TE Vwgh Erkenntnis 2008/2/28 2007/06/0247

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Veröffentlicht am 28.02.2008
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §64a Abs2;
AVG §64a Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde des F E in A, vertreten durch Dr. Michael E. Sallinger, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Sillgasse 21/III, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierusng vom 8. August 2007, Zl. Ve1-8-1/375-1, betreffend die Abweisung eines Baugesuches (mitbeteiligte Partei: Gemeinde A, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Eigentümer einer Liegenschaft im Gebiet der mitbeteiligten Gemeinde, auf welcher sich der sogenannte Postkutscherhof befindet (in der Folge kurz: Gebäude).

Der Bürgermeister hatte dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom 2. Juni 2004 die (teilweise nachträgliche) Baubewilligung für verschiedene bauliche Maßnahmen erteilt, darunter auch für die Errichtung von Stützmauern und einer Mistlege. Gemäß den Verwaltungsakten wird die Mistlege auf einer Seite (der südwestlichen Seite) vom Gebäude (daher von der nordöstlichen Seite des Gebäudes), sowie an der nordwestlichen und an der nordöstlichen Seite von einer Mauer begrenzt. Die nordwestliche Mauer ist rund 10,60 m lang (und so hoch wie das Erdgeschoß), die nordöstliche Mauer insgesamt rund 28 m lang (wobei die Mistlege gemäß den Plänen im rückwärtigen Bereich, also im Bereich der kürzeren Mauer, situiert ist). Der fragliche Bereich ist nach oben hin offen, sieht man von zwei "Tramversteifungen" ab (vom Beschwerdeführer und auch in den Akten als Überleger bezeichnet), welche parallel zur kürzeren Mauer die längere Mauer mit dem Gebäude verbinden (gemäß den Plänen befindet sich deren mit 3,45 m kotierte Oberkante auf Höhe der Decke des Erdgeschoßes des Gebäudes).

Für das Grundstück besteht ein Bebauungsplan (1. Änderung des allgemeinen und ergänzenden Bebauungsplanes), vom Gemeinderat beschlossen am 13. April 2004 (kundgemacht vom 21. Mai bis 7. Juni 2004, von der Tiroler Landesregierung mit Bescheid vom 25. Juni 2004 genehmigt), in welchem unter anderem Baugrenzlinien festgelegt sind.

Bei einer Überprüfung durch die Baubehörde an Ort und Stelle am 26. Juli 2006 wurde festgestellt, dass im Bereich der im Nordosten des Grundstückes genehmigten Mistlege entgegen der Baubewilligung eine Betondecke ausgeführt worden sei, welche bis an die Gebäudekante im Südosten rage. Dadurch sei ein zusätzlicher Raum entstanden, welcher in etwa in der Mitte mit einer Betonzwischenwand abgetrennt worden sei. Die Grundfläche der beiden neuen Räume betrage 10,30 m x ca. 12,00 m. Entgegen dem im Baubewilligungsbescheid festgelegten Verwendungszweck werde dieser Bereich nicht mehr als Mistlege verwendet, sondern diene als Stallerweiterung und als Arbeitsfläche für die Betreuung der Pferde. So sei derzeit dort auch ein Waschplatz vorhanden. Weiters seien nach Südosten hin an der Stützmauer Pferdetränken montiert worden. Auch sei festgestellt worden, dass im Bereich der Tenneneinfahrt im Obergeschoß ein Transport-Lkw in diesem Gebäudeteil abgestellt gewesen sei, was nicht zulässig sei.

Am 8. August 2006 brachte der Beschwerdeführer (durch einen Baumeister) ein Baugesuch (vom 7. August 2006) ein, in welchem er vorbrachte, mit Bescheid vom 2. Juni 2004 sei ihm die Genehmigung zur Errichtung einer Mistlege und einer Stützmauer erteilt worden. Im April 2006 habe die Stützmauer Spannungsrisse gezeigt, dadurch beunruhigt habe er auf eigene Regie eine Trennwand aus armiertem Beton mit einer Wandstärke von 25 cm erstellt. Zur Aussteifung und Sicherung der Stützwand habe er die Mistlege mit einer 25 cm dicken armierten Betonplatte in einer näher bezeichneten Betongüte überdacht. Um nachträglicher Genehmigung dieser Bautätigkeit werde ersucht.

