TE Vwgh Erkenntnis 2008/4/9 2008/19/0040

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Veröffentlicht am 09.04.2008
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §33 Abs3;
AVG §6 Abs1;
AVG §63 Abs5;
AVG §71 Abs2;
AVG §72 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl sowie den Hofrat Mag. Nedwed und die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde der A, vertreten durch Mag. Dr. Johann Fontanesi, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Graben 28/1/12, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenats vom 13. September 2007, Zl. 266.272-2/2E-VIII/22/07, betreffend

1.

Zurückweisung eines Antrags auf Wiedereinsetzung und

2.

Zurückweisung einer Berufung (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird in seinem Spruchpunkt 1. wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit am 11. November 2005 zugestelltem Bescheid wies das Bundesasylamt den Asylerstreckungsantrag der Beschwerdeführerin gemäß §§ 10, 11 Asylgesetz 1997 ab. Mit am 26. November 2005 zur Post gegebenem Schriftsatz erhob die Beschwerdeführerin Berufung. Die belangte Behörde forderte die Beschwerdeführerin auf, zur Verspätung ihrer Berufung Stellung zu nehmen, worauf die Beschwerdeführerin nach einiger Korrespondenz zwischen ihr und der belangten Behörde - die letzte Anfrage des unabhängigen Bundesasylsenats wurde der Beschwerdeführerin am 17. April 2007 zugestellt - mit an die belangte Behörde gerichtetem Schreiben vom 18. April 2007 eine Stellungnahme abgab, welche die belangte Behörde als Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wertete. Mit Schreiben vom 27. April 2007, zur Post gegeben am 30. April 2007, leitete die belangte Behörde den Wiedereinsetzungsantrag gemäß § 6 Abs. 1 AVG an das Bundesasylamt weiter, wo er am 4. Mai 2007 einlangte.

Mit Bescheid vom 23. August 2007 wies das Bundesasylamt den Wiedereinsetzungsantrag der Beschwerdeführerin "vom 04.05.2007" gemäß § 71 Abs. 2 AVG zurück. Die Beschwerdeführerin habe spätestens am 17. April 2007, dem Zustelldatum der (letzten) Aufforderung des unabhängigen Bundesasylsenats, Kenntnis von der Verspätung ihrer Berufung erlangt, weshalb die Frist für die Einbringung des Wiedereinsetzungsantrags am 2. Mai 2007 geendet habe. Da der vom unabhängigen Bundesasylsenat weitergeleitete Antrag erst am 4. Mai 2007 bei der Erstbehörde eingelangt sei, erweise er sich als verspätet.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 71 Abs. 2 AVG ab (Spruchpunkt 1.) und wies gleichzeitig die gegen den Asylbescheid gerichtete Berufung der Beschwerdeführerin vom 26. November 2005 gemäß § 63 Abs. 5 AVG als verspätet zurück (Spruchpunkt 2.). Sie schloss sich in der Begründung des Spruchpunktes 1. den Ausführungen der Erstbehörde an. Zusätzlich führte sie unter Berufung auf das hg. Erkenntnis vom 18. Oktober 2000, Zl. 95/08/0330, aus, der Wiedereinsetzungsantrag sei als verspätet eingebracht zurückzuweisen gewesen, weil der Postenlauf zur unrichtigen Einbringungsstelle in die Frist einzurechnen sei und ein durch die Weiterleitung gemäß § 6 Abs. 1 AVG bewirktes Fristversäumnis der Beschwerdeführerin zugerechnet werden müsse.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten

Senat erwogen hat:

I. Zu Spruchpunkt 1. des angefochtenen Bescheides:

1. Gemäß § 33 Abs. 3 erster Satz AVG werden die Tage des Postenlaufes nicht in die Frist eingerechnet. Zur Wahrung der Frist genügt es daher, dass das Schriftstück fristgerecht der Post zur Beförderung an die Einbringungsstelle übergeben wird, vorausgesetzt, der Postenlauf wurde durch richtige Adressierung an die zuständige Stelle in Gang gesetzt und das Anbringen langt dort auch ein (vgl. etwa Hengstschläger/Leeb, AVG § 33 Rz 10, und die dort zitierte hg. Judikatur).

