TE Vfgh Erkenntnis 2003/6/25 V11/02

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Veröffentlicht am 25.06.2003
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Index

90 Straßenverkehrsrecht, Kraftfahrrecht
90/01 Straßenverkehrsordnung 1960

Norm

B-VG Art18 Abs2
GeschwindigkeitsbeschränkungsV des Bezirkshauptmannes von Grieskirchen vom 27.01.88 idF vom 23.02.98 betr die B 137 Innviertler Straße §1 Punkt 6
StVO 1960 §20 Abs2
StVO 1960 §43 Abs1 litb

Leitsatz

Keine Gesetzwidrigkeit einer Geschwindigkeitsbeschränkung auf der B 137 Innviertler Straße mangels Nachweisbarkeit der vom antragstellenden Unabhängigen Verwaltungssenat behaupteten wesentlichen Änderung der Verkehrsfrequenz; keine Zweifel an der Schlüssigkeit und Richtigkeit eines im Zuge des Verordnungsprüfungsverfahrens von der Oö Landesregierung vorgelegten Gutachtens

Spruch

Der Antrag wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Verordnung vom 27. Jänner 1988, ZVerkR-3000/1987-137, legte die Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen die auf der B 137 Innviertler Straße zwischen Strkm. 33,900 und Strkm. 34,400 für beide Fahrtrichtungen erlaubte Höchstgeschwindigkeit mit 70 km/h fest. Die

B 137 führt an dieser Stelle durch die Ortschaft Itzling der Gemeinde Kallham. Sie kreuzt dort mehrere Verbindungsstraßen zwischen dem südlichen und dem nördlichen Ortsteil sowie Grundstücksausfahrten, wo es vor Erlassung der genannten Verordnung zu schweren Verkehrsunfällen mit teils tödlichem Ausgang gekommen war.

Die Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen holte vor Erlassung der Verordnung die Unfalldaten für diesen Straßenteil beim Amt der Oberösterreichischen Landesregierung, Abteilung Statistischer Dienst, ein und führte am 3. Dezember 1987 im Beisein von Vertretern der Bundesstraßenverwaltung, der Gemeinde Kallham, der Ortschaft Itzling, des ARBÖ und des Kuratoriums für Verkehrssicherheit und eines technischen Sachverständigen des Amtes der Oberösterreichischen Landesregierung eine mündliche Verhandlung durch. In seinem Gutachten führte der technische Amtssachverständige die Gefährlichkeit dieses Straßenstückes auf die hohe Verkehrsfrequenz zurück. Er bezeichnete die Verordnung einer Geschwindigkeitsbeschränkung auf 70 km/h als "[eine] Notlösung für ein anderes zu bewältigendes Problem". Als einzig akzeptable bauliche Lösung erachtete er bereits damals den Bau einer Unterführung, durch welche die beiden Ortsteile kreuzungsfrei miteinander verbunden würden.

Nach einem Ersuchen des Landeshauptmannes von Oberösterreich, "die Geschwindigkeitsbeschränkung zumindest probeweise anzuordnen", wurde die Verordnung am 27. Jänner 1988 als "kurzfristige Zwischenlösung" bis zur verbindlichen Zusage der Straßenverwaltung zum Bau einer Unterführung erlassen und entsprechend dem Aktenvermerk vom 9. Februar 1988 durch Aufstellung der entsprechenden Verkehrszeichen kundgemacht.

2. Im Jahre 1997 wurden die Verkehrsverhältnisse entlang der

B 137 einer Verkehrssicherheitsuntersuchung unterzogen und durch verkehrspolizeiliche Verordnung neu geregelt bzw. wieder erlassen. Die vorliegende Geschwindigkeitsbeschränkung findet sich nunmehr in §1 Punkt 6 der diesbezüglichen Sammelverordnung der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 23. Februar 1998, ZVerkR-3000-1997-137.

2.1. Beim Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich (im folgenden: UVS) ist zur Geschäftszahl VwSen-107651/8/BI/KM eine Berufung gegen ein Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 25. April 2001 anhängig, mit dem über den Berufungswerber wegen Übertretung der vorliegenden Geschwindigkeitsbeschränkungsverordnung am 16. Oktober 2000 eine Geld- bzw. Ersatzfreiheitsstrafe verhängt wurde.

