TE Vfgh Beschluss 2008/6/18 B909/08

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Veröffentlicht am 18.06.2008
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Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

VfGG §85 Abs2 / Begründung des Antrages
VfGG §85 Abs2 / Umweltschutz

Spruch

Der Verfassungsgerichtshof hat in der Beschwerdesache der G e m e i n d e ..., vertreten durch die Rechtsanwälte ..., gegen den Bescheid des Umweltsenates vom 4. April 2008, Z ..., in seiner heutigen nichtöffentlichen Sitzung beschlossen, dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß §85 Abs2 und 4 VfGG k e i n e F o l g e zu geben.

Begründung

Begründung:

1. Mit dem oben bezeichneten Bescheid wies die belangte

Behörde u.a. die Berufung der beschwerdeführenden Gemeinde gegen die erstinstanzliche "Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb des im Bundesland Oberösterreich gelegenen Teils einer 380 kV-Freileitung (Salzburgleitung)" nach dem UVP-G 2000 ab.

2. In der gegen diesen Bescheid erhobenen Bescheidbeschwerde gemäß Art144 B-VG begehrt die Einschreiterin - sie wird im bekämpften Bescheid als "Standortgemeinde" bezeichnet - die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung und begründet dies wie folgt:

Der in der beschwerdeführenden Gemeinde gelegene Teil der Leitung, für den die beschwerdeführende Gemeinde eine Erdverkabelung anstelle der genehmigten Freileitung fordere, sei nur knapp drei Kilometer lang. Die Projektwerberin müsse diesen Abschnitt nicht sofort errichten, da andere Teile des "Ringschlusses" durch 380 kV-Leitungen bis zum Kraftwerk Kaprun noch nicht einmal zur Genehmigung beantragt seien. Da demnach dieser Ringschluss erst in Jahren in Betrieb gehen könne, würden der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung derzeit keinerlei zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen; die endgültige Entscheidung der Höchstgerichte könne abgewartet werden, ohne dass es zu einer tatsächlichen Bauverzögerung komme.

In den noch ausständigen Genehmigungsverfahren werde sich die Projektwerberin einer Verpflichtung zur Errichtung der Leitung in der moderneren Erdverkabelungstechnik nicht entziehen können; es wäre gleichheitswidrig, würden die von späteren Genehmigungsverfahren betroffenen Gemeinden "eine Erdverkabelung bekommen", die beschwerdeführende Gemeinde jedoch nicht. Deshalb wäre mit der Ausübung der mit dem bekämpften Bescheid eingeräumten Berechtigung für die beschwerdeführende Gemeinde und ihre Wohnbevölkerung ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden. Außerdem würden die Masten in den nächsten Jahrzehnten unverrückbar die Landschaft in der beschwerdeführenden Gemeinde zerstören und die Gesundheit der Wohnbevölkerung gefährden. Es wäre auch volkswirtschaftlich nicht vertretbar, jetzt den Bau von Strommasten zuzulassen und später eine Teilverkabelung vorzuschreiben. Würde die Aufstellung der Strommasten im kritischen Bereich "vorzeitig genehmigt" und sollte einer dieser Strommasten "beim nächsten Eisregen, Schneedruck oder Orkan umfallen", würde sich der Verfassungsgerichtshof "mitschuldig an den dann zu erwartenden Schäden an Leib und Leben der Bevölkerung" der beschwerdeführenden Gemeinde machen.

3. Nach §85 Abs2 VfGG hat der Verfassungsgerichtshof auf Antrag des Beschwerdeführers der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, insoweit dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug oder mit der Ausübung der mit Bescheid eingeräumten Berechtigung durch einen Dritten für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

Der Verfassungsgerichtshof ist in seinen Beschlüssen vom 23. Februar 2007, B149/07, und vom 11. Mai 2007, B743/07, betreffend Anträge von Bürgerinitiativen auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung von der "Vollzugstauglichkeit" des angefochtenen Bescheides ausgegangen, da mit diesem eine Berechtigung verliehen wird und Bürgerinitiativen auf Grund des UVP-G 2000 berechtigt sind, "die Einhaltung von Umweltschutzvorschriften als subjektive Rechte ... wahrzunehmen"; dies vor dem Hintergrund, dass §19 Abs4 UVP-G 2000 Bürgerinitiativen das Recht einräumt, "Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof zu erheben".

Der Verfassungsgerichtshof hat aber in den oben zitierten Entscheidungen betreffend Bürgerinitiativen ausgeführt, diese müssten, um unverhältnismäßige Nachteile iSd §85 Abs2 VfGG darzutun, solche Beeinträchtigungen der von ihnen als subjektive öffentliche Rechte geltend zu machenden Umweltgüter vorbringen, die nicht bereits Gegenstand des behördlichen Verfahrens einschließlich der dort vorgesehenen Interessenabwägung und der angefochtenen Entscheidung waren; die antragstellenden Bürgerinitiativen müssten daher über die dort getroffenen Abwägungen hinausgehende, entsprechend konkretisierte Argumente vorbringen.

Gleiches muss auch für den gemäß §85 Abs2 VfGG von einer Gemeinde gestellten Antrag gelten.

Ausgehend davon ist es der beschwerdeführenden Gemeinde nicht gelungen, im Rahmen der ihr obliegenden Darlegungs- und Konkretisierungspflicht darzutun, dass mit der Ausübung der Berechtigung durch die Projektwerberin für die beschwerdeführende Gemeinde ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden ist.

Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die durch den angefochtenen Bescheid berechtigte mitbeteiligte Partei allein das mit der sofortigen Ausübung der Baumaßnahmen verbundene Risiko verlorener Aufwendungen und sonstiger Nachteile für den Fall des späteren Obsiegens der beschwerdeführenden Gemeinde trägt.

Dem Antrag war daher keine Folge zu geben.

4. Dies konnte gemäß §72 Abs1 ZPO iVm §35 Abs1 VfGG in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

VfGH / Wirkung aufschiebende

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2008:B909.2008

Zuletzt aktualisiert am

08.07.2008
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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