Gemäß den zugehörigen Bauplänen ist die Errichtung einer Trennwand im Erdgeschoß (parallel zur langen Mauer) mit einer Länge von 12,0 m geplant, die dadurch entstehenden Räume (deren Qualifikation als Raum strittig ist) sind im Plan als "Streb- u. Mistlege" bzw. "Wasch- u. Anspannraum" bezeichnet (jeweils mit einer Fläche von 60,30 m2). Weiters soll von diesem Wasch- und Anspannraum eine Öffnung zum Gebäude ausgebrochen werden. Im Obergeschoß sollen zur bestehenden Tenne und zum bestehenden Kutschenmuseum ebenfalls jeweils eine Öffnung ausgebrochen werden, die als "Tennen- und Kutscheneinfahrt" bezeichnet ist.

Der Bürgermeister wies mit Bescheid vom 16. August 2006 das Baugesuch mit der wesentlichen Begründung ab, geplant sei die Errichtung eines Zubaues, der eine Erweiterung des bewilligten Postkutscherhofes Richtung Nordosten darstelle, aber nicht zulässig sei, weil er über die im Bebauungsplan festgelegte Baugrenzlinie reiche.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Berufung (vorweg per Fax, abgesendet am 31. August 2006, das Original langte bei der Gemeinde am 1. September 2006 ein).

Mit Erledigung vom 17. Oktober 2006 beraumte der Bürgermeister zur Ergänzung des Ermittlungsverfahrens einen Ortsaugenschein an, an welchem unter anderem auch der (mit Bescheid des Bürgermeisters vom 25. Oktober 2006 zum nichtamtlichen Sachverständigen bestellte) Dr. C. als hochbautechnischer Sachverständiger teilnahm.

In der Niederschrift heißt es insbesondere, die im Bebauungsplan festgelegte Baugrenzlinie verlaufe unter anderem an der nordöstlichen, an der südöstlichen und an der nordwestlichen Außenwand des Postkutscherhofes. Der Bebauungsplan stehe anlässlich des Ortsaugenscheines zur Einsichtnahme zur Verfügung. Die mit Bescheid vom 2. Juni 2004 bewilligte nicht überdachte Mistlege und die daran anschließende Stützmauer befänden sich außerhalb der im Bebauungsplan festgelegten Baugrenzlinie. Aus statischen Gründen seien von der Nordostwand des Postkutscherhofes zur Nordostwand der nicht überdachten Mistlege und zur daran anschließenden Stützmauer zwei höchstens 20 cm breite Überleger bewilligt. In dem der Baubewilligung vom 2. Juni 2004 zugrundeliegenden Bauplan seien diese beiden Überleger als Tramversteifung bezeichnet. Weiters sei im Obergeschoß-Grundriss des der Baubewilligung vom 2. Juni 2004 zugrundeliegenden Bauplanes im Bereich der Überleger dreimal die Bezeichnung "offen" angeführt. Dadurch werde aus der Draufsicht dokumentiert, dass weder für die Mistlege eine Geschoßdecke angesucht oder bewilligt worden sei noch für den Bereich der Nordostwand des Postkutscherhofes zur Stützmauer. Festgehalten wird in der Niederschrift, dass der Sachverständige die Länge der nordöstlichen Stützmauer mit 28,40 m ermittelt und verschiedene Lichtbilder angefertigt habe.

