TE Vwgh Erkenntnis 2008/5/7 2005/08/0183

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Veröffentlicht am 07.05.2008
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Index

66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ASVG §4 Abs1 Z1;
ASVG §4 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Köller, Dr. Moritz und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde der Mag. A F in K, vertreten durch CMS Reich-Rohrwig Hainz, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Ebendorferstraße 3, gegen den Bescheid der Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz vom 7. September 2005, Zl. BMSG-122033/0001- II/A/4/2005, betreffend Pflichtversicherung nach dem ASVG und dem AlVG (mitbeteiligte Parteien: 1. A GmbH, vertreten durch Dr. Gunther Weichselbaum, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kohlmarkt 1;

2.

Wiener Gebietskrankenkasse, 1101 Wien, Wienerbergstraße 15-19;

3.

Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1; 4. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1201 Wien, Adalbert-Stifter-Straße 65), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Soziales und Konsumentenschutz) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte in dieser Beschwerdesache wird auf das Erkenntnis vom 17. Dezember 2002, Zl. 99/08/0047, (in der Folge als Vorerkenntnis bezeichnet) verwiesen. Mit dem Vorerkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof den Bescheid der belangten Behörde vom 16. Februar 1999, mit welchem die Voll- und Arbeitslosenversicherungspflicht der Beschwerdeführerin (dort mitbeteiligte Partei) auf Grund ihrer Tätigkeit als Lektorin bei der hier mitbeteiligten Gesellschaft (dort beschwerdeführende Gesellschaft) vom 1. Juli 1993 bis 8. September 1994 festgestellt hat, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben. Im Vorerkenntnis heißt es unter anderem wörtlich:

"Im Beschwerdefall lässt sich den Feststellungen nicht mit der gebotenen Deutlichkeit entnehmen, ob und inwieweit die von der belangten Behörde angenommenen Tätigkeitsbereiche getrennt verrichtet wurden, zumal die belangte Behörde einerseits die getrennte Rechnungslegung zum Anlass genommen hat, die Tätigkeiten zu unterscheiden; auf der anderen Seite ist vom Überwiegen einer Tätigkeit und davon die Rede, dass die Lektoratsarbeit auch im Büro durchgeführt worden sei. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf die Aussage des Verlagsleiters der beschwerdeführenden Gesellschaft vor der belangten Behörde, wonach dieser Zeuge Tätigkeiten wie die Einmahnung von Fristen, das Halten von Kontakten zu Autoren sowie weitere Tätigkeiten (Klebearbeiten) als mit der Aufgabe des Lektors verbunden ansah und der 'Lektoratsarbeit' zuordnete.

Im Hinblick auf die dargestellte Rechtslage wird die belangte Behörde im fortgesetzten Verfahren daher (weitere) Feststellungen zu treffen haben, die eine Beantwortung der Frage ermöglichen, ob eine die Untrennbarkeit der Tätigkeiten der Erstmitbeteiligten begründende sachliche und zeitliche Verschränkung vorliegt; bejahendenfalls wird die belangte Behörde zur Beurteilung der Versicherungspflicht die Gesamttätigkeit der Erstmitbeteiligten für die beschwerdeführende Gesellschaft zu berücksichtigen haben. Den im angefochtenen Bescheid zur Frage der Versicherungspflicht angestellten Überlegungen der belangten Behörde ist insoweit beizupflichten, als bei Fehlen eindeutiger vertraglicher Regelungen von den 'wahren Verhältnissen' der Beschäftigung auszugehen ist, das heißt davon, ob bei der tatsächlichen (und nicht bloß vereinbarten) Art der Beschäftigung die Kriterien persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit überwiegen. Ein dem Beschäftigungsverhältnis zu Grunde liegender Vertrag kann nämlich nur dann als Teil der vorzunehmenden Gesamtbeurteilung herangezogen werden, wenn er eindeutige Regelungen trifft, die von den tatsächlichen Gegebenheiten (der Durchführung der Beschäftigung) nicht abweichen ..."

Mit dem nunmehr angefochtenen (Ersatz)Bescheid hat die belangte Behörde festgestellt, "dass (die Beschwerdeführerin) auf Grund ihrer Tätigkeit bei der (erstmitbeteiligten Gesellschaft) in der Zeit von 01.07.1993 bis 08.09.1994 nicht der Voll- und Arbeitslosenversicherungspflicht ... unterlag."

Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und von Auszügen aus dem Vorerkenntnis stellte die belangte Behörde die Rechtslage dar und folgenden Sachverhalt fest:

"(Die Beschwerdeführerin) war im streitgegenständlichen Zeitraum vom 1.7.1993 bis 8.9.1994 bei (der erstmitbeteiligten Gesellschaft) als Lektorin beschäftigt. Der Beschäftigung lag ein mündlicher Vertrag zu Grunde. Eine Vereinbarung, wo sie ihre Lektoratstätigkeit durchführte erfolgte nicht. (Die Beschwerdeführerin) übte die Lektoratstätigkeit teilweise im Betrieb und teilweise in der Wohnung aus. (Die Beschwerdeführerin) konnte sich ihre Zeit frei einteilen. Weisungen über die Art und Weise betreffend Durchführung ihrer Arbeit bzw. Reihenfolge, den Fortgang sowie den Ablauf ihrer Tätigkeiten wurden nicht erteilt. Ein Krankheitsfall trat nicht ein.

Es wurden keine Sonderzahlungen vereinbart. Ein Fahrtkostenersatz für die Strecke zur und vom Arbeitsplatz erfolgte nicht.

Die Lektoratstätigkeit war zeitlich überwiegend. Die Bürotätigkeit stand im Zusammenhang mit der Lektoratstätigkeit. Diese setzte sich aus dem Kontakthalten mit den Autoren, der Organisation von Buchpräsentationen, der Bearbeitung der Post einschließlich Ablage und der Korrektur von Druckfahnen zusammen."

In der Beweiswürdigung verwies die belangte Behörde auf die Verwaltungsakten sowie die Einvernahme von Zeugen und der Beschwerdeführerin. Zur Arbeitszeit und zum Arbeitsort habe die Beschwerdeführerin angegeben, der Verlagsleiter habe nicht bestimmte Arbeitszeiten als zwingend angeordnet, die Beschwerdeführerin habe es jedoch als erwartet angesehen, dass sie zwischen 8.00 Uhr und 8.30 Uhr beginne und nicht vor 13.00 Uhr das Büro verlasse. Einer direkten Kontrolle sei sie nicht unterlegen. Ihre Lektoratstätigkeit habe sie zum Teil im Büro und zum Teil zu Hause ausgeübt. Wo sie ihre Arbeitsleistung erfüllt habe, sei dem Verlag gleichgültig gewesen. Wesentlich sei die Einhaltung der Termine gewesen. Nach den Angaben des Verlagsleiters und eines weiteren Zeugen habe für die Beschwerdeführerin keine Verpflichtung und keine Notwendigkeit bestanden, am Betriebsort anwesend zu sein, eine Bindung an eine Arbeitszeit habe es nicht gegeben. Es sei der Beschwerdeführerin freigestellt gewesen, wo sie ihre Tätigkeit ausübe, Arbeitszeit sei keine vereinbart worden. Es sei ihr überlassen gewesen, wo sie ihrer Verpflichtung als Lektorin nachkomme. Der Umstand - so die belangte Behörde weiter - dass die Beschwerdeführerin in der Früh mehrmals gesucht worden sei, bedeute nicht, dass sie hinsichtlich des Arbeitsortes und der Arbeitszeit eingebunden gewesen sei. Nach Angaben des Verlagsleiters habe es keinen laufenden Bürobetrieb gegeben; die Entgegennahme von Telefonaten und das Führen einer Telefonliste habe der Verlagsleiter als mit der Lektoratstätigkeit verbundene Tätigkeiten angesehen. Es sei auch Aufgabe eines Lektors, im Falle der Säumnis eines Autors Fristen einzumahnen. Dies gelte auch für das Kontakthalten mit dem Autor. Vereinbart sei "die Tätigkeit der Klebetechnik" mit der Beschwerdeführerin worden. Aus den Ausführungen des Verlagsleiters zu den von der Beschwerdeführerin genannten Bürodiensten sei ersichtlich, dass es grundsätzlich drei mögliche Vorgangsweisen des Versendens gegeben habe. Der Verlag habe über einen eigenen Versand verfügt sowie über eine Setzerei. Es sei ausgeführt worden, dass es eine Telefonhauptleitung mit zwei Durchwahlnummern gegeben habe; eine Leitung habe zum Druckereibüro geführt, eine andere zum "MAP". Für den "eigentlichen Telefondienst" seien die Personen verantwortlich gewesen, die direkt an der Leitung gesessen seien. Die Beschwerdeführerin selbst habe die Einvernahme des Verlagsleiters beantragt, weshalb es nicht verständlich sei, weshalb nach Ansicht der Beschwerdeführerin zahlreiche Angaben dieses Zeugen nicht der Wahrheit entsprochen hätten. Es sei lebensnah und nachvollziehbar, dass die verschiedenen Tätigkeiten der Beschwerdeführerin "derart" ineinander flossen "bzw. miteinander verbunden waren, dass (auf Grund des zeitlichen Aufwands und des Erledigens des jeweiligen Arbeitsanfalls) eine räumliche und zeitliche Trennung der Tätigkeit nicht möglich war."

