Vollstreckbarkeit durch Anhängigkeit eines Beschwerdeverfahrens beim Verwaltungsgerichtshof; keine Rückgängigmachung bereits gesetzter Vollzugshandlungen bei nachträglicher Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung; Zurückweisung des Antrags hinsichtlich der beabsichtigten Beschwerdeführung gegen die Aufforderung zum Antritt einer Ersatzfreiheitsstrafe wegen nicht behobenen Formmangels

Spruch

1. Der in der Rechtssache des Ing. J H, ..., gestellte Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wird, soweit er zur Klagsführung wegen Rückerstattung von Strafgeldern gestellt wurde, a b g e w i e s e n .

2. Soweit der Antrag die Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Einbringung einer Beschwerde gemäß Art144 B-VG begehrt, wird er z u r ü c k g e w i e s e n .

Begründung

Begründung:

1. Der Einschreiter beantragt mit Schreiben vom 31.1.2003 die Zuerkennung der Verfahrenshilfe. Die Eingabe wurde zwar vom Einschreiter als "Beschwerde" bezeichnet; nach dem Inhalt des Schreibens ist dieses jedoch auch so zu verstehen, daß der Einschreiter beabsichtigt, eine Klage auf Rückerstattung von Strafgeldern (Art137 B-VG) einzubringen, weil er darin beantragt, daß "zwangsweise eingetriebene Gelder zurück erstattet werden".

Der Sache nach wendet sich der Einschreiter gegen die gegen ihn geführte "Vollstreckung, welche gesetzwidrig und schädigend bis zur Mittellosigkeit" sei.

Er bringt dazu sinngemäß vor, daß er von der Bezirkshauptmannschaft Villach bestraft worden sei, weil er ohne Lenkberechtigung [mit einem Kraftfahrzeug] gefahren sei. Die Bezirkshauptmannschaft treibe die Strafgelder nun zwangsweise ein (unter Androhung des Vollzugs der Ersatzfreiheitsstrafe). Er habe für drei minderjährige Kinder zu sorgen und die Vollstreckungsmaßnahmen der Bezirkshauptmannschaft Villach führten ihn zur "Mittellosigkeit, obwohl laufend Monatszahlungen von ca. 5.000,- ATS geleistet wurden".

Weiters hindere ihn die Bezirkshauptmannschaft Villach am Fahren seines Fahrzeuges, was für ihn als selbständigen Techniker dazu führe, daß er ohne Einkommen leben müsse.

2. Der Einschreiter stellt den Antrag, "die zwangsweise eingetriebenen Gelder zurück zu erstatten bis [der] Verwaltungsgerichtshof über den [bei ihm] anhängigen Fall entschieden [hat]". Weiters beantragt er, ihm das Fahren mit seinem Fahrzeug zuzulassen, bis über "das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof entscheiden" ist.

Seinem Schreiben legte der Einschreiter die Kopie einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof bei. Diese Beschwerde richtet sich gegen einen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark (vom 29.4.2002, ...), mit dem über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in Höhe von € 2.180.18 verhängt wurde, weil er ein Fahrzeug gelenkt habe, ohne im Besitz einer Lenkberechtigung gewesen zu sein.

3. Mit der beabsichtigten Klage begehrt der Einschreiter die Rückforderung einer Geldstrafe, die von der Behörde aufgrund eines vollstreckbaren Verwaltungsstrafbescheides in Exekution gezogen wurde, obwohl er derzeit gegen den Bescheid Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof führt.

Es kann hier dahingestellt bleiben, ob im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof die aufschiebende Wirkung beantragt bzw. zuerkannt wurde. Wie sich nämlich aus Art131 Abs1 Z1 B-VG iVm. §30 Abs1 VwGG ergibt, hindert die Erhebung einer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde den Eintritt der formellen Rechtskraft und der Vollstreckbarkeit des Bescheides nicht. Selbst wenn der beim Verwaltungsgerichtshofe eingebrachten Beschwerde durch Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden wäre, wäre die Behörde gemäß §30 Abs3 VwGG nur verpflichtet, "den Vollzug des angefochtenen Bescheides aufzuschieben und die hiezu erforderlichen Verfügungen zu treffen"; dieser Bestimmung kann aber nicht entnommen werden, "daß bereits gesetzte Vollzugshandlungen rückgängig zu machen sind" (VwGH vom 29. Jänner 1982, Z81/08/0162). Auch mit Hilfe der aufschiebenden Wirkung können daher bereits gesetzte Vollzugshandlungen nicht rückgängig gemacht werden (vgl. VfSlg. 12297/1990; VwGH vom 24. Juni 1975, Z978/75 und vom 21. September 1978, Z1646/78).

4. Nach dem Gesagten erweist sich damit die beabsichtigte Rückforderung von Strafgeldern während des Verfahrens beim VwGH als offenbar aussichtslos, sodaß der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe abzuweisen ist (§63 Abs1 ZPO iVm. §35 Abs1 VfGG).

5. Aber auch insoweit, als der Verfahrenshilfeantrag nicht (nur) für die Einbringung einer Rückforderungsklage, sondern (auch) die Anfechtung eines Bescheides gemäß Art144 B-VG gestellt wurde, muß er ohne Erfolg bleiben: Der Verfassungsgerichthof hat dem Einschreiter nämlich mit Schreiben vom 17. Jänner 2003 unter Setzung einer Frist von vier Wochen aufgetragen, den anzufechtenden Bescheid in Urschrift, Gleichschrift, Abschrift oder Kopie vorzulegen, sowie den Tag der Zustellung anzugeben. Erst nach Ablauf dieser Frist legte der Antragsteller weitere Unterlagen vor, bei denen es sich jedoch nicht um Bescheide, sondern um Aufforderungen zum Antritt einer Ersatzfreiheitsstrafe nach §53 VStG handelte (vgl. VfSlg. 11009/1986, 11339/1987, 11887/1988). Im Hinblick auf das Versäumnis des Einschreiters fristgerecht einen Bescheid vorzulegen und den Tag dessen Zustellung anzugeben war der Antrag insoweit zurückzuweisen.

Schlagworte

Auslegung eines Antrages, Verwaltungsgerichtshof, Wirkung aufschiebende, Verwaltungsstrafrecht, Strafe, Ersatzstrafe, VfGH / Klagen, VfGH / Verfahrenshilfe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2003:B119.2003

Dokumentnummer

JFT_09969599_03B00119_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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