Der Sachverständige führte aus, nordöstlich des Gebäudes bestehe eine abgewinkelte Stützmauer. Im Bereich des Mauerwinkels sei eine Mistlege bewilligt worden. Die Stützmauer setze sich südöstlich an die Mistlege fort. Auch diese Stützmauer sei bewilligt, ausgenommen die im Befund ausgeführten Änderungen (Anmerkung: darum geht es im Beschwerdeverfahren nicht). Aus statischen Gründen seien von der Nordostwand des Gebäudes zur nordöstlichen Außenwand der Mistlege und zur daran anschließenden Stützmauer zwei Überleger bewilligt worden. Bei der aus Stützmauern bestehenden Mistlege und bei der in Verlängerung der Mistlege errichteten Stützmauer handle es sich um solche Bauteile, die gemäß § 6 Abs. 3 lit. c TBO 2001 vor der Baugrenzlinie errichtet werden dürften. Die bewilligten Überleger erfüllten so wie Stützmauern statische Funktionen und seien daher als ähnliche Bauteile wie Stützmauern einstufen. Der mit den beiden Überlegern abgegrenzte Bereich sei 10,60 m x ca. 9,60 m, somit ca. 102 m2 groß. Die Fläche der beiden Überleger betrage 2 x 10,60 m x ca. 0,20 m, somit zusammen ca. 4,50 m2. Auf Grund des Verhältnisses der beiden zuvor angeführten Flächen zueinander sei der 102 m2 große Bereich als nicht überdeckt anzusehen. Das vom Beschwerdeführer eingereichte Bauvorhaben sehe unter anderem die Errichtung einer Vollflächengeschoßdecke vor und zwar über der bewilligten Mistlege und südöstlich davon auf einer Fläche von insgesamt 10,60 m x ca. 13,30 m, somit auf ca. "109 m2". Dadurch werde dieser Bereich zur Gänze überdeckt, wodurch das Bauvorhaben als Gebäude im Sinne des § 2 Abs. 2 TBO 2001 zu werten sei. Die Errichtung von Gebäuden vor einer Baugrenzlinie sei nicht zulässig.

Der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer bezog Stellung gegen die Ausführungen des Sachverständigen, die er als unvollständig und als rechtlich unzutreffend bezeichnete. Der Sachverständige nahm zum Vorbringen des Beschwerdeführers Stellung.

Mit Berufungsvorentscheidung vom 4. Dezember 2006 wies der Bürgermeister die Berufung als unbegründet ab, was näher begründet wurde.

Der Beschwerdeführer brachte gegen diese Berufungsvorentscheidung mit gesonderten Schriftsätzen (rechtzeitig) einerseits eine Berufung und andererseits einen Vorlageantrag ein, und machte dabei insbesondere geltend, dass die Berufungsvorentscheidung außerhalb der zweimonatigen Frist des § 64a Abs. 1 AVG erlassen worden sei.

Mit Berufungsbescheid des Gemeindevorstandes vom 31. Jänner 2007 wurde I. festgestellt, dass die Berufungsvorentscheidung außer Kraft getreten sei und II. die Berufung als unbegründet abgewiesen.

Nach Darstellung des Verfahrensganges heißt es(zusammengefasst), soweit für das Beschwerdeverfahren noch erheblich, was den bewilligten Bestand (und die Tramversteifungen) anlange, sei die Sache unabhängig von den Ausführungen des Beschwerdeführers und des Sachverständigen aus der Summe der Plandarstellungen, also nicht nur aus dem Schnitt, sondern auch aus dem Grundriss zu beurteilen. Daraus ergebe sich für die Berufungsbehörde ohne Zweifel, dass es sich bei den betreffenden Bauteilen um einzelne Überleger handle und um keine Geschoßdecke.

Beim nunmehrigen Bauvorhaben werde die Mindestabstandsfläche durch die festgelegte Baugrenzlinie fixiert. Da die geplante Geschoßdecke auf Grund des vorgelegten Planes 10,60 m vor die Baugrenzlinie reiche, sei eine Bewilligung schon deshalb nicht möglich. Ein untergeordneter Bauteil liege nicht vor. Zum Unterschied dazu dürften die bewilligten Überleger mehr als 1,50 m in die Mindestabstandsfläche reichen, weil es sich dabei, wie vom Sachverständigen dargelegt, um einer Stützmauer ähnliche Bauteile handle. Beim nunmehr gegenständlichen Bauvorhaben handle es sich aber tatsächlich um einen Zubau im Sinne des § 2 Abs. 8 TBO 2001. Vorgesehen sei nämlich die Vergrößerung des Gebäudes durch die Herstellung neuer Räume: im nun gegenständlichen Bereich seien derzeit keine Räume bewilligt. Die bewilligte Mistlege und der Bereich südöstlich davon besäßen weder raumbildende Elemente noch ein Dach. Dies ergebe sich für die Berufungsbehörde sowohl aus der Plandarstellung als auch auf Grund der Äußerung des Sachverständigen beim Ortsaugenschein vom 25. Oktober 2006 (diese Äußerungen werden wiedergegeben). Somit sei erst durch die bereits errichtete und zur Bewilligung beantragte vollflächige Decke aus der Mistlege und dem südöstlich davon liegenden Bereich ein Raum geschaffen worden und erst dadurch ein Zubau entstanden. Dies sei aber vor einer Baugrenzlinie nicht zulässig.

