TE Vwgh Erkenntnis 2008/5/15 2006/09/0088

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Veröffentlicht am 15.05.2008
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
43/01 Wehrrecht allgemein;
63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;
82/03 Ärzte Sonstiges Sanitätspersonal;

Norm

ÄrzteG 1998 §54;
BDG 1979 §44 Abs1;
BDG 1979 §44 Abs2;
BDG 1979 §44 Abs3 idF 1999/I/010;
B-VG Art20 Abs1;
HDG 2002 §2 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gubesch, über die Beschwerde des Dr. R. in W, vertreten durch Dr. Hermann Heller, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Marokkanergasse 21/1/11, gegen den Bescheid des Kommandanten Einsatzunterstützung vom 23. März 2006, Zl. 001188- 3170/Kdt/2006, betreffend die Disziplinarstrafe des Verweises, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht als Oberst der Verwendungsgruppe H1 in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Seine Dienststelle ist des Heeresspital Wien. Primar Dr. A. ist Kommandant des Heeresspitals Wien und damit Vorgesetzter des Beschwerdeführers.

Mit Disziplinarerkenntnis des Kommandanten des Heeresspitales Wien vom 17. Juli 2005 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe in der Causa "Behandlung des HBM und Kontaktaufnahme mit dem vom HBM X. ausersehenen Operateur Dr. L."

den vom Kommandanten des Heeresspitals am Mittwoch, dem 19. Januar 2005, wiederholt erlassenen Befehl, sich telefonisch mit Dr. L. in Verbindung zu setzen, missachtet; er habe dadurch vorsätzlich gegen § 44 BDG 1979 verstoßen und eine Dienstpflichtverletzung im Sinne des § 2 HDG 2002 begangen. Über den Beschwerdeführer wurde die Disziplinarstrafe des Verweises verhängt.

Gegen dieses Disziplinarerkenntnis erhob der Beschwerdeführer Berufung, in welcher er sich im Wesentlichen auf seine ärztliche Verschwiegenheitspflicht berief.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde dieser Berufung gemäß § 35 Abs. 2 des HDG 2002 keine Folge gegeben und die verhängte Strafe bestätigt.

Die belangte Behörde führte eine mündliche Disziplinarverhandlung durch, auf Grund deren Ergebnisse sie folgenden Sachverhalt als erwiesen feststellte (Anonymisierung durch den Verwaltungsgerichtshof):

"Am 17. Jänner 2005 untersuchte der Beschuldigte den HBM bezüglich eines Schadens am Knie. Es handelte sich hierbei um keine Akutverletzung und der Beschuldigte klärte den Patienten über die Untersuchung, sowie deren Ergebnis auf. Der Beschuldigte wies den Patienten darauf hin, dass er eine weitere Behandlung (Operation) machen lassen kann wo dieser möchte. Am Nachmittag erfolgte durch Veranlassung des Beschuldigten eine Untersuchung im Sanatorium D. in der Hstraße.

Am Mittwoch, den 19. Jänner 2005 wurde der Kdt des Heeresspitales (Kdt/HSP) Bgdr Prim. Dr. A. von Kabinettchef S., angerufen und gebeten, dass sich ObstA Dr. R. (der Beschwerdeführer) mit Dr. L., neuer behandelnder Arzt des HBM, telefonisch in Verbindung setzen soll. An diesem Tag gegen 11:00 gab daraufhin Bgdr Prim. Dr. A. dem ObstA Prim. Dr. R. (dem Beschwerdeführer) den Auftrag, mit Dr. L. in Zams Verbindung aufzunehmen. Bgdr Dr. A. gab die Telefonnummer dem Beschuldigten. Der Beschuldigte erhob keine rechtlichen Einwände dagegen, sondern murmelte unverständlich für den Kdt/HSP, dass er dies nicht machen werde. Der Beschuldigte hielt es ernstlich für möglich und fand sich damit ab, dass er eine Weisung seines Vorgesetzten nicht befolgte. Gegen 14:00 Uhr bekam Bgdr Prim. Dr. A. nochmals einen Anruf vom Kabinettchef, in welchem ihm mitgeteilt wurde, dass ObstA Prim. Dr. R. (der Beschwerdeführer) noch immer nicht Dr. L. kontaktiert hatte. Daraufhin telefonierte Bgdr Prim. Dr. A. mit dem Beschuldigten und gab ihm nochmals den Auftrag Kontakt mit Dr. L. aufzunehmen. ObstA Prim. Dr. R. (der Beschwerdeführer) sagte nur, dass er dies nicht tun werde. Bgdr Dr. A. kontaktierte daraufhin Dr. L. selbst und bat diesen den Beschuldigten anzurufen und übergab ihm die Telefonnummer des Beschuldigten. Der Beschuldigte ließ jedoch anschließend von Vzlt O., Sanitätsunteroffizier des Heeresspitals, eine Verbindung zu Dr. L. herstellen. Um 15:00 Uhr meldete ObstA Dr. R. (der Beschwerdeführer) den Vollzug des Gespräches."