Aus Anlaß dieses Berufungsverfahrens entstanden beim UVS Zweifel ob der Erforderlichkeit der vorliegenden Verordnung gemäß §43 Abs1 StVO 1960. Er stellt daher den auf Art129a Abs3 iVm. Art89 Abs2 und Art139 Abs1 B-VG gestützten Antrag, §1 ("Geschwindigkeitsbeschränkungen") Punkt 6 der ua. auf §43 Abs1 litb Z1 und 2 StVO 1960 gestützten Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 27. Jänner 1988, VerkR-3000/1987-137, idF der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft von Grieskirchen vom 23. Februar 1998, VerkR-3000-1997-137, als gesetzwidrig aufzuheben.

2.2. Im Hinblick auf das Vorbringen des Berufungswerbers, er habe wegen des Erscheinungsbildes der Straßenanlage und des -umfeldes, insbesondere der großen Sichtweiten und der nur vereinzelt einmündenden Sekundärstraßen des untergeordneten Wegenetzes bzw. der Aufschließung der landwirtschaftlichen Betriebe, die Geschwindigkeitsbeschränkung übersehen, hat der UVS ein weiteres straßenverkehrstechnisches Gutachten eines Amtssachverständigen der Oberösterreichischen Landesregierung eingeholt.

Dieses Gutachten vom 19. Dezember 2001 stützt sich auf den Verordnungsakt der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen, den Strafakt der Bundespolizeidirektion Linz, einen Ortsaugenschein, ein Geschwindigkeitsprofil samt Verkehrszählung vom September 2001 und eine Unfallstatistik sowie die Bestimmungen der StVO 1960 und die Richtlinien der Forschungsgesellschaft Straße und Verkehr (RVS). Die Unfallstatistik weise für den in Rede stehenden Abschnitt der B 137 für den Beobachtungszeitraum 1. Jänner 1990 bis 30. September 2001 lediglich ein geringes Verkehrsaufkommen, keine Unfallhäufung und somit kein überdurchschnittlich hohes Gefahrenpotential (RVS 1.21 "Verkehrssicherheitsuntersuchung") aus. Auch habe sich an den Straßen- und Nebenanlageverhältnissen seit 1987 nichts geändert. Allerdings sei nicht einmal die Unterführung, die im Zuge der Erlassung der Geschwindigkeitsbeschränkung 1987 übereinstimmend als effiziente Schutzmaßnahme für die Anrainer erachtet wurde, errichtet worden; eine solche bestehe weiterhin nur bei Strkm. 33.575.

Die Verringerung der Unfallzahlen gegenüber der Statistik von 1982 bis 1986 führt der Gutachter nicht auf die 70 km/h-Beschränkung zurück, sondern vielmehr auf die Verlagerung des Verkehrs (Schwerverkehrs) auf die A 8 Innkreis Autobahn und das durchschnittlich wesentlich geringere tägliche Verkehrsaufkommen. Auf Grund der Straßen- und Nebenanlagenverhältnisse, insbesondere der Übersichtlichkeit des Straßenabschnitts und der Anfahrsichtweiten (jeweils mehr als 230m; gemäß RVS 3.23 müsse bei einer erlaubten Geschwindigkeit von 100 km/h auf dem bevorrangten Straßenzug eine Anfahrsichtweite von mindestens 185m bestehen), sei auch bei der im Freiland erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h grundsätzlich ein sicheres Einfahren und Queren der bevorrangten B 137 Innviertler Straße möglich.

Ergänzend ist im Gutachten angeführt, daß kurz nach der Verkehrsverhandlung am 3. Dezember 1987 ein weiteres Teilstück der damals noch in Bau befindlichen A 8 Innkreis Autobahn eröffnet worden sei, was eine Entlastung der B 137 gebracht habe. Im Jahr 1987 habe der Schwerverkehrsanteil noch bis zu 40% betragen, wodurch naturgemäß das Einfahren in die B 137 bzw. deren Querung nur erschwert möglich gewesen sei. Dem stehe im Jahre 2001 ein Schwerverkehrsanteil von nur mehr 15% gegenüber.