Mit dem Einlangen des rechtzeitigen Vorlageantrages sei die Berufungsvorentscheidung außer Kraft getreten. Damit liege keine dem Rechtsbestand angehörende Entscheidung über die Berufung mehr vor und die Kompetenz zur Entscheidung über die eingebrachte Berufung gehe auf die Berufungsbehörde über. Eine Berufung gegen eine Berufungsvorentscheidung sei im Gesetz nicht vorgesehen. Es sei zwar richtig, dass die Berufungsvorentscheidung verspätet erlassen worden sei, sie sei aber mit dem Einlangen des Vorlageantrages außer Kraft getreten. Somit ergäben sich aus der verspäteten Erlassung keine weiteren Konsequenzen. Es sei daher wegen des rechtzeitig eingebrachten Vorlageantrages festzustellen gewesen, dass die Berufungsvorentscheidung außer Kraft getreten sei.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Vorstellung, die mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen wurde. Zur Begründung führte die belangte Behörde insbesondere aus, soweit der Beschwerdeführer bemängle, dass die Baubehörden die aufgetretene Beschädigung der Stützmauer nicht berücksichtigt hätten, und die vorgenommenen Maßnahmen veranlasst worden seien, um einen Schaden von seinem Besitz abzuwehren, sei der Einwand nicht gegründet. Es handle sich hier um einen Zubau, der eine Erweiterung des bestehenden Gebäudes in Richtung Nordosten darstelle und über die im Bebauungsplan festgelegte Baugrenzlinie rage. Deshalb sei das Bauvorhaben nicht genehmigungsfähig. Im Übrigen seien Baugebrechen, durch die allgemeine bautechnische Erfordernisse beeinträchtigt würden (nach dem Zusammenhang gemeint: die behaupteten Schäden) an der Mauer ehestens zu beheben. Bei der bewilligten Mistlege seien weder raumbildende Elemente noch ein Dach bewilligt worden. Es handle sich demnach um solche Bauteile, die vor der Baugrenzlinie errichtet werden dürften. Mit dem projektgegenständlichen Vorhaben werde der Bereich aber zur Gänze überdeckt, dadurch würden neue Räume hergestellt, weshalb es sich beim Vorhaben um einen Zubau handle, der vor der Baugrenzlinie nicht zulässig sei.

Der Umstand, dass die Berufungsbehörde das Gutachten des nichtamtlichen Sachverständigen verwertet habe, begründet weder einen Verfahrensmangel noch, wie der Beschwerdeführer meine, eine Nichtigkeit.

Der eingebrachte rechtzeitige Vorlageantrag habe die Berufungsvorentscheidung außer Kraft gesetzt, dies auch dann, wenn die Berufungsvorentscheidung verspätet erlassen worden sei (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 17. November 1994, Zl. 92/06/0243). Über eine Berufung gegen die Berufungsvorentscheidung sei daher mangels bestehender Berufungsvorentscheidung nicht abzusprechen gewesen.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Im Beschwerdefall ist die Tiroler Bauordnung 2001, LGBl. Nr. 94 (Wiederverlautbarung; TBO 2001), in der Fassung LGBl. Nr. 60/2005 anzuwenden.

§ 2 TBO 2001 enthält Begriffsbestimmungen und lautet auszugsweise:

(1) Bauliche Anlagen sind mit dem Erdboden verbundene Anlagen, zu deren fachgerechten Herstellung bautechnische Kenntnisse erforderlich sind.

(2) Gebäude sind überdeckte, allseits oder überwiegend umschlossene bauliche Anlagen, die von Menschen betreten werden können und die dazu bestimmt sind, dem Schutz von Menschen, Tieren oder Sachen zu dienen.