In rechtlicher Hinsicht stellte die belangte Behörde die Rechtsprechung zur Möglichkeit des Nebeneinanderbestehens eines abhängigen Dienstverhältnisses und eines freien Dienstverhältnisses sowie zu den Voraussetzungen der abhängigen Beschäftigung dar. Konkret sei die Einteilung der Arbeitszeit der Beschwerdeführerin oblegen. Eine Festlegung des Beginns und der Dauer ihrer Tätigkeit sei nicht erfolgt. Mit dem Verlagsleiter sei hinsichtlich der Bürotätigkeiten als mit der Lektoratstätigkeit zusammengehörige Tätigkeit keine zeitliche Vereinbarung getroffen worden; die zeitliche Einteilung sei auf Initiative der Beschwerdeführerin erfolgt, die diese Einteilung als vom Verlag erwartet angesehen habe. Die Beschwerdeführerin sei hinsichtlich ihrer Tätigkeit keinen Weisungen und keinen Kontrollen unterlegen. Im vorliegenden Fall überwögen die Merkmale einer selbständigen Tätigkeit, zumal die Beschwerdeführerin die Tätigkeit auch an ihrem Wohnort ausgeübt habe, Arbeitszeiten nicht zwingend angeordnet worden seien, sie keiner direkten Kontrolle unterlegen sei und auch an keinen Arbeitsort gebunden gewesen sei. Wesentlich sei die Einhaltung der Termine gewesen. Es habe keine zeitliche und räumliche Trennung der Tätigkeiten der Beschwerdeführerin als Lektorin und als Bürokraft gegeben. Die Tätigkeiten seien inhaltlich so miteinander verbunden, dass zwei getrennt zu beurteilende Beschäftigungsverhältnisse nicht anzunehmen seien.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt und - wie die mitbeteiligte Unfallversicherungsanstalt - von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen.

Die erstmitbeteiligte Gesellschaft hat eine Gegenschrift erstattet und beantragt, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach der im Vorerkenntnis zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Nebeneinanderbestehen eines abhängigen Arbeitsverhältnisses und eines freien Dienstverhältnisses bzw. eines Werkvertragsverhältnisses - vor dem Hintergrund der rechtlichen Zulässigkeit und der Voraussetzungen einer Vertragsverbindung - zu einem Dienstgeber nicht ausgeschlossen; für die Bejahung einer rechtswirksamen Trennung solcher Rechtsverhältnisse kommt es entscheidend auf den Parteiwillen, die objektive Trennbarkeit und auf Überlegungen unter dem Gesichtspunkt arbeitsrechtlicher Schutzprinzipien an. Besteht aber eine solche zeitliche bzw. sachliche Verschränkung der beiden Tätigkeitsbereiche, die es im Zweifel ausschließt, zwei jeweils zeitgleich bestehende, jedoch voneinander getrennt zu beurteilende Beschäftigungsverhältnisse zum selben Dienstgeber anzunehmen, dann kommt es bei der Beurteilung der Ausübung dieser beiden Tätigkeiten durch denselben Dienstnehmer darauf an, ob in seinem rechtlichen Verhältnis zum Dienstgeber insgesamt die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG überwiegen.