2.3. Der UVS vertritt in Anbetracht der beiden straßenverkehrstechnischen Sachverständigengutachten aus 1987 und 2001 sowie der aktuellen Verkehrssituation die Auffassung, daß die vorliegende Verordnung nun "nicht mehr" erforderlich im Sinne des §43 Abs1 litb Z1 und 2 StVO 1960 sei. Er begründet diese Gesetzwidrigkeit ausschließlich mit der Behauptung, daß sich die tatsächlichen Verhältnisse, insbesondere die Verkehrsfrequenz, "inzwischen wesentlich [geändert]" hätten. Sein Vorbringen lautet wörtlich wie folgt:

"Auf der Basis beider straßenverkehrstechnischer Sachverständigengutachten und der derzeitigen Verkehrssituation, insbesondere der inzwischen wesentlich geänderten Verkehrsfrequenz und den großen Anfahrsichtweiten, vertritt der Unabhängige Verwaltungssenat unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ... die Auffassung, dass Verordnungen und darauf gestützte Maßnahmen dem Gebot der Erforderlichkeit und einer Interessenabwägung mit Augenmaß standhalten müssen, wogegen die in Rede stehende Verordnung in den Bestimmungen des §43 Abs1 litb Z1 und 2 StVO 1960 keine Grundlage mehr zu finden vermag."

Der Antrag stützt somit die Gesetzwidrigkeit der in Rede stehenden Verordnung ausschließlich auf eine Änderung der tatsächlichen Gegebenheiten seit 1988 und behauptet nicht, daß die Verordnung bereits von Anfang an nicht erforderlich gewesen sei.

3.1. Die vom Verfassungsgerichtshof zur Äußerung aufgeforderte Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen begehrt die Abweisung des Antrages und hält den Bedenken des UVS entgegen, daß die beiden verkehrstechnischen Gutachten bei näherer Analyse in den wesentlichen Punkten nicht in Einklang zu bringen seien, insbesondere weil sich das Zweitgutachten in entscheidungswesentlichen Feststellungen nicht oder nur ungenau mit dem Erstgutachten auseinandersetze. Sowohl der Antrag als auch das Zweitgutachten ließen außer Betracht, daß im Erstgutachten davon die Rede sei, daß "eine solche Beschränkung sicherlich eine Geschwindigkeitsreduktion mit sich bringen würde, aber die Bedeutung einer Beschilderung nicht überschätzt werden" dürfe. Die Gutachtensausführungen seien damals von der verordnungserlassenden Behörde dahingehend interpretiert worden, daß eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 70 km/h "grundsätzlich ein taugliches Mittel zum Schutze der die Straße querenden Fußgänger, aber auch des übrigen Verkehrs [insbesondere in Zusammenhang mit beidseits umliegenden landwirtschaftlichen Betrieben] darstelle". Der Umstand, daß die in Rede stehende Geschwindigkeitsbeschränkung im Gutachten selbst lediglich als Notlösung bezeichnet werde, rechtfertige nicht den vom UVS gezogenen Schluß mangelnder sachlicher Voraussetzungen zur Verordnungserlassung. Vielmehr sei darin ein Lösungsvorschlag für das bereits 1987 an die Straßenpolizeibehörde herangetragene Problem, daß sich im betreffenden Straßenabschnitt einige schwere, zum Teil tödlich verlaufende Verkehrsunfälle mit querenden Fußgängern ereignet hätten, für den Fall zu sehen, daß es zu keiner Realisierung der vom Erstgutachter vorgeschlagenen Unterführung kommen sollte. Es erscheine daher in hohem Maße widersprüchlich, wenn das Zweitgutachten einerseits feststelle, daß sich an den Straßen- und Nebenanlagenverhältnissen seit Erlassung der Verordnung nichts geändert habe, jedoch anderseits mit keinem Wort erwähne, daß das Erstgutachten eine 70 km/h Beschränkung - wenn auch nur mangels anderer baulicher Alternativen - als sachgerechte Problemlösung zur Vermeidung von Unfällen (mit Personenschaden) akzeptiere.