Nach Darlegung ihrer beweiswürdigenden Erwägungen und der Rechtslage führt die belangte Behörde rechtlich aus, die Weisung, Dr. L. telefonisch zu kontaktieren, sei, da keine verfassungsgesetzliche Regelung etwas anderes bestimme, zu befolgen gewesen. Auch gebe es keine strafgesetzliche Vorschrift, welche die Kontaktaufnahme eines Arztes mit dem neuen behandelten Arzt verbiete. Der Vorgesetzte des Beschwerdeführers habe die Weisung dem neuen behandelnden Arzt des Bundesministers Dr. L. zu kontaktieren, um weitere Absprachen durchzuführen, gegeben. Es sei keine Weisung erteilt worden, das Berufsgeheimnis im Sinne des § 121 StGB zu verletzen. Bei der Ausübung des Remonstrationsrechtes im Sinne des § 44 Abs. 3 BDG 1979 müsse der Beamte erkennen lassen, welche rechtlichen Bedenken er gegen die ihm erteilte Weisung habe und womit er seinen Standpunkt vertreten zu können glaube. Die Bedenken dürften jedoch kein mutwilliges, geradezu rechtsmissbräuchliches Vorbringen darstellen.

Im Beschwerdefall sei der Beschwerdeführer der Weisung seines Vorgesetzten, Dr. L. zu kontaktieren, ohne rechtliche Bedenken zu äußern mit den Worten, "das mache ich nicht", nicht gefolgt. Diese Aussage vermöge den Eintritt der in § 44 Abs. 3 BDG 1979 vorgesehenen Rechtsfolge der Aussetzung der Befolgungspflicht nicht zu rechtfertigen. Die Weisung, Dr. L. anzurufen, sei um 11:00 Uhr vormittags gegeben worden, eine Kontaktaufnahme erfolgte erst gegen 15:00 Uhr. Bezüglich dieser verspäteten Kontaktaufnahme sei festzuhalten, dass auch eine verspätete Weisungsbefolgung eine Verletzung der Dienstpflicht gemäß § 44 Abs. 1 BDG 1979 sei, wenn nach dem Inhalt der erteilten Weisung dem verpflichteten Beamten, hier dem Beschwerdeführer, die Befolgung zu einem konkreten Zeitpunkt, im gegebenen Fall sogleich aufgetragen worden sei und dem derart Verpflichteten die frühere Erfüllung möglich und zumutbar gewesen wäre. Die sofortige Befolgung der Weisung, Dr. L. anzurufen, sei dem Beschwerdeführer zumutbar und möglich gewesen, da er die Telefonnummer erhalten habe und auf seiner Dienststelle auch Telefone vorhanden gewesen seien, die er hätte benützen können und er keinen Grund vorgelegt habe, der ihn gehindert hätte, sogleich die Weisung durchzuführen. Der Beschwerdeführer habe dadurch, dass er den um 11:00 Uhr erhaltenen Befehl, Dr. L. anzurufen, nicht befolgt habe, den Tatbestand in objektiver und subjektiver Hinsicht verwirklicht.

Im Übrigen legte die belangte Behörde ihre Strafbemessungsgründe dar.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher die Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte, und legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 44 Abs. 1 des Beamten - Dienstrechtsgesetzes - BDG 1979, BGBl. Nr. 333/1979, in der Fassung BGBl. I Nr. 10/1999, hat der Beamte seine Vorgesetzten zu unterstützen und ihre Weisungen, soweit verfassungsgesetzlich nicht anderes bestimmt ist, zu befolgen. Vorgesetzter ist jeder Organwalter, der mit der Dienst- oder Fachaufsicht über den Beamten betraut ist.

Nach Abs. 2 dieser Gesetzesbestimmung kann der Beamte die Befolgung einer Weisung ablehnen, wenn die Weisung entweder von einem unzuständigen Organ erteilt worden ist oder die Befolgung gegen strafgesetzliche Vorschriften verstoßen würde.

Nach Abs. 3 dieser Bestimmung hat der Beamte, wenn er eine Weisung eines Vorgesetzten aus einem anderen Grund für rechtswidrig hält, und es sich nicht wegen Gefahr im Verzug um eine unaufschiebbare Maßnahme handelt, vor Befolgung der Weisung seine Bedenken dem Vorgesetzten mitzuteilen. Der Vorgesetzte hat eine solche Weisung schriftlich zu erteilen, widrigenfalls sie als zurückgezogen gilt.

Nach § 2 Abs. 1 des Heeresdisziplinargesetzes, BGBl. I Nr. 167/2002 (HDG 2002), sind Soldaten disziplinär zur Verantwortung zu ziehen wegen

1. Verletzung der ihnen im Präsenzstand auferlegten Pflichten oder

2. gröblicher Verletzung der ihnen im Miliz- oder Reservestand auferlegten Pflichten oder

3. einer im Miliz- oder Reservestand begangenen Handlung oder Unterlassung, die es nicht zulässt, sie ohne Nachteil für den Dienst und damit für das Ansehen des Bundesheeres in ihrem Dienstgrad zu belassen.