Im ersten Rechtsgang ist die belangte Behörde in der Bescheidbegründung von zwei gesondert entlohnten Beschäftigungen der Beschwerdeführerin ausgegangen; einerseits von einer "Bürotätigkeit" im Ausmaß von monatlich rund 20 Arbeitstagen zu vier Stunden und andererseits von einer Lektoratstätigkeit, die "teilweise im Betrieb und teilweise in der Wohnung" der Beschwerdeführerin durchgeführt worden sei und ein unterschiedliches Ausmaß angenommen hätte.

Im Vorerkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof auf Basis der dort dargestellten Rechtslage, auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, die Feststellungen im damals angefochtenen Bescheid als unzureichend angesehen und der belangten Behörde aufgetragen

"(weitere) Feststellungen zu treffen ..., die eine Beantwortung der Frage ermöglichen, ob eine die Untrennbarkeit der Tätigkeiten der Erstmitbeteiligten begründende sachliche und zeitliche Verschränkung vorliegt".

Die belangte Behörde hat dem gemäß im Ersatzbescheid nunmehr -

zutreffend - ausgeführt, die Tätigkeiten der Beschwerdeführerin seien inhaltlich so miteinander verbunden, dass zwei getrennt zu beurteilende Beschäftigungsverhältnisse nicht anzunehmen seien. Für diesen Fall hat der Verwaltungsgerichtshof im Vorerkenntnis folgenden Weg vorgezeichnet:

"... bejahendenfalls wird die belangte Behörde zur Beurteilung der Versicherungspflicht die Gesamttätigkeit der Erstmitbeteiligten für die beschwerdeführende Gesellschaft zu berücksichtigen haben. Den im angefochtenen Bescheid zur Frage der Versicherungspflicht angestellten Überlegungen der belangten Behörde ist insoweit beizupflichten, als bei Fehlen eindeutiger vertraglicher Regelungen von den 'wahren Verhältnissen' der Beschäftigung auszugehen ist, das heißt davon, ob bei der tatsächlichen (und nicht bloß vereinbarten) Art der Beschäftigung die Kriterien persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit überwiegen."

Davon ausgehend hat die belangte Behörde aber entgegen der Anordnung des § 63 Abs. 1 VwGG in der Folge eine nicht dem Vorerkenntnis entsprechende Beurteilung des Sachverhaltes vorgenommen, weil sie nicht auf die praktische Durchführung der Tätigkeit der Beschwerdeführerin abgestellt hat, sondern auf den Umstand, dass konkrete Absprachen, die die Beschwerdeführerin zu einem bestimmten Verhalten verpflichtet hätten, gefehlt hätten.

Tatsächlich gab es keine Vereinbarung darüber, wie die Beschwerdeführerin ihre - als einheitlich einzustufende - Tätigkeit verrichten sollte. Sie tat dies (was zwar im Vorbescheid, nicht aber im Ersatzbescheid ausdrücklich festgestellt worden ist, wovon jedoch die Verfahrensparteien ausgingen) grundsätzlich im Ausmaß von rund 20 Arbeitstagen im Monat, die Arbeitstage jeweils zu vier Stunden; diese Tätigkeit wurde regelmäßig am Vormittag zwischen 8 Uhr bzw. 8.30 Uhr und ca. 13 Uhr erbracht. Die Tätigkeit umfasste neben der eigentlichen Lektoratstätigkeit die Bearbeitung der Post einschließlich der Ablage, die Organisation von Buchpräsentationen, den Kontakt mit den Autoren, die vom Verlag betreut wurden, das Korrigieren von Druckfahnen sowie das Führen einer Telefonliste.

Ob ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 4 Abs. 2 Z. 1 iVm Abs. 2 ASVG vorliegt, ist unter Bedachtnahme auf die von der Rechtsprechung hiefür als entscheidungskräftig angesehenen Merkmale (vgl. dazu das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 10. Dezember 1986, Slg. Nr. 12.325/A) zu klären. Demnach ist zu prüfen, ob nach dem Gesamtbild der konkret zu beurteilenden Beschäftigung des Arbeitnehmers seine Bestimmungsfreiheit durch diese Beschäftigung insbesondere infolge seiner Bindung an Ordnungsvorschriften über den Arbeitsort, die Arbeitszeit und das arbeitsbezogene Verhalten weitgehend ausgeschaltet oder - wie bei anderen Formen einer Beschäftigung - nur beschränkt ist.

