TE Vwgh Erkenntnis 2008/3/31 2005/21/0069

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Veröffentlicht am 31.03.2008
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Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Melderecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z2;
FrG 1997 §36 Abs2 Z6;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
MeldeG 1991 §22 Abs1 Z1;
MeldeG 1991 §3 Abs1;
MRK Art8;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde des M, vertreten durch Mag. German Bertsch, Rechtsanwalt in 6800 Feldkirch, Saalbaugasse 2, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 22. Februar 2005, Zl. Fr-4250a-278/04, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen mazedonischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 und 2 Z 2 und 6 des (bis 31. Dezember 2005 in Geltung gestandenen) Fremdengesetzes 1997 - FrG ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot.

Zur Begründung dieser Maßnahme führte sie im Wesentlichen aus: Der Beschwerdeführer habe über Reisevisa mit Gültigkeit vom 1. Juli bis 30. September 1996 und vom 14. Oktober bis 14. November 1996 verfügt. Nachdem er schon am 24. April 1996 ohne Visum nach Österreich gereist sei, sei er erneut am 10. August 1996 über den Grenzübergang Nickelsdorf eingereist und bei seiner Weiterreise am Grenzübergang zur Bundesrepublik Deutschland von den deutschen Zollwacheorganen zurückgewiesen worden. Die Bezirkshauptmannschaft Feldkirch habe ihn mit Bescheid vom 29. Dezember 1998 wegen unrechtmäßigen Aufenthaltes ausgewiesen. Am 31. Dezember 1998 habe er unter einem Aliasnamen einen Asylantrag gestellt und angegeben, kein Dokument zu besitzen. Er habe beim Bundesasylamt falsche Angaben über seine Personaldaten, die Daten seiner Eltern, seinen bisherigen Aufenthalt im österreichischen Bundesgebiet, seine angebliche Flucht aus dem Kosovo am 6. November 1998 und das Nichtvorhandensein eines Reisepasses gemacht. Weiters habe er seinen vorigen Aufenthalt in der Schweiz verschwiegen. Der Beschwerdeführer habe somit gegenüber den Organen des Bundesasylamtes unrichtige Angaben über seine Person, seine persönlichen Verhältnisse, den Zweck oder die beabsichtigte Dauer seines Aufenthaltes gemacht, um sich eine Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz zu verschaffen. Der Asylantrag sei mit Bescheid vom 3. März 1999 in erster Instanz abgewiesen worden; das Berufungsverfahren sei im Jahr 2001 eingestellt worden. In der Folge habe der Beschwerdeführer über keinen gültigen Einreise- oder Aufenthaltstitel für Österreich verfügt.

Am 24. Juli 2003 und am 4. August 2003 sei er als Geschäftsführer einer Pizzeria in G angetroffen und wegen Übertretung des Fremdengesetzes und Ausländerbeschäftigungsgesetzes zur Anzeige gebracht worden. Am 3. November 2004 sei er neuerlich kontrolliert worden, wobei er weder einen Reisepass noch die zum Unterhalt notwendigen Mittel habe vorweisen können. Er habe vorgebracht, von seinen drei Brüdern finanziell unterstützt zu werden.

Die Bezirkshauptmannschaft Dornbirn habe mit Bescheid vom 3. November 2004 gemäß § 36 Abs. 1 und 2 Z 7 FrG gegen ihn ein Aufenthaltsverbot verhängt. Vermutlich um sich einen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet zu sichern, habe der Beschwerdeführer am 25. November 2004 aus dem Stand der Schubhaft einen neuerlichen Asylantrag gestellt. Das Asylverfahren sei derzeit in erster Instanz anhängig. Der Beschwerdeführer sei seit 1. Dezember 2004 für die Dauer des Asylverfahrens zum Aufenthalt in Österreich berechtigt.

Der Beschwerdeführer habe beim zweiten Asylantrag verschleiern wollen, dass er bereits ein negativ beschiedenes Asylverfahren durchlaufen gehabt habe. Bei seiner Vernehmung vom 1. Dezember 2004 habe er ausdrücklich verneint, schon früher einmal in Österreich einen Asylantrag gestellt zu haben. Lediglich durch einen daktyloskopischen Vergleich hätten die differierenden Personaldaten der Person des Beschwerdeführers zugeführt werden können.