...

(8) Zubau ist die Vergrößerung eines Gebäudes durch die Herstellung neuer oder die Erweiterung bestehender Räume.

...

(15) Erker sind an der Fassade vorspringende Gebäudeteile, die vorwiegend der Gestaltung der Fassade dienen und die im Verhältnis zur Fassade und zum betreffenden Innenraum von untergeordneter Größe sind.

(16) Untergeordnete Bauteile sind Vordächer, Dachkapfer, Kamine, Windfänge, Freitreppen, offene Balkone, Sonnenschutzeinrichtungen und dergleichen, fassadengestaltende Bauteile wie Erker, Gesimse, Lisenen, Rahmen und dergleichen, unmittelbar über dem Erdgeschoss angebrachte offene Schutzdächer sowie an baulichen Anlagen angebrachte Werbeeinrichtungen und Solaranlagen.

..."

§ 6 TBO 2001 lautet auszugsweise:

"(2) Bei der Berechnung der Mindestabstände nach Abs. 1 bleiben außer Betracht und dürfen innerhalb der entsprechenden Mindestabstandsflächen errichtet werden:

a) untergeordnete Bauteile, sofern sie nicht mehr als 1,50 m in die Mindestabstandsflächen ragen und ein ausreichender Brandschutz zum angrenzenden Grundstück gewährleistet ist;

b) Kamine sowie Dachkapfer bis zu einer Länge von insgesamt 33 v. H. der Wandlänge auf der betreffenden Gebäudeseite und bis zu einer Höhe von 1,40 m, wobei vom lotrechten Abstand zwischen dem untersten Schnittpunkt des Dachkapfers mit der Dachhaut und dem höchsten Punkt des Dachkapfers auszugehen ist.

(3) Folgende bauliche Anlagen oder Bauteile dürfen in die Mindestabstandsflächen von 3 bzw. 4 m ragen oder innerhalb dieser errichtet werden:

a)

...

c)

Stützmauern, Geländer, Brüstungen, Einfriedungen und dergleichen bis zu einer Höhe von insgesamt 2 m, im Gewerbe- und Industriegebiet bis zu einer Höhe von insgesamt 2,80 m, jeweils vom höheren anschließenden Gelände gemessen, außer der betroffene Nachbar stimmt einer größeren Höhe nachweislich zu;

              d)              ...

(4) Ist eine Baugrenzlinie festgelegt, so gilt Abs. 2 und 3 lit. c sinngemäß. Darüber hinaus dürfen nur Pflasterungen, Zufahrten und dergleichen vor die Baugrenzlinie ragen oder vor dieser errichtet werden.

(5) ..."

Der Beschwerdeführer vertritt im Wesentlichen die Auffassung, dass das, was nun projektgegenständlich sei, als untergeordneter Bauteil zu qualifizieren sei, der vor der Baugrenzlinie zulässig sei. Dem ist nicht zu folgen. Der mit Bescheid vom 2. Juni 2004 bewilligte Bestand ergibt sich aus den bewilligten Bauplänen. Das nunmehrige Projekt sieht durch die Errichtung einer geschlossenen Decke und einer darunter liegenden Trennwand eine wesentliche Veränderung des bewilligten Zustandes vor (von der Herstellung von Einfahrtsöffnungen im Obergeschoß und der Nutzungsänderung im Erdgeschoß überhaupt abgesehen). Was als "untergeordneter Bauteil" anzusehen ist, ergibt sich aus § 2 Abs. 16 TBO 2001, das Vorhaben kann dem nicht subsumiert werden, davon abgesehen, dass untergeordnete Bauteile ohnedies nur 1,50 m und nicht so wie hier das Vorhaben, mehr als 10 m vor die Baugrenzlinie ragen dürfen.