Die Beschwerdeführerin ist mit ihrer Verfahrensrüge im Ergebnis im Recht:

Die belangte Behörde begründet die Möglichkeit einer freien Zeiteinteilung der Beschwerdeführerin auf deren "Schilderungen", die sich "mit den Ausführungen (zweier Zeugen) decken" würden. Während aber die Beschwerdeführerin in ihrer Darstellung ausgeführt hat, es seien "bestimmte Arbeitszeiten (nicht) zwingend angeordnet (worden), sie (habe) es jedoch als von der Firma erwartet angesehen ..., dass sie zwischen 8 Uhr und 8 Uhr 30 beginne und nicht vor 13 Uhr das Büro verlasse", so deckt sich diese Darstellung schon sprachlich keineswegs mit der Behauptung der von der erstmitbeteiligten Partei geführten Zeugen, es habe für die Beschwerdeführerin "keine Verpflichtung und Notwendigkeit bestanden, am Betriebsort anwesend zu sein" bzw. "(Es) habe keine Bindung an eine Arbeitszeit gegeben". Insoweit ist die Beweiswürdigung der belangten Behörde, die über diesen Widerspruch hinweggeht, anstatt ihn aufzuklären, unschlüssig. Auch der von der belangten Behörde augenscheinlich als erwiesen angenommene, jedoch erst in der Beweiswürdigung offengelegte Umstand, dass die Beschwerdeführerin "in der Früh gesucht wurde", kann in diesem Zusammenhang - entgegen der Auffassung der belangten Behörde - durchaus ein Beleg dafür sein, dass die Anwesenheit der Beschwerdeführerin zu dieser Zeit im Büro tatsächlich "erwartet wurde". Dabei kommt es auch nicht darauf an, ob die Entgegennahme von Telefonaten im Zusammenhang mit der Lektoratstätigkeit stand oder ob daneben ein "laufender Bürobetrieb als solches gar nicht stattgefunden hat", wobei in der Begründung des angefochtenen Bescheides sowohl unaufgeklärt geblieben ist, was sich die belangte Behörde unter einem "Bürobetrieb als solches" vorgestellt hat, noch, aus welchem Grund der Beschwerdeführerin ohne die Notwendigkeit eines "Bürobetrieb als solches" ein Büro augenscheinlich zur Verfügung gestellt worden ist.

Wenn die telefonische Kontaktaufnahme mit, aber auch die Erreichbarkeit der Beschwerdeführerin für Autoren zu ihrem Aufgabenbereich gehört hat, andererseits aber die erstmitbeteiligte Partei mit ihr keine Vereinbarungen darüber getroffen hat, ob und wie die ihr dadurch allenfalls entstehenden Telefonspesen ersetzt werden, so wäre auch dies als Indiz dafür mit in die Beweiswürdigung einzubeziehen, dass die Vertragsparteien zumindest stillschweigend davon ausgegangen sind, die Beschwerdeführerin werde diese Telefonate regelmäßig im Büro und nicht in ihrer Privatwohnung führen.