Auf Grund dieser Umstände sei der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z 6 FrG erfüllt und die Annahme indiziert, dass im Sinn des § 36 Abs. 1 FrG sein weiterer Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährden oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderlaufen werde.

Der Beschwerdeführer habe sich von 1996 bis 1998 und nach Einstellung seines Asylverfahrens im Juni 2001 bis zur neuerlichen Asylantragstellung am 25. November 2004 nicht rechtmäßig in Österreich aufgehalten. Er habe sich (erst) vom 3. November 2004 bis 1. Dezember 2004 und seit 21. Dezember 2004 in Österreich angemeldet.

Die belangte Behörde listete weiters sechs rechtskräftige Bestrafungen des Beschwerdeführers aus den Jahren 2003 und 2004 auf, u.a. nach § 28 AuslBG, nach § 107 Abs. 1 Z 4 FrG und vier Mal nach § 3 Abs. 1 Meldegesetz. Somit sei der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z 2 FrG erfüllt und daher "wiederum" die genannte Annahme nach § 36 Abs. 1 FrG indiziert.

Die permanente, über mehrere Jahre gehende Weigerung des Beschwerdeführers, den rechtmäßigen Zustand herzustellen und das Bundesgebiet zu verlassen, sowie der Versuch, sich den rechtmäßigen Aufenthalt durch Stellen von zwei Asylanträgen zu verschaffen, müsse zur Ergreifung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme führen.

Der Beschwerdeführer sei nicht verheiratet, lebe jedoch seit fünf Jahren in einer Lebensgemeinschaft und es sei am 10. Mai 2002 ein gemeinsamer Sohn geboren worden, der österreichischer Staatsangehöriger sei. Die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers sei österreichische Staatsangehörige. Es komme jedoch den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Befolgung durch die Normadressaten aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein sehr hoher Stellenwert zu und es sei das Aufenthaltsverbot zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten. Es sei nicht tragbar, das Verhalten des Beschwerdeführers zu akzeptieren und ihm einen weiteren Aufenthalt in Österreich zu ermöglichen, zumal er durch zahlreiche rechtskräftige Verwaltungsstraferkenntnisse zum Ausdruck gebracht habe, nicht gewillt zu sein, sich an die österreichische Rechtsordnung zu halten. Es überwiege daher das öffentliche Interesse an der Erlassung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme den Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten seitens der belangten Behörde erwogen:

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht die behördlichen Feststellungen, weshalb der Gerichtshof keine Bedenken gegen die behördliche Ansicht hegt, dass die Tatbestände des § 36 Abs. 2 Z 2 und 6 FrG erfüllt seien. Zum erstgenannten Tatbestand ist darauf hinzuweisen, dass rechtskräftige Bestrafungen nach § 3 Abs. 1 (iVm § 22 Abs. 1 Z 1) Meldegesetz eine schwerwiegende Übertretung dieses Gesetzes darstellten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. März 2002, Zl. 2000/21/0212). Unter Berücksichtigung des Gesamtverhaltens des Beschwerdeführers war es nicht rechtswidrig, die in § 36 Abs. 1 FrG genannte Prognose zu seinen Lasten zu stellen.

Mit dem Hinweis, dass er seinen Sohn bereits seit dessen Geburt im Mai 2002 intensiv betreue und eine außergewöhnlich starke Vater-Sohn-Beziehung entstanden sei, wendet sich der Beschwerdeführer gegen die behördliche Beurteilung nach § 37 FrG.