Das Gutachten führe zwar die Reduktion der Unfallzahlen auf den "wesentlich geringeren durchschnittlichen täglichen Verkehr (DTV), vor allem durch die Verlagerung des Schwerverkehrs auf die A 8 Innkreisautobahn" zurück, lasse jedoch eine Auseinandersetzung mit den (positiven) Auswirkungen der Geschwindigkeitsbeschränkung auf das nachfolgende Unfallgeschehen vermissen.

Die Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen hält dem Antragsvorbringen weiters entgegen, daß seit der Verordnungserlassung keine wesentliche Änderung der Verkehrsfrequenz eingetreten sei. Sie führt dazu Ergebnisse von Straßenverkehrszählungen des Österreichischen Statistischen Zentralamtes (nun Statistik Österreich) der Jahre 1985, 1990 und 2000 an, wonach die Fahrzeugfrequenz auf dem vorliegenden Straßenstück im Jahre 1985 für den Personenverkehr 4851 und für den Güterschwerverkehr 1334 betragen habe. Die durchschnittliche Anzahl von 6185 Einheiten für 1985 könne auch als Grundlage für das Jahr 1987 herangezogen werden. Im Jahresdurchschnitt 1990 zähle der Personen- und Güterschwerverkehr zusammengenommen 4175 Einheiten; laut Straßenverkehrszählung 2000 sei der Personenverkehr im Jahresdurchschnitt auf einen Wert von 3981 und der Güterschwerverkehr auf einen Wert von 858, somit gesamt 4846, gestiegen.

Aus dieser Aufschlüsselung werde deutlich, daß sich die Verkehrsfrequenzen von 1987 bis 2000 (trotz Fertigstellung der A 8 Innkreis Autobahn) nicht entscheidungswesentlich verändert hätten und sie daher als Beurteilungsgrundlage für die beiden verkehrstechnischen Gutachten ungeeignet seien. In diesem Zusammenhang wird von der BH Grieskirchen auch die wesentliche Schlußfolgerung des Zweitgutachtens verworfen, indem sie feststellt, daß die vermeintliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse auf dem in Rede stehenden Straßenstück, die mit der Reduktion der Verkehrsfrequenz von 12.000 bis 14.000 Einheiten pro Tag (davon 40% Schwerverkehr) im Jahre 1987 auf gegenwärtig ca. 5000 Einheiten pro Tag begründet worden sei, von einer irrtümlichen Annahme ausgehe. Die im Erstgutachten aus 1987 angeführte Verkehrsfrequenz von 12.000 bis 14.000 Einheiten pro Tag sei nämlich nicht auf den hier maßgeblichen Strkm. 33,900 bis Strkm. 34,400 gezählt worden, sondern auf einem weiter östlich, nach Einmündung der B 141 - Rieder Bundesstraße, gelegenen Straßenabschnitt der B 137. Im übrigen fehle im Gutachten aus 2001 jeglicher Hinweis auf die Verbauung bzw. die durch die Weilercharakteristik der beiden Ortschaften mehrfach bestehenden Ein- und Zufahrten zu landwirtschaftlichen Anwesen. Insofern vermöge daher das Gutachten in seinen Feststellungen zu den Straßen- und Nebenanlagenverhältnissen bzw. zur Übersichtlichkeit des Straßenabschnittes und der Anfahrsichtweiten schon nicht zu überzeugen.

Die beidseits der Straße befindliche Verbauung und die ungeregelten Kreuzungen, bedingt durch zahlreiche Ein- und Zufahrten, schaffen ein Gefahrenpotential, wodurch die Verordnung der Geschwindigkeitsbeschränkung, "zum Schutze der Verkehrsteilnehmer, insbesondere der die Ortschaften Itzling und Erlach querenden Fußgänger sowie der ein- und ausfahrenden landwirtschaftlichen Nutzfahrzeuge, eine Herabsetzung der auf Freilandstraßen grundsätzlich erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h gerechtfertigt erscheinen" lasse. Deshalb werde beantragt, den Antrag des UVS abzuweisen.

