TE Vwgh Erkenntnis 2008/2/27 2005/13/0074

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Veröffentlicht am 27.02.2008
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
21/03 GesmbH-Recht;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

BAO §198;
BAO §224 Abs1;
BAO §80 Abs1;
BAO §80;
BAO §9 Abs1;
BAO §9;
EStG 1988 §82;
EStG 1988 §95;
GmbHG §16a;
GmbHG §18;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Fuchs, Dr. Pelant, Dr. Mairinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Unger, über die Beschwerde des  N in P, vertreten durch Dr. Rebekka Stern, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in 1030 Wien, Hintere Zollamtsstraße 15/1/30, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 31. März 2005, Zl. RV/1403-W/04, betreffend Haftung gemäß §§ 9 und 80 BAO, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird, soweit er die Haftung für Umsatzsteuer betrifft, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und, soweit er die Haftung für Lohnsteuer und Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen samt Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag betrifft, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben; im Übrigen wird die Beschwerde, sohin soweit sie die Haftung für Kapitalertragsteuer betrifft, als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 1.171,20 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer war seit Gründung der N GesmbH im Jahr 1979 deren alleiniger Geschäftsführer.

Mit Bescheid vom 23. Oktober 2003 zog das Finanzamt den Beschwerdeführer nach § 9 Abs. 1 iVm § 80 BAO zur Haftung für Abgabenschulden der N GesmbH, nämlich für im einzelnen aufgeschlüsselte Beträge an Umsatzsteuer für die Jahre 1996 bis 2000, an Lohnsteuer und Dienstgeberbeitrag samt Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für 2000 sowie an Kapitalertragsteuer für 1998 zur Haftung heran. Der Beschwerdeführer sei im Zeitraum "von 1979 bis dato" unbestritten Geschäftsführer der N GesmbH gewesen. Für die genannten Zeiträume sei die Umsatzsteuer gemeldet, festgesetzt oder rechtskräftig veranlagt, jedoch nicht entrichtet worden. Der Beschwerdeführer habe "über einen Zeitraum von 1979 bis dato" keine oder nur unzureichende Zahlungen für Selbstbemessungsabgaben geleistet. Durch sein pflichtwidriges Verhalten als Vertreter der N GesmbH sei die Uneinbringlichkeit eingetreten.

Gegen diesen Haftungsbescheid und die "Bescheide über den Abgabenanspruch" berief der Beschwerdeführer im Schriftsatz vom 27. November 2003 mit der Begründung, für den Zeitraum 1996 bis 1998 sei eine Betriebsprüfung vom 15. November bis 29. Dezember 2000 durchgeführt worden, wobei die wirtschaftliche Tätigkeit der Gesellschaft damals längst eingestellt gewesen sei. Die dabei festgestellten Abgabenschulden betreffend die Umsatzsteuer seien auf reine Formmängel der gelegten Teil- und Schlussrechnungen zurückzuführen, wodurch sich bei strenger Anwendung des Umsatzsteuergesetzes eine Doppelbelastung, zum Teil sogar eine Dreifachbelastung der ausgeführten Leistungen mit Umsatzsteuer ergebe. Wäre der Formmangel erkannt und wären die Rechnungen berichtigt worden, ergäbe sich keine Umsatzsteuerschuld, weil die Umsatzsteuer von erbrachten Leistungen immer in der gesetzlich vorgeschriebenen Höhe an das zuständige Finanzamt entrichtet worden sei. Die übrigen nachträglich festgestellten Abgabenverbindlichkeiten resultierten überwiegend aus Lohnnebenkosten des Geschäftsführergehaltes, welches im Feststellungszeitraum nicht zur Auszahlung gelangt sei. Der Beschwerdeführer führte weiter auch aus, als sich bei ihm - bedingt durch den schlechten Geschäftsgang - gesundheitliche Beschwerden eingestellt hätten, habe er sich zur Liquidation der Gesellschaft entschlossen und sich um eine vorzeitige Pensionierung bemüht. "Mit Eingang beim Firmenbuchgericht vom 30. 9. 1999" habe er "die Geschäftsführung zurückgelegt (vgl. Beilage 4)". Die letzten zwei Dienstnehmer seien ordnungsgemäß abgemeldet worden.