Diese Begründungsmängel sind auch relevant für das Ergebnis des Verfahrens: Sollte etwa die Beschwerdeführerin damit betraut gewesen sein, zu bestimmten Zeiten Telefondienst zu verrichten, oder sollte sich die Notwendigkeit einer Anwesenheit im Büro zu bestimmten Zeiten aus anderen Gründen ergeben haben, etwa arbeitsbedingter oder ablaufbedingter Natur, und daher die diesbezügliche "Erwartung des Arbeitgebers" von der Beschwerdeführerin mit gutem Grund angenommen worden sein, dann läge insoweit - wenngleich im Wege der Zuweisung bestimmter Tätigkeiten und ohne ausdrücklichen Hinweis auf eine solche Bindung durch den Arbeitgeber - der Sache nach eine Bindung an Arbeitzeit oder Arbeitsort auch dann vor, wenn die Beschwerdeführerin betreffend ihre Lektoratstätigkeit die Wahl gehabt hätte, diese - neben ihrer Büroarbeit - im Büro oder aber zu Hause durchzuführen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 17. November 2004, Zl. 2001/08/0158, ausgesprochen hat, kann der Bewerber um eine Stelle, der sich zu Tätigkeiten anbietet, die üblicherweise in Dienstverhältnissen ausgeübt werden, im Zweifel vom Abschluss eines Arbeitsvertrages ausgehen, wenn der Dienstgeber nicht vor Vertragsabschluss eindeutig zum Ausdruck bringt, keinen Arbeitsvertrag, sondern einen anderen Vertrag schließen zu wollen. Es würde daher unter den von der Beschwerdeführerin behaupteten Umständen - wären sie erwiesen - nicht genügen - wie die belangte Partei festgestellt hat -, dass es der mitbeteiligten Partei "gleichgültig" gewesen ist, wann und wo die Beschwerdeführerin ihre Bürotätigkeit verrichtete, sondern es wäre erforderlich gewesen, dass die erstmitbeteiligte Partei die Beschwerdeführerin über diese ihr zugestandenen Freiheiten, sowie den Umstand, dass sie keinen Arbeitsvertrag schließen will, schon bei Abschluss der offenbar nicht näher qualifizierten Arbeitsvereinbarung in eindeutiger Weise aufgeklärt hätte.

Wenn dann auf Grund einer mängelfreien Beweiswürdigung feststeht, welche konkreten Tätigkeiten wo durchgeführt worden sind, wird das Ausmaß der zeitlichen Beanspruchung jener Tätigkeiten in den Blick zu nehmen sein, die eine Anwesenheit im Büro erwarten ließen bzw. erforderten, woraus auf ein Überwiegen des einen oder anderen Bereiches geschlossen werden kann. Dazu hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid ohne nähere Begründung festgestellt, dass die Lektoratstätigkeit zeitlich überwiegend gewesen sei. Aus den im Kassenakt einliegenden Honorarnoten der Beschwerdeführerin ergibt sich demgegenüber ein zeitliches Überwiegen der neben dem Lektorat sonst noch ausgeübten Tätigkeit während des gesamten Beschäftigungszeitraumes bis zum vierfachen Stundenaufwand gegenüber der Lektoratstätigkeit (etwa im Juli 1993).

Nach den tatsächlichen Verhältnissen ist dann zu beurteilen, ob für die Beschwerdeführerin durch das regelmäßige Einhalten der täglichen Arbeitszeit für Tätigkeiten, deren Verrichtung im Büro erwartet wurde, in zeitlicher Hinsicht eine Bindung bestand; auch in örtlicher Hinsicht würde sich in diesem Fall eine Bindung ergeben.

Hinsichtlich einer Bindung an Ordnungsvorschriften ist die belangte Behörde darauf hinzuweisen, dass eine großteils in Abwesenheit des Empfängers der Arbeitsleistung beschäftigte Person nicht schon dadurch persönlich unabhängig wird, dass sich aufgrund ihrer Erfahrungen oder der Natur der zu verrichtenden Arbeiten Weisungen über die Reihenfolge und den näheren Inhalt dieser Arbeit erübrigen, sofern der Beschäftigte, der somit den Arbeitsablauf selbst bestimmt, nur der stillen Autorität des Empfängers der Arbeitsleistung, d.h. seinem Weisungs- und Kontrollrecht, unterliegt. Unter diesen Umständen kann ein Beschäftigungsverhältnis auch vorliegen, wenn der Dienstgeber faktisch überhaupt nicht in den Arbeitsablauf eingreift (vgl. das Erkenntnis vom 17. Jänner 1995, Zl. 93/08/0092, mwN).

Ob sich demnach ein Bild einer Beschäftigung ergibt, durch welche die Bestimmungsfreiheit der Beschwerdeführerin insbesondere infolge ihrer Bindung an Ordnungsvorschriften über den Arbeitsort, die Arbeitszeit und das arbeitsbezogene Verhalten weitgehend ausgeschaltet war, kann abschließend nur anhand der Feststellungen beurteilt werden, deren Fehlen oben aufgezeigt worden ist.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 7. Mai 2008

Schlagworte

Dienstnehmer Begriff Persönliche Abhängigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2005080183.X00

Im RIS seit

09.06.2008

Zuletzt aktualisiert am

27.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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