4.1. Der Verfassungsgerichtshof forderte mit Schreiben vom 23. Oktober 2002 die Oberösterreichische Landesregierung auf, ein weiteres Gutachten zur Frage der Erforderlichkeit iSd. §43 Abs1 litb Z1 und 2 StVO 1960 der genannten Verordnung unter Bedachtnahme auf die seit dem Bau der A 8 Innkreis Autobahn geänderten Verkehrsverhältnisse vorzulegen.

4.2. Das von der Oberösterreichischen Landesregierung vorgelegte Gutachten vom 19. Dezember 2002 tritt der im Antrag vertretenen Auffassung ebenfalls entgegen. Es legt - unter Bezugnahme auf die Verkehrszählung aus 1985 - dar, daß durchschnittlich

6.185 Einheiten pro Tag auf diesem Straßenstück gezählt wurden und nicht - wie im Zweitgutachten irrtümlich angenommen - 12.000 bis 14.000 Einheiten pro Tag.

Diese Feststellung stimmt im Ergebnis mit der vom Verfassungsgerichtshof beigeschafften "Straßenverkehrszählung 1985 auf Bundesstraßen im gesamten Bundesgebiet der Republik Österreich" (Statistisches Zentralamt) überein. Der Widerspruch erweist sich als bloß scheinbarer, da die durchschnittlich 12.000 bis 14.000 Fahrzeuge pro Tag, auf die in den Gutachten und Stellungnahmen mehrfach Bezug genommen wurde, an einer anderen Stelle der Straße, nämlich in der Nähe von Bad Schallerbach, Strkm. 18.400, gezählt wurden.

Nach Auffassung der Oberösterreichischen Landesregierung sei "aus dem Gutachten [vom 19. Dezember 2001, sog. Zweitgutachten] ... in Verbindung mit dieser Korrektur ableitbar, dass die Reduktion der Unfallzahlen in diesem Abschnitt nicht allein mit dem Rückgang der Verkehrsbelastung begründet werden kann, sondern auch wesentlich mit der Herabsetzung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zusammenhängen muss." Das Gutachten kommt daher zum Ergebnis, daß "aus Sachverständiger Sicht die verordnete Geschwindigkeit von 70 km/h auf der B 137 zwischen km 33.900 und km 34.400 unter Hinweis auf die durch die Unfallzahlen verifizierte Sicherheitserhöhung sachlich begründet" sei und die Voraussetzungen des §43 StVO 1960 erfülle.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Zur Zulässigkeit:

Es ist offenkundig, daß der UVS bei seiner Entscheidung über die bei ihm anhängige Berufung die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 27. Jänner 1988 idF vom 23. Februar 1998, deren Übertretung Voraussetzung für die Bestrafung des Berufungswerbers ist, anzuwenden hat.

Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist das Verordnungsprüfungsverfahren gemäß Art139 Abs1 und Art129a Abs3 iVm. Art89 Abs2 und 3 B-VG zulässig.

2. In der Sache:

        2.1. Gemäß §43 Abs1 litb Z1 StVO 1960 hat "die Behörde für

bestimmte Straßen oder Straßenstrecken ... wenn und insoweit es die

Sicherheit, Leichtigkeit oder Flüssigkeit des sich bewegenden oder

die Ordnung des ruhenden Verkehrs, die Lage, Widmung, Pflege,

Reinigung oder Beschaffenheit der Straße, ... oder wenn und insoweit

es die Sicherheit eines Gebäudes oder Gebietes und/oder der Personen,

die sich dort aufhalten, erfordert, ...

Geschwindigkeitsbeschränkungen ... zu erlassen".

2.2. Wie der Verfassungsgerichtshof schon wiederholt ausgesprochen hat (vgl. VfSlg. 8984/1980, 9721/1983, 13371/1993, 14051/1995), sind "bei Prüfung der Erforderlichkeit einer Verordnung nach §43 StVO 1960 ... die bei der bestimmten Straße oder Straßenstrecke, für welche die Verordnung erlassen werden soll, anzutreffenden, für den spezifischen Inhalt der betreffenden Verordnung relevanten Umstände mit jenen Umständen zu vergleichen, die für eine nicht unbedeutende Anzahl anderer Straßen zutreffen".