Mit Berufungsvorentscheidung vom 25. März 2004 wies das Finanzamt die Berufung als unbegründet ab. Dem Berufungseinwand, die nachgeforderten Abgabenschuldigkeiten seien erst nach Beendigung der wirtschaftlichen Tätigkeit der Gesellschaft zur Vorschreibung gekommen, entgegnete das Finanzamt, die Haftung erstrecke sich auf Abgaben, deren Zahlungstermine (Fälligkeitszeitpunkte) in die Zeit der Geschäftsführertätigkeit gefallen seien. Es habe daher die Verpflichtung bestanden, "diese Abgaben gemäß § 80 BAO zu entrichten". Die Auflösung der Gesellschaft enthebe den Geschäftsführer nicht nachträglich von seinen im Zeitraum seiner Tätigkeit auferlegten Verpflichtungen. Die vom Beschwerdeführer als Formmangel angesprochene Unrichtigkeit der Rechnungen sah das Finanzamt als "schweren Inhaltsmangel". Dem Einwand hinsichtlich der "Lohnabgabennachforderungen", dass "die davon nachgeforderten Bezüge" nicht zur Auszahlung gelangt seien, hielt das Finanzamt entgegen, dass dieser Einwand die Richtigkeit der Abgabenachforderung betreffe. Gleiches hielt das Finanzamt hier nicht näher interessierenden Berufungsausführungen zur Kapitalertragsteuer entgegen.

Im Vorlageantrag brachte der Beschwerdeführer unter anderem vor, ein GmbH-Geschäftsführer hafte nur für solche Abgaben, die in jenem Zeitraum zu entrichten seien, in dem er eine aufrechte Geschäftsführerbefugnis habe oder gehabt habe. Im Beschwerdefall sei "die Geschäftsführung mit 30. September 1999 laut Firmenbucheintragung zurückgelegt" worden. Einer Pflichtverletzung sei der Beschwerdeführer erstmals nach der Betriebsprüfung beschuldigt worden, die Betriebsprüfung sei in den Räumen des steuerlichen Vertreters der N GesmbH abgewickelt worden. Zum Zeitpunkt der Betriebsprüfung im Dezember 2000 sei der Beschwerdeführer nicht mehr Geschäftsführer der Gesellschaft gewesen. Die vorgeschriebenen "Abgabenrückstände" hätten im Betriebsprüfungsverfahren zur Gänze berichtigt und aufgeklärt werden können, wodurch es zu keinen Nachbelastungen gekommen wäre. Etwaige "Abgabennachbelastungen" hätten von der Gesellschaft jedenfalls entrichtet werden können. Im Zuge einer in Tabellenform in den Vorlageantrag eingearbeiteten Chronologie scheint u.a. auf:

"30. 9. 1999: Niederlegung der Geschäftsführung durch (Beschwerdeführer); Beendigung des Dienstverhältnisses; Einstellung der Geschäftstätigkeit der Gesellschaft.

.....

Okt-Dez 2000: Durchführung einer Betriebsprüfung für den Zeitraum 1996 - 2000; Die Prüfung wird in den Räumen des Steuerberaters durchgeführt, da die Gesellschaft keine Geschäftsräumlichkeiten mehr hat; nachdem (Beschwerdeführer) nicht mehr Geschäftsführer ist, wird er auch nur sporadisch über den Verlauf der Prüfung informiert; ....

Jänner 2001: Der bestellte Masseverwalter ist nunmehr Vertreter der Gesellschaft und Ansprechperson für alle Rechtsbeziehungen; (Beschwerdeführer) erhält keine Informationen über den Verlauf des Insolvenzverfahrens;

Februar 2001: Eine Lohnsteuerprüfung für den Zeitraum 1996 - 2000 wird durchgeführt; die nicht ausbezahlten GF-Gehälter werden einer Besteuerung unterworfen; es werden auch fiktive Gehälter vom Prüfer versteuert; (Beschwerdeführer) wird nicht darüber informiert; der Lohnsteuerprüfer hat nur Kontakt mit dem Steuerberater der Gesellschaft und dem Masseverwalter;"

Anzumerken sei - so der Beschwerdeführer im Vorlageantrag am Schluss seiner Ausführungen zur Umsatzsteuer -, dass im Geschäftsjahr 1997 bei der Gesellschaft eine Betriebsprüfung für den Zeitraum 1993 bis 1995 abgehalten worden sei. Im Zuge dieser sei eine Umsatzsteuernachschau für den "Voranmeldungszeitraum 1.1.1996 bis 30.4.1997" erfolgt, deren "rechnerische Überprüfung keine Beanstandungen" ergeben habe. Diese "Bestätigung der Ordnungsgemäßheit" sowohl hinsichtlich der Rechnungslegung als auch der Buchungsaufzeichnungen habe die Gesellschaft und deren steuerlichen Vertreter veranlasst, die bisher geübte "Gebarung" fortzuführen.

Auch im Zuge der Ausführungen betreffend die Lohnsteuer, den Dienstgeberbeitrag und den Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag führte der Beschwerdeführer aus, es sei erstaunlich, dass der Prüfer in Absprache mit dem Masseverwalter für das Jahr 2000 die Auszahlung eines Geschäftsführungsgehaltes fingiere, wo doch der Beschwerdeführer bereits seit 30. September 1999 nicht mehr Geschäftsführer der Gesellschaft sei und bereits seit 1. Oktober 1999 eine Erwerbsunfähigkeitspension beziehe.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab.

