TE Vwgh Erkenntnis 2008/2/29 2008/04/0011

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Veröffentlicht am 29.02.2008
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Index

97 Öffentliches Auftragswesen;

Norm

BVergG 2006 §129 Abs1 Z7;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Bayjones, Dr. Grünstäudl und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde der E Ges.m.b.H. Nfg. KG in U, vertreten durch Dr. Karl Grigkar und Mag. Ender Bozkurt, Rechtsanwälte in 1190 Wien, Sickenberggasse 10, gegen den Bescheid des Vergabekontrollsenates Wien vom 8. November 2007, Zl. VKS-6997/07 (mitbeteiligte Parteien: 1. Magistrat der Stadt Wien, Unternehmung Wiener Krankenanstaltenverbund, vertreten durch Schramm Öhler Rechtsanwälte OEG, 1010 Wien, Bartensteingasse 2, und 2. A GmbH, vertreten durch Dr. Isabelle Dessulemonstier-Bovekercke, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Plankengasse 6/15), betreffend Nichtigerklärung einer Zuschlagsentscheidung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Die erstmitbeteiligte Partei führte ein offenes Verfahren im Oberschwellenbereich zur Vergabe eines Rahmenvertrages betreffend die Belieferung der Anstaltsapotheken des Wiener Krankenanstaltenverbundes mit dem Arzneimittel P. durch. Zuschlagskriterium ist der niedrigste Preis, der Vertrag soll 12 Monate lang ab dem Zeitpunkt der Auftragsvergabe laufen. An diesem Verfahren haben sich fünf Unternehmen, darunter die Beschwerdeführerin, beteiligt und ein Angebot abgegeben. Mit Schreiben vom 20. September 2007 teilte die erstmitbeteiligte Partei der Beschwerdeführerin mit, den Zuschlag der zweitmitbeteiligten Partei erteilen zu wollen. Mit Schriftsatz vom 3. Oktober 2007 beantragte die Beschwerdeführerin die Nichtigerklärung dieser Zuschlagsentscheidung, die Erlassung einer einstweiligen Verfügung und die Zuerkennung von Kostenersatz.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag auf Nichtigerklärung ab, hob die am 9. Oktober 2007 erlassene einstweilige Verfügung auf und sprach aus, dass die Beschwerdeführerin die entrichteten Pauschalgebühren selbst zu tragen habe. Zur Begründung führte sie aus, die Beschwerdeführerin habe in ihrem Nachprüfungsantrag die Ansicht vertreten, das Angebot der zweitmitbeteiligten Partei sei auszuscheiden gewesen, weil das von dieser angebotene Arzneimittel nicht den Mindestanforderungen der Ausschreibung entspreche. Die Entnahme des Arzneimittels (eine Fertiglösung für die onkologische Therapie) aus dem Fläschchen müsse nach der Ausschreibung mit einem Belüftungs-Filter-Spikesystem oder mit einem gleichwertigen Entnahmesystem möglich sein. Diese Anforderung erfülle das Angebot der zweitmitbeteiligten Partei nach Auffassung der Beschwerdeführerin nicht, weil sich aus deren Produktbeschreibung ergebe, dass bei der Entnahme des Arzneimittels aus den Durchstechflaschen keine Chemo-Pins oder Chemo-Spikes verwendet werden dürfen.

Der betreffende Ausschreibungspunkt lautet unstrittig wie folgt:

"Die Primärverpackung (= das Fläschchen) der P. Fertiglösung Punkt 3.3.1. Bruch- und Auslaufschutz:

Es müssen Vorkehrungen getroffen sein, welche den Bruch der Primärverpackung, die das Arzneimittel enthält, verhindern. Sollte es trotzdem zum Bruch der Primärverpackung kommen, so müssen diese Vorkehrungen das Auslaufen der Fertiglösung verhindern und es darf zu keiner Kontamination des Personals und/oder der Umwelt kommen.

Punkt 3.3.2. Kompatibilität mit einem Belüftungs-Filter-Spike-Entnahmesystem: Die Entnahme der Fertiglösung muss mit einem Belüftungs-Filter-Spike-System (wie zB Chemo-Spike oder Mini-Spike) oder einem gleichwertigen Entnahmesystem möglich sein."

Die Produktbeschreibung der zweitmitbeteiligten Partei lautet auszugsweise:

"Für die Verdünnung des Konzentrates zur Herstellung einer Infusionslösung dürfen bei der Entnahme aus der P.- Durchstechflasche keine Chemo-Pins oder Chemo-Spikes verwendet werden, da diese den Stopfen der Durchstechflasche beschädigen können, wodurch die Sterilität der Lösung verloren geht ..."

