TE Vwgh Erkenntnis 2008/3/28 2007/02/0143

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Veröffentlicht am 28.03.2008
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
60/02 Arbeitnehmerschutz;

Norm

BArbSchV 1994 §8 Abs1;
VStG §9 Abs1;
VStG §9 Abs2;
VStG §9 Abs3;
VStG §9 Abs4;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lier, über die Beschwerde des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten vom 13. März 2007, Zl. KUVS-1819/8/2006, betreffend Einstellung eines Verwaltungsstrafverfahrens in Angelegenheit Übertretung arbeitnehmerschutzrechtlicher Bestimmungen (mitbeteiligte Partei:

NG in V, vertreten durch Dr. Günther Nowak, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, St. Veiter Ring 51A, Stiege 1), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat dem Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Klagenfurt vom 28. November 2006 wurde der Mitbeteiligte schuldig erkannt, er habe es als verantwortlich Beauftragter der A GmbH, Zweigniederlassung K, und somit als zur Vertretung nach außen berufenes Organ im Sinne des § 9 Abs. 2 VStG zu verantworten, dass am 11. August 2005 auf der Baustelle in K die Abdeckung der Bodenöffnung mit einer Länge von 2,22 m und einer Breite von 0,80 m zwischen dem zweiten und dem ersten Obergeschoß nicht tragsicher im Sinne des § 8 Abs. 1 der Bauarbeiterschutzverordnung ausgeführt gewesen sei.

Auf Grund der dagegen erhobenen Berufung hob die belangte Behörde das Straferkenntnis auf und stellte das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 2 VStG ein.

Die belangte Behörde begründete diese Entscheidung im Wesentlichen damit, dass nicht davon gesprochen werden könne, dass der Mitbeteiligte rechtswirksam zum verantwortlichen Beauftragten für die verfahrensgegenständliche Baustelle bestellt worden sei, weil im Bereich der "Filiale Kärnten" der A GmbH zumindest zwei Personen zu verantwortlich Beauftragten bestellt worden seien, ohne dass deren Verantwortlichkeitsbereich in örtlicher und sachlicher Hinsicht klar abgegrenzt worden sei.

Dagegen richtet sich die auf § 13 des Arbeitsinspektionsgesetzes 1993 (ArbIG) gestützte Amtsbeschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt vor, es seien beim zuständigen Arbeitsinspektorat vor dem Tatzeitpunkt zwei Mitteilungen über die Bestellung von verantwortlichen Beauftragten jeweils vom 11. Februar 2005 eingelangt; er habe diese Urkunden samt dem "Kurzbrief", mit dem die Urkunden dem Arbeitsinspektorat übermittelt worden seien und der den Eingangsstempel mit Datum 16. Februar 2005 aufweise, der Beschwerde beigelegt. Nur diese Mitteilungen seien im Hinblick auf § 23 Abs. 1 ArbIG rechtwirksam. Die belangte Behörde habe sich auch auf eine weitere (hinsichtlich der Zustimmungserklärung nicht datierte), vom Mitbeteiligten unterfertigte Bestellungsurkunde (betreffend "Räumlicher Zuständigkeitsbereich: Bauvorhaben: Abrechnungskreis 621") vom 18. Jänner 2005 gestützt, die an diesem Tag dem Arbeitsinspektorat "zugemittelt" worden sei. Dass diese Urkunde aber beim Arbeitsinspektorat eingelangt sei, habe die belangte Behörde nicht festgestellt bzw. ermittelt; tatsächlich sei diese Urkunde nicht eingelangt. In den beiden erstgenannten Bestellungsurkunden seien aber die örtlichen Bereiche der beiden bestellten verantwortlichen Beauftragten klar abgegrenzt.

Mit den beiden Bestellungsurkunden je vom 11. Februar 2005, auf die sich die belangte Behörde auch stützt und die tatsächlich laut Eingangsstempel am "Kurzbrief" vom 16. Februar 2006 beim Arbeitsinspektorat eingelangt sind, wurde einerseits DI S für den "räumlichen Zuständigkeitsbereich: Betriebsstandort: K" mit genauer Anschrift, andererseits der Mitbeteiligte für den "räumlichen Zuständigkeitsbereich: Betriebsstandort V" mit genauer Anschrift zum verantwortlichen Beauftragten bestellt.