In Ausführung der Beschwerde macht der Beschwerdeführer - wie schon in seiner Berufung - geltend, er habe die Befolgung der ihm erteilten Weisung (des Befehles) unter Hinweis auf die ärztliche Schweigepflicht abgelehnt und festgestellt, dass er dies nur über persönlichen Auftrag des Patienten tun werde. Da die ärztliche Schweigepflicht gemäß § 54 Abs. 2 Z. 3 Ärztegesetz strafgesetzlich und verwaltungsstrafgesetzlich geschützt sei, sei die Nichtbefolgung der Weisung des Kommandanten des Heeresspitales durch den Beschwerdeführer geboten gewesen. Eine begründete Remonstration im Sinne des § 44 Abs. 3 BDG 1979 stehe daher "genauso außerhalb des Rechtsstreites wie die unklare Feststellung, dass die Weisung zu befolgen" gewesen sei, da keine verfassungsgesetzliche Regelung etwas anderes bestimme. Der Hinweis, der Befehl habe sich lediglich auf eine bloße Kontaktaufnahme bezogen, könne nur als zynisch bezeichnet werden und sei unerheblich, da aus dem Zusammenhang der Untersuchung vom 17. Januar 2005, des vom HBM beabsichtigten Eingriffes und der Weisung zur Kontaktaufnahme wegen dieses Eingriffes ausschließlich eine ärztliche Konsultation denkbar gewesen sei und somit ein strafrechtliches Vorgehen unausweichlich gewesen wäre. Der Beschwerdeführer habe sich im Sinne des § 7 Abs. 2 der Allgemeinen Dienstvorschrift für das Bundesheer völlig rechtskonform verhalten.

Dieser Einschätzung kann sich der Verwaltungsgerichtshof nicht anschließen.

Ausgehend von den von der belangten Behörde getroffenen Feststellungen lautete der an den Beschwerdeführer gerichtete Befehl lediglich auf Kontaktaufnahme mit dem Wahlarzt des HBM. Dass ihm diese aus bestimmten Gründen unmöglich oder unzumutbar gewesen wäre, hat er weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde geltend gemacht. Die belangte Behörde hat sein Argument, er dürfe die ärztliche Schweigepflicht nicht ohne Entbindung durch den Patienten verletzen, damit beantwortet, dass eine solche Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht nicht Gegenstand des Befehls gewesen sei. Diese Antwort auf die Bedenken des Beschwerdeführers erscheinen - entgegen seiner Einschätzung in der Beschwerde - auch keineswegs zynisch, da die gewünschte Kontaktaufnahme denkbar auch rein organisatorische Fragen hätte betreffen können. Im Übrigen wäre es dem Beschwerdeführer ja frei gestanden, auch dem Wahlarzt des HBM gegenüber seine Bedenken in Bezug auf die ärztliche Schweigepflicht zu äußern, die diesem ja ebenfalls nicht unbekannt und daher einleuchtend gewesen wären. Da ein Bruch seiner gesetzlichen Verpflichtungen als Arzt somit nicht Gegenstand der ihm erteilten Weisung war, erübrigt sich auch die Behandlung der Frage, ob sich der Beschwerdeführer zu Recht darauf berufen durfte, eine Entbindung von der ihn treffenden ärztlichen Schweigepflicht hätte nur unmittelbar (ohne Dazwischentreten unbekannter Dritter) von Seiten des Patienten erfolgen können.

Da nach den von der belangten Behörde getroffenen und vom Verwaltungsgerichtshof gemäß § 41 Abs. 1 VwGG als Grundlage seiner rechtlichen Erwägungen heranzuziehenden Sachverhaltsfeststellungen eine Remonstration im Sinne des § 44 Abs. 2 BDG 1979 nicht erfolgt war, weil ein kommentarloser Ausspruch "das werde ich nicht tun" nicht als Äußerung rechtlicher Bedenken gewertet werden kann, war die erteilte Weisung, mochte sie auch inhaltlich vom Beschwerdeführer nicht gebilligt werden, zu befolgen. Insoweit sich die Beschwerdeäußerungen nicht an den von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalten, ohne diesen mit konkreten Argumenten als unrichtig oder unvollständig zu bekämpfen, mussten sie im Lichte des bereits zitierten § 41 Abs. 1 VwGG unbeachtlich bleiben.

Da der Beschwerdeführer damit eine ihm erteilte - weder verfassungsgesetzlich noch strafrechtlich verbotene - Weisung nicht bzw. erst erheblich verspätet befolgte (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 21. September 2005, Zl. 2002/09/0169, mwN), obwohl er um die Dringlichkeit der von ihm erwarteten Befolgung dieser Weisung wusste, verletzte er seine in § 44 Abs. 1 BDG 1979 normierte Dienstpflicht. Die darauf fußende rechtliche Beurteilung der Disziplinarbehörden begegnet daher keinen Bedenken.

Aus diesem Grunde war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 15. Mai 2008

Schlagworte

Organisationsrecht Diverses Weisung Aufsicht VwRallg5/4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2006090088.X00

Im RIS seit

03.07.2008

Zuletzt aktualisiert am

05.11.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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