Nach den Erläuterungen der erstmitbeteiligten Partei, so die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides weiter, solle mit dem genannten Ausschreibungspunkt die Keimfreiheit der Lösung beim Durchstechen des Verschlusses des Arzneimittelfläschchens gewährleistet werden. Über die Einhaltung dieser Mindestanforderung hätten sich bei der erstmitbeteiligten Partei hinsichtlich aller fünf Angebote Unklarheiten ergeben. In der Folge hätte ihr die zweitmitbeteiligte Partei die Produktbeschreibung dahin erläutert, dass Chemo-Pins oder Chemo-Spikes nur dann vermieden werden sollen, wenn das Arzneimittel in einer nicht-aseptischen Umgebung entnommen werde. Da die erstmitbeteiligte Partei beabsichtige, das Arzneimittel zur Herstellung von Infusionen zu verwenden und es aus dem Fläschchen unter aseptischen (keimfreien) Laborbedingungen zu entnehmen, vertrete sie die Ansicht, dass die zweitmitbeteiligte Partei die Ausschreibungskriterien erfüllt habe.

Die zweitmitbeteiligte Partei habe als Teilnahmeberechtigte und potenzielle Zuschlagsempfängerin zum Nachprüfungsantrag der Beschwerdeführerin ausgeführt, dass ihr Angebot dem erwähnten Ausschreibungspunkt 3.3.2. schon deshalb entspreche, weil auch nach der wiedergegebenen Produktbeschreibung die Verwendung der in der Ausschreibung verlangten Mini-Spikes oder anderer gleichwertiger Belüftungs-Filter-Spikesysteme nicht ausgeschlossen sei. Ungeachtet dessen sei eine Entnahme des Arzneimittels unter aseptischen Bedingungen, die bei der erstmitbeteiligten Partei gegeben seien, auch mit Hilfe von Chemo-Spikes und Chemo-Pins möglich.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides ging die belangte Behörde davon aus, dass nach dem übereinstimmenden Parteienvorbringen durch den in Rede stehenden Ausschreibungspunkt die Keimfreiheit sowohl der entnommenen Fertiglösung als auch des im Fläschchen verbleibenden Arzneimittels gewährleistet werden solle. Sowohl Spike-Systeme als auch Kanülen-Systeme dienten dazu, den bei der Entnahme der Flüssigkeit entstehenden Unterdruck in den Fläschchen auszugleichen, und zwar derart, dass keine verkeimte Luft in die Fläschchen gelangen könne bzw. schädliche Dämpfe dabei nicht austreten könnten. Bei der Verwendung von Chemo-Spikes und Chemo-Pins sei die Keimfreiheit bei einer Entnahme unter aseptischen Bedingungen gewährleistet. Bei den von der Beschwerdeführerin als auch den von der zweitmitbeteiligten Partei angebotenen Fläschchen könnten aber auch Mini-Spikes und andere gleichwertige Entnahme-Systeme verwendet werden. Insgesamt gebe es unstrittig "sieben oder acht gleichwertige Entnahmesysteme" auf dem Markt, deren wesentliche Funktion, nämlich die aseptische Entnahme, ident sei. Unbestritten sei auch geblieben, dass die Verwendung der in Rede stehenden Chemo-Spikes und Chemo-Pins dann möglich sei, wenn die Entnahme des Inhaltes aus den Fläschchen unter aseptischen Bedingungen, wie sie bei der erstmitbeteiligten Partei gegeben seien, erfolge.

In rechtlicher Hinsicht folgerte die belangte Behörde, dass die von der zweitmitbeteiligten Partei angebotenen Arzneimittelfläschchen dem Punkt 3.3.2. der Ausschreibungsbedingungen aus mehreren Gründen entsprächen:

Erstens sei eine Entnahme durch die in der Ausschreibung beispielsweise erwähnten Mini-Spikes möglich, die Produktinformation der zweitmitbeteiligten Partei schließe diese Möglichkeit jedenfalls nicht aus. Zweitens habe das Nachprüfungsverfahren ergeben, dass die Entnahme auch mit anderen, gleichwertigen und am Markt vorhandenen Systemen, die nach der Ausschreibung ausdrücklich zulässig seien, erfolgen könne. Drittens könne nach Ansicht der belangten Behörde das Arzneimittel aus den Fläschchen der zweitmitbeteiligten Partei trotz gegenteiliger Produktbeschreibung sogar mit Chemo-Pins oder Chemo-Spikes entnommen werden, da die Entnahme ohnedies in einer zentralen Laborstelle der erstmitbeteiligten Partei unter aseptischen Bedingungen erfolge. Das Angebot der zweitmitbeteiligten Partei sei daher ausschreibungskonform und die Zuschlagsentscheidung nicht als rechtswidrig zu erkennen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Gemäß § 129 Abs. 1 Z 7 BVergG 2006 hat der Auftraggeber vor der Wahl des Angebotes für die Zuschlagsentscheidung auf Grund des Ergebnisses der Prüfung u.a. solche Angebote auszuscheiden, die den Ausschreibungsbestimmungen widersprechen.