Gemäß § 9 Abs. 4 VStG kann ein verantwortlicher Beauftragter im Sinne des § 9 Abs. 3 nur eine Person sein, der u.a. für den ihrer Verantwortung unterliegenden klar abzugrenzenden Bereich eine entsprechende Anordnungsbefugnis zugewiesen ist. Daraus ist zu schließen, dass der räumliche oder sachliche Bereich des Unternehmens, für den ein verantwortlicher Beauftragter mit dessen Zustimmung bestellt wird, "klar abzugrenzen" ist. Erfolgt eine solche klare Abgrenzung nicht, so liegt keine wirksame Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten vor. Die Verwaltungsstrafbehörden sollen nicht in die Lage versetzt werden, Ermittlungen über den jeweiligen Betrieb und seine Gliederung in räumlicher und sachlicher Hinsicht, insbesondere über die Größe, Lage und Verwendung der einzelnen Betriebsräume, anstellen zu müssen. Sie sollen auch der Aufgabe enthoben sein, die Bestellung (ihren Nachweis) einer nur unter Zuhilfenahme weiterer Beweise möglichen Interpretation unterziehen zu müssen, um zu klären, welcher Inhalt einer diesbezüglich nicht eindeutigen Erklärung beizumessen ist. Jedenfalls soll vermieden werden, dass Zweifel am Umfang des Verantwortlichkeitsbereiches entstehen und als deren Folge die Begehung von Verwaltungsübertretungen allenfalls überhaupt ungesühnt bleibt. Bei der Auslegung einer Bestellungsurkunde ist sohin ein objektiver Maßstab anzulegen (vgl. zB. das hg. Erkenntnis vom 12. Jänner 1999, Zl. 98/09/0231).

Nach diesem Maßstab ist der "räumliche Zuständigkeitsbereich" der Bestellungsurkunden vom 11. Februar 2005 dahingehend zu verstehen, dass DI S und der Mitbeteiligte jeweils nur für Arbeiten am genau genannten Betriebsstandort in K bzw. V als verantwortliche Beauftragte bestellt waren.

Die gegenständliche Baustelle in K, auf der sich der Arbeitsunfall auf Grund der von der Behörde erster Instanz angelasteten Übertretung ereignete, ist nicht dem räumlichen Zuständigkeitsbereich des Mitbeteiligten zuzuordnen.

Ob die Bestellungsurkunde vom 18. Jänner 2005, die nach den Feststellungen der belangten Behörde am 18. Jänner 2005 dem Arbeitsinspektorat "zugemittelt" worden sei, tatsächlich beim Arbeitsinspektorat eingelangt ist, wie dies der Beschwerdeführer in Abrede stellt, kann dahinstehen. Denn objektiv entsprach diese Bestellungsurkunde vom 18. Jänner 2005 hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit nicht den oben ausgeführten Kriterien, an denen eine Bestellungsurkunde zu messen ist, weil der "räumliche Zuständigkeitsbereich: Bauvorhaben: Abrechnungskreis 621" (dazu gab der Mitbeteiligte in der mündlichen Verhandlung vom 26. Jänner 2007 an, dass darunter "alle Hochbauvorhaben in Kärnten ... mit Ausnahme des Zuständigkeitsbereiches des Baubüros S" gemeint seien, "wobei das Baubüro S fallweise in ganz Kärnten Bauvorhaben" durchführe) ohne Ermittlungen über den Betrieb und seine Gliederung die Behörde nicht in die Lage versetzte, die Begehung der gegenständlichen Verwaltungsübertretung dem tatsächlich Verantwortlichen vorzuwerfen.

Die belangte Behörde ist daher im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass die Bestellungsurkunden im Beschwerdefall nicht zum Tragen kamen.

Damit verblieb die strafrechtliche Verantwortlichkeit aber bei den gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen Berufenen, zu denen der Mitbeteiligte nicht zählt.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 28. März 2008

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2007020143.X00

Im RIS seit

01.05.2008

Zuletzt aktualisiert am

05.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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