TE Vwgh Erkenntnis 2008/4/23 2006/03/0152

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Veröffentlicht am 23.04.2008
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
49/08 Amtshilfe Zustellung von Schriftstücken;

Norm

RechtshilfeAbk Deutschland 1990 Verwaltungssachen Art10 Abs1;
RechtshilfeAbk Deutschland 1990 Verwaltungssachen Art3;
VwGG §42 Abs2 Z1;
ZustG §11 Abs1;
ZustG §16;
ZustG §21;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Handstanger und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des O K in H, Deutschland, vertreten durch Hans-Ulrich Stracke und Stefan Dorn, Rechtsanwälte in 22457 Hamburg, Oldesloer Straße 56, Deutschland, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenats des Landes Oberösterreich vom 29. August 2006, Zl VwSen-110709/10/Kl/Rd/Pe, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Angelegenheit betreffend Übertretung des Güterbeförderungsgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 330,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 4. März 2006 wurde dem Beschwerdeführer eine Verwaltungsübertretung nach § 23 Abs 1 Z 3 iVm § 7 Abs 1 Z 1 des Güterbeförderungsgesetzes 1995 zur Last gelegt und es wurde über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 1.453,00 (Ersatzfreiheitsstrafe von 67 Stunden) verhängt.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die dagegen erhobene Berufung des Bescheidesführers gemäß 66 Abs 4 AVG aus dem Grunde des § 63 Abs 5 AVG als verspätet zurückgewiesen.

Dazu führte die belangte Behörde begründend im Wesentlichen aus, dass das Straferkenntnis "am 11. April 2006 eingeschrieben am Wohnsitz des Beschwerdeführers" zugestellt worden sei. Der Beschwerdeführer habe lediglich behauptet, seit Dezember 2005 bis dato in der Türkei aufhältig gewesen zu sein, aber keine Nachweise für die behauptete Ortsabwesenheit vorgelegt. Wäre tatsächlich ein Nachsendeauftrag an den Firmenstandort vorgelegen, wie es der Beschwerdeführer behauptet habe, hätte dem Zusteller bekannt sein müsse, dass der Beschwerdeführer längere Zeit ortsabwesend sei und hätte deshalb keine Zustellung durchgeführt werden dürfen. Es sei aber kein Nachweis, dass der Beschwerdeführer einen Nachsendeauftrag bei der Post gestellt habe, vorgelegt worden. Deshalb sei davon auszugehen gewesen, dass der Postzusteller keinen Grund zur Annahme hatte, dass eine längere Ortsabwesenheit seitens des Beschwerdeführers von der Abgabestelle vorliege, zumal "bei der Übernahme des Schriftstücks am 11. April 2006 durch den Empfänger bzw. Ersatzempfänger kein diesbezüglicher Hinweis getätigt und die Annahme auch nicht verweigert" worden sei. Der Umstand, dass das gegenständliche Straferkenntnis vom Bruder des Beschwerdeführers erst am 19. April 2006 an den Firmensitz des Beschwerdeführers weitergeleitet worden sei, habe die rechtskräftige Zustellung am 11. April 2006 nicht berühren können. Die Berufung erweise sich daher als verspätet.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsstrafverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

1. Gemäß § 11 Abs 1 ZustG sind Zustellungen im Ausland nach den bestehenden internationalen Vereinbarungen oder allenfalls auf dem Weg, den die Gesetze oder sonstigen Rechtsvorschriften des Staates, in dem zugestellt werden soll, oder die internationale Übung zulassen, erforderlichenfalls unter Mitwirkung der österreichischen Vertretungsbehörden, vorzunehmen.

Gemäß Art 3 des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen, BGBl Nr 526/1990, wird Amts- und Rechtshilfe nach dem Recht des ersuchten Staates geleistet. Die Vornahme von Zustellungen ist in Art 10 des genannten Vertrages geregelt.

Gemäß dessen Art 10 Abs 1 werden Schriftstücke im Verfahren nach Art 1 Abs 1 (somit auch im hier vorliegenden österreichischen Verwaltungsstrafverfahren) unmittelbar durch die Post nach den für den Postverkehr zwischen den Vertragsstaaten geltenden Vorschriften übermittelt. Wird ein Zustellnachweis benötigt, ist das Schriftstück als eingeschriebener Brief mit den besonderen Versendungsformen "Eigenhändig" und "Rückschein" zu versenden. Kann eine Zustellung nicht unmittelbar durch die Post bewirkt werden oder ist dies nach Art und Inhalt des Schriftstückes nicht zweckmäßig, ist die zuständige Stelle im anderen Vertragsstaat um Vermittlung der Zustellung im Wege der Amts- und Rechtshilfe zu ersuchen. Die Vertragsstaaten teilen einander diese Stellen mit.

2. Im vorliegenden Fall war - unbestritten - die Zustellung durch die Post möglich, die zentrale Anlaufstelle für die Vornahme von Zustellungen in Deutschland musste daher nicht befasst werden.

Im Beschwerdefall wurde ein Zustellnachweis über die erfolgte Zustellung des Straferkenntnisses benötigt - Gegenteiliges wird von der belangten Behörde auch gar nicht behauptet -, es hätte daher nach der zuvor zitierten Bestimmung des Art 10 Abs 1 des Rechtshilfevertrages vorgegangen und das Schriftstück als eingeschriebener Brief mit den besonderen Versendungsformen "Eigenhändig" und "Rückschein" versendet werden müssen, was jedoch hinsichtlich des Vermerkes "Eigenhändig" unterlassen wurde. Eine Ersatzzustellung war in diesem Fall grundsätzlich nicht zulässig (vgl etwa das hg Erkenntnis vom 28. Februar 2006, Zl 2002/03/0314, mwN).

3. Offenbar in Verkennung der Rechtslage hat die belangte Behörde, die davon ausgegangen ist, es dürfe auch an einen Ersatzempfänger zugestellt werden ("Übernahme des Schriftstücks

... durch den Empfänger bzw. Ersatzempfänger ...") es unterlassen,

festzustellen, von wem das Straferkenntnis am 11. April 2006 übernommen wurde.

Da somit im Hinblick auf die unrichtige Rechtsansicht der belangten Behörde der Sachverhalt in wesentlichen Punkten ungeklärt blieb, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG gegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich - im Rahmen des gestellten Begehrens - auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl II Nr 333/2003. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil ein Vorlageaufwand nur der belangten Behörde im Fall ihres Obsiegens (für die Aktenvorlage) zuzusprechen ist.

Wien, am 23. April 2008

Schlagworte

Verfahrensbestimmungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2006030152.X00

Im RIS seit

10.06.2008

Zuletzt aktualisiert am

12.10.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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