Ein Fall des § 6 Abs. 2 lit. b TBO 2001 ist sachverhaltsmäßig auch nicht gegeben (es geht weder um einen Kamin noch um einen Dachkapfer), vielmehr käme nur ein Fall des Abs. 3 lit. c leg. cit. in Betracht. Aber auch ein solcher ist nicht gegeben:

Die in der Beschwerde auch vertretene Auffassung, die dahin geht, die Geschoßdecke sei sozusagen eine liegende Stützwand (und damit offensichtlich das Vorhaben eine Summierung von Stützwänden) wird vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilt. Damit ist das Vorhaben, wie ebenfalls zutreffend erkannt wurde, im Grunde des § 6 Abs. 4 TBO 2001 nicht bewilligungsfähig.

Auch der Einwand, die Maßnahmen, die nun nachträglich bewilligt werden sollen, seien erfolgt, weil sich Spannungsrisse in der Stützmauer ergeben hätten, verfängt nicht. Damit wird nur dargelegt, dass diese Stützmauer infolge von Planungsmängeln oder Ausführungsmängeln oder aus welchen Gründen auch immer mangelhaft sei und allenfalls die Errichtung einer neuen Mauer erforderlich ist (es ist allgemein bekannt, dass es größere und mächtigere mängelfreie Stützmauern gibt). Die behaupteten Schäden vermögen jedenfalls daran nichts zu ändern, dass es sich bei dem, was nun verfahrensgegenständlich ist, weder um einen "untergeordneten Bauteil" noch sonst um ein vor der Baugrenzlinie zulässiges Vorhaben handelt, wie dargelegt.

"Nichtig" soll die Berufungsentscheidung gewesen sein, weil der Bürgermeister den Ortsaugenschein am 25. Oktober 2006 durchgeführt habe. Die Berufung sei am 1. September 2006 eingebracht worden, die Frist zur Berufungsvorentscheidung betrage gemäß § 64 AVG zwei Monate, damit sei der Bürgermeister am 25. Oktober 2006 "als absolut unzuständige Behörde am Verfahren beteiligt" gewesen, eine Beschlussfassung der Berufungsbehörde, den Bürgermeister mit Ermittlungen zu beauftragen, sei nie erfolgt. Die Ermittlungsergebnisse hätten nicht berücksichtigt werden dürfen. Eine Befangenheit der Erstbehörde sei gegeben, weil der Organwalter der ersten Instanz, der den Bescheid der ersten Instanz auch erlassen habe, als unzuständige Behörde Ermittlungen durchgeführt haben, die die Berufungsbehörde ihrer Entscheidung zu Grunde gelegt habe, womit offenbar ein Verstoß gemäß § 7 Abs. 1 Z 5 AVG vorliege.

Dem ist zu entgegnen, dass nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers selbst die zweimonatige Frist zur Erlassung der Berufungsvorentscheidung am 25. Oktober 2006 noch offen war, womit daraus, dass diese Frist zwei Monate betrage, nicht, wie es der Beschwerdeführer unternimmt, abgeleitet werden kann, dass der Bürgermeister schon vor Ablauf dieser Frist "als absolut unzuständige Behörde am Verfahren beteiligt" gewesen sei. Eine "Nichtigkeit" im Sinne der Bestimmungen der Zivilprozessordnung, wie sie der Beschwerdeführer sichtlich vor Augen hat, ist dem AVG nicht bekannt, in Betracht käme ein Verfahrensmangel. Abgesehen davon, dass sich das, was mit dem Bescheid vom 2. Juni 2004 bewilligt wurde, aus den zugrundeliegenden Bauplänen ergibt, wurden die vom Bürgermeister nach Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides durchgeführten Ermittlungsschritte von der Berufungsbehörde dadurch gebilligt, dass sie dem Berufungsbescheid zu Grunde gelegt wurden (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 15. Juni 2004, Zl. 2003/05/0196), sodass ein allfälliger Verfahrensmangel, dessen Wesentlichkeit im Übrigen nicht aufgezeigt wird, saniert wäre.

Zutreffend haben die Berufungsbehörde wie auch die belangte Behörde darauf verwiesen, dass auch eine verspätet erlassene Berufungsvorentscheidung durch einen rechtzeitigen Vorlageantrag außer Kraft tritt (siehe das von der belangten Behörde genannte hg. Erkenntnis vom 17. November 1994, Zl. 92/06/0243).

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 28. Februar 2008

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2007060247.X00

Im RIS seit

04.04.2008

Zuletzt aktualisiert am

05.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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