Nach Schilderung des Verwaltungsverfahrens und rechtlichen Ausführungen zu den §§ 9 und 80 BAO stellte die belangte Behörde fest, die Uneinbringlichkeit der in Rede stehenden Abgaben bei der Primärschuldnerin (der N GesmbH) stehe auf Grund der Aufhebung des Konkurses über deren Vermögen nach Schlussverteilung mit Gerichtsbeschluss vom 27. März 2003 fest. Die "Nichtabführung" der von der N GesmbH abzuführenden Lohnsteuer und Kapitalertragsteuer könne grundsätzlich nicht damit entschuldigt werden, dass Geldmittel zur Entrichtung nicht zur Verfügung gestanden seien, weil die Zahlung voller vereinbarter Arbeitslöhne oder Kapitalerträge eine schuldhafte Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten des Vertreters der GesmbH darstelle, wenn nicht auch für die darauf entfallende und einzubehaltende Lohnsteuer und Kapitalertagsteuer die Mittel ausreichten. Bei der Lohnsteuer und bei der Kapitalertragsteuer komme der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht zum Tragen. Dass zur Entrichtung der übrigen Abgaben, für welche der Beschwerdeführer zur Haftung herangezogen wurde, überhaupt keine Mittel zur Verfügung gestanden wären, sei für den Zeitpunkt der Abgabenentstehung sogar vom Beschwerdeführer in Abrede gestellt worden, wenn er anführe, die Abgabenforderungen seien zu diesem Zeitpunkt einbringlich gewesen. Das Vorhandensein von Mitteln zur Abgabenentrichtung werde auch durch die bis 4. Jänner 2001 auf das Abgabenkonto geleisteten Zahlungen bestätigt. Hinsichtlich der Einwendung des Beschwerdeführer gegen die inhaltliche Richtigkeit der haftungsgegenständlichen Abgabenforderung verwies die belangte Behörde auf die dem Haftungsbescheid vorangegangenen Abgabenbescheide, gegen welche der Beschwerdeführer ohnehin berufen habe. Insbesondere gelte dies auch für den Einwand des Beschwerdeführers, das Geschäftsführergehalt sei im Feststellungszeitraum nicht zur Auszahlung gelangt.

Laut Eintragung im Firmenbuch sei der Geschäftsführer bis zur Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der N GesmbH mit Gerichtsbeschluss vom 18. Jänner 2001 selbstständig vertretungsbefugter Geschäftsführer der N GesmbH gewesen. Eine Zurücklegung der Geschäftsführung mit 30. September 1999 sei im Firmenbuch entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers nicht eingetragen. Die Ausübung der Geschäftsführung durch den Beschwerdeführer bis zur Eröffnung des Konkursverfahrens werde dadurch bestätigt, dass er auch die Abgabenerklärungen für 1999 am 5. Jänner 2001 unterschrieben habe und in den Beschlüssen des Konkursgerichtes vom 18. Jänner 2001, vom 13. Februar 2003 und vom 27. März 2003 als Geschäftsführer genannt sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen haben nach § 80 BAO alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen sei, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Verletzung im Sinne des § 9 Abs. 1 BAO annehmen darf (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 18. Oktober 2007, 2006/15/0073, und vom 18. April 2007, 2004/13/0046).

Die Frage, ob ein Abgabenanspruch gegeben ist, ist als Vorfrage im Haftungsverfahren nach § 9 BAO nur dann zu beantworten, wenn kein eine Bindungswirkung auslösender Abgabenbescheid oder Haftungsbescheid (nach § 82 EStG 1988 hinsichtlich der Lohnsteuer oder nach § 95 EStG 1988 hinsichtlich der Kapitalertragsteuer) vorangegangen ist (vgl. etwa das erwähnte hg. Erkenntnis vom 18. April 2007 sowie das hg. Erkenntnis vom 13. September 2006, 2003/13/0131).

Das Bestehen solcher vorangegangener Bescheide - wenngleich sie in den vorgelegten Verwaltungsakten nicht enthalten sind - ist unstrittig. Auf die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte "Fälligstellung" der Kapitalertragsteuer durch solche Bescheide mit 30. Jänner 2001 (somit nach Eröffnung des Konkurses) kommt es im Beschwerdefall nicht an, weil die in Rede stehende Kapitalertragsteuer für 1998 als Selbstbemessungsabgabe von der N GesmbH gemäß § 96 EStG 1988 nicht erst im Jahr 2001 einzubehalten und abzuführen gewesen wäre.