Ein bei der unzuständigen Stelle eingebrachtes fristgebundenes Anbringen ist dann nicht verspätet, wenn es im Fall der Weiterleitung gemäß § 6 Abs. 1 AVG noch innerhalb der Frist bei der zuständigen Behörde einlangt oder der Post zur Beförderung an die zuständige Behörde übergeben wird (vgl. etwa das auch von der belangten Behörde zitierte hg. Erkenntnis vom 18. Oktober 2000, Zl. 95/08/0330, und die weiteren Nachweise bei Hengstschläger/Leeb, AVG § 6 Rz 11).

2. Im vorliegenden Beschwerdefall ist unbestritten, dass die Frist zur Einbringung des Wiedereinsetzungsantrages durch die Zustellung der Aufforderung der belangten Behörde an die Beschwerdeführerin am 17. April 2007 ausgelöst wurde. Es steht fest, dass die Beschwerdeführerin ihren Wiedereinsetzungsantrag bei der unzuständigen Behörde einbrachte und diese den Antrag im Rahmen der Weiterleitung gemäß § 6 Abs. 1 AVG am 30. April 2007 der Post zur Beförderung an das (zuständige) Bundesasylamt übergab, wo er am 4. Mai 2007 einlangte. Der Antrag wurde somit vor dem 2. Mai 2007, dem Datum des Fristablaufs, zur Post gegeben und langte nach Fristablauf beim Bundesasylamt ein.

3. Bei ihren Darlegungen über die Einrechnung der Tage des Postenlaufs an die unrichtige Einbringungsstelle und durch das Abstellen auf das Einlangen des Wiedereinsetzungsantrags bei der zuständigen Stelle hat die belangte Behörde die Rechtslage verkannt, wobei sie offensichtlich auch das von ihr zitierte hg. Erkenntnis vom 18. Oktober 2000, Zl. 95/08/0330, fehlinterpretierte. Der von der Beschwerdeführerin in Gang gesetzte Postenlauf an die unrichtige Einbringungsstelle spielt im vorliegenden Fall keine Rolle, da die belangte Behörde den Wiedereinsetzungsantrag am 30. April 2007- sohin noch innerhalb der zweiwöchigen Frist - der Post zur Beförderung an die richtige Stelle übergeben hatte. Da die Tage des Postenlaufes in diesem Fall gemäß § 33 Abs. 3 erster Satz AVG nicht in die Frist einzurechnen sind, wurde der Wiedereinsetzungsantrag rechtzeitig eingebracht (so wäre auch in jenem Fall, der dem von der belangten Behörde zitierten Erkenntnis vom 18. Oktober 2000 zugrunde lag, "die zweiwöchige Frist ... gewahrt gewesen, wenn diese - unzuständige - Behörde den Schriftsatz innerhalb der genannten Frist zwecks Weiterleitung an die zuständige Stelle zur Post gegeben hätte").

Die belangte Behörde hätte daher den Bescheid des Bundesasylamtes aufheben und so eine inhaltliche Behandlung des Wiedereinsetzungsantrags ermöglichen müssen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. April 2004, Zl. 2004/21/0014, mwN).

4. Der angefochtene Bescheid war somit in seinem Spruchpunkt 1. gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

II. Zu Spruchpunkt 2. des angefochtenen Bescheides:

1. Nach der Aktenlage und den unbestrittenen Feststellungen der belangten Behörde wurde der Beschwerdeführerin der Bescheid des Bundesasylamtes, mit dem ihr Asylerstreckungsantrag abgewiesen worden war, am 11. November 2005 zugestellt und von ihr die Berufung am 26. November 2005, also erst nach Ablauf der zweiwöchigen Berufungsfrist (vgl. § 63 Abs. 5 AVG), zur Post gegeben. Die mit dem angefochtenen Bescheid erfolgte Zurückweisung der Berufung steht daher mit dem Gesetz im Einklang. Hierbei war die Frage der Verspätung des Rechtsmittels unabhängig von dem bloß anhängigen, nicht bejahend entschiedenen Wiedereinsetzungsantrag sogleich auf Grund der Aktenlage zu entscheiden. Sollte die Wiedereinsetzung später bewilligt werden, so tritt der Zurückweisungsbescheid nach § 72 Abs. 1 AVG außer Kraft (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 2005, Zl. 2004/07/0092, mwN).

2. Die Beschwerde war daher im Hinblick auf Spruchpunkt 2. des angefochtenen Bescheides gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

III. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333. Das auf die Zuerkennung von Umsatzsteuer gerichtete Mehrbegehren findet in diesen Vorschriften keine Deckung. Wien, am 9. April 2008

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2008190040.X00

Im RIS seit

16.06.2008

Zuletzt aktualisiert am

26.11.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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