Die Beschwerde führt zunächst aus, das Angebot der zweitmitbeteiligten Partei wäre auszuscheiden gewesen, weil die Ausschreibung nur solche Arzneimittelfläschchen zulasse, die eine Entnahme der Fertiglösung entweder mit Chemo-Spikes oder mit Mini-Spikes ermöglichten. Diesem Vorbringen ist der (im angefochtenen Bescheid und in der Beschwerde übereinstimmend zitierte) Ausschreibungspunkt 3.3.2. entgegen zu halten, nach dem die Entnahme auch mit Hilfe eines "gleichwertigen Entnahmesystems" erfolgen kann. Zutreffend geht die belangte Behörde daher davon aus, dass im zitierten Ausschreibungspunkt Chemo-Spikes und Mini-Spikes nur beispielhaft angeführt sind.

Für ein ausschreibungskonformes (fallbezogen: dem Punkt 3.3.2. der Ausschreibung nicht widersprechendes) Angebot reicht es somit aus, dass die Entnahme des Arzneimittels aus den von der zweitmitbeteiligten Partei angebotenen Fläschchen mit einem der in der Ausschreibung genannten Systeme ermöglicht wird. Dies ist bei den von der zweitmitbeteiligten Partei angebotenen Arzneimittelfläschchen schon deshalb der Fall, weil nach den Feststellungen der belangten Behörde (Bescheid Seite 10 bis 12) "sieben oder acht gleichwertige" Entnahmesysteme auf dem Markt vorhanden sind, die eine keimfreie Entnahme des Arzneimittels ermöglichen, von denen lediglich zwei (Chemo-Pins und Chemo-Spikes) bei den Fläschchen der zweitmitbeteiligten Partei nicht verwendbar sind.

In diesem Zusammenhang macht die Beschwerdeführerin zwar als Verfahrensmangel geltend, die belangte Behörde hätte einerseits unter Beiziehung eines Sachverständigen überprüfen müssen, "ob" diese Entnahmesysteme "tatsächlich gleichwertig" sind und hätte andererseits die gleichwertigen Entnahmesysteme im angefochtenen Bescheid benennen müssen. Die Beschwerde behauptet aber nicht konkret, dass es ein für die Fläschchen der zweitmitbeteiligten Partei verwendbares, gleichwertiges Entnahmesystem im Sinne des Ausschreibungspunktes 3.3.2. nicht gebe, und führt dafür auch keine Gründe ins Treffen. Daher kann die Feststellung der belangten Behörde, es bestehe die Möglichkeit, dass das Arzneimittel aus den Fläschchen der zweitmitbeteiligten Partei durch Systeme, die mit den in der Ausschreibung genannten Chemo-Spikes und Mini-Spikes gleichwertig sind, aseptisch entnommen werden könne, nicht als unschlüssig erkannt und hinsichtlich der im Bescheid fehlenden Bezeichnung der in Frage kommenden gleichwertigen Entnahmesysteme die Relevanz des Verfahrensmangels nicht ersehen werden. Schon deshalb ist der Rechtsansicht der belangten Behörde nicht entgegen zu treten, dass das Angebot der zweitmitbeteiligten Partei in dem besprochenen Punkt ausschreibungskonform ist.

Bei diesem Ergebnis kann dahingestellt bleiben, ob auch die von der Beschwerde bekämpfte Zusatzbegründung des angefochtenen Bescheid tragfähig ist, nach der bei den Fläschchen der zweitmitbeteiligten Partei auch Chemo-Pins bzw. Chemo-Spikes verwendet werden können (obwohl sie laut Produktbeschreibung nicht verwendet werden dürfen) oder Mini-Spikes zum Einsatz kommen können (obwohl sie laut angefochtenem Bescheid, S.12, den Chemo-Spikes ähnlich sind).

Da der von der Beschwerdeführerin behauptete Ausscheidungsgrund nach dem Gesagten nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung abzuweisen.

Wien, am 29. Februar 2008

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2008040011.X00

Im RIS seit

07.04.2008

Zuletzt aktualisiert am

05.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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