Der Verfassungsgerichtshof geht sohin in ständiger Judikatur davon aus, daß bei Anwendung der vom Gesetzgeber mit unbestimmten Begriffen umschriebenen tatbestandlichen Voraussetzungen für die Erlassung von Geschwindigkeitsbeschränkungen durch Verordnung die zuständige Behörde einen Vergleich der Verkehrs- und Umweltverhältnisse anzustellen hat: Die betreffenden Verhältnisse an den Straßenstrecken, für welche eine Geschwindigkeitsbeschränkung in Betracht gezogen wird, müssen derart beschaffen sein, daß sie eine Herabsetzung der vom Gesetzgeber selbst allgemein für den Straßenverkehr in §20 Abs2 StVO 1960 festgesetzten Höchstgeschwindigkeiten rechtfertigen (vgl. VfSlg. 16016/2000).

2.3. Der UVS stützt seinen Antrag auf ein vom Amt der Oberösterreichischen Landesregierung, Abteilung Maschinen- und Elektrotechnik, Verkehrswesen, eingeholtes straßenverkehrstechnisches Gutachten samt Unfallstatistik für Personenschadensfälle vom 19. Dezember 2001. Ausgangspunkt der Feststellungen für dieses Gutachten aus 2001 ist der Befund des technischen Amtssachverständigen aus 1987, der von einer Verkehrsfrequenz von 12.000 bis 14.000 Einheiten pro Tag, davon 40% Schwerverkehr, für den - offenbar gesamten - Straßenverlauf der B 137 ausgeht. Da sich aber an den Straßen- und Nebenanlagenverhältnissen, insbesondere hinsichtlich Übersichtlichkeit und Anfahrsichtweiten aus benachrangten Straßen, laut Sachverständigengutachten seit 1987 nichts geändert habe, sei daher die - mittels Vergleich der aus 1987 stammenden Zahlen mit den Ergebnissen jüngerer Verkehrszählungen - festzustellende "Verringerung der Unfallzahlen gegenüber der Unfallstatistik von 1982 bis 1986 primär nicht auf die gegenständliche 70 km/h - Geschwindigkeitsbeschränkung, sondern vielmehr auf den wesentlich geringeren durchschnittlichen täglichen Verkehr (DTV), der sich, vor allem, durch die Verlagerung des Verkehrs auf die A 8 Innkreisautobahn, von 14.000 im Jahr 1997 [wohl gemeint: 1987] auf knapp 4.500 Fahrzeuge/24h auf der B 137 Innviertler Straße verringert hat, zurück zu führen".

2.4. Der UVS hat die Gesetzwidrigkeit des §1 Punkt 6 der Verordnung ausschließlich auf die Behauptung gestützt, daß sich die wesentlichen Verhältnisse, die einst maßgeblich für die Erlassung der Verordnung waren, geändert hätten. Nach ständiger Rechtsprechung ist der Verfassungsgerichtshof in einem auf Antrag eingeleiteten Normprüfungsverfahren an die im Antrag aufgeworfenen Bedenken gebunden, sodaß er ausschließlich beurteilt, ob die angefochtenen Bestimmungen aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen gesetz- bzw. verfassungswidrig sind (vgl. zB. VfSlg. 12592/1990, 12691/1991, 12947/1991, 13471/1993, 13704/1994, 14050/1995, 14466/1996).

2.5. Der Verfassungsgerichtshof sieht daher keine Veranlassung, die Richtigkeit und Schlüssigkeit des Gutachtens vom 19. Dezember 2002 in Zweifel zu ziehen, zumal es von hinreichend klargestellten Sachverhaltselementen ausgeht. Da somit die wesentliche Änderung der Verkehrsfrequenz nicht nachweisbar ist, ist der Antrag nicht geeignet, die behauptete Gesetzwidrigkeit der angefochtenen Verordnung darzutun.

3. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Straßenpolizei, Geschwindigkeitsbeschränkung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2003:V11.2002

Dokumentnummer

JFT_09969375_02V00011_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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