Gemäß § 37 Abs. 1 FrG ist, würde u.a. durch ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, dieses nur zulässig, wenn es zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Nach § 37 Abs. 2 leg. cit. ist diese Maßnahme unzulässig, wenn deren Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

Auch mit dem genannten Vorbringen vermag der Beschwerdeführer eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht darzutun. Auch wenn er sich seit vielen Jahren in Österreich aufhält und hier seine Lebensgefährtin und ein gemeinsamer (österreichischer) Sohn leben, ist das Aufenthaltsverbot sowohl dringend geboten nach § 37 Abs. 1 FrG als auch nach Interessenabwägung zulässig im Sinn des § 37 Abs. 2 FrG. Nachdem sich der Beschwerdeführer nämlich von 1996 bis 1998 unrechtmäßig in Österreich aufgehalten hatte und auch ausgewiesen wurde, leistete er dieser Ausweisung nicht Folge, sondern stellte zwei Tage nach dem Ausspruch der Ausweisung unter einem falschen Namen einen Asylantrag. Nach Einstellung des Asylverfahrens hielt er sich unangemeldet und unrechtmäßig in Österreich auf, bis er im Jahr 2003 betreten wurde und wegen Verstoßes gegen das Ausländerbeschäftigungsgesetz und gegen das Fremdengesetz sowie mehrfachen Verstoßes gegen das Meldegesetz bestraft werden musste. Am 25. November 2004 stellte er dann unter Verschweigung des ersten Asylverfahrens erneut einen Asylantrag (wodurch das noch in erster Instanz auf § 36 Abs. 2 Z 7 FrG gestützte Aufenthaltsverbot auf den genannten Tatbestand der Mittellosigkeit nicht mehr gegründet werden konnte).

Aus dem Verhalten des Beschwerdeführers kann somit keine erfolgreiche Integration in Österreich abgeleitet werden, zumal er auch nicht über eigene Mittel zum Unterhalt verfügt, sondern diese nur durch finanzielle Unterstützung seitens seiner drei Brüder gesichert ist. (Aus dem Verwaltungsakt geht hervor, dass über das von ihm und seiner Lebensgefährtin geführte Unternehmen das Konkursverfahren eröffnet und später eingestellt wurde.) Noch am 1. Dezember 2004 hat er der Behörde gegenüber unwahre Angaben getätigt. Auch wenn die erste Täuschungshandlung bereits im Jahr 1998 gesetzt wurde, ist angesichts seines späteren Verhaltens das öffentliche Interesse an der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht gemindert und nach wie vor beträchtlich. Selbst wenn eine behauptetermaßen starke "Vater-Kind-Beziehung" besteht, hat der Beschwerdeführer im öffentlichen Interesse die (befristete) Trennung von der Familie in Kauf zu nehmen, zumal er bei Aufnahme des Familienlebens nicht mit einem rechtmäßigen Aufenthalt in Österreich rechnen durfte.

Zu seiner Verfahrensrüge, er hätte von der belangten Behörde (mündlich) vernommen werden müssen, ist anzumerken, dass ein Recht darauf, von der Behörde persönlich gehört zu werden, nicht besteht (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 22. März 2002, Zl. 2002/21/0008, und vom 27. März 2007, Zl. 2006/21/0334). Das von ihm beantragte Sachverständigengutachten "über den seelischen Zustand" seines Sohnes ist nicht relevant, hat die belangte Behörde doch ohnedies angenommen, dass der Sohn des Beschwerdeführers wie jedes Kind unter der Trennung von seinem Vater leide; ein konkretes Vorbringen über eine darüber hinausgehende psychische Störung des Sohnes wurde nicht erstattet. Auch wenn sich - wie in der Beschwerde vorgebracht - die Republik Österreich "zur Familie als Institution und als höchst schützenswertem Gut der Rechtsordnung" bekennt, ist ein weiteres öffentliches Interesse, nämlich dasjenige an der Einhaltung eines geordneten Fremdenwesens, ebenfalls nicht zu vernachlässigen. Gegen dieses Interesse hat der Beschwerdeführer nahezu während seines gesamten inländischen Aufenthaltes bis hin zur Stellung des zweiten Asylantrages verstoßen, hat sich doch auch der erste (unter falschem Namen gestellte) Asylantrag als rechtsmissbräuchlich erwiesen.

Letztlich ist kein Umstand ersichtlich, der die belangte Behörde hätte veranlassen müssen, von dem ihr eingeräumten Ermessen zu Gunsten des Beschwerdeführers Gebrauch zu machen.

Da somit dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die beantragte Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG unterbleiben.

Wien, am 31. März 2008

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2005210069.X00

Im RIS seit

13.05.2008

Zuletzt aktualisiert am

06.08.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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