Die Beschwerdeausführungen hinsichtlich der Kapitalertragsteuer erschöpfen sich sonst in Einwendungen gegen die Richtigkeit der Höhe des Abgabenanspruches, weshalb die Beschwerde insoweit, nämlich soweit sie die Haftung für Kapitalertragsteuer betrifft, gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Der Beschwerdeführer trägt vor, im November und Dezember 1997 sei eine Umsatzsteuernachschau für Jänner 1996 bis April 1997 durchgeführt worden, bei welcher der Prüfer die Ordnungsmäßigkeit der Abgabenerhebung und -entrichtung betreffend die Umsatzsteuer bescheinigt habe. Damit seien die Formgebrechen des Jahres 1996 "sanktioniert". Andernfalls hätte während der Durchführung der Prüfung eine Rechnungskorrektur durchgeführt werden können. Daher liege keine schuldhafte Pflichtverletzung des Beschwerdeführers vor. Auch "in der Umsatzsteuernachschau 1997" sei die Ordnungsmäßigkeit der Selbstberechnung der Abgaben und deren Entrichtung bescheinigt worden. Die Formmängel in den Schlussrechnungen hätten umgehend korrigiert werden können, wäre der Formmangel in der Prüfung angesprochen worden. Daher liege auch hinsichtlich der Umsatzsteuer 1997 keine schuldhafte Verletzung der Pflichten des Beschwerdeführers vor. Die Formmängel in den Schlussrechnungen des Geschäftsjahres 1997 hätten sich in den Geschäftsjahren 1998 bis 2000 fortgesetzt. Nachdem bei der Betriebsprüfung im Dezember 1997 keine Beanstandungen hinsichtlich der Umsatzsteuer erfolgt seien, habe sich für die N GesmbH auch kein Änderungsbedarf ergeben und sei nicht bekannt gewesen, dass ein Formmangel vorliege. Daher liege auch für die Umsatzsteuer 1998 bis 2000 eine schuldhafte Verletzung der Pflichten des Beschwerdeführers nicht vor.

Mit diesem bereits im Vorlageantrag erhobenen Einwendungen gegen das Verschulden des Beschwerdeführers hat sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nicht auseinandergesetzt und damit den angefochtenen Bescheid, soweit er die Haftung für Umsatzsteuer betrifft, mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet.

Hinsichtlich der Lohnabgaben (Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag) führte der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren ins Treffen, er habe mit 29. September 1999 die Geschäftsführertätigkeit niedergelegt. Die belangte Behörde hielt ihm im angefochtenen Bescheid nur entgegen, er sei jedoch auch danach bis zur Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der NGesmbH (am 18. Jänner 2001) im Firmenbuch als Geschäftsführer eingetragen gewesen, habe am 5. Jänner 2001 auch Abgabenerklärungen der N GesmbH unterschrieben und sei in Beschlüssen des Konkursgerichtes aus den Jahren 2001 und 2003 als Geschäftsführer genannt, wodurch die Ausübung der Geschäftsführung durch den Beschwerdeführer bestätigt werde.

Für Abgabenschuldigkeiten einer GesmbH sind zur Haftung nach § 9 Abs. 1 BAO die in § 80 BAO angesprochenen Vertreter einer GesmbH heranzuziehen. Gemäß § 18 GmbHG vertreten die Geschäftsführer die GesmbH. Ohne zum Geschäftsführer bestellte oder dazu bevollmächtigte "faktische" Geschäftsführer werden durch das bloße Ausüben von Geschäftsführungstätigkeiten allein noch nicht zu Vertretern iSd § 80 BAO.

Die Zurücklegung der Geschäftsführungsbefugnis erfolgt durch einseitige empfangsbedürftige Erklärung des Geschäftsführers gegenüber der GmbH (der Generalversammlung oder den Gesellschaftern - §16a GmbHG). Eine solche Niederlegung wirkt unabhängig von der Eintragung im Firmenbuch; dieser Eintragung kommt nur deklarative Wirkung zu (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Jänner 1997, 1995/15/0163, VwSlg 7.157/F, sowie Ritz, BAO3, Tz 17 zu § 9).

Die belangte Behörde hat daher insoweit die Rechtslage verkannt und durfte sich nicht auf die Eintragung des Beschwerdeführers als Geschäftsführer im Firmenbuch und auf eine faktische Ausübung der Geschäftsführung zurückziehen, sondern hätte sich mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers zur Niederlegung der Geschäftsführung auseinandersetzen müssen. Auf das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot beruft sich die belangte Behörde in der Gegenschrift, mit der im Übrigen die Bescheidbegründung nicht nachgeholt werden kann, im Hinblick auf das oben wiedergegebene Vorbringen im Vorlageantrag zu Unrecht.

Der angefochtene Bescheid war daher, soweit er die Haftung für Umsatzsteuer betrifft, gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, soweit er die Haftung für Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfond für Familienbeihilfen und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag betrifft, gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 27. Februar 2008

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2005130074.X00

Im RIS seit

20.03.2008

Zuletzt aktualisiert am

21.04.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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